Die tiefe Richtung

Endlich ist der große Tag gekommen,
Schon ist das Vergangne schrecklich nah,
Doch die Zukunft ist bereits verschwommen;
Auch die Gegenwart ist nicht mehr da.
Gott und Mensch und Weltall sind verschwunden,
Was einst sein wird, glüht im Morgenrot;
Stille stehn die sonst so raschen Stunden,
Und gestorben ist nun auch der Tod.
Aus dem Nichts entwickelt sich ein Grausen,
Eine Donnerstimme ruft: »Ich bin!« ...
Plötzlich jagt es mit Gewittersausen
Durch den weiten öden Raum dahin.
Alles starrt beklommen rings im Kreise,
Niemand blickt dem andern ins Gesicht;
Aus den Tiefen stöhnet sterbend leise
Eine Geisterstimme: »Ich bin nicht!« ...
Einem Mädchen nur aus hohem Norden
Ist die Lösung wunderbar geglückt:
Der Poet war Philosoph geworden
Und der Philosoph verrückt.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wedekind, Frank. Gedichte. Die vier Jahreszeiten. Winter. Die tiefe Richtung. Die tiefe Richtung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-958B-A