Unterm Apfelbaum

Lieschen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf
Ihrer Mutter zum Feste.
Ich lag unten, verliebt und faul,
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase.
Jetzt stand Lieschen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.
Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Taten sich auf und befühlten sich –
Winkten mir tausend Grüße.
Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag,
Farbenprächtig zu malen.
Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich die gedämpfte Helle;
Welcher Meister hat je gebaut
Prächtiger eine Kapelle.
Kindlich faltet ich da die Händ',
Forderte heiß und brünstig:
Was kein irdischer Name nennt,
Werde dem Sünder günstig.
Sieh, und am nämlichen Abend schon,
Tief in die Kissen gebettet,
Wurden der kindlichen Bitte zum Lohn
Leib und Seele gerettet.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wedekind, Frank. Gedichte. Die vier Jahreszeiten. Sommer. Unterm Apfelbaum. Unterm Apfelbaum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-963D-0