[271] 3.

Und im Morgendufte wandelten wir
Durch die herbstlichen Rebenlauben,
Es rauschte märchenmurmelnd der Rhein –
Rubinfarben glühten die Trauben.
»In Köln war wirklich ein arger Skandal –«,
Begann ich zum alten Herrn Soherr,
»Barrikaden kamen in Masse, man wußt
Bei Gott nicht, von wannen und woher.
Sie wurden im Nu emporgebaut
Von Händen, energischen, raschen,
Aus Dombausteinen und Kirchenstühln
Und aus ausgetrunkenen Flaschen.
Es wehte die Fahne der Republik,
Und ein Tag war's, ein fürchterlicher.
Steckbrieflich werden die Häupter verfolgt,
Kein ehrlicher Mann ist mehr sicher.
Die Insurgenten wurden verjagt,
Und proklamiert ward eilig das Standrecht;
Das ist wahrhaftig noch schlimmer als
Das alte preußische Landrecht.
Herr Engels, der ist Diktator von Köln,
Bis wieder die Sonne der Ruh scheint;
Der Stadtkommandant, Herr Engels, der hat
Die Bürgerwehr Kölns entkuhbeint.
[272]
Geschlöffelt wird, wer sich rührt oder regt,
Gehangen, gebraten, gesotten –
Wohl werd ich mich hüten, Herrn Engels mit
Meinem Lästermund zu verspotten.
Er würde mich packen mit schrecklicher Faust
Und würde zu Tode mich schießen
Mit seinem groben Geschütze, und ach,
Das würde mich sehr verdrießen.
Wie einen Krammsvogel würde er mich
An den grauen Domkranen hangen –
Doch die Krammsvögel lassen am besten sich
In den Nebeln des Herbstes fangen.
Und Krammsvögel schmecken vortrefflich gut
Mit buttergeröstetem Brote –
O himmlischer Vater, laß manche mich
Noch essen vor meinem Tode!«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weerth, Georg. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Kein schöner Ding ist auf der Welt, als seine Feinde zu beißen. 3. [Und im Morgendufte wandelten wir]. 3. [Und im Morgendufte wandelten wir]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-96EB-8