12. An das hochwerthe Deutschland wegen dieser Lieder

Du liebstes Vatterland! vergönne deinen Sohne,
Daß er sein eitles thun der Welt zu schauen giebt.
Ich sehne mich darbey nach keinem andern Lohne,
Als wann die hohe Gunst den guten Willen liebt.
Ich muß es zwar gestehn, es sind geringe Sachen,
Daraus ein bloser Schertz, und sonsten nichts entspringt,
Jedoch, ein kurtzes Lied kan sich belieblich machen,
Wann nur die rechte Zeit es auf die Bahne bringt:
Ich bin kein Opitz nicht, er bleibt noch unser Meister,
Und sein berühmter Thon reist durch das Sternen-Dach,
Hingegen fliegen sonst die Lobens-werthen Geister
Kaum auff den halben Weg mit schwachen Federn nach.
Wie wohl ich darff mich nicht in die Gesellschafft mengen,
Die durch den Lorber-Zweig das Haar umb sich verbindt,
Mein Glücke führt mich sonst auff Kunstbeliebten Gängen,
Da dieses Neben-Werck gar wenig Stunden sind.
Doch liebstes Vatter-Land, ich werde dir gefallen,
Daß ich im Schreiben nicht ein Sprach Tyranne bin,
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Ich folge deiner Zier, und richte mich in allen
Auff alte Reinigkeit und neue Kurtzweil hin,
Ich bin so Eckel nicht, ich lasse mir belieben,
Was die Gewohnheit jetzt in langen Brauch gebracht,
Hätt unser Alterthumb nicht so und so geschrieben,
So hätt es dieser Kiel auch anders nachgemacht.
Und weil die Teutschen viel auß andern Sprachen borgen,
So muß ich ebenfalls mich auch darzu verstehn:
Ein ander, dems verdreust, mag sich zu todte sorgen,
Gnug, daß die Verse gut, die Lieder lieblich gehn,
Ist dieß nicht Puppen-Werck, wer etwas grosses heissen,
Und seinen Lorbeer-Krantz mit Golde zieren wil,
Der muß das ABC auß seiner Ordnung schmeissen,
Bald hat er nicht genug, bald hat er gar zuviel,
Da ist ein Wort nicht recht, das haben die Lateiner,
Gelehnt und nicht geschenckt; das kommt auß Griechenland,
Da wird der Thon zulang, da wird die Sylbe kleiner,
Die Sprache die wird nur nicht gäntzlich umbgewandt.
Der arme Zizero ist auch ins Z gerathen,
Der sonst fast oben an, in seiner Reihe steht,
Vielleicht weil ein Gemüth, in diesen Helden-Thaten,
Gar langsam auff den Glantz der Redens-Künstler geht.
Sanct Felten ist hinauff biß an das F gestiegen,
Und er verdient fürwahr die Ehr-Bezeigung nicht:
Der Kwarck muß in das K auß seinem Neste fliegen,
Ob gleich die gantze Welt den Händeln widerspricht,
Der Käyser sol bey uns nicht weiter Käyser heissen,
Er sol dafür ein Ertz- und grosser König seyn,
Wer uns dieß tapfre Wort wil auß der Zunge reissen,
Raubt uns der Völcker Ruhm, und unsers Landes-Schein,
Ein solcher Klügling hat gewiß nicht viel gelesen,
Und hat ers ja gethan, so möcht er in sich gehn,
Daß unsre Teutschen auch nicht Narren sind gewesen,
Und daß man alles kan ohn diesen Tand verstehn.
Ein Ander mag sich mehr mit diesen Leuten zancken,
Mein ungebundner Fuß geht in der Einfalt fort,
Und mein erregter Sinn verwickelt die Gedancken,
Mehr in der Sachen selbst, als in ein kahles Wort.
Hier hab ich nur geschertzt, doch wird man leicht gedencken,
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Daß, wie ich meiner Lust allhier genug gethan,
Ich, wann ich künfftig will, die Augen höher lencken,
Mit gleicher Fertigkeit die Feder richten kan.
Ich bin auch nicht so kühn, den Momus zuverfluchen,
Weil er den höhnschen Mund nur an die Götter setzt,
Solt er diß schlechte Werck zu seiner Rache suchen?
Nein, er ist viel zustoltz, wann er die Zähne wetzt.
Drum bin ich auch vergnügt, und lege diese Lieder
Halb furchtsam und darbey halb trotzig vor die Welt,
Es falle wie es will, so komm ich doch nicht wieder,
Der Himmel hat den Fleiß mir sonst wohin bestellt.

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken zehentes Dutzent. 12. An das hochwerthe Deutschland. 12. An das hochwerthe Deutschland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-97E8-6