8. Ein Abriß der Schönheit selber

1.
Ich weiß ein Liebes Schätzgen,
Ein artig Kammer-Kätzgen,
Darüber muß ich mich bemühn,
Und sie auff meinen Schauplatz ziehn.
2.
Das Mädgen muß in allen
Den Leuthen wohlgefallen,
Und hat auch nicht ein eintzig Glied,
Daß nicht der Schöhnheit ähnlich sieht.
3.
Die Haare stehn ihr nette,
Gleich wie mein Stroh im Bette,
Und sind so naturell und krauß,
Wie einer krancken Wasser-Mauß.
4.
Sie stutzet mit dem Zopffe
Auff ihrem kleinen Kopffe:
Du lieber Kopff, bist du nicht rund,
Wie meiner Grossemutter Hund.
[120] 5.
Die auserlesene Stirne
Sieht fast wie eine Birne,
Die draussen auff dem Miste liegt,
Und hier und da ein Fleckgen kriegt.
6.
Die schönen Ohres-Löcher
Die sind wie zwey Gemächer,
Da Flöh und Leuse bleiben stehn,
Wann sie auffs Häußgen wollen gehn.
7.
Die Ohren haben Läppgen,
Als wie die Käse-Näppgen,
Die sind voll Ruß biß oben an,
Daß man sie bald wegschauffeln kan.
8.
Die Augen macht sie helle
Wie eine Pferde Schelle,
Wann sie ein Blickgen scharff-verliebt,
Als eine todte Ratte giebt.
9.
Die Nase steckt im Quarge,
Gleich wie in einem Sarge,
Sonst ist das Leder zart und keusch,
Wie angebrantes Schöpsen-Fleisch.
10.
Das Maul lacht ihr von forne,
Gleich wie der Hund im Borne,
Und wie ein Bauer in der Stadt,
Wann er ein Eisen funden hat.
11.
Die wohlgestalten Backen,
Wie auch der schöne Nacken,
Die sind, wo ichs vergleichen mag,
Wie eines Müllers Kohlen-Sack.
12.
In ihrem zarten Kinne
Hat neulich eine Spinne,
Vier Wochen lang ein Nest gebaut,
Und gleich wohl hat ihr nicht gegraut.
13.
Die grossen Leder-Flaschen
Sind wie die Bettel-Taschen,
Und hencken albern vor sich weg
Als ein gebeitzter Kirschner-Fleck.
14.
Die wohlgeschickten Hände
Sind weich, wie alte Wände,
Die Finger sind so zart und frisch
[121]
Wie ein verdorbener Flederwisch.
15.
Die Armen sind wie Priegel,
Und wie die Hölle-Riegel,
Die gucken zu den Ermeln rauß,
Und sehn wie eine Blut-Wurst auß.
16.
Mehr hab ich nicht gesehen,
Es soll auch nicht geschehen,
Dann wo sie sich nackt sehen läst,
So sterb ich warlich an der Pest.
17.
Drum wil ich nur beschliessen,
Weil ich nicht mehr kan wissen,
Doch dieses sey zu guter Letzt
Ihr als ein Wunsch hinzu gesetzt.
18.
Bestecket sie mit Raute,
Spickt sie mit sauer Kraute,
Und schicket sie mit Haut und Haar
Dem Hencker zu dem Neuen-Jahr.

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken siebendes Dutzent. 8. Ein Abriß der Schönheit selber. 8. Ein Abriß der Schönheit selber. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-97F1-0