9. Gut gemeynt, übel gerathen

1.
Ach weh ich armes Kind!
Was vor ein Labyrinth
Verwirrt mir die Gedancken?
Da muß ich ungefähr
[137]
Bald hin bald wieder her,
Als wie ein Schilffrohr wancken.
2.
Ist diß der schöne Grund,
Darauff die Hoffnung stund,
Die mir so günstig lachte?
Soll diß die Freundschafft seyn
Die mir den falschen Schein
Sonst vor die Augen machte?
3.
Mich deucht, ich hätt einmahl,
Durch Sorgen, Müh und Quaal,
Den Fisch herauß geangelt;
So werd ich die Gefahr
Nun allererst gewahr,
Da mir das beste mangelt.
4.
Die Freunde sind nicht faul,
Und wollen mir das Maul
Mit süssen Worten schmieren,
Da kommen sie zu mir,
Und wollen da und hier
Mich bey der Nase führen.
5.
Die Feinde sehn mich an,
Und blecken ihren Zahn,
Als wolten sie gedencken,
Ich würde dergestalt
Den Karren nicht so bald
Auß diesem Kothe lencken.
6.
Und also weiß ich nicht,
Wohin ich mein Gesicht
Vor Gram und Sorgen wende:
Mein Leben hab ich noch,
Sonst hat die Lust ein Loch,
Und alle Gunst ein Ende.
7.
Ihr Leute, kommt und schaut,
Wie schlim hab ich gebaut,
Der Grund ligt auff dem Sande.
Der wirfft mir nun das Hauß
Zu allen Fenstern nauß,
Und läst mich in der Schande.
8.
Wolan, ich bin genug
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Mit meinem Schaden klug,
Ich mags nicht mehr erfahren,
Ich leyde, was ich soll,
Und itzo seh ich wol,
Verstand kommt nicht vor Jahren.
9.
Doch will ich meinen Sinn,
Daß ich so alber bin,
Auß aller Macht verfluchen:
Und gönnt mir Gott die Zeit,
So will ich anderweit
Mein besser Glücke suchen.

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. 9. Gut gemeynt, übel gerathen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9817-3