Christian Weise
König Wentzel
Eine Misculance, von der alsogenannten Tragoedie und Comoedie, in der Vorstellung einer Historie oder einer Fabel vom König Wentzel / welcher der alten Tradition nach in Zittau soll erzogen seyn.

Inhalt

[5] Innhalt.

Wir nennen das Spiel nicht unbillig eine MISCULENCE weil die ACTION biß weilen aus Hohen und Königlichen Personen / bißweilen aus gemeinen Bürgers-Leuten bestehet. Ja weil viel kleine Personen mit untermischet werden / die nach ihrem Verstande was kindisches mercken lassen. Ob auch wohl die Sache dergestalt eingerichtet ist / daß sie nirgend besser als auff einen Zittauischen THEATRO kan PRÆSENTIret werden; so dürffte doch nur hin und wieder was weniges ausgelassen werden; damit worden sich auch die Zuschauer anderswo daran vergnügen können.

Es bezeucht sich aber alles auff eine TRADITION, damit unsere lieben Alten sich über die massen viel gewust haben. Wir wolten auch einen grössern Staat davon machen / wenn sich nur in einem HISTORICO was gewisses antreffen liesse. Zum wenigsten sind die Umstände derselben Zeit nicht allerdings zuwider /daß wir uns auch an der Fabel belustigen mögen. Sonderlich da man in solchen Lust-Spielen nicht allemahl verbunden ist / lauter Historien anzuführen /wenn nur die Vorstellungen an sich selbst dem Menschlichen Leben ähnlich sind / und mit gutem Nutzen können angesehen werden.

Die Begebenheit an sich selbst ist diese: Königs OTTOCARI in Böhmen hinterlaßener Sohn WENCESLAUS, wird in seiner zarten Kindheit von dem Marggrafen zu Brandenburg als Vormunden auffgehalten. Doch als er auff inständiges Begehren der Grossen im Lande wiederum geliefert wird / verbindet sich die verwittwete Mutter mit einem von Zabisch /und da sie [5] wohl siehet / daß ihr kein andrer Weg zur Bestätigung des Königreiches offen stehet / als der Tod ihres Sohnes / werden viel Mittel ersonnen / diesen jungen Herrn um das Leben zu bringen. Allein die andern Landes-Stände mercken die List / und schaffen ihren künfftigen Trost heimlich fort. Und da hat eben die unlängst erbaute Stadt Zittau das Glücke / daß er daselbst auffgenommen / und auff einige Zeit versorget wird. Ob nun wohl unterschiedne List gebraucht wird / des Königes habhafte zu werden; So bricht doch letzlich die Untreu aus / die Königin wird mit ihrem Liebsten gefangen / der Anhang wird zerstreuet / und Wenceslaus wird mit Freuden nach Prage abgeholet / da er sich erkläret / der Stadt Zittau mit unsterblicher Königlicher Gnade beygethan zu verbleiben.

Personen

[6] Personen.

    • Wentzel, der junge König in Böhmen.

    • Cunigunda, die verwittwete Königin.

    • Rudolf, ein junger Graff.

    • Zabisch, in Cunigunden verliebt.

    • Czenko,
    • Woko, dessen Brüder.

    • Poto,
    • Sbinko, Landstände / König Wentzeln zugethan.

    • Hinko, des Königs Inspector.

    • Girschick, des Königs kleiner Mönch.

    • Wazek, dessen lustiger Diener.

    • Ludomilla, des Königs alte Kammer-Frau.

    • Bäbel, ein lustiger Gärtner.

    • Berthold,
    • Martin, Bürger von Zittau.

    • Rosine, Bertholds Frau.

    • Lisel, dessen kleine Tochter.

    • Lesko,
    • Heyno, zwey Soldaten.

    • Bruno, ein Münch von Zittau.

    • Jarosla, ein böhmischer Wursthändler.

    • Zbisla, ein böhmischer Semmelkrämer.

    • Marinka, eine Leimthändlerin vom jungen Buntzel.

    • Christoffel, der Heldermeister von Zittau.

    • Tobiasch, ein junger Bettler.

    • Janku,
    • Nikschi, Bauern.

    • Antschku,
    • Heuscha, ihre Weiber.

    • Ottocari Geist.

    • [7][9]

Vorspiel

Vorspiel.

An statt des Vorredners wurden etliche Knaben auffgeführet / da GENIUS ZITTAVIÆ hervortrat /und zwölff Abgesandten von den nahmhafften Gebürgen mit sich brachte. Die Manier dergleichen Eingang zu gebrauchen / und auch junge Kinder bald getrost und geschickt anzugewehnen / wird dem geneigten Leser nicht mißfallen / ob sie gleich anderswo eben in solchen TERMINIS nicht zu gebrauchen seyn.


GENIUS ZITTAVIÆ,
von zwölff Schäffern begleitet.

Ihr liebsten Zittauer / oder daß ich niemanden vorbey gehe / ihr angenehmen Gäste in Zittau / hier stehe ich unter dem Nahmen GENIUS ZITTAVIÆ. Das weiß ich / es wird niemand einen Schutz-GOtt aus mir machen / wie etwan die Heydnischen Poeten bey allen Bergen / bey allen Bächen / und bey allen wohltätigen Liebeszeichen der Natur / eine Nymfe / oder einen GOtt zu logiren wusten. Das ist wahr / GOtt lässet seinen Seegen um diese Gegend reichlich hervor wachsen / und also stelle ich mich auff diesem Platze als ein Sinnbild des grünen Segens ein / damit der gnadenreiche Schöpffer diese Gegend auff dem Zittauischen Gebürge zu bekrönen pflegt. Das ist die Gegend / darein sich der tapffre König OTTOCARUS verliebte / daß er auch an dem Zusammenflusse der Mendau und der Neisse eine Stadt wolte gebauet wissen. Das ist die Gegend / da sich dessen königlicher Sohn WENCESLAUS mit grössrer Gnade gewiesen hat. Und es lassen sich die alten Wolthaten desto angenehmer bedencken / je gewisser das Durchlauchtige Chur-Hauß Sachsen dazu gebohren ist / daß die Wohlthaten der alten Zeit jemehr und mehr selten verjünget und PERFECTIONIret werden. Gleichwie [9] nun die Begebenheit des bevorstehenden Spieles an sich selber nicht unangenehm seyn kan: Also werden auch diese getreuen Vorredner / die als Zeugen des gesegneten Landes von den höchsten Bergen dieser Gegend herkommen / mit gleichmäßiger Genehmhaltung angesehen werden.

I. Ich komme gleich von Rosenthale an der Neisse / und an meinem Nahmen verwundre ich mich nicht / warum dieser liebe Ort bißhero so viel geliebte Söhne dem Rosenthale an der Pleisse anvertrauet hat.

II.

Ich komme von dem grossen Horne / welches die Mandau spielen sieht / und welches vielleicht dessentwegen an diesem Orte muß auffgeführet werden / weil die vormahlige Lust der also genandten Spielwiese numehr / in diesen THEATRALIschen Zeitvertreib ist verwandelt worden.

III.

Ich komme von dem Oybin und muß dem Segen dieses Landes glückselig schätzen / weil man die liebe Stadt gleich an dem Orte sehr lustig anschauen kan / wo das Denckmahl einer Hohen Churfürstlichen Gnade oben an den Felß ist eingehauen worden.

IV.

Ich komme von dem Königs-Holtze / welches aus dem Königlichen Nahmen Ursache gnung zu dencken giebt / daß diese werthe Stadt der Königlichen Gnade vielmahls müsse genossen haben.

V. Ich habe sonst meine Wohnung auff der Lausche / welche mit allem Rechte des Wetters Königin / und dergestalt ein COMPAS der nachfolgenden Fruchtbarkeit kan genennet werden.

[10]
VI.

Ich habe meine RESIDENZ auff dem breiten Berge auffgeschlagen / und kenne die Wunderwercke am besten / die sich in dieser fruchtbaren Erde verschlossen haben.

VII.

Man lasse nur meinen Gickelsberg ungetadelt / die reine Lufft / und also nachgehends das Leben und die Gesundheit / welche darum wohnet / hat ein unvergleichliches Lob verdienet.

VIII.

Meine Wohnung ist auff dem Hohwalde / wer sich auff desselben Spitze befindet / der kan dieselbe Wohnung zu Prage betrachten / darinnen bey König WENTZELN die Liebe gegen die redlichen Zittauer gewohnet hat.

IX.

Mich hat eine Nymfe auff dem Blitzens-Berge gezeuget / da sehe ich / wie bey so vielen Wettern der Blitz mehr Schrecken als Schaden / und also mehr Gnade als Zorn in sich zu begreiffen pfleget.

X. Meine beste Lust ist auff dem Heydeberge bey der Gäblischen Brücke / der hat die Ehre / daß die reisenden Personen dabey vom Wagen steigen und gleichsam vor meiner schönen Wohnung einen REVERENZ machen.

XI.

Ich habe den Kiefergrund-Berg zu meiner Wohnung ausersehen / und weiß am besten / was in meinem Boden vor Fettigkeit wohnet.

XII.

Ich habe den Ameißen-Berg in meiner INSPECTION, und so erfreue mich / wenn ich die Arbeiter als geschäfltige Ameißen darauff soll krübeln sehen.

[11]

I. Der Höchste lasse durchgehends so viel Glücks- Rosen auffblühen / als die schlancke Neisse Tropfen vor dem Rosen-Thale vorbey spielen lässet.

II.

Der Höchste lasse seyn Horn des Heils um diese Stadt allezeit erhöhet seyn / und gebe so viel weisse Zeichen in dem allgemeinen Glücke / so viel Eltern Leinwand an der nutzbaren Mandau weiß und klar waschen werden.

III.

Was vor diesem bey den anwesenden Mönchen der CŒLESTINER Berg geheissen hat / das sey noch künfftig ein Merckmahl / daß man bey dieser löblichen Stadt auff dem Himmels-Berg sehen kan / von welchem Hülffe kömmt.

IV.

Was groß beständig und gesegnet ist / nennet man mit allem Rechte Königlich: und wenn wir diesen Verstand annehmen / so gebe GOtt / daß Zittau / vornehmlich dieses Hauß / darinne wir uns befinden / von lauter Königs-Holtze gebauet sey.

V. So vielmahl als die Lausche in ihrem Calender Regen setzt / so vielmahl werde der Thau der Göttlichen Gnade reichlich und überflußig auff diese Gräntzen herab geschicket.

VI.

Der breite Berg sey ein Zeichen / daß sich die Gnaden-Allmacht GOttes über unsere Wohnungen ausbreiten will.

VII.

Das liebe Lichtenberg / welches an dem Fusse meines Berges liegt / daß Licht und Recht in diesen Gräntzen ewig wohnen soll.

[12]
VIII.

Und was kan mein Hohwald anders andeuten / als daß unser Glücke an dieser Böhmischen Gräntze zu keiner Zeit soll erniedriget seyn.

IX.

GOTT lasse Blitzen / aber mit Gnade: Er lasse Donnern / aber zu Segen: Er gebe ein Wetter / doch zu Liebe.

X. GOTT segne den steinigten Weg / welcher das Marck der Böhmischen Nachbarschafft so reichlich auff uns zuführen lässet.

XI.
GOTT gebe / daß wir in unserm Seegen grünen / wie die Kiefern.
XII.

Und daß die Einwohner gesegnet arbeiten / wie die Omeißen.

I. Ach du liebe Stadt / dancke doch dem allgewaltigen GOTT / welcher numehr von so langer Zeit her den Schatz des heiligen Evangelii bey dir unversehrt erhalten hat.

II.

Ja dancke GOTT / daß er den jämmerlichen Gewissens-Zwang in deiner gantzen Gegend niemahls verhangen hat.

III.

Laß dir auch diese Gnade sonderlich lieb seyn / daß deine Wohnungen in langwierigen Friede köstlich gebauet werden.

IV.

Und daß viel Einwohner hier anzutreffen sind / welche bey ziemlichen Alter dennoch ihren Kindern von keinem Kriege des Vaterlandes zu erzehlen wissen.

[13]

V. Ach dancke GOtt / daß kein unruhiger Nachbar über dem Gebürge wohnet / welcher uns das schön Glück mißgönnet.

VI.

Dancke GOtt / daß du einen gewissen Herrn hast / der sein Recht durch kein blutiges Schwerd suchen darff.

VII.
Nimm verlieb / daß so viel Nahrung verhanden ist / als deine Kinder von nöthen haben.
VIII.
Und daß dich auch das Volck in andern Ländern wegen deines Handels und Wandels lieben muß.
IX.

Ihr liebsten Zuschauer / das Spiel muß angenehm seyn / welches mit so gesegneten Wünschen den Anfang machet / und diesen König wird man auff der Schaubühne desto lieber ansehen / weil er einen weitläufftigen Grund zu diesen Wünschen geleget hat.

X. Siehe her du liebes Zittau / du bist einmahl würdig gewesen / daß du einen verlassenen König ernehret hast / du must würdig seyn / dein eignes Lob gleich als in einem Bilde anzuschauen: Ja du must würdig seyn / daß alle vornehme Anwesende dich eines Königlichen Kindes halben lieb und gesegnet heissen.

XI.

Ich weiß nicht / ob dieses der König WENTZEL seyn soll / welcher an unserm Gottes-Hause nicht weit von derselben Thüre zu sehen ist / dadurch die hochgeschätzten Väter dieser Stadt ihren Ein- und Ausgang nehmen.

[14]
XII.

Doch wird der Anblick dieses uhralten Bildes / dieser gegenwärtigen INVENTION mit einiger Bequemligkeit zu statten kommen.

GENIUS ZITTAVIÆ.

Wolan wir haben den Schauplatz geöffnet / wir wollen von unsern Wohnungen zusehen / was vor ein Glücke König Wentzeln allhier betreffen wird.

[15]

1. Akt

1. Aufzug
Erster Auffzug.
Wentzel. Rudolf, ein junger Graff.

WENTZEL.
Ich habs gesagt.
RUDOLF.
Ich habs noch nicht verstanden.
WENTZEL.
So sagt es selber.
RUDOLF.
Ich habe einem Könige nichts vorzuschreiben.
WENTZEL.
Ich will es haben / und ich bitte drum.
RUDOLF.

Es ist mir unmöglich. Denn wofern ich an diesem Königlichen Hofe als ein geringer Bedienter leben soll / so darff ich mir keine andre QUALItät nehmen / als welche nur von meinem gnädigsten Herren zugeleget wird.

WENTZEL.

Wolan / so will ich meine Gedancken sagen. Ist die Ehre gut genung / wenn ich euch meinen Freund heisse?

RUDOLF.
Ein geringer Diener muß sich vor so einem Titul schämen.
WENTZEL.

Und wer den Titul verdienet / der soll ihn auch behalten. Sehet hier ist meine Hand / daß ihr mein Freund seyd.

[16]
RUDOLF.
Und hier ist meine Hand / daß ich ein getreuer Diener bin.
WENTZEL.

Ihr solt mir im gantzen Königreiche der Liebste seyn. Setzet den Hut auff / ihr solt die Ehre haben / daß ihr in meiner Gegenwart das Haupt bedecket.

RUDOLF.
Gnädigster Herr ich bitte ...
WENTZEL.
Bittet / wenn ihr was von nöthen habt. Doch jetzund lasset mir zu / daß ich meinem Willen habe.
RUDOLF.
Ich thue solches / doch ohne PRÆJUDIZ des tieffen RESPECTS den ich schuldig bin.
2. Aufzug
Andrer Auffzug.
Die Vorigen. Girschick, des Königs kleiner Münch. Wazek, sein lustiger Diener.

GIRSCHICK.
Ich sage dir / mache mir nicht zu viel Possen / daß ich lachen muß.
WAZEK.
Das wird eine schreckliche Sache seyn / wenn ich so einen lächerlichen Kerlen zu Lachen mache.
GIRSCHICK.
Eine geistliche Person thut Sünde wenn sie lacht.
WAZEK.
Und so ein Politischer Cavallier meines gleichen thut Sünde / wenn er sauer siehet.
GIRSCHICK.
So bleib mir vom Leibe und geh zu deines gleichen.
[17]
WAZEK.
Ich meinte / wenn ich meines gleichen suchen soll / so steckt ein guter Narr in der Kappe.
GIRSCHICK.
O du böser Mensch stirb ehe ich alt werde / sonst thue ich dich in den Bann.
RUDOLF.
Nun wie stehts ihr Leute / wird der junge König von seinen Dienern so RESPECTIret?
GIRSCHICK.
Ich verantworte mich vor einem bösen Menschen.
WAZEK.
Und ich zancke mich mit einem tummen Menschen / der nicht glauben will / daß er meines gleichen ist.
RUDOLF.
Es schicket sich nicht / daß dieselben Diener nicht einig sind / die einen Herren haben.
GIRSCHICK.

Ich diene dem Könige mit meinem Gebethe / wer in diesem Stücke mit mir nicht einig ist / mit dem kan ich mich nicht vertragen.

WAZEK.

Und ich diene dem Könige mit meinen Narren-Poßen / wer sich darein nicht schicken will der mag sich RESOLVIren / daß er in meinen Gedancken ein Bärenheuter bleibt.

RUDOLF.

Stille stille / so begegnet man nicht einander / ein jedweder thut das Seinige / damit bleibt ein jedweder bey RESPECTE. Ad spectatores. Ach was vor eine Beschwerligkeit muß bey dem Regimente seyn! dieser junge König hat nur einen geringen Staat von etlichen Dienern angenommen / davon er gleichsam das A.B.C. seiner Politischen Klugheit studiren soll: und dennoch entspinnen sich so viel Weitläufftigkeiten / dazu man noch etliche Richter von nöthen hätte. Wohl dem / der einsam und ruhig [18] leben kan / und der sich frembder Ungeduld nicht theilhafftig machen darff.

GIRSCHICK.
Ja Herr / damit habe ich keine SATISFACTION.
WAZEK.
Und ich weiß nicht / wer in der COMPAGNIE den Narren spielen soll.

Die mittelste Scene wird auffgezogen / doch Cunigunda bleibt stehen / biß sie ausgeredet haben.
RUDOLF.

Mein König / es PRÆSENTIret sich dort eine Person / welch vielleicht in der Einsamkeit der Mütterlichen Liebe genug thun will / also werde ich unterdessen bedacht seyn / dieses unruhige Volck zu vertragen.

WENTZEL.

Ihr thut gar wohl daran / macht es so / daß sie mit solchen Possen nicht wiederkommen / sonst sollen sie lernen / daß ein kleiner König kan ungnädig seyn.

RUDOLF.
So geht doch fort / und seyd mit einem Richter zufrieden / welchen der König über euch setzet.
3. Aufzug
Dritter Auffzug.
Cunigunda, Wentzel.

CUNIGUNDA.

Ach mein Engels-Sohn / die Zeit wird uns über die Massen lang / wenn ihr euch einen Augenblick von uns entfernet. Ach ist es nicht wahr / daß ihr mein Trost / meine Seele / und mein Reichthum seyd?

WENTZEL.
Ach ja gnädigste Frau Mutter.
[19]
CUNIGUNDA.
Sagt nicht so / daß sind gnädigste Personen die zu befehlen haben.
WENTZEL.
Die Frau Mutter hat am meisten zu befehlen.
CUNIGUNDA.

Ach ja die Ehre kömmt den Herrn Vormunden / und hiernechst den Herren Landständen zu. Ich habe genug das ich lieben kan / und daß mir die Mütterlichen Küße bey diesem Engels- Kinde nicht verboten werden. Ach ist es nicht wahr / daß ihr mein tausendgeliebter WENTZEL seyd?

WENTZEL.
Ich dancke GOtt / daß ich zu dieser Frage ja sprechen kan.
CUNIGUNDA.

Sprecht ihr ja? so sagte der Königliche Herr Vater / als er mich bey dem Königlichen Beylager zuerst in die Armen bekam. Ach ihr seyd noch der übrige Zweig / dessentwegen ich den Verlust dieses grossen Königes beweinen darff.

WENTZEL.

Ich weiß / daß ich von einem Könige gezeuget bin / und was ich künfftiger Zeit thun werde / das soll Königlich seyn.

CUNIGUNDA.
Das heist / es soll der verwittweten Mutter Glücke seyn.
WENTZEL.
Auff Tugend und Standhafftigkeit will ich mich befleißigen.
CUNIGUNDA.
Dieses that der hochselige OTTOCARUS auch.
WENTZEL.
Vor Unglück und Gewalt will ich mich nicht entsetzen.
[20]
CUNIGUNDA.
Von solchen Eltern müssen solche Söhne kommen.
WENTZEL.
Und was ich nicht kan / das will ich lernen.
CUNIGUNDA.

Doch mein Herr Sohn / lernet auch vorsichtig seyn. Lernet von dem Herrn Vater die Tugend / von andern das Glücke. Hätte er den Seinigen nicht zu viel getrauet / so würde Böhmen vielleicht noch einen Landes-Vater / und dieses zarte Haupt noch einen irdischen Schutz-Gott haben.

WENTZEL.
Ich will PROFESSION von der Liebe machen / so wird mich niemand hassen.
CUNIGUNDA.
Es sey so / doch machet den Anfang an der geliebten Mutter.

Sie setzet sich bey dem eusersten Theatro, daß die Action desto besser verstanden wird.
WENTZEL.

Das will ich gerne thun. Ach meine tausendgeliebte Frau Mutter / sie verlasse mich nicht.Küsset sie.

CUNIGUNDA.

Mein Herr Sohn / erwecket meine Thränen nicht. Das Böhmische Gebürge soll eher unsere Gräntze verlassen / ehe diese Brust der Mütterlichen Schuldigkeit vergessen wird. Sehet / so feste kan ich euch halten.

WENTZEL.
Ich halte dagegen so feste ich kan.
CUNIGUNDA.

Was ich mit den Armen euserlich verrichte / das thue ich in den Gedancken vielfältig. Ach mein Sohn / daß ich doch mit küßen niemals ersättiget werde. Wie schweiget ihr so stille? könnet ihr etwan die Hefftigkeit der Mütterlichen Liebe nicht begreiffen?

[21]
WENTZEL.
Ich schweige daß ich meiner Süßigkeit nachdencken kan.
CUNIGUNDA.

Und ich rede / daß ich die Ungedult meines Hertzens ausschütten kan. Ach mein Printz / mein Sohn / ist es nicht wahr / daß ihr eure Hertzens-Mutter vor allen andern Personen auff der Welt lieb habt?

WENTZEL.
Ach ja / das soll mein liebster Titul seyn / wenn ich den Nahmen eines lieben Sohnes behalte.
CUNIGUNDA.

Ihr müst es auch thun / die Schuldigkeit steht euch im Gesichte angeschrieben. Sie sieht ihm in das Gesichte. Was sind das vor helle Augen? eben so blitzte OTTOCARUS. Was kan der Mund vor eine freundliche Mine machen? Das war des Herrn Vaters Annehmligkeit. Wie schickt sich der gantze Leib in eine Majestätische Positur. Ach mein Sohn / entweicht mir / sonst muß ich entweder in meiner Liebe zerschmeltzen / oder ich muß euch unwissende zerdrücken.

WENTZEL.
Ach das solte mir ein süsser Tod seyn.
CUNIGUNDA.

Schweigt vom Tode sonst schicke ich meine Seele voran / daß wir in jener Welt desto gewisser beysammen seyn. Doch wo kömmt der ungebetne Gast her? der mich in meiner Vergnügung stöhren muß. Ach mein Herr Sohn / verlast uns auff eine Zeit / denn wir möchten uns schämen / wenn andre Leute der zarten und unschuldigen Liebe zusehen solten. Doch gleichwohl einen Kuß auff den Weg.

WENTZEL.

Ach ja einen Kuß auff den Weg / und noch tausend Küsse in Gedancken. Er geht ab / und wirfft ihr noch etliche Küsse mit den Händen zu.

4. Aufzug
[22] Vierdter Auffzug.
Cunigunda, Zabisch.

ZABISCH.
Allerschönste Königin / meine Ankunfft wird vielleicht zur Unzeit geschehen seyn.
CUNIGUNDA.

Warumb zur Unzeit? Eine Mutter schertzet gerne mit dem Kinde / wenn sie nichts zu thun hat: wenn sie aber auff andere Gedancken gebracht wird / so kan sie gar leicht den Scherte auff eine andere Stunde verlegen.

ZABISCH.
Es ist wahr / die Umstände lauffen so / daß man die Gedancken wohl wird müssen zu rathe nehmen.
CUNIGUNDA.
Wenn uns das Glücke beystehet / so haben wir die Helffte von unsern Gedancken ersparet.
ZABISCH.
Ob uns das Glücke beystehen wird / solches können wir vor dem Ausgange nicht wissen.
CUNIGUNDA.

Ihr seyd zu tugendhaft / die Belohnung muß endlich nach eurem Wunsche genossen werden. Hier ist meine Hand / ihr habt langst über mein Hertze triumphiret / die nachfolgende Heyrath soll erweisen / daß euch mein Hertze in der Liebe gehorsam ist.

ZABISCH.

Es ist mein Gehorsam daß ich so einer wundergnädigen Königin nicht widerspreche. Doch an meinem Exempel soll die Welt erkennen daß ein tapfferer Gemahl zugleich kan ein getreuer Diener seyn.

CUNIGUNDA.
An uns habt ihr nicht zu zweifeln / das übrige werdet ihr selbst zu bedencken wissen.
[23]
ZABISCH.

Unsere Parthey ist allem Vermuthen nach die Stärckste / damit wollen wir im Königreiche die Oberhand behalten. Doch dieses muß ich bekennen / ich will keine Königliche Gemahlin durch meine Liebe beschämen / wenn ich sie nicht zugleich auff dem Königlichen Throne befestigen soll. Hier ist mein Hertz / die Bluts-Tropffen die anitzund herum wallen / sollen zum Pfande gesetzt seyn / daß die Böhmen auch in künftiger Zeit ihre gekrönte CUNIGUNDA anbeten werden.

CUNIGUNDA.
Wie können wir dieses hoffen?
ZABISCH.
Ich will sagen wie können wir zweifeln?
CUNIGUNDA.
Die Böhmen wissen schon von ihrem Könige WENTZEL zu reden.
ZABISCH.
Es ist noch lange dahin / ehe er zu seinen vollen Jahren kömpt.
CUNIGUNDA.
Die Zeit möchte zu unsrer Hoffnung allzu geschwinde verlauffen.
ZABISCH.
Ach allerschönste Königin / was hab ich vor ein Zeichen / daß unsere Liebe befestiget ist?
CUNIGUNDA.
Ist dieser Kuß nicht glaubwürdig gnug?
ZABISCH.
So darff ich reden / und darff mich keines Mißfallens befürchten?
CUNIGUNDA.
An der Person / die zu lauter Annehmligkeit gebohren ist / wird niemand ein Mißfallen verspühren.
ZABISCH.
Der junge König WENTZEL kan sterben.
[24]
CUNIGUNDA.
Aber eine Mutter muß wündschen / daß er lebt.
ZABISCH.
Die Krone auff dem Kopffe wird köstlicher seyn / als der Sohn in den Armen.
CUNIGUNDA.
Wenn er aber nicht sterben wolte?
ZABISCH.
Wenn es eine Mutter im Ernste schaffen will / so muß ein Sohn wohl zum Tode gehorsam seyn.
CUNIGUNDA.
Das Geheimniß scheinet mir zu dunckel.
ZABISCH.

Allerschönste Königin / wo sie dieses nicht verstehen will / so können wir beyderseits nicht vergnüget seyn. Stehet König WENTZEL im Wege / daß sich die Frau Mutter der Königlichen Hoheit nicht versichern kan / so mag er in RESPECT der Frau Mutter etwas vom Eisen / etwas vom Giffte / etwas von einer seidenen Schnur zu sich nehmen: denn das Kind ist gehorsam / welches die Eltern in ihrer Vergnügung bestätiget.

CUNIGUNDA.
Behüte GOTT / wie könte sich das Mütterliche Gewissen zu einer solchen Grausamkeit RESOLVIren?
ZABISCH.

Man muß dem Glücke folgen. Es sind zwey Wege / wo der Sohn lebet so muß die Mutter sterben / das heist sie muß ihrer Königlichen Hoheit nach als eine Verstorbene gerechnet werden: Hingegen wo der Sohn stirbt / so kan dieser getreueste Diener in den Armen seiner Königin über sein lebendiges Wohlseyn erfreuet werden.

CUNIGUNDA.
Es ist zu viel / daß ein Kind sterben soll.
ZABISCH.
Es ist zu viel daß eine Königin der Krone gäntzlich absterben soll.
[25]
CUNIGUNDA.
Der Mutter Titul ist all zu angenehm.
ZABISCH.
Der Titul einer neuen Gemahlin soll tausendmahl angenehmer seyn.
CUNIGUNDA.
Ach in was für einen Irrgang werde ich geführet.
ZABISCH.

Eine Mutter / die sich zu neuer Liebe verstehet / muß den alten Gemahl / und also auch das alte Pfand desselben in Vergessenheit stellen.

CUNIGUNDA.
Ich sehe was ich thun soll. Doch last mir Zeit / daß ich mich zu etwas gewisses RESOLVIre.
ZABISCH.

Nachdenckliche Sachen müssen in einer Hitze vollzogen seyn / die Zweifels-Knoten dürffen nicht auffgelöset / sondern mit einem Messer zerschnitten werden.

CUNIGUNDA.

So spricht derjenige / der mit einem männlichen Hertze begäbet ist / ich bitte nochmals man lasse mir ein wenig Zeit / denn es mag ablauffen wie es will / so bleibt es doch bey dem wundersüssen Schlusse / daß ihr über meine Liebe zu gebieten habt. Küsset ihn.

ZABISCH.
In solcher süssen Vergnügung nehm ich demüthigen Abschied.
5. Aufzug
Fünffter Auffzug.
Cunigunda. Hernach Bäbel, ein lustiger Gärtner.

CUNIGUNDA.

Du unbarmherziges Glücke! so ist es unmöglich / daß ich zugleich eine Mutter und eine Königin verbleiben [26] soll? Ach du allerliebster WENTZEL / soll ich dir etwas zu Leide thun / deine Küsse sind mir allzu angenehm / gleichwohl aber / du tausendgeliebter ZABISCH, soll ich mich deiner Küsse berauben / die sind mir noch viel angenehmer. Ach Himmel! laß mich eine Mutter bleiben; doch neinl laß mich eine Königin heissen.

BÄBEL
kömt gelauffen.
Ha ha ha ha! last ihr mich die gantze Zeit meines Lebens einen ungläubigen Thomas heissen.
CUNIGUNDA.
Siehe da Bestie / was hastu hier zu suchen?
BÄBEL.
Ich will einmahl lachen / daß unser Pfaffe so ein schrecklicher Narr ist.
CUNIGUNDA.
Gehe auff den Weissenberg / und lache biß du satt hast / nur laß unsere Gedancken unverstöret.
BÄBEL.

Ich habe gleichwohl gewettet / und habe mich darauff beruffen / die gnädigste Frau Königin / soll den Ausspruch thun / ich werde auf dem weissen Berge lange sitzen / ehe sich eine Königin PRÆSENTIret.

CUNIGUNDA.
Du hörest es wohl / du solt mich gehen lassen.
BÄBEL.
Gnädige Königin / das hört ihr auch wol was mein Vorbringen ist.
CUNIGUNDA
ad spectatores.

Dieses Unglück laden sich hohe Personen auff den Halß / wenn sie bey lustiger Zeit einen solchen Fantasten zum kurtzweiligen Rathe machen / so müssen sie auch bey ihrer wichtigsten Verrichtung der Fantasey entgelten.

BÄBEL.
Damit hab ich noch keine Antwort.
[27]
CUNIGUNDA.
Was wilstu denn? erlöse mich doch fein von der Ungedult.
BÄBEL.

Ja ja kurtz gnung. Unser Pfaffe spricht es ist einmahl eine Stadt in der Welt gewesen / die hat Jerusalem geheissen.

CUNIGUNDA.
Das ist wahr.
BÄBEL.

Ich wolte es wäre nicht wahr / so hätte ich meine Wette gewonnen. Aber er sagte / die Stadt wäre einmahl belägert worden.

CUNIGUNDA.
Das ist mehr denn einmahl wahr.
BÄBEL.

Es darff nur einmahl wahr seyn / so habe ich verspielet. Doch ist denn diß wahr / daß die Leute drinne so schrecklichen Hunger gelitten haben?

CUNIGUNDA.

Es ist freylich wahr. Aber was soll ich von den Händeln Rechenschafft geben / die mehr / als vor tausend Jahren geschehen sind.

BÄBEL.

Gnädige Frau Königin / habt nur Gedult / nu kömts. Ist denn das wahr / daß eine Mutter in der Stadt ihr lebendig Kind geschlachtet hat?

CUNIGUNDA.
O du Bösewicht / wer bringt dich auff diesen DISCURS? es ist freylich wahr.
BÄBEL.
O gnädige Frau Königin sprecht immer es ist nicht wahr / sonst habe ich verspielet.
CUNIGUNDA.
Du hast deinen Bescheid / packe dich fort / sonst sollen dir die Wege gewiesen werden.
[28]
BÄBEL.

Ich werde ohne dem wohl gehen / wenn ich keine bessere Antwort kriege. Doch nur noch eins: Ist es denn auch wahr / daß sie hat das Kind braten lassen?

CUNIGUNDA
schlägt ihn.
Gehe du Stückschelm und warte / biß dir ein Bote geschicket wird.
BÄBEL
ad spectatores.

Ich muß gehen / wo ich lange da bleibe / so spielen wir eine COMŒDIE, sie ist die Mutter zu Jerusalem / und ich bin ihr liebes Schoßkind / das sie braten lässet.

6. Aufzug
Sechster Auffzug.
Cunigunda. Hernach Czenko, Sbinko.

CUNIGUNDA.

Hilff Himmel! wohin zielete diß Exempel? warum soll ich mir an eine Mutter dencken lassen / die sich an einem leiblichen Kinde vergriffen hat? Soll etwan dieser Stocknarr zum Propheten werden / daß dergleichen TRAGŒDIE an unserm Königlichen Hofe möchte gespielet werden? Doch wie dem allen / die Mutter zu Jerusalem kunte sich durch den Nothfall entschuldigen / und vielleicht wird es uns an Ursachen nicht ermangeln / daß wir uns auff dergleichen Noth beruffen könten. Doch hier kommen zwey vertraute Personen / die uns unwissende das Rätzel aufflösen sollen.

CZENKO.

Bey Eurer Königlichen Majestät haben wir unterthänigst nachfragen sollen / ob etwas von uns soll verrichtet werden.

SBINKO.

Vornehmlich ob Eure Königliche Majestät etwas gegen die gehorsamsten Land-Stände sich erklären wolte.

[29]
CUNIGUNDA.

Ihr liebsten Freunde habt schönen Danck vor die Bemühung / es ist keiner weitläuftigen Erinnerung von nöthen.

CZENKO.
Wir haben uns vielleicht durch eine unzeitige Ankunfft versündiget?
SBINKO.
Und wir werden dessentwegen demüthigen Abschied nehmen.
CUNIGUNDA.

Ach nein ihr kommt gar zu rechter Zeit / es stecket uns nur noch ein SCRUPEL im Kopffe / welchen uns der leichtfertige Gärtner / der Stocknarr beygebracht.

SZENKO.

Der SCRUPEL wird von schlechter Wichtigkeit seyn / weil er eine Person von schlechter QUALItät zum Urheber hat.

SBINKO.
Und Eure Majestät werden vielleicht einen lustigen Schertz darunter wollen verstanden haben.
CUNIGUNDA.

Nein es ist etwas sonderliches. Der Fantaste hat mit unserm Geistlichen gewettet / ob eine Mutter in Jerusalem ihr Kind geschlachtet hätte? und da ich den Ausspruch hierinne thun muste / so kam ich auff die Gedancken / ob sich denn auch dieselbe Mutter gegen dem Kinde so gar versündiget hätte. Last doch hören / wäre es möglich / daß man sie entschuldigen könte?

SZENKO.

Ich halte davor / ein Kind steht den Eltern zu Dienste. Kan man die Kinder in der eusersten Armuth verkauffen / so kan man sie auch auff den Nothfall schlachten.

CUNIGUNDA
seufftzet.
Ad spectatores. Ach WENTZEL / du must sterben!
[30]
SBINKO.

Ich behaupte das Wiederspiel. Eine Mutter hat deßwegen ein Kind zur Welt gebracht / daß es leben soll / und dieses Leben soll sie auch durch ihren Tod erhalten.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL / ich soll dich leben lassen!
SZENKO.

Es ist der Mutter ihr Fleisch und Blut sie mag damit schaffen was sie will / und da die Kinder sonst müssen gehorsam seyn / so können die Eltern wohl befehlen / daß sich ein Kind zum Tode schickt.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL / ich kan nicht dafür / du bist des Todes!
SBINKO.

Wer hat das Gesetze gegeben / daß die Kinder sollen gehorsam seyn? hat es nicht derselbe gethan / welcher von den Eltern erfordert daß sie mit der Kinder-Zucht auff ein glückseliges Leben ihr Absehn haben sollen?

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL das Werck ist zweifelhafftig / ich werde den Schluß ändern müssen.
CZENKO.

Es thut gleichwohl einer Mutter wehe / wenn sie verderben soll / wenn sie weder Hülffe noch Rath vor sich siehet / also muß man sie wol entschuldigen.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL / die Entschuldigung wird dir tödlich seyn.
SBINKO.

Wenn man aber bedencket / daß ein Weib die Mütterliche Liebe nimmermehr verleugnen kan / sonderlich da allem Vermuthen nach das liebe Kind mit einem freundlichen Lachen das unbarmhertzige Gewissen bestürmet hat.

[31]
CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL / wo das Lachen ein Mittel wieder das Sterben ist / so muß ich deiner schonen.
CZENKO.

Mein Herr / das war eine Predigt aus der alten Welt / wer heute zu Tage was werden will / der darff sich nichts so sehr an das Hertze wachsen lassen. Ob ein Kind lacht / oder weint / das gielte mir eben so viel / wenn ich sonst meine Vergnügung dabey zu gewarten hätte.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL! WENTZEL! nach der neuen Mode wirstu sterben müssen.
SBINKO.

Die neue Politische Mode kan sich gleichwol nicht biß auff die Mütterliche Liebe erstrecken. Wir heyrathen nach der alten Mode / die Kinder kommen nach der alten Mode auff die Welt: also muß man auch die zarten Engel nach der alten Mode lieben.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ach WENTZEL! WENTZEL! was vor ein Glücke hastu der alten Mode zu dancken!
CZENKO.

Mein Herr / ich möchte nicht viel mit ihm zu handeln haben / er machte mir das Gewissen über einer schlimmen Cause zehnmahl unruhig.

SBINKO.

Ich wolte / daß ich viel mit ihm zu handeln hätte / denn ich weiß / er würde sich die Lust zu allen Causen vergehen lassen. Doch ich rede dieses Wort / welches wir beyderseits als einen Schertz wollen verstanden haben.

CUNIGUNDA.

Es ist genung / wir befinden so viel daraus / daß kluge Köpfe von allen Sachen DISPUTIren können. Im übrigen vermeldet den sämtlichen Herren unsern Gruß / und versichert sie / daß wir unserm Versprechen wollen nachkommen.

CZENKO.
Sie werden es mit unterthänigstem Dancke erkennen.
7. Aufzug
[32] Siebender Auffzug.
Cunigunda, Ludomilla, Wentzel, der in der mittlern Scene etliche Bilder besiehet.

CUNIGUNDA.

So gehts / wer viel fraget / der wird viel berichtet / und wer lange zweifelt / der weiß nicht / was er thun soll. Doch da kömmt meine beste Rathgeberin her / was die sprechen wird / dabey wird mans bewenden lassen.

LUDOMILLA.
Gnädigste Frau Königin / da komm ich her und will auch einmahl was neues.
CUNIGUNDA.
Das Neue geht wohl hin wenns nur gut ist.
LUDOMILLA.
Ich weiß nicht obs gar zu gut wird rauß kommen / da will ich den jungen König WENTZEL verklagen.
CUNIGUNDA.

Ey das war zu viel. Doch wenn es ja soll verklaget seyn / so ist es am besten / wenn es bey einem verliebten Richter geschiehet. Mein Hertzens-Kind / was habt ihr vor eine Sünde begangen? Küsset ihn.

WENTZEL.
Frau Mutter / das ist meine Sünde / daß ich sie abgesetzet habe.
LUDOMILLA.
Ja ist das nicht Schande / ich bin seine Amme gewesen.
WENTZEL.
Pfui schweiget mir von solchen Sachen stille.
LUDOMILLA.
Ich bin seine Kinderfrau gewesen.
WENTZEL.
Nun sucht ein ander Kind / ich bin König.
[33]
LUDOMILLA.
Ich habe ihn so lieb gehabt / daß ich es nicht beschreiben kan.
WENTZEL.
Ich habe es nicht verstanden / sonst hätte ich es nicht geschehen lassen.
LUDOMILLA.
Ach wie manchmahl hab ich ihm Semmel und Plätze eingekäuet.
WENTZEL.
Schweig du garstiges Thier / sonst kan ich mein Lebtage weder Plätze noch Semmel essen.
LUDOMILLA.
Wie gerne hat er bey mir im Bette geschlaffen.
WENTZEL.
Du garstiges Ding / sage was du wüst / ich mag dich doch nicht zu meiner Kammerfrau behalten.
LUDOMILLA.
Ach gnädigste Frau Königin sie helffe mir doch.
CUNIGUNDA.

Der liebe König treibt seinen Schertz / ich weiß doch / daß ers im Hertzen desto besser meint. Doch mein allerliebster Herr Sohn / wollt ihr nicht das schöne Bild sehen / welches der Herr Oberhoffmeister gestern verehret hat?

WENTZEL.
O ja ich werde einmahl was stattliches auff Bilder spendiren. Gehet hinein.
CUNIGUNDA.
Kammerfrau kommt doch her / es geht was vor / darüber ich im Vertrauen gerne mit euch reden möchte.
LUDOMILLA.

Ja ja gnädigste Frau Königin / wir sind unser lebtage am besten mit einander ausgekommen / es soll es auch niemand erfahren / daß ich auff meine alte Tage werde untreu seyn.

[34]
CUNIGUNDA.

Ihr weist es / wer mich Heb hat / ihr weist es auch / wie gerne mich der liebe Herr dabey behielte / daß ich Königin bleibe.

LUDOMILLA.

Ich weiß wol: Aber wo ist zu helffen? König WENTZEL stirbt uns nicht / denn wo die Kinder geblättert und gemasert haben / da darff ein Stieffvater nicht lustig seyn.

CUNIGUNDA.
Man hat ja wohl Exempel / daß die Kinder auch an Ritteln sterben.
LUDOMILLA.

Nein bey den Fürstenkindern geht es gar selten an / die DOCTER sind wie der Teuffel mit dem Hertz-Pulver hinter drein / sie müssen davon kommen.

CUNIGUNDA.
Ich sage es auch nicht / als wenn ich den lieben Kinde den Tod wünschen wolte.
LUDOMILLA.

Ja ja / wenn der liebe GOtt die Kinder bescheret / so muß man sie endlich behalten. Aber wenn mans bedencket / wie es in der Welt hergehet / so sind sie wohl am besten versorget / wenn sie in Himmel kommen.

CUNIGUNDA.
Ja ich weiß nicht / es kommen mir wunderliche Gedancken ein.
LUDOMILLA.

Ich dächte / es wäre wohl zu verantworten / wenn man so in der Stille vor den kleinen König WENTZEL sorgte / daß er fein bald in Himmel käme.

CUNIGUNDA.
Kammerfrau / wie versteht ihr das?
LUDOMILLA.

Was wirds denn nun seyn / wenn man so ein OXBOX vornehme / davon die Leute nicht viel wüsten / es [35] wäre ein Kind gewesen / in Prage sterben ihrer des Jahres viel hundert.

CUNIGUNDA.
Ach bey Leibe nicht / wie solte man das verantworten können?
LUDOMILLA.

Ach wir Weiber müssen nicht alles so tieff aus der Schrifft suchen / wenn man alles so feine unverständig ins Wesen hinein thut / so deucht mich / man hat so feine ruhige Gedancken.

CUNIGUNDA.
Aber das Kind ist mir zu lieb.
LUDOMILLA.

Ja ja lasts nur alt werden / wir werden ein liebes Kind an ihm haben / sehet nur wie er mir mit spielet / die Vogel werden bald ein neu Lied singen: Mutter schier dich nauß / dem Sohne ist der Bart gewachsen.

CUNIGUNDA.
Ich sehe es wohl / es wäre am besten / wenn das Kind tod wäre. Aber ...
LUDOMILLA.

Ey nun doch / wer weiß wo sich Mittel dazu finden / und wenn auch die Mutter gleich nicht alles wüste / es ist schon gut / von solchen Sachen redt man nicht gerne / es ist besser wenns geschehen ist.

CUNIGUNDA.
Doch wäre es nicht besser / wenn er aus dem Lande geschickt würde / so bliebe er doch beym Leben?
LUDOMILLA.

Ach so eine Kröte findet den Weg flugs wieder ins Land / wenn die Kinder begraben seyn / so weiß man am besten / daß sie nicht wieder kommen.

CUNIGUNDA.
Behaltet nur den DISCURS bey euch / es wird schon weiter Gelegenheit geben davon zu reden.
[36]
LUDOMILLA.
Dem Maule darff ich trauen. Doch ich werde gehen biß ich wiederkomme. Geht ab.
CUNIGUNDA.
Nun wie stehts mein liebster WENTZEL / was hat euch an dem Bilde gefallen?
WENTZEL.

Es gefällt mir alles wohl. Aber das muß ich bekennen / in diesem Zimmer ist mir doch die Frau Mutter am liebsten.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Ja du gutes Kind / lieb gewesen.
WENTZEL.
Das ist meine gutthätige Hand die ich küsse.
CUNIGUNDA
ad spectatores.
Auch die Hand / welche dich zum Tode befördern will.
WENTZEL.
Ach Frau Mutter / ich bin noch zu klein / ich kan sie nicht küssen.
CUNIGUNDA
ad spectatores.
Du wirst auch nicht grösser wachsen.
WENTZEL.
Wenn ich werde so groß seyn / als König OTTOCARUS, da will ich mich besser anstellen.
CUNIGUNDA
ad spectatores.
Aber es soll nicht so weit kommen.
WENTZEL.

Ach Frau Mutter sie sehe / wie bin ich doch in ihrem Zimmer so lustig: hat mir der Tantzmeister diese CAPREOLE nicht recht gewiesen? daß war eine LECTION auff Gesundheit der Frau Mutter.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Tantze weil du kanst / in der Begräbniß-Capelle solstu die Capreolen ungeschnitten lassen.
[37]
WENTZEL.

Ach hier steht ein glückselig Kind / heysa / so tantzen die Kinder die MINUET, wenn sie bey der Frau Mutter in Gnaden sind.

CUNIGUNDA
ad spectatores.
Daß doch die Menschen vor ihrem Unglücke so EXTRAORDINAIR lustig sind.
WENTZEL.
Doch meine Frau Mutter / wie so in Gedancken?
CUNIGUNDA.

Mein liebster König / wenn ihr tantzet / so muß ich im Hertzen die VIOLIN dazu spielen. Hier habt ihr einen Kuß zum Zeugnüß / daß ich eine treue Mutter bin / wollt ihr in das / immer folgen / so werden wir von dergleichen Annehmligkeit weiter gedencken können.

WENTZEL.
Ach ja / es soll mir sehr lieb seyn. Er folget ihr singende und tantzende.
8. Aufzug
Achter Auffzug.
Woko. Bäbel, ein lustiger Gärtner.

WOKO.
Aber wirstu was erfahren lassen?
BÄBEL.
Ja ich werde was entfahren lassen.
WOKO.
So solstu sterben.
BÄBEL.
So so soll ich sterben.
WOKO.
Es ist kein Schertz.
[38]
BÄBEL.

Ja wenn es nun kein Schertz ist / so macht doch einmahl den Anfang / und redt klug davon / was soll ich nun thun? was soll ich lassen? was soll ich schaffen? was soll ich schicken? was soll ich reden? was soll ich wenden? was soll ich künsteln und drechseln? beschreibt mirs nur so in einer kurtzen Weitlaufftigkeit / habe ich doch gesagt / daß ich euer und der Eurigen Diener / Sclave / Schurcke und Berenheuter bin.

WOKO.
Dergleichen Titul solstu nicht verdienen / wenn die Sache wohl ausgeführet wird.
BÄBEL.
Aber wie soll ich sie denn ausführen / wenn ich nicht einmahl einen Quarck davon erfahren habe?
WOKO.
Hört das ist nun ausgemacht / der junge König soll sterben.
BÄBEL.
So wirds auch ausgemacht seyn / daß wir ihn sollen begraben lassen.
WOKO.
Ja es möchte fast so nach einander folgen.
BÄBEL.

Doch wie soll er sterben / ich dächte / wenn ich einen König bedeuten solte / so hätte ich schlechte Lust dazu.

WOKO.
Deßwegen wollen wir dich bestellen / daß du ihm die Lust machen solst.
BÄBEL.
Ich sehe wohl / ich kan Künste die ich selber nicht weiß.
WOKO.
Siehe da / der König kömmt gar fleissig in Garten.
BÄBEL.
Da kriegt er keine Lust zum sterben.
[39]
WOKO.
Da isset er so gerne Kirschen.
BÄBEL.

Ich habe mein tage viel Kirschen gefressen / ich habe die Kerne dazu verschlungen / und ich mercke die Stunde noch nicht / daß ich eine Lust zum sterben hätte.

WOKO.

Daß du doch dein Plaudermaul nicht halten kanst / nun kömts / bestreiche du die Kirschen mit Giffte / wenn sie der junge Näscher wird in Bauch kriegen / er soll schon fragen / wo der Weg in die andre Welt hingehet.

BÄBEL.
Der König wird ein Narr seyn / und wird Gifft fressen.
WOKO.
Darum soll ers nicht wissen / und darum solstu verschwiegen seyn.
BÄBEL.
Aber wenn ich nun Gifft dran schmieren soll / so möchte ich wohl fragen / was ist denn das vor Ding?
WOKO.

Hier ist ein klarer Safft / schmiere diesen mit Bescheidenheit an die Kirschen / das andre soll sich schon geben.

BÄBEL.

Nein fürwahr das andre giebt sich nicht selber / das Trinckgeld müst ihr geben / sonst schmeiß ich den Quarck ins Wasser.

WOKO.

Ach daß doch kein Schelme sein Handwerck umsonst treiben will. Hier hastu sechs Goldgülden / ist es genung?

BÄBEL.
Meinem Stande nach ist es gar zu viel / vor das Geld wolte ich den König und euch dazu umbringen.
WOKO.
Laß dir an diesem begnügen / und verrichte das Deinige.
BÄBEL.

Nun parol / morgen ist der König todt / über morgen wird er beygesetzt / und darnach versauff ich meine Goldgülden. Geht ab.

9. Aufzug
[40] Neundter Auffzug.
Zabisch. Czenko, Woko, seine Brüder.

ZABISCH.
Wie stehts / sind die TRACTAten glücklich abgelauffen?
CZENKO.
Oder sollen wir uns auff einen andern Anschlag besinnen?
WOKO.

Ich hoffe der Ausgang wird sich bald erweisen / der Gärtner ist bestochen / wer Lust zu Kirschen hat / der kan sich anmelden.

ZABISCH.
Ich will meine Kirschen noch auff dem Böhmischen Throne essen.
CZENKO.
Und wenn ich dieselben essen werde / so werde ich dem neuen Könige langes Leben wünschen.
ZABISCH.

Ihr liebsten Brüder steht mir bey / daß ich diesen Berg übersteige / wenn ich dem Böhmischen Scepter in die Hände bekomme / so wird eure Glückseligkeit ebenfalls vollkommen seyn.

CZENKO.
Unser Pfeil-Gebund soll nicht zubrechen.
WOKO.
Und unser Vertrauligkeit soll niemand verstören.
ZABISCH.
Das unschuldige Böhmen hat nach dem Tode des Königes manch Unglücke erfahren müssen.
CZENKO.

Und wo wir noch ferner ein Kind zum Könige [41] haben sollen / so möchte noch viel Unglücke dahinter seyn.

WOKO.

Drum ist es am besten / wenn das Kind aus dem Wege geschaffet wird / so muß die Stelle doch mit einem Manne wiederum ersetzet werden.

ZABISCH.

Wiewohl ihr liebsten Bruder seyd in der Hoffnung nicht zu stoltz / wir haben die Stände nicht gantz auff unsrer Seite.

CZENKO.
Doch unsre Parthey ist am stärksten.
WOKO.

Und wer den König selbst über den Hauffen werffen kan / der muß auch den andern Unterthanen gewachsen seyn.

ZABISCH.

Recht so / wo der König stirbt / so müssen ihm an dem Trauermahle gewisse Freunde nachgeschicket werden. Es ist unrecht / daß ein König so gar ohne einige SUITE davon ziehen soll.

CZENKO.
Es ist wahr / was man mit Giffte anfängt / das muß auch mit solchen Mitteln fortgesetzet werden.
WOKO.

Und solches wird keine Sünde seyn / wenn wir unsre FAMILIE, und CONSEQUENTER das gantze Königreich dadurch glückselig machen.

ZABISCH.

Ach das ist ein heilsames Gifft / dadurch so vielen Streitigkeiten so vielmahl abgeholffen wird. Nun wir werden uns beysammen halten / daß wir auf begebenden Fall mit unsern Anschlägen alsobald fertig seyn.

10. Aufzug
[42] Zehnder Auffzug.
Wazek, des Königs lustiger Diener. Rudolf, ein junger Graffe.

RUDOLF.
Du tummer Schelme was ruffstu mich?
WAZEK.
Wenn ich jemanden ruffe / so muß ich wohl Ursache dazu haben.
RUDOLF.
So laß mich doch die Ursache wissen.
WAZEK.

Ich habe einmahl versucht / ob ich einen schlimmen Vogel bedeuten kan / und wo ich noch dreymahl dazu komme / so kan ichs.

RUDOLF.
Ich mercke es schon / die Kunst wird nicht viel gute Pfennige werth seyn.
WAZEK.

Ich lerne die Leute behorchen / da stund Herr ZABISCH mit seinen Herren Brüdern / und redten was im guten Vertrauen mit einander.

RUDOLF.
Das ist kein Wunder / ich und du reden auch mit einander und sind nicht Brüder.
WAZEK.
Je ja / die Sache möchte auch darnach seyn / davon sie redten.
RUDOLF.
Nu was war denn die Sache?
WAZEK.
Wenn ich das wüste / so wäre ich ein braver Kerl.
RUDOLF.
Je was helffen dir denn deine Künste?
[43]
WAZEK.
So viel helffen sie nur / daß ich mercke / sie sind dem Könige nicht gut.
RUDOLF.
Die Herren sind zu klug / sie werden dichs nicht mercken lassen.
WAZEK.

Sind sie klug / so werde ich sollen ein Narr seyn / und so werde ich meine Sache wohl können bey mir behalten / ich weiß euch ohne dem schlechten Danck / daß ich beym Pfaffen muste unrecht haben / ein andermahl will ich die Leute behorchen / und keinem Menschen was davon sagen.Geht ab.

11. Aufzug
Eilffter Auffzug.
Poto, Sbinko, Landstände König Wentzeln zugethan. Rudolf.

POTO.
Wie so in tieffen Gedancken mein Herr Graff?
SBINKO.

Geht es dem Könige nicht wohl? denn ich wüste nicht / worüber sich des Königs Freund sonst betrüben könte.

RUDOLF.
Es geht dem Könige wohl / GOTT helffe weiter.
POTO.
Wohin zielet dieser zweifelhafftige Wundsch?
SBINKO.

Wir haben das Vertrauen zu dem gnadenreichen Himmel / daß dem Könige noch ferner wird geholffen seyn.

RUDOLF.
Vielleicht wird uns die vertrauliche Sicherheit einmahl Schaden thun.
[44]
POTO.
Wir versehen uns eines bessern.
SBINKO.
Und die Landstände richten auch ihre Gedancken an etwas bessers.
RUDOLF.
Es will verlauten / als solte Herr ZABISCH dem Könige nicht allzuwohl AFFECTIONIret seyn.
POTO.
Entweder es ist nicht wahr / so hat man keine Ursache / daß dieser Herr beschuldiget wird.
SBINKO.
Oder es ist wahr / und so hat er die Kräffte nicht / daß er gantz Böhmen REFORMIren kan.
RUDOLF.

Ich sage meine Gedancken / wem ich zu einfältig / oder zu kindisch aussehe / bey dem hab ich nicht viel zu schaffen. Geht ab.

POTO.
Der Trotz war ein Zeichen der Einfalt.
SBINKO.
Und der Argwohn war eine Würckung der kindischen Gedancken.
POTO.
Wir haben den König im Lande.
SBINKO.
Die Königliche Frau Mutter wird keine Untreu an ihm begehen.
POTO.

Herr ZABISCH wird in seiner Liebe Kaltsinnig werden / wenn sich die Stande der alten Aucrorität wiederum bedienen.

SBINKO.

Ich halte davor / es sind viel heimliche MALCONTENten / doch der eintzige Nahme des rechtmäßigen Königes soll die Köpfe gar leicht unter einem Hute behalten.

[45]
POTO.

Drum ist es auch billig / daß man die unruhigen Geister durch keine SUSPICION auff die alten Wege führet.

SBINKO.

Wir wollen ihnen das Beste zutrauen / so werden sie genöthiget seyn / uns in dieser Meynung zu stärcken.

POTO.

Was bedarff es viel Sorgens / wir stehn beysammen / und sind dem Könige und dem Vaterlande treu / damit sollen alle Widerwärtige verspielet haben.

SBINKO.

Wir halten beysammen: so wahr als diese Kette aus vielen Gliedern bestehet / so wahr soll auch das Glücke und die Wohlfarth damit angefesselt seyn.

12. Aufzug
Zwölffter Auffzug.
Hinko, des Königs Inspector. Bäbel, hernach Wazek.

HINKO.

Sehet mich nicht vor so einfältig an / ich habe zwar geschworen / daß ich meinen Herrn will treu seyn / und deß wegen will ich ihm nichts zu leide thun. Aber / daß ich allen Schaden verhüten soll / dafür krieg ich nicht genug Besoldung.

BÄBEL.

Gar recht / wer in der Welt zweyen Herren dienen kan / der hat doppelte GAGE, und kan auch manchmahl mit einem fetten Maule zum Fenster nauß sehen.

HINKO.

Doch potz tausend / was will der Unglücks- Vogel / der wird mich verrathen / und da werde ich sagen sollen / was unsre Vertrauligkeit zu bedeuten hat.

[46]
BÄBEL.
Sprecht / ihr habt einen frischen Gurcken- Salat bey nur bestellt.
HINKO.
Ja / ich dachte eine frische SELLERIE, der Schelme muß besser betrogen werden.
WAZEK.
Je MONS. HINKO treff ich den Herrn da an / ich hab ihn anderthalb Stunden gesucht.
HINKO.

Freylich triffstu mich da an / und dir zum Besten geschichts / daß ich mit dem ehrlichen Manne da rede.

WAZEK.
Ey das hab ich nicht gewust / daß ich mich bedancken soll.
HINKO.

Du magst dich immer voraus bedancken / denn ich sehe doch / die Jahre kommen bey dir her / du wirst nun was lernen sollen / ich meinte immer / wenn dich Meister BÄBEL zum Gärtner machte / so wäre dir dein Brod gebacken.

WAZEK.
Ich werde wohl nicht ein Narr seyn / daß ich ein Gärtner werde.
BÄBEL.
O du Narr / du weist noch nicht / was unsre Kunst vor einen güldnen Boden hat.
WAZEK.
Ja der güldne Boden weist sich aus / gewiß auff dem Mistbeete.
BÄBEL.

O nein / wenn nur auff meinem Mistbeete was guts gewachsen ist / so kan ich mir manchen Ducaten davor einwechseln.

WAZEK.
Und wenn ich den Ducaten mein lebtage kriegen solte / so werde ich doch kein Gärtner.
[47]
BÄBEL.
Ich möchte wohl wissen warum?
WAZEK.
Hört doch ist nicht die Erde unser aller Mutter?
BÄBEL.

Freylich / und deswegen sind wir solche gesegnete Leute / weil wir mit unsrer Mutter so hübsch umgehen.

WAZEK.

Ja ja es steht gar fein / wenn man wie ein ander Narr auff seiner eignen Mutter herum klettert. Nein MONS. HINKO, will er sonst keinen Danck bey mir verdienen / mit der Wohlthat mag er mich immer verschonen. Läufft davon.

HINKO.
Nun das war auch geredt.
BÄBEL.

Nun wollen wir im Vertrauen noch ein paar Worte reden / sehet nur / daß Herr ZABISCH euer Freund bleibet damit sollt ihr ein gediegner Kerl bleiben.

HINKO.

Gebt euch zufrieden / man darff deß wegen nicht alles sagen / soll aber mein junger König so ein kleines Bißgen verrathen und verkaufft seyn / so will ich ja sehen / was ich dabey werde verrichten können. Geht ab.

BÄBEL.

Ihr Leute ich kan in vielen Jahren einen Jungen nicht auslernen / daß er zum Gärtner tüchtig ist. Aber einen solchen Causenmacher kan ich in einer Stunde fertig machen. Doch laß sehen / wo werde ich meinen Kirschbaum finden / daran ich meine sechs Goldgülden verdienen soll?

2. Akt

1. Aufzug
Erster Auffzug.
Poto, Rudolf, hernach Girschick, des Königs kleiner Münch. Wazek, dessen lustiger Diener.

POTO.
Es ist mir eine schreckliche Sache / daran wir aus viel Ursachen zu zweiffeln haben.
RUDOLF.
Ich gestehe es gerne / ich bin nicht dabey gewesen / allein die Erzehlung ist zu klar.
POTO.
Soll niemand dem jungen Könige nach dem Leben gestellet haben?
RUDOLF.
Allerdings ist zwischen ihm und dem Tode nicht zwey quer-Finger übrig gewesen.
POTO.
Und soll ihm ein Pfeil bey dem Gesichte vorbey geflogen seyn?
RUDOLF.
Es will so verlauten.
POTO.

Ach wer bringet doch solche Zeitungen aus / dadurch das arme Königreich in lauter SUSPICION gesetzet wird.

[49]
RUDOLF.
Die Warheit nöthiget uns wohl / daß wir an solche SUSPICION gedencken müssen.
POTO.
Ich werde zuvor vernehmen / wie glaubwürdig die Zeugen sind.
RUDOLF.

Dorte sehe ich zwar etliche / die sich ohne allen Zweiffel werden dabey befunden haben. Doch wo es andre Leute nicht gesehen haben / so können die Zeugen mit guten Gewissen verworffen werden.

POTO.
Wir wollen sie doch hören. Ihr lieben Leute kommet doch etwas näher.
GIRSCHICK.
Was haben sie zu befehlen?
WAZEK.
Und was haben sie zu schaffen?
POTO.
Ist es wahr / daß der junge König einige Lebens-Gefahr ausgestanden hat?
GIRSCHICK.
Ach ja / man möchte dem Himmel dancken / daß die Gefahr so glücklich abgewendet ist.
WAZEK.
Ich war dabey / ob es dem Könige oder mir gegolten hat / das weiß ich nicht.
POTO.
So laß mich doch den Verlauff anhören.
GIRSCHICK.
Herr wir spatzirten gleich an den Obstgarten hin.
WAZEK.
Ey nicht doch / wir waren zuvor im Lustgarten.
GIRSCHICK.
Es geschahe doch beym Obstgarten.
[50]
WAZEK.
Aber zuvor waren wir doch in Lustgarten.
POTO.
So viel hab ich gehöret / erzehlet das andre.
GIRSCHICK.
Und da verfolgte des Königes kleiner Hund ein Caninchen.
WAZEK.
Ich hätte immer gedacht / es wäre ein Eichhörnchen gewesen.
POTO.
Daran liegt auch nichts / sagt was weiter erfolget ist.
GIRSCHICK.

Als sich nun der König von der andern Gesellschaft absonderte / so kam ein Pfeil / unbewust woher / dem Könige bey dem rechten Ohre vorbey geflogen.

WAZEK.
Das ist nun wieder eine Lügen / es war das lincke Ohr.
GIRSCHICK.
Ich werde auch wohl wissen / wo das rechte Ohr sitzet.
WAZEK.

Und ich werde auch wohl wissen / wo ich einen hinschmeissen soll / wenn ich eine lincke Ohrfeige geben soll.

POTO.

Ihr seyd zwey Narren / wer von euch die Warheit erfahren soll / der wird den gantzen Tag einem unnützen Geschwätze beywohnen müssen. Gehet ab.

RUDOLF.

WAZEK, WAZEK, du hast mir neulich was angeloben müssen / wirstu mir den kleinen zukünftigen Herr PATER nicht zu frieden lassen / so soll andre Verordnung erfolgen.

GIRSCHICK.
Ich werde mich mit sehenden Augen nicht lassen blind machen.
[51]
WAZEK.

Und ich werde mir meinen RESPECT nicht nehmen lassen / wer weiß / wer nach mir gezielet hat / und nun soll sichs der König annehmen.

RUDOLF.

Es sey euch allen beyden Friede geboten. Hier kömmt eine unbekandte Person / macht es so / daß wir nicht Schande davon haben.

2. Aufzug
Andrer Auffzug.
Bäbel.
Er hat einen langen Trauer-Mantel um / und gehet gantz gravitætisch / alle drey spatziren bey ihm vorbey / und wenn sie den Hut abziehen / macht er eine gravitætische Complimente dagegen.

BÄBEL.

Ihr Leute kennt ihr mich auch? Ich bin der betrübte Meister BÄBEL / ich hab es auch erfahren / was Wittwer Angst vor Hertzeleyd macht. Denn gedenckt nur / gestern wolte ich die Kirschen mit Gifft beschmieren / daß sich der König eine Lebens- und Sterbens-COURAGE dran fressen solte / und zu allem Unglücke führt der Popantz meine Frau über das Bäumgen / daß sie mir in zwey Stunden tod und lebendig ist. Sie hat wohl auff der Welt ihr Theil gelebet / denn sie war ihres Zeichens 69. Jahr alt / wenn sie mir auch vor 20. Jahren den Possen gethan hätte / so wäre ich wohl zu frieden gewesen. Aber nun wir so lange aneinander gewohnet sind / so ist mir doch immer / als wenn sich Fleisch und Blut in das Hauß-Creutze nicht schicken wolte. Ja ja / der Mantel ist groß / aber der Mühlstein / der mir aufs Hertze gefallen / ist viel grösser / und wenn ich die Narrenpossen ansehe / so darff ich die Ursache des Todes keinem Men schen klagen.

3. Aufzug
[52] Dritter Auffzug.
Woko. Bäbel. Auff der Seite.

WOKO.
So will ich alle Welt sehen lassen / daß ich mir über einen Todschlag kein Gewissen mache.
BÄBEL.
Der Herr ist böse / wen es treffen wird / der muß gewiß meiner Hauß-Ehre nachfolgen.
WOKO.
Ja es ist wohl kein grösser Laster auff der Welt / als die unverschämten Lügen.
BÄBEL.

Den Herrn hat niemand belogen / und ich meine selber / daß keine grössere Sünde seyn kan. Stehlen will ich gerne / rauben will ich auch / aber zum Lügen soll mich niemand bringen.

WOKO.
Der Schelme soll sechs Goldgülden auff die Hand nehmen / und soll der Parol nicht nachkommen?
BÄBEL.

Botztausend / wenn er wüste / daß meine sechs Goldgülden auch nicht wohl verdienet wären / so käme er doch wohl und foderte sein Geld auch wieder.

WOKO.

Das Lumpengeld hab ich lange vergessen. Aber das ist wahr / sechs Goldgülden wolte ich dazu schuldig seyn / wenn mir nur jemand Meister BÄBELN / den Schelmen / den Dieb zuweisen wolte.

BÄBEL.
Ihr Leute / was meint ihr / ob ich die sechs Goldgülden verdiene / und weise mich selber.
[53]
WOKO.
Das ist beschlossen / er muß sterben.
BÄBEL.
Und ich werde es beschliessen / daß dem Prahlhanse sein Wille nicht geschehen soll.
WOKO.
Hört doch guter Freund / ist euch nicht Meister BÄBEL hier begegnet?
BÄBEL.
EGO NON – EGO NON – HABEMUS –
WOKO.

Der Kerle ist ein Gelehrter / und verstehet unsre Sprache nicht: Ich werde meinen lateinischen Schul-Sack auch müssen auffbinden. BENE VENERIS DOMINE CLERICE, QUID RERUM AGIS IN NOSTRÂ BOHEMIÂ?

BÄBEL.
PARDONNENZ MOY – SI – VOUS – PLAIT.
WOKO.
ESTES VOUS UN FRANÇOIS?
BÄBEL
redet gantz geschwinde.
GITSCHIN, OSSEK, KRATZE, Grote / Gabel / Leipe / Zetten / Budeweiß.
WOKO.

Mein guter Freund / wenn ihr wollt Grichisch reden / so müssen wir einander vom Leibe bleiben. Aber es ist ja nicht Mode / daß man sich so in die Trauer-Mäntel einwickelt. Der Herr lasse doch sehen / von was vor einer PROFESSION schreibt er sich denn? Er deckt ihn auff.

BÄBEL.
Nun wird meine PROFESSION bekandt gnung seyn.
WOKO.

Je du Bösewicht / wilstu unter einem Trauer- Mantel vor meinem Schwerdte sicher seyn? Weg mit der unnützen Hülle / daß ich den Weg zu deinem Hertzen finden kan.

BÄBEL.
Herr meines Hertzens wegen / wolte ich den Mantel lieber um behalten.
[54]
WOKO.

Du bist ein Lügner / du hast Geld auff die Hand genommen / nun wilstu zu unserm Schaden ein Verräther werden / drum must du sterben / daß wir sicher seyn.

BÄBEL.

Ich dachte was sonst wäre / bin ich denn der Erste / bey dem die guten Gedancken zu Drecke werden? die Person die mich verhindert hat / die hat ihre Straffe gelitten.

WOKO.
Das versteh ich nicht.
BÄBEL.

Ich hatte die Kirschen beschmirt genug / aber da mir meine genäschiche Frau drüber kömmt / und frist sie dem jungen Herrn vorm Maule weg / was kan ich davor?

WOKO.
Was höre ich / hastu über der schönen Verrichtung deine Frau eingebüst?
BÄBEL.

Ja freylich kommen mich die sechs Gold- Gülden sehr theuer an / man siehts an meinem langen Mantel / wie mirs im Kopffe muß herum gehen.

WOKO.
Hastu denn keinen andern Safft mehr übrig?
BÄBEL.

Ich will nur sagen / was ich weiß. Wie ich merckte / daß meine Frau den Tod an Kirschen ge fressen hatte / so nehme ich in meiner Boßheit einen Pfeil / und schiesse hinter dem Zaune auff den König loß / daß er ihm hinter den Ohren wegsummte.

WOKO.

Je du plumper unverschämter Berenheuter / bistu der Schelme / der so ein Leben an unserm Hofe angerichtet hat?

BÄBEL.

O es hat mich niemand gesehen / und niemand wird auf mich dencken / denn meine Frau pfieff ja gleich auff dem letzten Loche / da muste ich wohl bey ihr seyn.

[55]
WOKO.
Weiche nicht hier von der Stelle / biß ich dir befehle / was du thun solst.
4. Aufzug
Vierdter Auffzug.
Zabisch. Czenko, Woko, seine Brüder.

ZABISCH.
Wer eine wichtige Sache vornehmen will / da muß der beste SUCCESS in der Eilfertigkeit bestehen.
CZENKO.

Und wo niedrige Personen zum Dienste gebrauchet worden / da muß man ihnen nicht so viel Zeit lassen / daß sie zweifeln können.

ZABISCH.
Ich meinte der Gärtner wär noch so gewiß erkaufft.
CZENKO.

Und ich hatte mir auff diesen Tag die Rechnung gemacht / eine Zeitung auszubreiten / die wir nun mit grossem Gelde nicht erkauffen möchten.

WOKO.

Ihr Herren Brüder / wo das Glücke die Hand im Spiele führet / da müssen auch die klügsten Anschlage zurücke gehen.

ZABISCH.

Derohalben soll man dem Glücke nicht vertrauen: Wenn man sicher gehen will / so muß die Klugheit dem Glücke die Fessel anlegen.

CZENKO.
Und man muß sich auflf den Nothfall versichern / daß dem Glücke die Gewalt benommen wird.
[56]
WOKO.

Die Kirschen haben ihre Würckung gethan / doch des Gärtners Frau hat sich an statt des Königes dadurch verderben lassen.

ZABISCH.
Aber nun hat ein verfluchter Pfeil das gantze Wesen schwerer gemacht.
CZENKO.
Wer den König nicht treffen kan / der soll auff ihn ungezielet lasen.
WOKO.

Der gute Mensch / der es versucht hat / muß auch erfahren / daß gut-gemeinte Sachen übel gerathen können.

5. Aufzug
Fünffter Auffzug.
Die Vorigen. Poto, Sbinko Landstände auff Wentzels Seite.

POTO.

Ihr Herrn / so wird dem Königreiche schlecht gedient / wenn der König selbst in seinem Lande nicht soll sicher seyn.

SBINKO.

Wenn die Pfeile nach dem Königs Haupte zielen dürffen / so werden sich die Unterthanen noch auf etwas schlimmers die Rechnung machen müssen.

POTO.
Die Boßheit muß untersuchet werden.
SBINKO.
Und die Verrätherey muß EXEMPLARITER abgestraffet werden.
ZABISCH.

So recht / wer den Titul eines ehrlichen Patrioten nicht verleugnen will / der muß anietzo vor des Königes [57] Wohlfarth eifern. Hier steh ich / ist ein Blutstropffen in meinen Adern / damit ich nicht des Königes Wohlfarth erkauffen wolte / so müsse er diesen Augenblick in Gifft verwandelt werden.

CZENKO.

Hier steh ich / welcher nicht gläubet / daß an des Königes Leben unsre und des Landes Wolfarth beruht / so lasse der gerechte Himmel unser Glücke zu nichte werden.

WOKO.

Ich bin nicht gewohnt den König mit eitlen Worten zu SECUNDIren / wer sich die Wolfarth des Königreichs läst zu Hertzen gehen / der folge mir / und fange einen Krieg wieder alle Königs- Feinde an / die sich unterstehen mit verdamten Pfeilen auff unsre Vergnügung zu stürmen.

POTO.

Es ist mir von Hertzen lieb / daß ich noch keinen angetroffen habe / welcher seinen rechtmässigen Eifer nicht mit deutlichen Worten erwiesen hätte.

SBINKO.

Und mir ist es noch lieber / daß so viel redliche Freunde bey dieser weitaussehenden Sache Hand und Hertze / Gut und Blut zusammen setzen wollen.

6. Aufzug
Sechster Auffzug.
Die vorigen, Cunigunda.

CUNIGUNDA
kömt gelauffen.

Ach ist niemand / der sich über eine verlassene Königin erbarmen will / die sich alle Stunden und Augenblicke vor der schändlichsten Verrätherey fürchten muß! Ist niemand / der sich diese Thränen und diese Seufftzer will bewegen lassen! Ach ihr allerliebsten [58] Getreuen! Ist es nicht genung / wenn euch die Königin eurer Pflicht erinnert / so will ich bitten / ja ich will auff die neue Mode vor euch auff die Knie fallen / erbarmt euch nur meines eintzigen Kleinods / und verhindert die feindliche Anschläge so weit / daß ich nicht etwan in dem Grabe meines Königes mein eignes Grab suchen muß.

ZABISCH.

Gnädigste Königin / die Sachen sind noch lange nicht in einem solchen Zustande / daß wir uns alles Trostes und aller Sicherheit einmahl begeben dürffen. Wir haben uns allbereit mit einander verbunden / daß des Königes Wolfarth der gantzen Welt zu einem rühmlichen Exempel soll erhalten werden.

CUNIGUNDA.

Ach vielleicht kan auch dieser Bund zu wenig seyn / alle verborgene Boßheit zu verhindern. Ach mein Engels-Printz! mein zarter König / soll ich zu diesem Hertzeleide verdammet seyn / daß ich eure Leiche mit meinen Thränen benetzen soll?

ZABISCH.

Der Himmel / welcher den Pfeil in der Lufft gnädig abwenden kan / der wird das Seufftzen und Vorsorgen / so vieler auffrichtigen Patrioten nicht verschwinden lassen.

CUNIGUNDA.

Gottlob! es fehlet mir an Trösten nicht. Aber ich befürchte / es wird im Ausgange klar werden / daß es am helffen gemangelt hat. Ach wer will eine unglückselige Königin sehen. Läufft hinein.

ZABISCH.

Die Königin muß vergnüget werden / und solte man die INQUISITION über tausend Personen ergehen lassen. Geht ab.

CZENKO.
Ich will mein Haupt nicht sanffte legen / biß die Königin befriediget ist. Geht ab.
[59]
WOKO.
Was soll mir das Leben / wo der König nicht leben soll. Geht ab.
POTO.
Die RESOLUTION ist gut.
SBINKO.

Drum hab ich allzeit drauff getrieben / daß man die unschuldige Parthey durch keine unzeitige SUSPITION beleidigen soll.

POTO.

Allein man hat Exempel / daß die Falschheit bißweilen etliche Worte der Redligkeit abzuborgen pflegt.

SBINKO.
Hingegen hat man Exempel / daß man sich in solchem Verdachte betrogen hat.
POTO.
Herr ZABISCH war eifrig / doch die kaltsinnige Mine wolte sich nicht verbergen lassen.
SBINKO.
Er liebt die Königin / also kan er auch bey ihrer höchsten Zufriedenheit nicht zu frieden seyn.
POTO.
Der junge König stehet seiner Hoffnung im Wege.
SBINKO.
Vielleicht soll die Hoffhung in seinem Gehirne noch gebohren werden.
POTO.

Das wolte ich gläuben / wenn das FUNDAMENTAL-Gesetze verbanden wäre / damit unser Königreich lange ist schwanger gegangen. Ich sage noch einmahl / eine Königliche Wittwe / die sich mit einem Unterthanen vermählen will / die soll im Lande nicht geduldet werden.

SBINKO.

Wer dieses Wort nachsprechen wolte / der möchte sich bey diesen TROUBLEN einer höhern Beschuldigung theilhafftig machen.

7. Aufzug
[60] Siebender Auffzug.
Ludomilla, des Königs alte Kammerfrau. Bäbel, der lustige Gärtner.

BÄBEL.

Es ist ja gar zu gut / daß ich erlöset werde / war es doch / als wenn ich zur Straffe solte im Gehorsam stecken.

LUDOMILLA.

Ja ja mein lieber Meister BÄBEL / ich weiß nicht / ob ihr euch deswegen viel bessern werdet / die Königin will gar garstig reden.

BÄBEL.
Ist sie doch eine Frau / last sie immer garstig reden.
LUDOMILLA.

Aber nicht / wie ich meine. Sie will mit gantzer Gewalt / daß ihr sterben solt / und ehe ihrs euch versehen werdet / so möchte ein Kerl von hinten zu kommen / der euch den Kopff vor die Füsse würffe.

BÄBEL.

Kans ich doch nicht glauben / wenn ich meinem Kopff nicht selber brauche / so ist keinem Menschen damit gedienet.

LUDOMILLA.

Aber wenn der Kopff ein Maul hat / das auswaschen kan / so ist den Leuten viel mit gedienet / wenn ihm das reden verboten wird.

BÄBEL.
Wer hat einmahl eine Wäscherey von mir gesehen?
LUDOMILLA.

Darnach ist es zu lange geharret / gewiß bey meiner armen Treue / der Tod hopfft euch schon vor der Hauß-Thüre herum.

[61]
BÄBEL.
Je meine liebe Mutter LUDOMILLA, ist mir doch bald / als wenn mir bange würde.
LUDOMILLA.
Ja / was geschehen muß / das leide man nur geduldig.
BÄBEL.

Ach meine hertzliebe Kammer-Frau / seht doch / wie mir so Angst wird: habt ihr denn keinen guten Rath mehr übrig?

LUDOMILLA.

Nicht gar zu viel / doch daß ich nur was rathe / so blintzet nur feine zu / wenn der Tod kömmt / damit seht ihr seine gräßliche Gestalt nicht.

BÄBEL.

O es ist mir gar / als wenn mir die Narren- Possen vergiengen / seyd gebethen / und redet was kluges / das mich beym Leben erhalten kan.

LUDOMILLA.
Ich weiß wohl was / und dadurch könte euch geholffen seyn.
BÄBEL.

Ach was denn meine liebe Mutter LUDOMILLA? sehet nur meinen kläglichen betrübten Trauer-Mantel an / wollt ihr mirs nicht zu gefallen thun / so thut es doch meinem jämmerlichen Wittwer-Stande zu Ehren.

LUDOMILLA.

Kurtz von der Sache zu reden / ihr seyd ein Wittwer / ich bin meinem ledigen Stande nach so gut als eine Wittfrau / wollt ihr mich nehmen / so will ich bey der Königin was ausbitten.

BÄBEL.
Soll das wahr seyn?
LUDOMILLA.
Wenns nicht wahr wird / so hätte ich den grösten Schaden.
[62]
BÄBEL.
Ja ja Frau LUDOMILLA, wie alt seyd ihr?
LUDOMILLA.

O es ist nicht Mode / daß man dem Freyer das Alter sagt. Doch wenn es euer Ernst ist / so will ich das nicht verschweigen / vor zwantzig Jahren war ich zwantzig Jahr.

BÄBEL.
Nun so wäre zwantzig mahl zwantzig vierhundert.
LUDOMILLA.
Nein / nein / in meinem Lande rechnet man so / 20. und 20. ist 40.
BÄBEL.

Aber wenn St. Velten ein Schelm wäre / und machte die Rechnung anders / 20. und 20. sind 40 / 30. dazu sind 70.

LUDOMILLA.

So unehrlich will ich nicht seyn / daß ich meinem Liebhaber betrüben wolte. Wollt ihr mir die Zähne besichtigen / so sehet her.

BÄBEL.

Ein Mensch hat 32. Zähne / und im 56. Jahre fällt der Erste aus: Nun zehle ich noch siebzendehalbe / also könnt ihr zwar mit Ehren 40. Jahr alt seyn / aber das Maul ist gewiß 70. Jahr alt.

LUDOMILLA.

Wenn ich ein jedweder Jahr mit zehen Reichsthalern bezahlen könte / so möcht ihr wündschen / ich wäre 100. Jahr.

BÄBEL.

Wo die Morgengabe nach den Jahren eingetheilet wird / so wolte ich lieber achtzehen mahl zehen / als tausend mahl zehen haben.

LUDOMILLA.

Und gedenckt / was ich vor gute Suppen kochen kan / ich weiß eine Kunst / wie man das Kälbermarcks aus den Beinen kriegt.

[63]
BÄBEL.
Last ihr auch die Nase hinein trieffen?
LUDOMILLA.

Je du Schelme / du bist doch nicht werth / daß eine redliche Bitte vor dich gethan wird. Da siehstu meine Daumen creutzfechtig über einander / so wahr soll dir noch heute der Halß gebrochen werden.

BÄBEL.

Nun / meine Ehrentugendsame Frau LUDOMILLA, itzund gedachte ich erst an den Tod. Last doch sehen / ich will eine Kunst an meinen Knöpfen probiren. Er zehlet sie / und saget dazu: Leben / Sterben. Ey potz tausend / der letzte Knopff weist auff Sterben.

LUDOMILLA.
So sterbt doch / dessentwegen will ich gleichwohl einen finden / der sich meiner annehmen wird.
BÄBEL.

Nu nu Mutter LUDOMILLA, Heyraths-Sachen wollen bedacht seyn / seht / da hab ich meine Karte / was der Scherwentzel vor ein Wort treffen wird / dabey soll es bleiben. Er zehlet wieder: Leben / Sterben. Daß dich S. Velten / der Scherwentzel will wieder sterben.

LUDOMILLA.
Bey den Possen vergeht die Zeit / und wenn es zu langsam ist / so kan ich euch nicht helffen.
BÄBEL.

Hört ich will euch die Haare auff dem Kopffe auszehlen / wo das letzte auff Leben kompt / so mag es seyn.

LUDOMILLA.
Ja wüst ichs nur gewiß / wie viel Haare ich auff dem Kopffe hätte / so wolte ichs gerne ausstehen.
BÄBEL.
Nun so will ich die Zähne in eurem Halse zehlen. Er zehlet / daß der letzte auff Sterben kommt.
LUDOMILLA.
Ey da ist noch einer / den müsset ihr auch mitzehlen.
[64]
BÄBEL.
Ey es ist nur ein halber / der gilt nicht.
LUDOMILLA.
O die Wurtzel ist noch gut / zehlet ihn immer mit.
BÄBEL.

Es weist sich gar feine an dem halben Zahne / daß ich nur eine halbe Frau haben soll. Doch hört liebe Frau LUDOMILLA, helfft mir vor / darnach will ich mich bedencken.

LUDOMILLA.
Umgekehret so wird ein Schuch daraus / bedenckt euch vor / so will ich euch helffen.
BÄBEL.

Es ist mir nur darum / ich weiß / was ich an der vorigen Frau verlohren habe: was ich an der neuen kriegen werde / das kan ich nicht wissen.

LUDOMILLA.

So magstu es auch nicht wissen / ich bin dir gnung nachgelauffen / hätte ichs gewust / daß du so ein falscher Hund wärest / so hätte ich dir was anders pfeiffen wollen. Geht ab.

BÄBEL.

Nein Frau LUDOMILLA, das ist meine Meynung nicht / daß ichs bey den Leuten auff einmahl verschütten will / ich werde wieder um schön Wetter bitten. Geht ab.

8. Aufzug
Achter Auffzug.
Zabisch, hernach Cunigunda.

ZABISCH.

So wird des Menschen Gemüthe durch unterschiedene Bewegungen nicht anders herum getrieben / als ein Schiff / welches in der offenbahren See das Spiel mit allen 32. Winden versuchet hat: Bey der Königin soll ich verliebt seyn / gegen dem jungen König soll ich im Hertzen [65] grausam seyn / gegen die gesammten Stände soll ich behutsam und furchtsam seyn / das Spiel ist gefährlich / und wenn es numehr nachgelassen wird / so ist es schimpfflich. Wiewohl auff einer Seite kan eine Königs- Crone gewonnen / auff der andern aber nichts mehr / als das elende Leben verspielet werden.

CUNIGUNDA
kömt.

Was sagt der jenige vom verspielen / welcher dazu gebohren ist / daß er auch ein Königlich Hertz gewinnen kan?

ZABISCH.
Allerschönste Königin!
CUNIGUNDA.
Angenehmster Liebhaber!
ZABISCH.
Ich hab mein Glück auff das Spiel gesetzt.
CUNIGUNDA.
Wer im Schachspiele die Königin hat / dem trauet man das beste Vortheil zu.
ZABISCH.
Hier steht aber ein geringer König / welchem der geringste Bauer Schach bieten kan.
CUNIGUNDA.

Die Königin soll mit ihrer SECUNDE dazwischen kommen. Ach mein allerliebster! Die Liebe darff nicht furchtsam seyn / seht / wie auffrichtig ist meine Vergnügung.

ZABISCH.
Und wie übermäßig ist meine Freude.
CUNIGUNDA.
Weil ihr im Leben seyd / so hab ich mein Leben lieb.
ZABISCH.

Und weil ich mein Leben in einer so hohen Person lieben kan / so muß ich meinen Untergang verhindern.

[66]
CUNIGUNDA.

Ihr habt bißhero die Pflicht einer verschwiegenen Liebe wohl in acht genommen: Nun soll die Tugend vor aller Welt offenbahret werden.

ZABISCH.
Ich will den Ruhm behalten / daß ich der Treueste im Königreiche bin.
CUNIGUNDA.
Ach warum nicht der Edelste / der Höfflichste / der Liebenswürdigste?
ZABISCH.
Das Widerspiel möchte mich beschämen.
CUNIGUNDA.
Ach nein / die Königin würde beschämet werden / welche diesen Ausspruch gethan hat.
ZABISCH.

So will ich gehorsam seyn / und meinem eignen Ruhme Glauben zustellen. Ach allerschönste Königin / soll ich einmahl öffentlich vergnüget seyn?

CUNIGUNDA.
Ach ungeduldiger Liebhaber / soll ich einmahl öffentlich Gelegenheit dazu haben?
ZABISCH.
Ich bin bereit / der Gelegenheit entgegen zu gehen.
CUNIGUNDA.

Und ich bin bereit / ihm mehr als auff dem halben Wege zu begegnen. Ach seht mit solcher AFFECTION will ich euch zum König erklären. Küsset ihn.

ZABISCH.
Ach himmlische CUNIGUNDA, sie verschone mich mit dieser übermäßigen Süßigkeit.
CUNIGUNDA.

Ich kan nicht schonen / denn meiner wird nicht geschonet / warum ist er so annehmlich? warum hat er mein Hertz so gefesselt? Ach! warum kan er solche Küsse mittheilen / daran sich die Götter vergnügen möchten?

[67]
ZABISCH.
Nun wündsche ich selbst / ein König zu seyn. Doch wohin zielet der ungewöhnliche Tumult?
9. Aufzug
Neundter Auffzug.
Cunigunda, Zabisch. Wentzel, Rudolf, ein junger Graf / kommen gelauffen.

WENTZEL.
Ach Frau Mutter ich bin halb tod!
RUDOLF.
Das Unglück will allerseits auff unser Leben zustürmen.
CUNIGUNDA.
Behüte GOtt / vor was sollen wir noch einmahl erschrecken?
WENTZEL.
Ach Frau Mutter vor meinem Unglück.
RUDOLF.
Und vor einer tödtlichen Gefahr / darauß dieser theure König mit Kummers-Noth entwichen ist.
CUNIGUNDA.

Ich sehe schon / das Verhängniß will nicht eher ruhen / als biß das Königreich Böhmen ein Exempel der allerunglückseligsten Königin von der Welt angesehen hat. Ach mein Herr Söhn! seyd ihr todt? ach! ihr könnet euch noch fürchten; seyd ihr lebendig? ach nein die Furcht ringet fast mit dem Tode.

ZABISCH.

In gefährlichen Begebenheiten muß man den gefährlichen Klagen einen Stillstand vergönnen. Was ist geschehen / darüber wir uns entsetzen sollen?

[68]
WENTZEL.
Ach ich kans nicht sagen.
ZABISCH.
So wird der kleine Herr Graff die Erzehlung etwas besser thun.
RUDOLF.

Ich bin es schuldig / und ich kan auch das jenige besser erzehlen / welches ich mit meinen Augen gesehen habe.

ZABISCH.
Ach wie werden wir auffgehalten.
RUDOLF.

Der junge König spatzirte mit mir auff dem Schloß-Hofe herum / und wolte sich gegen den Königlichen Garten wenden / als ein Bär sich in der Furie von seiner Kette loß rieß / und seinen grimmigen Lauff gleich auff diesen unschuldigen König fortsetzen wolte.

ZABISCH.

Zwey Dinge scheinen mir unmöglich. Das grimmige Thier kan sich von der starcken Kette nicht loß machen / und das zarte Kind würde einer solchen Bestie nicht entkommen seyn. Es ist nicht anders / ihr habt mit wachenden Augen geträumet.

RUDOLF.

Freylich war es Wunder / daß wir so glücklich entkamen / denn zu allem Glücke war ein Hoffjäger zugegen / der eine Probe von den raresten Hunden aus Engelland bey sich hatte / dieser eintzige Hund war dem grimmigen Thiere gewachsen / biß wir entrinnen kunten / was sie nun ferner angaben / das mögen andre Leute sagen.

ZABISCH.

Ich muß das unordentliche Wesen in Augenschein nehmen / auff die letzt wird kein Mensch im Lande / in der Stadt / auff dem Königlichen Schlosse nicht sicher seyn. Geht ab.

CUNIGUNDA.

Ach mein liebster Herr Sohn / hat die Furcht etwas nach gelassen: Das Hertze hört noch nicht auff zu [69] klopffen / ach soll euch etwan durch einen Kuß geholffen werden?

WENTZEL.

Liebste Frau Mutter / ich werde mich zu Bette legen / damit will ich alles auff den morgenden Tag überstanden haben.

CUNIGUNDA.

Nun so last es auch bald geschehen. Herr Graff sehet / daß nichts unterlassen wird / schickt zum Herrn MEDICO, der ihm die Gefahr mit BEZOARDIschen Sachen vom Hertzen abtreibt.

RUDOLF.
Ich werde meine Schuldigkeit in acht nehmen.
CUNIGUNDA.

Aber ihr mein liebster Herr Sohn / sehet da habt ihr eine Stärckung von gebackenen Zuckerwercke / nehmt dieselbe zu euch / vielleicht wird euch das Labsal zu neuen Kräfften dienen.

WENTZEL.
Ich bedanck mich zum allerschönsten.
CUNIGUNDA.

Wenn man sich bedanckt / so muß solches durch einen Kuß geschehen. Ach meine Seele lebet ewig wohl. Gehet ab.

10. Aufzug
Zehender Auffzug.
Wentzel, Rudolf. Hernach Girschick, Wazek, Tobiasch, ein junger Bettler.

WENTZEL.
Was mach ich mit dem Zucker?
RUDOLF.
Er dienet zum Essen. Doch mich dünckt / auff den folgenden Tag möchte er gesünder seyn.
[70]
WENTZEL.
So will ich warten. Doch was wollen unsre Diener mit dem unbekandten Betteljungen?
RUDOLF.
Wir müssen der COMŒDIE von weiten zusehen.
TOBIASCH.
Ich bin kranck.
GIRSCHICK.
Ich bin kein DOCTOR.
WAZEK.
Und wenn ich mich vor einen DOCTOR ausgebe / so verlanget niemand meine Artzney.
TOBIASCH.
Ach wie kneipt mich das Bettelbrod im Leibe.
GIRSCHICK.

Gieb dich zu frieden / das Bettelbrod hat einen heimlichen Segen bey sich / wenn es mit guten Gewissen genommen wird.

WAZEK.
Ja ein schöner Segen / da die Leute von allen hunderttausend Fluchen / wenns gegeben wird.
TOBIASCH.

Es ist kein Wunder / wer nichts warmes isset / und lauter Wasser trinckt / dem wird der gantze Leib gar leicht rebellisch.

GIRSCHICK.
Ich darff kein Geld anrühren / sonst spendirte ich ein paar Pfennige zu Brandewein.
WAZEK.
Und ich mag Geld anrühren / es wird mir nur nicht so nahe geleget / daß ich dazu komme.
TOBIASCH.
Je nun / wenn ich keine Hülffe an dem Orte haben kan / so muß ich meinen Stab weiter setzen.
RUDOLF.
Was ist hier vor ein Mensch?
[71]
GIRSCHICK.
Es war ein Bettler / der hatte ein Anliegen.
RUDOLF.

Ey solche Leute soll man nicht ohne Trost weg lassen. Es kan seyn / daß ein Freund des Himmels hierdurch verstossen wird.

TOBIASCH.
Ach ja der Himmel ist mir gar gut / die Erde will mir nur zur Stieffmutter werden.
RUDOLF.
Worinne kan euch aber geholffen seyn?
TOBIASCH.
Ich bin kranck / und möchte immer da auff dem Steine liegen bleiben.
RUDOLF.
Es soll befohlen werden / daß ihr was aus der Königlichen Küche bekommt.
TOBIASCH.

Ach ich kan nicht essen / ich bedancke mich / und wenn ich auch was möchte / so wäre es schon kalt / ehe ichs geniessen könte.

WENTZEL.
Ja du armer Kerl / da hastu ein bißgen Zucker / ich will dirs so lieb gönnen als mir selber.
TOBIASCH.

Ach grossen danck schöner Herr / zum Wahrzeichen / daß mirs soll gesund seyn / will ichs auff eure Gesundheit verzehren.

WENTZEL.
Nun laß dirs wohl schmecken. Geht ab.
RUDOLF.
Ach ihr Böhmen / sehet was vor ein wolthätiger König bey euch auffwachsen soll. Geht ab.
GIRSCHICK.
Nun wird dem Bettler gerathen seyn / da er ein stücke Zucker im Leibe stecken hat. Geht ab.
[72]
WAZEK.

Und nun weiß ich / was zu thun ist. Wenn mich einmahl nach Zucker gelüsten wird / so will ich kranck seyn. Geht ab.

TOBIASCH.

O es ist so arg nicht / daß mir der Zucker schaden soll / wenn die Bettler nicht können kranck seyn / wenn sie wollen / so geht ihnen drey PRO CENTO an den Allmosen ab / ich ruffe alle zum Zeugen an / daß mir nichts gefehlet hat: Steckt nichts böses im Zucker / so verseh ich mich morgen eines schönen und guten Tages.

3. Akt

1. Aufzug
Erster Auffzug.
Tobiasch, hernach Hinko, des Königes Inspector.

TOBIASCH.

Ach ihr Leute / wie wird mir! Ach wenn ihr Zucker essen wollet / so nehmet doch lieber einen Quarck ins Maul / damit kriegt ihr keine Kneipe im Bauche davon. Ach wie ringlich ist mir vorm Gesichte / wo mir nicht anders wird / so sterb ich / ehe die Sonne untergehet / das heist mit einem Könige gefressen.

HINKO.
Wie stehts lieber Mensch / wie thustu so kläglich?
TOBIASCH
stellt sich elende.
O es kan mir kein Mensch helffen.
HINKO.
Es ist aber schande / daß man dich so gar verlasen soll / sage nur / was hastu vor ein Anliegen?
TOBIASCH.
O mein Anliegen steckt mir so tieff im Bauche / es kan kein DOCTOR dazu.
HINKO.

Ey so muß man nicht sprechen / es ist noch viel Leuten Rath geschaffet worden. Laß nur hören / wo der Mangel sitzt / ich will dir helffen.

TOBIASCH.

Wer mir helffen will / der spendire mir einen Sarg zu meinen Begräbnüsse. Au / au / der Zucker will mir noch das Hertze abdrücken. Er fällt um / und stellt sich ungeberdig.

[74]
HINKO.

Was mach ich mit dem armen Schelmen / er hat gewiß was böses am Halse / ich wolte / daß jemand da wäre / der sich besser zum Krancken Leuten schickte als ich.

2. Aufzug
Andrer Auffzug.
Die Vorigen. Wentzel, Rudolf, ein junger Graff.

RUDOLF.
Mein Herr HINKO, die Stunde ist da / wir werden im Reithause zusehen.
HINKO.

Ich will gleich folgen. Doch da liegt ein armer Mensch / der ist hertzlich kranck / und ob er gleich ein Bettler ist / so möchte ich doch gerne sehen / daß ihm geholffen würde.

RUDOLF.
Wer bey allen krancken Bettlern will stehen / der wird in hundert Tagen kaum eine Meile reisen.
HINKO.
Es ist aber gar zu jämmerlich.
RUDOLF.
Wenn die Kranckheit nicht jämmerlich aussiehet / so ist sie keine Kranckheit. Er komme fort.
HINKO.
Ich komme. Doch mit PERMISSION, daß ich den armen Schelmen mit Schlagbalsam bestreichen darff.
RUDOLF.

Ach was soll ihm der Balsam / das RECEPT aus dem Kühstalle vor die Nase gehalten / das wird ihm kräfftiger seyn.

HINKO.

Ich wils doch versuchen. Streicht ihn. Seht wie er sich reget / es ist doch / als wenn ihm die Natur etwas auffgemuntert würde.

[75]
RUDOLF.

Was sind wir aber gebessert / wenn sich ein Bettler auffmuntert / es hilfft zu nichts / als daß er die Leute kan desto schärffer EXEQUIren.

TOBIASCH
springt in der Raserey auff.

Ey du Bluthund solstus ein König seyn / du magst wohl ein Mörder seyn / du hast mir keinen Zucker gegeben / Gifft hastu mir gegeben. Und weil ich doch mein Leben nicht behalten kan / so will ich dir im Gewissen sitzen bleiben / da will ich dir manche Stunde zu schänden machen. Siehe du Mörder / das sind meine letzte Worte. Nun tritt mir das Gifft zum Hertzen. Er fällt nieder.

RUDOLF.
Das war ein schlecht TRACTAMent vor einem König.
WENTZEL.

Der Schelme spricht / er ist von meinem Zucker kranck worden / die Frau Mutter wird mir nicht was böses geben.

RUDOLF.
Er muß was schlimmes gessen haben / das sieht man wohl an seiner Gestalt.
WENTZEL.
Aber das hat mein Zucker nicht gethan.
RUDOLF.
Mein König kan ich auff der Seite etwas reden?
WENTZEL.
Es muß bald geschehen / daß wir die Reitschule nicht versäumen. Geht ab.
HENKO.

Ich weis nicht / was ich aus den Händeln machen soll. Der König wird beschuldiget / als hätte dieser Bettelknabe etwas ungesundes von ihm bekommen? Nun hab ich wohl gewust / daß dem Könige selbst etwas schädliches hat sollen PRÆPARIRet werden. Allein wie es aus der Königlichen Hand zu diesem Stümper kommen wäre / das kan ich gar [76] übel rathen / aus allen Umständen seh ich / daß die Göttliche Hand die Fälle ziemlich unter einander mischt / drum hab ich auch den Schluß bey mir gemacht / daß ich vor meine Person nichts gefährliches TENTIRen werde. Doch daß ich alle Ungewisse Dinge verrathen soll / und daß ich mir eine schwere Verantwortung auff den Haltz weltze / das werde ich wohl bleiben lassen: Und wo sich dieser krancke Kerl nicht selber erholen will / so mag ers auch bleiben lassen.

3. Aufzug
Dritter Auffzug.
Wentzel, Rudolf, Poto, Sbinko, Landstände auffs Königs Seite. Hinko, des Königes Inspector.

RUDOLF.

Ich habe meine Jugend offt müssen verspotten lassen / nun kommen sie doch / und lassen die Exempel selbst reden / wenn meine Sprache zu verächtlich ist. Wie dieser Bettelbube numehr alle viere von sich streckt / so würde unser König in eben dieser Positur liegen / wenn sich das Glücke nicht EXTRAORDINAIR wunderlich gefüget hätte.

POTO.
Wie reimt sich aber des Bettlers Kranckheit mit dem Könige?
RUDOLF.
Darum / weil er etwas gessen hat / das vor dem König gebacken war.
SBINKO.
Einem Bettler / der ein unordentlich Leben führt / kan auch das Beste CONFECT zu Giffte werden.
[77]
RUDOLF.

Wo wir an allen Dingen so verächtlich zweifeln wolten / so liegt der König zu Boden / ehe wir an eine Vorsorge gedencken. Ist das nicht genung / der König kriegt von der Frau Mutter CONFECT, er giebt es aus Mittleiden dem Bettler / und nun überfallt dem armen Menschen eine tödtliche Kranckheit. Nun frage ich / welches ist besser / wenn man im Argwohne zu geschwinde / oder wenn man zu langsam ist?

POTO.

Liebster Herr Grafe / gefährliche Sachen lassen sich langsam gläuben / es scheinet doch / als wenn wir bey dieser Ungewißheit nicht allerdings dürfften stille sitzen.

SBINKO.

Ich habe den Liebhaber der Königin vielmahl entschuldiget / doch je mehr ich diesem Exempel nachdencke / desto mehr muß ich mich der vorigen Einfalt schämen.

POTO.

Es ist wahr / wenn eine Mutter auff neue Liebe dencket / so ist gemeiniglich die Liebe von der andern Ehe verschwunden.

SBINKO.

Doch was Rath? wo die verliebte Parthey mit falschen Grieffen umgehet / so dürffen wir uns wenig Personen vertrauen.

POTO.

Wir haben Freunde gnung / die es neben uns ausführen sollen / der König muß sich an einem sichern Ort begeben / und gleich über Halß über Kopff / den Weg zu dieser Stadt hinaus suchen.

SBINKO.
Die Verrätherey kan ihm nachfolgen.
POTO.

Der Himmel hat schon gewiesen / daß ihm an des Königes Person was gelegen sey / und daß die verfluchten Meuchel-Mörder sollen zu schanden werden. [78] Seht Herr HINKO, der junge König ist euch einmahl anvertraut / auff euer Gewissen wird er nochmahls hingegeben. Nehmt den nechsten Weg auff das Gebürge zu / da versteckt euch mit dem Könige / biß den Widersachern die Grausamkeit verboten wird.

SBINKO.

Gedenckt / daß ihr die Wohlfarth des gantzen Königreichs in euer Verwahrung habt / und das euch im widrigen Falle der Fluch des gantzen Königreichs treffen würde.

HINKO.

Ich will mir gerne befehlen lasen / denn wo die Königin beleidiget wird / so muß sie dero AUTORItät beschützen.

POTO.
Doch wird sich der liebe Herr auch zu einer solchen Veränderung RESOLVIren können?
SBINKO.
Und wird er auch gerne wollen verborgen seyn?
RUDOLF.

Ich nehme es auff mich / der liebe König hat nicht achtung drauff gegeben / was wir reden / doch von mir soll er die beste Nachricht bekommen.

HINKO.
So werde ich doch eine halbe Stunde Zeit haben alle Sachen darnach anzustellen?
POTO.

Was? wer in solchen Anschlägen zu langsam ist / der findet Gelegenheit zur Verrätherey: gleich diesen Augenblick muß der Auffbruch geschehen / unsere Wagen können alsobald fort / unter dem Zetten solt ihr eine Reise-Lade mit Gelde nachbekommen.

HINKO.

Ich muß mich betrüben / daß mir die Sache zur Verrätherey soll ausgeleget werden: Was ist natürlicher / als wenn ein INSPECTOR meines gleichen auff Mittel denckt / [79] wie ein solcher Herr bey seiner Flucht möchte versorget werden?

SBINKO.

Wir sind Land-Stände / wir haben an die Versorgung des Landes zu gedencken / ihr habt nichts mehr zu thun / als daß ihr seine geheiligte Person in acht nehmt.

HINKO.
So hab ich auch nicht die Freyheit mein CABINET ordentlich zu verschliessen?
POTO.

Ich dachte bey der Hauß-Jungfer Abschied zu nehmen. Die Gefahr ist zu groß / die Widersacher sind zu grausam / auch ein Augenblick / der über die Zeit verzogen wird / kan uns schädlich seyn.

HINKO.

Itzo besinne ich mich / auff den kleinen zukünfftigen Herr PATER, und auff den lustigen Bedienten / den wird der Herr König nicht gerne wollen zurücke lassen.

SBINKO.

Die sollen auch ohne eure Erinnerung zu euch geschafft werden. Nur fort / schaffet daß ihr aus Prage kommet / ehe die Leute nach euch fragen können.

HINKO.

So will ich auch mit meiner Geschwindigkeit beweisen / daß ich mich keiner Untreu darff beschuldigen lassen.

POTO.
Doch gnädigster Herr König wie so in tieffen Gedancken?
WENTZEL.
Ich dencke an den Bettel-Jungen.
POTO.
Und ich gedachte an eine Spatzier-Reise.
WENTZEL.
Was hilfft michs / wenn ich nicht dabey bin?
[80]
POTO.
Ich gedencke an eine Spatzier-Reise vor dem König.
WENTZEL.
Und auch vor die Frau Mutter?
POTO.
Ja sie wird auch folgen.
WENTZEL.
Warum geht es so geschwinde zu?
POTO.

Es ist ein güldner Vogel / der kömmt alle 500. Jahr einmahl in Böhmen / der ist gleich im Busche / wer heute nicht kömmt / der möchte sich morgen zu langsam einstellen / wenn der Vogel wieder weggeflogen ist.

WENTZEL.
Ey das ist stattlich / wenn ich etliche Federn davon hätte?
POTO.

Die wollen wir schon bekommen / nur / daß die Reise fein hurtig von statten geht: wer am ersten da ist / der kan ihm die meisten Federn aus dem Schwantze reissen / und darnach haben sie der Königlichen Frau Mutter was neues zu verehren.

WENTZEL.

Nun es geht auff den güldenen Vogel loß / grüst die Frau Mutter / und sprecht / ich will ein Dutzent güldne Federn vor sie auffheben.

SBINKO.

Aber mein Herr Grafe / es bleibt bey der Abrede / daß er dem jungen Könige bey Gelegenheit das Verständniß eröffnet / wir wissen selbst nicht / wie weit wir dem INSPECTOR trauen sollen.

RUDOLF.

Sie haben sich auff mich zu verlassen / sie leben unterdessen gesegnet / und lassen des Königes Wohlfahrt ihre höchste Freude seyn. Geht mit dem Könige und Hinko ab.

POTO.
Ach soll dieses eine Mutter heissen / da sich ein rechtmäßiger König vor ihrer List verbergen muß!
[81]
SBINKO.

Ich fürchte / sie wird noch einmahl so grausam seyn / nachdem ihr das unschuldige Kind aus den Klauen gerissen ist.

POTO.

So lange sie den König nicht erreichen kan / so mag ihr die Grausamkeit wohl gegönnet werden. Doch wolan wir müssen bey der Königin um AUDIENZ anhalten lassen: die gestrige Gefahr des jungen Königes giebt uns schon Anlaß zur GRATULATION.

SBINKO.

Es ist wohl ausgesonnen / vielleicht giebt es Gelegenheit etwas tieffer in ihre Gedancken zu PENETRIren.

4. Aufzug
Vierdter Auffzug.
Bäbel, hernach Ludomilla.

BÄBEL.

Nun das mahl bin ich vom Tode loß / wo ich allemahl so klug davon komme / so bleib ich bey der PROFESSION, und helffe die Leute betrügen. Denn in meinen Gedancken ist eine Sünde wie die andre. Denn so leicht ich den Leuten einen Hanbutten-Stecken vor eine CENTIFOLIE gebe / so leicht kan ich auch dem Könige Gifft vor Kirschen geben. Doch was macht der faule Bettel Junge da / der Schelme hat gewiß gestern langsam gessen / nun richtet sich der Kopff nach dem Bauche / und will etliche Stunden langsamer ausschlaffen. Fort fort! wer auff der Gasse schlaffen will / der muß um Mitternacht kommen: Am Tage sind die Strassen vor die Leute gebauet / die spatzieren gehen. Nun das heist geschlaffen / laß doch sehen / wilstu nicht erwachen / wenn ich dich bey der Nase zupfe? Je botztausend! Was vor ein kalt Fleckgen hat er an der Nasespitze. Der Junge ist [82] gestorben / je daß ich ein Narr bin / und geh so alleine / wo mir jemand Schuld giebt / daß ich den Todschlag begangen habe / so muß ichs gethan haben / ich habe keinen Zeugen / daß es nicht wahr ist.

LUDOMILLA.
Siehe da Meister BÄBEL / was habt ihr da vor eine Arbeit?
BÄBEL.
O was werd ich haben / da seh ich einen Jungen an / der ist gestorben.
LUDOMILLA.
Welch Junge ist gestorben?
BÄBEL.
Je der muß es wohl seyn / der da liegt.
LUDOMILLA.
Ich sehe es dem Jungen am Gesichte an / er ist erschlagen worden.
BÄBEL.

Nun hat es nicht viel zu bedeuten / wenn er einmahl tod ist / so ist es ein Ding / ob ihn jemand erschlagen / oder ersäuffet hat.

LUDOMILLA.

Aber hört doch Meister BÄBEL / ich habe euch allein bey ihm angetroffen / es ist nicht anders / ihr habt den Todschlag begangen / ich will auch flugs gehen und will es offenbahr machen.

BÄBEL.
Sieh da / alte Madraze / ich werde nicht einmahl mit gutem Gewissen dürffen eine Leiche ansehen.
LUDOMILLA.
Ich sehe sie auch mit gutem Gewissen an. Aber ich treffe euch allein dabey an.
BÄBEL.

Ey nicht doch Frau LUDOMILLA, ich habe euch dabey angetroffen / ihr habt den Jungen wollen an der COLICA [83] CURIRen / und habt ihm Gemantsche gegeben / daß er davon gestorben ist / ich will gleich gehen / und dem ersten Richter / der mir in Wurff kömmt / dem will ichs klagen.

LUDOMILLA.
Was? seyd ihr nicht erst dabey gewesen?
BÄBEL.
Was frag ich darnach / ich rede anders / damit muß meines auch wahr seyn.
LUDOMILLA.

Ich komme den Augenblick von gewissen Leuten her / die sollen zeugen / daß ichs nicht habe thun können.

BÄBEL.

Bote tausend! mein Possen geht zurücke. Die Frau bringt mich unschuldig in ein Wesen / das ich nicht verdienet habe.

LUDOMILLA.
Nu nu / ihr solt hübsch auffs Rad kommen / ihr Strassen-Räuber.
BÄBEL.

Ey Frau LUDOMILLA, redet nicht solch wunderlich Ding / wenn jemand dazu käme / so dächte er wohl es wäre wahr.

LUDOMILLA.

Sie sollen es auch dencken / warum bin ich euch zur Liebsten zu geringe / nun will ich wieder weisen / daß ich böse seyn kan.

BÄBEL.
Ihr gute Frau / wollt ihr denn einen Strassen-Räuber zum Manne haben?
LUDOMILLA.

Wenn ihr mich nehmen wollet / so sols nicht wahr seyn. Nun gebt eure Antwort / wolt ihr mit mir leben / oder ohne mich sterben?

BÄBEL
zehlet an den Knöpffen.
Leben sterben / leben sterben. Ich dächte ich wolte lieber sterben.
[84]
LUDOMILLA.
Nu nu / es kan geschehen. Sie will weggehen.
BÄBEL.

Ey Mutter LUDOMILLA, ihr müst nicht flugs davon lauffen / itzt bedenck ich mich / ich will leben / thut mir nur das zu gefallen / und helfft mir die Leiche in einen Winckel tragen.

LUDOMILLA.
Wenn ihr mich haben wolt / so helff ich euch.
BÄBEL.

Ja ja doch / ja ja doch / ihr seyd meine mit Leib und Seele / helfft mir nur die Leiche tragen.Sie fassen ihn an.

5. Aufzug
Fünffter Auffzug.
Die Vorigen, Heyno, ein Soldate.

HEYNO.
Ihr Leute was habt ihr da zu tragen?
LUDOMILLA.
Nicht gar viel. Es ist ein arm Mutterkind / das ist an der COLICA gestorben.
HEYNO.
Wenn er gestorben ist / so muß er liegen bleiben / biß er von andern Personen besichtiget wird.
LUDOMILLA.
Ich dächte wohl auch so / aber die Königin möchte den Weg herkommen.
HEYNO.
Und wenn die Königin käme?
LUDOMILLA.
Ach fürwahr sie hat so eine weiche Natur / sie kan keine Leiche sehen.
HEYNO.

Die Entschuldigung mag gelten. Aber gebt achtung auff euch selber / daß ihr auff eine Rede beständig bleibt. Geht ab. Sie schaffen ihn hinein.

[85]
LUDOMILLA.
Nun mag ich dich wohl meinen Schatz heissen?
BÄBEL.

Und ich mag dich wohl einen Narren heissen. Der Soldate hats gehöret / daß der Kerl an der COLICA gestorben ist / nun gesteh ich nichts / als daß du eine alte heßliche Madratze bist. Läufft davon.

LUDOMILLA.

Nun seht / wie sauer wird es einem ehrlichen Frauenzimmer / wenn es zum andernmahl soll unter die Haube kommen. Geh immer geh / du solst mir noch wohl dran / du magst dich immer so wunderlich stellen als du wilst. Geht ab.

6. Aufzug
Sechster Auffzug.
Cunigunda, Zabisch.

CUNIGUNDA.
Wir haben noch keine Zeitung von dem jungen Könige.
ZABISCH.
Ich trage Bedencken / darnach zu forschen.
CUNIGUNDA.
Und ich wolte / daß mir die Zeitung unverhofft gebracht würde.
ZABISCH.
Das CONFECT war gut PRÆPARIRet.
CUNIGUNDA.
Er nahm es auch begierig an.
ZABISCH.

Ich will nicht hoffen / daß mich der MEDICUS betrogen hat / er ist mir sonst in dergleichen Dingen sehr treu gewesen.

[86]
CUNIGUNDA.

Meine Muthmassungen werden mich nicht betrügen / seine Bedienten wollen ihn vielleicht nicht aus dem Schlaffe verstören / und wissen nicht / daß er den ewigen Schlaff empfangen hat.

ZABISCH.
In dessen solte man sorgen / was bey der unverhofften Post solte vorgenommen werden.
CUNIGUNDA.
Es wird bey den Ständen beruhen / ob einer betrübten Mutter die Vormundschafft überlassen wird.
ZABISCH.

Doch bey mir / und bey meiner FACTION wird es beruhen / ob sich eine betrübte Mutter noch ferner betrüben soll.

CUNIGUNDA.

Ich sage nicht / welchen die Königin der Krone würdig schätzet / der muß sich auch der Gelegenheit zur rechten Stunde bedienen.

ZABISCH.

Ich bin es nicht gewohnet / daß ich etwas versäumen soll. Allein was bringen die ungewöhnlichen Gäste / solte es möglich seyn / daß sie uns eben die Zeitungen bringen?

7. Aufzug
Siebender Auffzug.
Cunigunda, Zabisch. Poto, Sbinko, Landstände auffs Königs Seite.

POTO.
Gnädigste Königin / die gehorsamste Unterthänigkeit nöthiget uns zu einer GRATULATION.
[87]
SBINKO.

Und die Liebe gegen dem König dringet uns / in dero Gegenwart ein inbrünstiges Danckopffer abzulegen.

CUNIGUNDA.
Ihr lieben Getreuen / wohin zielen diese fröliche Reden?
POTO.
Auf die Wohlfarth des Königes.
SBINKO.
Und auff das Betrübnis einer Königlichen Frau Mutter.
CUNIGUNDA.
Die Worte sind noch zu dunckel.
POTO.

Soll die Wohlfarth eines Königes nicht gepriesen werden / wenn er sich aus den Klauen einer wilden Bestie loßgerissen hat?

SBINKO.

Und soll das Betrübniß einer Frau Mutter verachtet werden / welche den erschrocknen Sohn in einer halbtodten Gestalt umfasset hat?

CUNIGUNDA.

Ach ihr lieben Getreuen / zielen eure Worte dahin! Ja wohl hat der gerechte Himmel ein grosses Schrecken über uns verhangen.

POTO.
Das Unglück ist groß gewesen.
SBINKO.
Aber das Glücke noch viel grösser.
POTO.
Also wird dem gütigen Himmel vor die Beschützung gedancket.
SBINKO.
Und dessen Allmacht wird noch ferner um gnädige Beschützung angeruffen.
POTO.
Es lebe König WENTZEL / weil der Himmel selbst sein Leben beschützet.
[88]
SBINKO.

Es lebe Königin CUNIGUNDA, weil sie des Lebens Vergnügung an einem Königlichen Sohne reichlich empfinden kan.

8. Aufzug
Achter Auffzug.
Die Vorigen. Czenko, Woko.

CZENKO.
Verrätherey! das Königreich soll zu Grunde gehen.
WOKO.
Verrätherey! Man ist im Königlichen Schlosse nicht sicher.
CUNIGUNDA.
Ach weh! Soll unser Königlicher Herr Sohn wiederum etwas empfunden haben!
CZENKO.
Wer das Königreich lieb hat / mache sich nur davon / daß er den Untergang nicht sehen darff.
WOKO.

Und wer im Lande bleiben will / der werde nur ein Verräther / damit er die Belohnung von seines gleichen hoffen kan.

CUNIGUNDA.
Ach warum werde ich auffgehalten? Sagt mir doch ob ich leben oder sterben soll.
CZENKO.
Das weiß ich / daß ich mich über mein Leben heute hundertmahl erzürnet habe.
WOKO.
Und das weiß ich / daß ich den Todt mehr als hundertmahl gewünschet habe.
[89]
CUNIGUNDA.
Ach es ahnet mir ein grosses Unglück.
CZENKO.
Der König ist weg.
CUNIGUNDA.
Ach ist der König tod! Ich will ihm folgen.
ZABISCH
umfasset sie.
CZENKO.

Gnädigste Königin / so kan man nicht folgen / der König ist weg / er hat sich entführen lassen / seine Bedienten sind nirgends anzutreffen / keine Spur ist zu erforschen / wo der unglückselige Verräther seinen Weg muß hingewendet haben.

ZABISCH.

Wie? soll es möglich seyn / daß sich jemand so einer leichtfertigen That unternehmen soll? Auf ihr Brüder / last die Strassen bereiten / ob man der geringsten Anzeigung könne theilhafftig werden.


Czenko und Woko gehen grimmig ab.
ZABISCH.

Die andern Herrn werden sich belieben lassen / in der gantzen Stadt nachzuforschen / ob jemand sein Hauß zu einer verrätherischen Mördergrube machen wolle.


Poto und Sbinko gehen ab.
ZABISCH.
Aber ach! was soll ich mehr befehlen / oder was soll ich mehr beklagen!
CUNIGUNDA.
Der Gifft hat seltzame Würckung.
ZABISCH.

Wenn mein Unterhembde von diesem Geheimniß etwas hätte wissen sollen / ich wolte es gestern an meinem Leibe verbrennet haben.

[90]
CUNIGUNDA.

Und dennoch siehet alles so besorglich aus / als wenn der Argwohn einen Schlüssel zu dem Geheimnüsse gefunden hätte.

ZABISCH.

Wir wollen den Haupt-Schlüssel zu dem Königreiche Böhmen brauchen / damit soll uns der verborgene König unverschlossen seyn.

CUNIGUNDA.

Den Schlüssel zu meinem Königlichen Hertzen habt ihr gefunden: Allein ich stehe in Sorgen / ob sich alle Schlösser so leichte gewinnen lassen. Ach meine Seele / die Zeit ist zu köstlich / klagen können wir ein andermahl / die gegenwärtige Gelegenheit muß mit Sorgen und emsigen Verrichtungen angewendet werden.

ZABISCH.

Allerschönste Königin! diesen Kuß lasse ich zum Pfande / daß ich meinen Schlaff verschweren will / ehe sich die Verrätherey wird an das Licht bringen lassen.

CUNIGUNDA.

Und dieser Kuß soll gleicher Gestalt Zeuge seyn / daß ich eine QUALIFICIRte Person höher halten muß / als meinen König.

ZABISCH.

Wie hoch meine QUALItät wird zu rühmen seyn / das soll in der gegenwärtigen Verwirrung entdecket werden. Geht ab.

CUNIGUNDA.

Wie verkehrt spielet das Glücke mit meiner Hoffnung / eine Mutter pflegt sich sonst bey dem Tode ihres Sohnes zu betrüben: Doch mein Hertze will vor Unmuth zerspringen / daß ich den Tod meines Sohnes öffentlich nicht beweinen kan.Gehet ab.

9. Aufzug
[91] Neundter Auffzug.
Lesko, Heyno, zwey Soldaten. Bäbel, der Gärtner.

LESKO.
Nun wie stehts du fauler Prietzel / ist das Mode / daß man sich auff der Strasse umbsiehet?
HEYNO.
Und weistu nicht / was dem gantzen Volcke vom Hofe aus vor Ordre zukommen ist?
BÄBEL.
Ich bin ein Gärtner / ich muß mich in der Lufft umsehen / wo das Wetter herkömmt.
LESKO.
Dir was anders auff dein Wetter: siehe du auff den Weg / wo der Verräther herkömmt.
HEYNO.
Oder auff den Weg / wo der König hinkommen ist.
BÄBEL.
Ja so ein grober Flegel / wie ich bin / darff sich gleich um den König bekümmern.
LESKO.
Du hörsts ja wohl / daß der König gestohlen ist.
HEYNO.

Und das hörest du auch / daß der ein Schelm und ein Dieb bleiben soll / der die Diebe nicht verfolgen will.

BÄBEL
ad spectatores.

Nun seht weil der Gifft nicht helffen will / so hat sich der König müssen stehlen lasen. Nun das heist wohl recht / wer sich in der Welt soll VEXIren lassen / der kan sich nimmermehr gnung vorsehen.

LESKO.
Was steht denn der stumme Hund in Gedancken?
[92]
HEYNO.
Ich halte / er hat Wissenschafft davon / wo der König hinkommen ist.
BÄBEL.
Ihr Herrn halt mirs zu Gute / wenn ich mich recht erzürnen will / so mach ichs immer so.
LESKO.
Ich lobe einen RESOLVIRten Kerlen / der sich flugs erzürnen kan.
HEYNO.

Und vor dem wird sich niemand fürchten / der sich ein halb Jahr Zeit nimmt / ehe er weiß / ob er sich erzürnen soll.

BÄBEL.

Seyd nur stille / es ist schon richtig mit mir / ich fühle es schon vier quer Finger über den Nabel / daß ich recht grimmig werde seyn. Mein Bauch gemahnet mich / wie ein Wetter / von unten zeucht es auff / und wenn es ins Maul kömmt / so fleucht Donner und Hagel heraus.

LESKO.

Nun es steht zu erfahren / wo hastu dein Hauß-Gewehre / mache fort / wer uns begegnet / der muß sich anpacken lasen.

HEYNO.
Und wer nicht mit Gutem will / der muß sich zwingen lassen.
BÄBEL.

Und ich halte / wer den Ernst nicht verstehen will / muß sich vexiren lasen. Nun zu guter Nacht meine liebe Mutter LUDOMILLA, das ist mein erstes mahl / daß ich über die Meile wandern soll. Thun mir unterdessen die Erdflöhe schaden / so mags derjenige gut machen / der es geheissen hat. Gehen ab.

10. Aufzug
[93] Zehender Auffzug.
Rudolf, Wazek.

RUDOLF.

Nun wir haben der Pferde nicht verschonet / und so leicht sollen uns die Feinde nicht einholen / wenn sie etwan nach uns Verlangen trügen.

WAZEK.
Ja ich kan auch davon reden / heute hab ich weidlich geritten.
RUDOLF.
Das heist nicht geritten / wenn man die Reise-Lade zwischen den Beinen hat.
WAZEK.
Ich dachte auch / es wäre die Reise-Lade / und darnach war es der Wolff.
RUDOLF.
So gehts den jungen Kerlen / wenn sie ausfliegen / sie müssen was lernen.
WAZEK.
Über dem Lernen darff man den Kopff nicht sehre zerbrechen / aber es geht schändlich über die Beine.
RUDOLF.
Erinnere mich dran / heute solstu auff dem Strohwische reiten.
WAZEK.
Das will ich lieber thun / als auff der Igel- Keule.
RUDOLF.
Doch wo werden wir uns hinwenden / es wäre Zeit / daß wir eine verborgene Wohnung suchten.

Die Bauren præsentiren sich.
WAZEK.
Dort kommen etliche Herren her / die wollen wir fragen.
[94]
RUDOLF.
Du tummer Schelm / du siehest die Bauren vor Herren an.
WAZEK.

Wenn ich zu Hofe bin / da heiß ich die Bauren Schelmen / aber wenn ich in ihr Gebiete komme / so sehe ich sie flugs vor leibhafftige Herren an.

RUDOLF.
Du hast doch deine Entschuldigung.
11. Aufzug
Eilffter Auffzug.
Die Vorigen. Janku, Nikschi, Bauern.

JANKU.
Je nu ich hätte gedacht / es solte nun besser im Lande werden / da wir einen neuen König haben.
NIKSCHI.
O Nachbar es kan nicht seyn / der König ist noch jung / ein kleiner Herr / kleine Hülffe.
JANKU.
Geschichts itzo nicht / so wirds darnach heissen: Grosser Herr / grosse Schererey.
NIKSCHI.
Sie sprechen aber / der liebe Herr soll die gemeinen Leute so lieb haben.
JANKU.
Ich halte er redt manchmahl mit den Leuten / wenn er sie will zum Narren haben.
NIKSCHI.

Je wer fragt darnach / wenn mir einer allezeit zu fressen gäbe / und drey Groschen dazu / ich liesse mich gerne zum Narren haben.

[95]
RUDOLF.
Glück zu ihr ehrlichen Leute.
JANKU.
Nein / nein / das Glücke soll nicht zugehen / es soll offen bleiben / daß wir dazu kommen.
RUDOLF.
Nun so mag es heissen / Glück auff!
NIKSCHI.
Bringt nur den Schlüssel mit / daß wirs auffmachen können.
RUDOLF.

Es ist mir doch lieb / daß ich so lustige und hübsche Leute angetroffen habe: Denn wir verlangen nichts anders / als auff etliche Tage eine Herberge.

JANKU.
Ja da im Pusche sitzet uns die Herberge / gestern schlieff ich auff einem grossen Eichbaume.
NIKSCHI.

Und ich war in ein Mäuseloch gekrochen / oder obs ein Fuchsloch war / da irgend vor etlichen Jahren ein Bär hatte in Wochen gelegen.

RUDOLF.

Ihr werdet ja eigne Wohnungen haben / das Holtz ist wolfeil gnung / es müste eurer Nachläßigkeit schuld seyn / daß ihr nicht bauen wollet.

JANKU.
Ey wir haben wohl gebauet / aber nicht vor frembde Leute.
NIKSCHI.
Und wenn einer eures gleichen in die Stube käme / so müste die Frau oder ein Kind herauß.
RUDOLF.
Wenn ich euch so viel böhmische Groschen in die Hand drückte?
JANKU.

Ja itzo verstehe ichs erst / ihr wollt gerne Herberge haben / ja / ja / ich habe ein groß Hauß / nach meiner Bauer-Manier ist es gar fürstlich gebauet.

[96]
NIKSCHI.
O wolt ihr zu mir kommen / meine Stube ist grösser.
RUDOLF.
Wir wollen es besehen. Sie gehen ab. Du WAZEK auff / und sprich die andern sollen folgen.
12. Aufzug
Zwölffter Auffzug.
Hinko, des Königs Inspector. Antschku, Heuscha, der Bauern ihre Weiber.

ANTSCHKU.
Was frag ich darnach / will mein Mann Gäste einnehmen / so mag ers thun.
HEUSCHA.
Und wenns meiner thut / so weiß ich wohl / daß es niemand umsonst begehren wird.
HINKO.

Ich rathe euch aber / last euch mit den Leuten unverwirrt / die Männer kommen um den Halß / wenn es zu Hofe erfahren wird.

ANTSCHKU.
Das ist wohl kein unchristlich Stücke / wenn man frembde Leute ins Hauß nimt.
HEUSCHA.
Und ich dencke solche Herrn werden nicht im Pusche bey der wilden Sau schlaffen.
HINKO.

Ich rede vertraulich mit euch / wo ihr guten Rath gelten lasset / so bringet eure Männer dazu / daß sie die Leute nicht einnehmen.

ANTSCHKU.
Ihr gehöret ja selber dazu.
[97]
HEUSCHA.
Und ihr werdet ja nicht wollen / daß wir euch zum Hause nauß jagen sollen.
HINKO.

Es wäre mir freylich lieb / wenn ich meine Bequemligkeit haben könte: Aber daß ich dessentwegen arme Leute soll in Leib- und Lebensgefahr bringen / das kan ich nicht thun.

ANTSCHKU.
Je was ist denn nun so gefährlich?
HEUSCHA.
Und wer wird uns denn deßwegen flugs die Hälse brechen?
HINKO.
Ihr seyd gewarnet gnung / wollt ihr euch nicht rathen lassen so lauffet hin.
ANTSCHKU.
Je nein / wenns nicht anders ist / so kan ich wohl unbarmhertzig seyn.
HEUSCHA.
Und ihr sollet alle sehen / wie ich die Leute wiederum zum Hause nauß schmeissen will.Sie gehen ab.
HINKO.

So will ich doch meinen Willen behalten / und dem Könige die Reise sauer machen. Es schien / als wenn die Herren meine INTENTION gemercket hätten / daß sie mir kein Viertel-stündgen zu meiner Bequemligkeit gönnen wollen. So werden sich meine besten Freunde verwundern / warum sie keine Part von mir bekommen haben. Doch im Ausgange sollen sie sehen / daß ich ihnen treulich gedienet habe / und dessentwegen will ich auff der Strasse dahin spatziren / wer mir begegnet / dem will ich begegnen / daß er sich der Reisenden SUITE schwerlich annehmen soll. Ich habe was von VICTUALIEN bey mir / der junge König mag sehen / daß er was bekömmt. Geht ab.

13. Aufzug
[98] Dreyzehender Auffzug.
Wentzel, Rudolf, Girschick, Wazek, Janku, Nikschi, Antschku, Heuscha. Die Bauern bringen sie heraus gejagt.

RUDOLF.
Ach wohin zielet diese Gewalt?
JANKU.
Das weiß ich wohl / schiert euch zu meinem Hause hinauß.
NIKSCHI.

Und wolt ihr solche grosse Herren seyn / so schert euch in euer Schloß / in unsern Bauerhäusern zerdrücket ihr die güldnen Spitzen am Kleide.

RUDOLF.
Es soll auch alles bezahlet werden.
JANKU.

Ich schmiesse dir was auff dein Geld / wer weiß / wo du deine Böhmische Groschen den armen Bauern abgeschunden hast.

NIKSCHI.

Darnach sollen wir einen solchen Bauer- Schinder noch viel zu gute thun: Schier dich fort / oder ich mache dir mit meiner Heugabel sieben Löcher.

GIRSCHICK.
Wenn ihr niemand schonen wollet / so schonet doch meiner geistlichen Person.
JANKU.

Je we seht doch / ist das eine Geistliche Person / je lieber Herr ich knie vor euch / alle meine Sünden fahren in euch.

GIRSCHICK.
Ihr Leute schertzet nicht / ich kan den Segen wieder mitnehmen / den ich euch gegeben hätte.
[99]
NIKSCHI.

Wilstu den Segen nicht geben / so magstu ihn behalten. Sie schreyen alle. Fort fort / schert euch weg / ihr habet keinen Theil an uns.

WENTZEL.
Ach ich bin ein unschuldiges Kind / was habe denn ich gethan?
JANKU.
Da werde ich wissen / was alle beschissene Kinder gethan haben.
NIKSCHI.

Ich halte du bist der Kinderfrauen entlauffen / ein andermahl muß sie dir den PODEX mit Nesseln reiben / daß du lernest zu Hause bleiben.

WENTZEL.
Ach sehet doch meine Kindheit an / soll ich denn im Pusche verderben?
JANKU.
Du bist ein Kind werde nur groß / du wirst die Bauern wohl scheren lernen.
NIKSCHI.

Du gemahnest mich wie ein junger Sperling / wer dir den Kopff bey Zeiten eindrückte / der hätte hernach Friede vor dir / wenn du alt würdest.

WENTZEL.
So kan ich nicht da bleiben? Sie schreyen zusammen. Nein nein schier dich fort du Bauer- Schinder.
WENTZEL.
Ach so gebt mir doch einen bissen Brod / denn ich möchte fast Hunger sterben.
JANKU.
Siehe da liegt ein Stein / und da liegt ein Erdkloß / friß welches du wilst.
[100]
NIKSCHI.
Und ehe du alle güldne Spitzen von der Jacke gefressen hast / so kanstu noch eine weite Reise thun.
WENTZEL.

Ach ihr Leute ihr wißt nicht / wen ihr beleidiget! Sie schreyen. Schier dich fort / wir wollen es nicht wissen.


Sie jagen sie hinein.
WAZEK.
In der Angst habe ich meinem Mantel zurücke gelassen / den muß ich wohl wiederhaben.
ANTSCHKU.
Weistu nicht / wo der Weg hingehet?
WAZEK.
Ich weiß wohl / wenn ich meinem Mantel werde gefunden haben / so will ich mich nicht fragen lasen.
HEUSCHA.

Was? denckstu / daß wir dir deinen Mantel gestohlen haben / du darffst uns nicht viel / so wollen wir dich da unter den Baum niederlegen.

WAZEK.
Hört doch ihr Leute / wisset ihr auch wer ich bin?
ANTSCHKU.
Das schiert uns nichts.
WAZEK.

Aber mich desto mehr / der alte BONAVENTUR vom Riesen-Gebürge ist mein Vater / und wo ihr mir noch eine CONCULFUSE macht / so will ich nur drey Worte sprechen / darnach versucht mir / ob ihr Arm oder Bein regen werdet.

HEUSCHA.
Gevatter / wenn das wahr wäre / so könten wir dem Jungen wohl gehen lassen.
ANTSCHKU.

Sehet sehet / er macht schon einen spitzigen Finger / es ist dem Schelmen nicht zu trauen / sein Vater ist ein tausend Schelm auff solche Künste.

[101]
WAZEK.
Nun wie stehts um meinem Mantel?
ANTSCHKU.
Da ist er geh nur bald fort / du hast kein Theil an mir.
WAZEK.

Das laß ich wohl bleiben / wo mein Mantel gelegen hat / da muß ich zu fressen kriegen / oder es wird lächerlich ablauffen.

ANTSCHKU.
Ich habe nichts.
WAZEK.
So kan ich einen OX BOX machen. Soll ich?
ANTSCHKU.

Ach nein / ach nein / da hab ich eine Zwickauische Semmel / die solte meinen Kindern / ach geh hin und nimm sie fort.

WAZEK.

Ey das ist noch nicht gnung / ich muß mehr haben / denkt ihr / daß der alte Bonaventur einen Narren zum Sohne hat?

HEUSCHA.

Da hab ich einen Collatschen von Hirschberg / so nimm ihn doch auch mit / und laß uns zu frieden. Die Weiber gehen ab.

WAZEK.

Ihr Leute seht / was das Pralen kan / die Weiber hätten ihre VICTUALIEN wohl behalten mögen / ich hätte nichts gewust. Aber weil ich das liebe Gut nun hier beysammen habe / so werd ichs nun wohl in meinem Leib fressen / sonst muß ich mit dem jungen Könige theilen.

14. Aufzug
[102] Vierzehnder Auffzug.
Rudolf, Wentzel. Hernach Zbisla, ein Böhmischer Semmelkrämer, Jarosla, ein Böhmischer Wursthändler, Bruno, ein Münch von Zittau.

RUDOLF.

Wo muß doch unser INSPECTOR seyn hinkommen? er soll vor uns Sorge tragen / und da wir seiner am meisten benöthiget sind / so lässet er sich nirgends antreffen.

WENTZEL.
Ach ich sterbe / so hungert mich.
RUDOLF.
Mich hungert auch mein König / wo die Noth grösser wird / so müssen wir Wurtzeln essen.
WENTZEL.
Ach der Speise bin ich ungewohnet / ich muß gewiß sterben.
RUDOLF.
Vielleicht kömmt noch jemand der uns helffen kan.

Sie gehen auff die Seite.
ZBISLA.

Ich halte / der Hencker hat die Pfuscher gemacht: Was hatten wir sonst vor einen Marckt mit unsern Semmeln / die Leute thaten / als wenn sie uns selber mit fressen wolten / aber itzund lassen sie uns die Waare über dem Halse fein altbacken werden / und das machen die elementschen Pfuscher / daß ein jedweder Berenheuter will Semmel backen / da hab ich nun mein liebes Gut beysammen / aber wo mir der kleine Edelmann begegnet / der kriegt nichts / der frembde Herr hat mich schon gewarnet.

[103]
RUDOLF.
GOtt helff euch lieber Freund.
ZBISLA.
Was dürfft ihr sprechen GOtt helffs / hab ich doch nicht genieset.
RUDOLF.
Wir bedürften das Glücke allemahl. Doch wer seyd ihr?
ZBISLA.

Was werd ich seyn / ich bin ein Kauffmann / ihr sehts an meinem Korbe wohl / daß ich kein Fischer bin.

RUDOLF.
Ach in dem Korbe ist Brod / seyd doch gebeten / und last uns was zukommen.
ZBISLA.

Je du elementscher Schelme / du darffst mir nicht viel / ich schlage dich zu Gott es Boden / solstu meine Semmeln Brod heissen?

RUDOLF.
Ach was muß ein Mensch in der Hunger- Noth erdulden! So gebt uns doch von der Semmel.
ZBISLA.

Das ist mir auch ungelegen / es sieht bey solchen verschammerirten Herren gar Berenheutrisch aus / wenn sie betteln wollen.

WENTZEL.

Ach hertzlieber Mann / es soll euch bezahlet werden / gebt mir nur eine halbe Semmel / sonst muß ich sterben.

ZBISLA.

Es wird ein schrecklicher Schaden seyn / wenn das Ungeziefer in schönen Kleidern gar aus der Welt wäre / so hätten die Bauern die besten Tage.

WENTZEL.
Ach erbarmet euch doch / ich will die Semmel bezahlen.
[104]
ZBISLA.

Du kriegst nichts / wo du mich angreiffen wilst / so will ich dir eine Semmel geben / die dir nicht schmecken soll. Geht ab.

WENTZEL.
Ach das ist ein armer König / der in seinem Lande nicht über einen bißen Brod zu befehlen hat.
JAROSLA
kömt.

Gevatter ZBISLA wo führt euch der Hencker so bald hin? Ich sehe niemanden. Ihr Leute / ist euch niemand mit dem Semmelkorbe begegnet?

RUDOLF.
Ja er kan nicht weit seyn. Aber wo wollt ihr mit den Würsten hin?
JAROSLA.
Nein / wenn sich doch ein solcher junger Schneffler um meine Würste unbekümmert liesse.
RUDOLF.
Wir müssen uns drum bekümmern / wir sind der Waare benöthiget / und wir weiten sie gerne bezahlen.
JAROSLA.
O meine Bauerwürste schicken sich nicht vor solche grosse Junckern.
RUDOLF.
Last ihr uns davor sorgen / ob sie uns anstehen.
JAROSLA.

Wenn ich aber nicht will / die Würste sind meine. Höre du Müßiggänger / wilstu einmahl was in der Noth haben / so schaffe dirs in der Zeit / ich verdiene mein Brod deßwegen nicht auff der Strasse / daß ich solche Bauerschinder mit Würsten aushalten soll. Geht ab.

WENTZEL.
Ach die Hoffnung ist wieder vergebens / wo mir niemand zu essen geben will / so fall ich da nieder.
RUDOLF.
Da kömmt ein heiliger Mann / der wird uns wohl helffen.
[105]
BRUNO
kömmt.

Nun das heist gefochten / ich habe die Bauren brave um Eyer / um Butter / um Käse / um abgerührte Kirschen / um Meel / und um andre Dinge betrogen / ich dencke / ich will mein Kloster nun wieder verproviantiret haben.

RUDOLF.
Meine Dienste dem Herrn.
BRUNO.
Großen Danck.
RUDOLF.
Ich sehe er hat stattliche Lebens-Mittel zusammen gebracht.
BRUNO.

Ja die Leute haben unserm Kloster was zu Gute gethan / ich wolte es nicht nehmen / sie drangen mirs mit Gewalt auff / und ehe ich Zorn verdienen wolte / so muß ich mich so beschweren lassen.

RUDOLF.
Habt ihr nicht was übrig / das ihr uns mittheilen könnet?
BRUNO.
Da behüte mich der heilige FRANCISCUS davor / daß ich dem Kloster-Gute was entwenden wolte.
RUDOLF.
Es soll nur geliehen seyn / wir stecken in der Noth / und können uns selbst nicht helffen.
BRUNO.
Ich darff auch nichts verleihen.
RUDOLF.
Ihr werdet uns nicht verderben lassen.
BRUNO.

Ich sag es noch einmahl / ich kan euch nicht helffen. Ist euch aber mit einem Segen gedienet / den kan ich euch wohl zurücke lassen. Geht ab.

RUDOLF.
O du Berenheuter / wäre dein Segen einen faulen Käse werth / so würde er uns nicht zu gute kommen.
[106]
WENTZEL.

Ach ich sehe wohl / daß mir niemand helffen kan / ich werde gantz matt / da will ich mich niederlegen / und da will ich sterben.

RUDOLF.
Mein König / hier können wir nicht bleiben.
WENTZEL.
Bleibt wo ihr wollt ich kan nicht weiter.
RUDOLF.

Nun so bleib er doch hier / ich will mich nach unsrer Gesellschaft umsehen / ob etwan noch was zu rathen ist. Geht ab.

WENTZEL.
Ach weh / wie hungert mich. Er legt sich nieder und entschläfft.
15. Aufzug
Funffzehender Auffzug.
Marinka, eine Leimthändlerin vom jungen Buntzel.

MARINKA.

O Ich will nich mehrkommen auff der Sitte / sind garstig Leut / geben der Leimt theuer / wie der Teufel / soll geben vor Schock Ellen 6. Thaler / ist nicht werth / mey Siel fünff Thaler. Komm ich uff Buntzel / lachen der Leut / und geben mir vor Elle zwey Groschen / ich sprechen will zu meinem Mann / will ziehen in ander Land / da ist Leimt wohlfeil. Sie siehet König Wentzeln. Ey was ist das / was ist der Kind / ich habe zu Puntzel Kind / der ist nicht so / je du Gott / schön edel Kind / mein Kind gantz Bauer-Kind / je du Gott / hart ich der Kind / wolte ich geben zehn Thaler / je du bist wie das Engel bey die Christkindel. O hat ich mich Fuhr-Leut / die mir fahren weg / wolt ich flugs bleiben da. O du schön edel Kind / alle Bauer-Kind nick werth ist / daß sehn so schöner Kind. Nu will ich lauffen zu der Fuhrleut.

16. Aufzug
[107] Sechzehender Auffzug.
Wentzel, Lisel, eines Zittauischen Bürgers Tochter.

LISEL.

Wo ist denn meine Mutter hinkommen? wo ist denn mein Vater? wo sind denn die andern Leute? sie müssen wohl nachkommen. Doch was frag ich darnach / hab ich doch meine Semmel bey mir / je hätt ichs doch nimmermehr gedacht / daß es zur Gabel so hübsch wäre / da seyn Semmeln / da seyn Würste / da seyn Kuchen / da ist ein hauffen hübsch Ding / wenn meine Mutter wolte zur Gabel bleiben / ich wolte mein Tage nicht wieder auff die Sitte kommen. Aber was liegt da vor ein schön Kind? je du liebes Hertzel / siehest du doch aus / als wie das Christ-Kindel. Ja das fehlte doch noch zur Gabel / solche schöne Kinder hatten sie nicht da.

WENTZEL.
Ach wer kützelt mich / last mich schlaffen.
LISEL.
Ich bins.
WENTZEL.
Wer heist denn ich bins?
LISEL.
Meister Bärthelts Lisel von der Sitte.
WENTZEL.
Wer mir nicht zu essen bringt / der muß mich zufrieden lassen.
LISEL.
Je du liebes schönes Kind / ich habe zu essen.
WENTZEL.
Nun so will ich doch auffwachen. Ach mein liebes Mädgen hastu was zu essen / so gieb mirs fein bald.
LISEL.

Ja ja da hab ich ein Höckel / sieh da ist Kuchen / da ist auch kalt Gebratens / die Plätze seyn mir gar zerbrochen. [108] Sieh da ist auch eine Semmel / sie ist gar gut / Meister Baltzer von der Gabel hat sie selber gebacken.

WENTZEL
isset begierig.
LISEL.
Nun höre mein schönes Kind / wer bist du denn?
WENTZEL.
Höre doch mein liebes Mädgen hast du gessen?
LISEL.
O ja / ich habe zur Gabel brave gessen / fühle wie mir der Bauch strotzet.
WENTZEL.
Nun so höre / laß mich auch essen.
17. Aufzug
Siebenzehndter Auffzug.
Die Vorigen / auff der Seite. Martin, Berthold, Bürger von Zittau. Rosine, dessen Frau.

MARTIN.
Ich muß gestehen / das böhmische Volck ist recht gutthätig Volck.
BERTHOLD.
Ja es isset gerne selber / und sieht auch gerne essen.
ROSINE.
Je nu was sie an uns thun / das thun wir ihnen wieder / wenn sie auff die Sitte kommen.
MARTIN.
Wir begehren es auch nicht umsonst / sie mögen in GOttes Nahmen wiederkommen.
[109]
BERTHOLD.
Aber wo haben wir unser Lisel gelassen?
ROSINE.
Es lieff ja immer da herum / es kan mir nun auff einmahl nicht verschwunden seyn.
MARTIN.
Ich sehe gleichwohl kein Liesel / hui / daß wir Unglück mit dem Kinde haben.
BERTHOLD.
Ich spreche wohl immer / wer auff der Reise will lustig seyn / der lasse die Kinder zu Hause.
ROSINE.
Warum habt ihrs nicht zu Hause gelassen?
BERTHOLD.
Bin ich Ursache dran?
ROSINE.

Wenn ihr aber so klug seyn wollet / so hättet ihr mirs sollen verbieten / so wäre das Mädel zu Hause blieben.

BERTHOLD.

Ihr last euch wohl viel verbieten. Wenn man einmahl einen guten Tag haben will / so muß man wohl zu manchen Narrenpossen stille schweigen.

ROSINE.
So wolt ich itzund auch stille schweigen.
BERTHOLD.
Es hat sich wohl geschwiegen / wenn man sein Fleisch und Blut einbüssen soll.
ROSINE.
Mit schnurren und purren wird es auch wiederkommen / wo habt ihrs hingethan / da sucht es.
BERTHOLD.
Frau last mich zu frieden / wenn ich Gäblisch Bier getruncken habe / so ist mir nicht zu trauen.
ROSINE.

Ist denn mir zu trauen / wenn ich Gäblische Semmeln gefressen habe? Kommt doch her und sagt mir / was euch fehlet.

[110]
BERTHOLD.
Mein Lisel fehlt mir.
ROSINE.
Mir fehlt auch eins.
MARTIN.

Ihr wunderlichen Leute / so fehlt euch allen beyden was / da ist gleich der Ort / da man sich zancken will / hat sich das Kind verlauffen / so wird sichs auch wiederfinden: Und sehet / wären wir lange so klug gewesen / und hätten dorthin gesehen / so wäre der Streit auff einmahl nach geblieben.

ROSINE.

Je du loses Kind / harre daß du deiner Mutter entlauffen bist / ich will dich mehr mit auff die Gabel nehmen.

LISEL.
Ach liebe Mutter / da hab ich ein schön Kind gefunden / das soll mein Freyer seyn.
ROSINE.

Ja es siehet gleich darnach aus. Nein er trägt kein Kleid von Sittauischen Tuche / du wirst ihm einmahl nicht gut genung seyn.

BERTHOLD.
Mein Kind / wie kommt ihr an diesem Ort?
WENTZEL.
Ich weiß selber nicht.
BERTHOLD.
Aber in einem solchen Pusche kan man Unglücke haben.
WENTZEL.
Ach ich armes Kind ich habe Unglücke / wo ich hinkomme.
BERTHOLD.
Wer seyd ihr denn?
WENTZEL.
Entweder ich weiß nicht / oder ich darf es nicht sagen.

[111] Indem er redet / spielet Lisel allezeit mit seinen Händen.
BERTHOLD.
Ey wir sind redliche Leute / bey uns mag eine Sache wohl gesagt werden.
WENTZEL.
Ach ihr sehts an meinem Kleide wohl / daß ich nicht in den Pusch gehöre.
BERTHOLD.
Und dessentwegen wolten wir gerne wissen / wo man euch auff den Weg bringen könte.
WENTZEL.
Ach ich verlange nicht auff den rechten Weg.
BERTHOLD.

Das ist wunderlich / wenn solche Kin der den Weg da neben lauffen / so nimmt man sie gerne mit Gewalt / und führet sie wieder zu rechte.

WENTZEL.
Ach last mich gehen / ich bin der junge König WENTZEL.
BERTHOLD.
Ach Herr König wie ist das möglich?
WENTZEL.

Es ist möglich / meine Frau Mutter will mich hinrichten lassen / damit bin ich in der Flucht / und weiß nicht wo ich bleiben soll.

BERTHOLD
kehrt sich um zu Martin.

Wir sind ehrliche Unterthanen / wir werden den König nicht verderben lassen / wir wollen ihn mit auff die Sitte nehmen / ehe er da im Pusche wer weiß was ausstehen soll / ehe mag er bey uns essen und trincken / was wir haben.

MARTIN.
Es ist so eine Sache / wenns darnach die Königin verdreust / so kommen wir auch in S. Veltens Küche.
[112]
BERTHOLD.
Und wenn wir so unbarmhertzig seyn / so kans uns der König auch einmahl gedencken.
MARTIN.

Je nu macht was ihr wollt / dürffen wir doch kein groß Wesen davon machen / wenn wir in die Stad kommen / wir schuppen auff den Abend zur Mandauischen Pforte hinein.

BERTHOLD.

Ja ja / wenn er in meinem Hause ist / so will ich ihn darnach nicht viel lassen zum Fenster heraus sehen. Kehret sich um gegen den König. Nun mein Herr König / wir sind getreue Unterthanen von der Sitte / will er mit einer schlechten Herberge vorlieb nehmen / so wollen wir ihm so viel vorsetzen als das Hauß vermag / wir sind da gleich zu Lückendorff / ehe wir in die Stad kommen / so wirds fein finster werden: Aber ich dencke / wir wollen gar gut zur Mandauischen Pforte hineinkommen.

WENTZEL.

Ich will euch gerne folgen / wird mir eine Wohlthat von euch erwiesen / so will ichs nicht vergessen.

LISEL.
Aber wenn ihr gleich ein König seyd / so bleibt ihr gleichwohl mein Freyer.
ROSINE.
Nu nu du muthwillige Hummel / du must nicht so wilde thun.
BERTHOLD.
Er lasse sich führen Herr König.
WENTZEL.
Ich bedarff es auch wohl / ich bin gantz müde. Gehen ab.
18. Aufzug
[113] Achtzehender Auffzug.
Rudolf, Hinko, Girschick, Wazek.

RUDOLF.
Was haben wir nun davon / das der König verlohren ist.
HINKO.

Was kan ich davor / ich soll die Strasse auskundschaffen / so kan ich wohl nicht sehen / wo der König bleibt / ihr habt zusammen sechs Augen / seyd ihr denn auff alle blind gewesen?

RUDOLF.
Es stehet trefflich fein / daß wir zu unserm Unglücke noch lose Worte geben.
HINKO.
Das Unglück ist mein so groß als euer / drum steht mirs ja wohl frey / daß ich auch ungeduldig bin.
GIRSCHICK.
Mein Rath wäre / daß wir den lieben König wiedersuchten.
WAZEK.
Je du liebes Patergen / bistu lange so klug gewesen / mein Rath wäre / daß wir ihn wieder fänden.
GIRSCHICK.
Er muß wohl irgend da herum stecken.
WAZEK.

Ja ja / dofte / dahinden / da drieben / da droben / da drunten und irgend wieder da und dorte muß wohl der Ort seyn / da wir ihn finden sollen.

GIRSCHICK.

Ach das bleibt doch ein böser Mensch / ich will auch nichts mehr reden / wenn der Spottvogel bey mir ist.

WAZEK.
Der König wird auch schlechten Schaden davon haben / ob so ein Fantaste will reden oder nicht.
[114]
RUDOLF.
Ach sparet eure Possen biß auff andre Zeit / wer den König suchen will / der folge mir.Geht ab.
HINKO.

In dem Stücke darff ich keinem folgen / ich werde vor mich wohl wissen / was man zu thun schuldig ist. Gehet ab.

GIRSCHICK.
Herr Graff ich will ihm folgen.
WAZEK.
Herr Paterle / fragt doch ob ich irgend auch dabey seyn will / im Pusche hab ich den Vorzug.
GIRSCHICK.
Last mich doch zu frieden.
WAZEK.

Was gehet mich der Friede an / ich will meinem Herren Grafen folgen. Sie zancken sich poßirlich um den Vorgang biß zugezogen wird.

4. Akt

1. Aufzug
Erster Auffzug.
Berthold, ein Zittauischer Bürger. Rosine, seine Frau.

BERTHOLD.
Nun Gott lob und Danck / ich habe ein hübsch bißgen Gäste in mein Hauß kriegt.
ROSINE.

Es ist auch nütze Arbeit / daß wir so ein Geprasse im Hause anfangen / ich dächte hätten wir was von der seeligen Frau Mutter geerbt / so weiten wir wohl alleine mit fertig werden / und dürfften nicht eben so einen Großhanß von Prage lassen dazu kommen.

BERTHOLD.

Frau ihr versteht es fürwahr nicht / was wir dem lieben Könige zu gute thun / das kan unsern Kindeskindern helffen.

ROSINE.
Ich wolte es hülffe uns / die Kindeskinder möchten sehen / wo sie bleiben.
BERTHOLD.
Wir werden euch schon bleiben.
ROSINE.

Ja ja / wir werden bleiben / den Zinß vor den Bleichgarten verfressen wir an Fischen / die Hüner gehen drauff / und ich sehe es wohl so ein Zärtling will alle Tage Gebratens fressen / und darnach nähme ers wohl an / daß ich noch eine Babe / oder sonsten was dabey pappelte. Ach ihr Kinder behengt euch doch nicht mit böhmischen Leuten / sie wollen immer was gutes fressen / und wer Milch / Eyer und Butter nicht selber hat / der muß sich den grösten Schaden thun.

[116]
BERTHOLD.

Frau jetzund seyd ihr gämlich / aber wenn uns ein Sack voll böhmische Groschen wird an die Jacke fliegen / ey ey / wie werdet ihr schmutzeln.

ROSINE.

Unterdessen gehen meine böhmische Groschen drauff. Vor das gestrige Kalbvirthel gab ich zwey Groschen / daß ich die drey paar Tauben kriegte / da muste ich handeln gnung / daß sie einen Groschen nahmen. Der Eintuncke-Wein von Hörnitz kostet der mich nicht schon einen Groschen? hab ich nicht schon vor zwey Groschen Gröter-Meel verpappelt? Wer bezahlt mirs Bier / das eckle Rabenaß will mir keinen Mertzen sauffen / ich muß allemahl einem Manne ein Gröschel geben / der mir ein Fässel von Görgenthale holt. Ja ja ich weiß am besten / was Haußhalten vor ein Ding ist.

BERTHOLD.

Hat denn nun das Gebämle noch kein Ende? Gehet doch der Schaden nicht über mich / das gantze Handwerck wird die Unkosten tragen / und wenn euch das Wesen ja so sauer wird / so schreibts an / was ihr vor die Mühe haben wollt.

ROSINE.
Da werd ich eine Gastwirthin seyn / und werde meine Mühe schätzen.
2. Aufzug
Andrer Auffzug.
Berthold, Rosine, Wazek.

WAZEK.

Ach hört doch Frau Wirthin / mein Herr läst euch einen schönen guten Morgen sagen / und läst euch bitten / ob ihr ihm nicht wollet eine hübsche Suppe machen.

[117]
ROSINE.
Ja das COMMANDIren wird nun währen.
BERTHOLD.
Wenn ihrs thun müst / so thut es doch gerne.
ROSINE.
Nun was soll es denn vor eine Suppe seyn?
WAZEK.
Er dächte eine Eyer-Suppe mit Cordemümgen.
ROSINE.

Je was muß das vor Quarck seyn? Nein so hoch bringen wirs zur Sitte nicht / ich muß nur selber mit ihm reden / daß ichs verstehen kan.

BERTHOLD.
Nun wie habt ihr geschlaffen?
WAZEK.

Mein lieber Herr Wirth / ich habe ein groß Unglücke / daß ichs mein Tage nicht erzehlen kan / wie ich geschlaffen habe.

BERTHOLD.
Wie kömmt dieß?
WAZEK.
Wenn ich schlaffe / so merck ich nichts / und so hab ichs auff den Morgen allemahl vergessen.
BERTHOLD.
O das ist gut / wenn man im Schlaffe nichts merckt. Doch wie gefällt euch das Quartier?
WAZEK.
O wenn der Wirth gut genung ist / so kan uns das Quartier leicht gefallen.
BERTHOLD.

Nun so nehmt vorlieb / und lauffet nicht sehr auff der Gasse / die Leute möchten sonst wissen wollen / was da wäre. Geht ab.

3. Aufzug
[118] Dritter Auffzug.
Wazek, hernach Hinko, des Königs Inspector.

WAZEK.

Ja was hatten wir doch vor Noth / ehe wir den lieben König wieder funden: Denn die Leute im Hause weiten ihn verleugnen / und hatte ich nicht mein Leibstücke gesungen / so lieffen wir noch wie die Narren in der Stadt herum: Damit wie ich anstimmte: Alte Weiber und Enden / die schwimmen auf der See / so merckte der liebe WENTZEL bald / was vor ein Capellknabe vor der Thüre wäre / und ließ mich ins Hauß ruffen: Aber siehe da / der Herr INSPECTOR kömt jetzund erst: Er hat sein Amt redlich gehalten / ein solcher INSPECTOR wolte ich auch seyn / und wolte noch dazu den Bauern die Gänse hüten.

HINKO.
Siehe da WAZEK, was hastu hier zu schaffen?
WAZEK.
Ich habe auch was zu schaffen.
HINKO.
Du bist etliche Tage der Maulschellen entwohnet / du wirst gar trotzig.
WAZEK.

Je nun ehe ich Händel anfange / so kan ich wol sagen / was meine Verrichtung ist / ich wolte da drüben ein Blaserohr bestellen / daß ich auf der Endten-Pfütze was schiessen könte.

HINKO.
Darnach habe ich nicht gefraget / sage mir / wo ist der junge König?
WAZEK.
Last mir doch ein bißgen Zeit / daß ichs ausrechnen kan.
[119]
HINKO.
Schelme wie soll ich die Reden verstehen?
WAZEK.

Ey gar gut / er ist in der Stube / und gucket in den Suppentopf / steckte er in den Topffe / so guckte er herauß.

HINKO.
Du Ehrvergeßner Dieb / du hörest daß ich das Hauß wissen will.
WAZEK.
Ey der Herr INSPECTOR mag es suchen / wo wirs gefunden haben.
HINKO.
Und du solst bey mir finden / waß du nicht gesuchet hast. Schlägt ihn.
WAZEK.
Wer mich schlagen will / dem kan ich wol in mein Quartier entlauffen. Gehet ab.
HINKO.

Es ist nicht anders / die einfältigen Leute haben sich bereden lassen / den König auffzunehmen / ich werde sie etwas furchtsam machen / daß sie mit ihrer Wolthat sparsamer seyn / wer einen Danck bey der Königin verdienen will / der muß den Sohn nach aller Mögligkeit vexiren helffen.Geht ab.

4. Aufzug
Vierdter Auffzug.
Lisel, Girschick, der kleine Münch.

LISEL.
Je last mich doch zu frieden / fürwahr ich schreye / wo ihr mir noch einmahl kommt.
GIRSCHICK.
Je was wollt ihr denn schreyen / hat euch doch niemand gebissen.
[120]
LISEL.
Wer fragt darnach / ich schreye gleichwohl.
GIRSCHICK.
Je nu so will ich auch schreyen / fangt an / wir wollen sehen / wer es am besten gelernet hat.
LISEL.
Je seyd doch fromm / seht doch / wie der Herr König so hübsch thun kan.
GIRSCHICK.

Ach ziehet dem Herr Könige meine Kappe an / und mir gebet ein verschammerirt Wamst / da wollen wir sehen / wer am hübschten thun kan.

LISEL.
O nein ihr seyd nicht hübsch.
GIRSCHICK.
Aber ihr seyd hübsch.
LISEL.
Das mag seyn.
GIRSCHICK.
So helfft mir doch / daß ich auch hübsch werde.
LISEL.
O so ein garstig Ding darff nicht hübsch werden.
GIRSCHICK.
Nu nu / wer unsers gleichen nicht lieb hat / der kömmt auch nicht in Himmel.
LISEL.

Wer weiß ob ihr in dem Himmel kommt / wo ich den Himmel abgemahlt sehe / da sehen die lieben Engel gar nicht so aus.

GIRSCHICK.
Da hab ich ein ander Bild / da stehen liebe Engel drauff.
LISEL.
Weist mirs doch.
GIRSCHICK.
Ich weise es gar nicht / warum bin ich nicht hübsch?
[121]
LISEL.
Nun ihr seyd hübsch / weist mirs nur.
GIRSCHICK.
Wenn ich hübsch bin / so krieg ich auch ein Mäulgen.
LISEL.
Nein nein / ich mag das Bild nicht sehen / nein / nein / die liebe Mutter spricht es ist Sünde.
GIRSCHICK.
Die liebe Mutter hat sich VEXIRET.
LISEL.

Nein nein / sie hat sich nicht VEXIret / wo ihr mir nahe kommt / so schlag ich euch ins Gesichte. Es erhebt sich ein Tumult.

5. Aufzug
Fünffter Auffzug.
Berthold, Martin, Bürger von Zittau. Hinko, des Königs Inspector. Rudolf, ein junger Graff.

BERTHOLD.

Was du Hund / denckstu daß wir an unserm gnädigsten Könige sollen zum Schelmen werden? denckstu daß die Leute zur Sitte Narren seyn?

HINKO.
Ihr lieben Freunde / versteht mich doch recht.
BERTHOLD.

Ich dachte / wir hätten dich verstanden / hastu nicht gesagt / wir sollen mit dem jungen Könige nicht viel Wesens machen / he?


Er will allezeit reden / aber sie lassen ihn nicht dazu kommen.
MARTIN.
Hastu nicht gesagt / wir sollen ihn mit der Hauß-Thüre vor dem PODEX schmeissen / he?
[122]
BERTHOLD.

Hastu nicht gesagt / wenn wir den jungen König prave vexiren / so werden wir bey der Königin grossen Danck verdienen / he?

MARTIN.
Hastu nicht verdienet / daß wir deinen Kopff so weich schmeissen als einen Böhmischen Käse / he?
BERTHOLD.
Bistu nicht ein Landes-Verräther he?
MARTIN.
Und sind wir zur Sitte nicht ehrliche Leute he?
HINKO.
Wolt ihr mich nicht reden lassen / so lasset mich nur weggehen.
BERTHOLD.
Wir haben so einem Kerlen noch keinem Boten geschickt.
MARTIN.

Und so ein Kerle mag meinetwegen am Galgen gehen / was wir bey dem Herr Könige thun / das gedencken wir bey GOtt und bey der erbaren Welt zu verantworten.

RUDOLF
kömmt.

Ihr ehrlichen Freunde last es gut seyn / wo vor dem Hause so ein Lermen entstehen soll / so geschiehet dem Könige der gröste Possen.

BERTHOLD.
Was sollen wir aber thun / wenn die Leichtfertigkeit zu grob ist?
MARTIN.

Und wir werden ihn wohl nicht Ehrenvester Herr heissen / wenn er uns zu schlimmen Stücken verführen will.

RUDOLF.

Ich wolte wetten / er hat es nicht so böse gemeint / er hat euch vielleicht wollen auff die Probe setzen / ob er sich auff eure Treue verlassen könte.

[123]
BERTHOLD.
Wer mich auff die Probe setzen will / der muß zweifeln ob ichs wohl bin.
MARTIN.
Und wer an meiner Redligkeit zweifelt / der ist bey mir des Lebens nicht sicher.
RUDOLF.

Nu nu / es ist gut gemeint / und übel verstanden. In etlichen Tagen wollen wir weiter davon reden / da werden wir besser bekannt seyn.

BERTHOLD.

Nun es mag seyn / dem lieben Herren zu gefallen thue ich viel / das ich sonst bleiben liesse. Sie gehen ab.

HINKO.

Und ich sehe wohl / wer bey solchen Leuten ein Schelmstücke PRACTICIren will / der muß die Sache klüger anfangen.

6. Aufzug
Sechster Auffzug.
Bäbel, der lustige Gärtner. Marinka, eine Leimthändlerin von jungen Buntzel.

MARINKA.
Hört ihr Mann / habt ihr sehn Fuhrleut?
BÄBEL.
Hört ihr Frau / habt ihr sehn Bauren?
MARINKA.
Ich bin redlich Frau / das Mann hab ich zu jungen Buntzeln.
BÄBEL
ad spectatores.

Das ist ein Narr / deßwegen will sie redlich seyn / weil sie zum jungen Buntzel einen Mann hat. Doch ich mercke es aus allen Umständen / daß ich weit gereiset bin / ich komme schon in ein Land / da sich die Sprache verändert.

[124]
MARINKA.
Nu kan ich nich warten wie Narr / sprich du / hab mich sehn Fuhrleute.
BÄBEL.
Je hab ich sehn Fuhrleut.
MARINKA.
Du bald gesehn Fuhrleut?
BÄBEL.
Ich bald sehn Fuhrleute / mit sechs Pferde / führen sechs alte Huren wie du.
MARINKA.
Du mich heissen Hure / und ich habe Mann zu Puntzel / ô ich dir verklage / du kriegst Besem Staub.
BÄBEL.
Du seyn redlich Frau / und mir geben Besen-Staub?
MARINKA.
O du Gott / in der Land nich Gerechtigkeit / das iß Schelm.
BÄBEL.
Das iß Schelm / das iß H.u. Hu. r.e. re / vornehme Frau von Puntzel.
MARINKA.
Du mir machen böß / wer du bist? weiß ich dein Nahm / du solst kommen an der Galgen.
BÄBEL
ad spectatores.

Die Frau fängts gar hoch an / sie schwatzet schon vom Galgen; und ich dencke immer / wohl dem / der weit von hohen Dingen ist / ich werde wohl meinen Nahmen nicht sagen.

MARINKA.

Du wohl nich bist taub / du sagen dein Nahm / wenn das weiß mey Mann / dich flugs tod schlan / flugs tod schlan / gantz tod / tod / tod.

BÄBEL.
Haha / du Mann hast / der Leute schlägt tod / du kommen auff der Rad.
[125]
MARINKA.
Du ein Schelm / der Rad dein Hoffkirch / ich dir schmeiß Maultasch / daß Zähne fallen aus biß Fuß.
BÄBEL.
Du mich schmeiß Absatz / daß Flecke stüben biß Kopff.
MARINKA.
Du dencken bin ich Narr.
BÄBEL.
Ich dencken bistu Narr.
MARINKA.

Ich kauffen Leimt zur Sitte / Leute mich kennen da / wissen nich / ist wahr du gantz Schelm / bin ich so böß / will dir schmeiß der Ding auff die Kopff zwey. Sie schlägt ihm den Topff auff den Kopffe entzwey / und läufft davon. Bäbel fällt über den Hauffen / endlich stehet er auff.

BÄBEL.

Ihr Leute wo bin ich / muß nicht eine gereisete Person viel ausstehen / ich habe nicht gewust / wo die gewanderten Kerlen die Sprachen lernen / so merck ich nun / sie müssen sich allenthalben einen Topff nach dem andern am Kopffe lassen entzwey schlagen. Nun / das sey der Frau geschworen / kömmt sie einmahl nach Prage / kein Nelcken-Topff soll mir so lieb seyn / die Scherben davon sollen ihr wieder an dem Kopff fliegen.Gehet ab.

7. Aufzug
Siebender Auffzug.
Czenko, Woko Zabischens Brüder. Hernach Bäbel, der Gärtner.

CZENKO.
Die Flucht des Königes muß mit gutem Vorbewust geschehen seyn.
[126]
WOKO.
Allem Ansehen nach muß er den ersten Tag über vierzehen Meilen entkommen seyn.
CZENKO.
Drum ist zu besorgen / es müssen etliche Grosse mit gespielet haben.
WOKO.

Recht so / wenn sie uns die Gelegenheit selber an die Hand geben / wie man sie verfolgen soll / so ersparen sie uns eine grosse Arbeit.

CZENKO.
Wir haben uns nur so weit befraget / die Bauern können uns nicht betrügen.
WOKO.
Es mangelt nur an dem / daß wir noch ein rechtes w Examen mit ihnen anstellen.
CZENKO.
Das soll nicht ermangeln / wir dienen einer Königin / die solchen Fleiß von uns erfodert.
WOKO.
Und einem Bruder / der uns zu Printzen vom Königlichen Geblüte machen kan.
BÄBEL.
Nun weiß ichs / die Bauern haben den König leibhafftig gesehen.
CZENKO.
Aber wissen sie auch wo er sich zugewendet hat?
BÄBEL.

O ja sie wissen die Schliche / wir sollen nur immer auff die Gäblische Brücke zu / und beym Richter zu Lückendorff sollen wir nachfragen / der wird uns den Weg biß auff den Eichgraben weisen / der Teichwärter ist sein Gevatter / der wird ihm darnach wohl was zu gefallen thun.

CZENKO.

Du Narr das ist eine lächerliche Nachricht / wir müssen sehen / daß wir die Kundschafft besser einziehen. Gehen ab.

[127]
BÄBEL.

Ja ja sie werden die Narren ausnehmen / wenn unser einer mit den Bauern nicht zu rathe kömmt / solche Herren wissen viel / wo man die Bauern recht jucken soll. Doch nun ist es mir lieb / daß ich einmahl reisen kan / denn dies Zeit meines Lebens bin ich noch nicht vierzehen Meilen vom Vaterlande kommen / als den heutigen Tag / und wo ich vierzehen Meilen wieder zurücke muß / so laß ich doch ein Reise-Buch schreiben. Botz tausend ich muß gehen / wenn sie die Herren Bauern EXAMINIren / so dürffen sie einen NOTARIUS.

8. Aufzug
Achter Auffzug.
Janku, Nikschi, Bauern.

JANKU.
Weistu es nu / der kleine Herr ist unser König gewesen.
NIKSCHI.
Hätte mirs jemand zuvor gesagt.
JANKU.
Nu wird es uns feine gehen / daß wir so unbarmhertzig mit ihm umgegangen seyn.
NIKSCHI.
Hätte er es gesagt / daß er der König wäre / so hätte ich hübscher mit ihm gethan.
JANKU.
Und hättestu dein Maul gehalten / mustu dich bey dem frembden Kerl verschnappen?
NIKSCHI.
Da werde ich wissen / daß die Sache so viel zu bedeuten hat.
JANKU.
Hättestu gesagt / es wäre kein Mensch im Busche gewesen / wer viel red / der muß viel verantworten.
[128]
NIKSCHI.

Was hab ich denn gesagt / sie können auch nichts drauß nehmen / ich sagte es wäre ein klein Kind im Busche gewesen / in einem schönen Kleide.

JANKU.

Höre wir wollen sprechen / es ist ein ander Kleid gewesen / wenn dich jemand fragt / so sprich das Kind hat ein gelbe Wamst / und rothe Hosen angehabt / da können sie nicht dencken / daß wir den kleinen König gesehen haben.

NIKSCHI.
Nu so bleiben wir dabey / denn wo es rauß kömmt / so ist es um uns geschehen.
9. Aufzug
Neundter Auffzug.
Die Vorigen, Czenko.

CZENKO.
Ihr Leute wo soll man euch suchen?
JANKU.
O Herr wir seyn immer da.
CZENKO.
Ich höre / es sind neulich etliche frembde Leute durch paßiret.
JANKU.

Nein vom paßiren weiß ich nichts / etliche Leute hab ich sehn durchgehen / aber daß ich ihnen solte Schuld geben / als wenn sie paßiret hätten / das werd ich nicht geredet haben.

CZENKO.
Ich habe schon genung. Doch höre es ist ein artiger Knabe dabey gewesen.
JANKU.

Ja es war so ein hübscher Junge dabey / er sähe bald aus / als wie so eines vornehmen Mannes Meisterstücke.

[129]
CZENKO.
Komm her auff die Seite / was hatte der Knabe vor ein Kleid an?
JANKU.

O ich verstehe mich nicht wohl auff die Kleider / mich deucht immer / er hat ein gelbe Wamst und rothe Hosen.

CZENKO.
War das Wamst von Leder?
JANKU.
Ey ey was sprech ich / ja es kunte wohl Leder seyn / es war als wenn es gar weit her wäre.
CZENKO.
Was hatte er vor einen Hut?
JANKU.
Mich deucht er hatte eine Mütze / mit weissen Eichhörnchen verbremt.
CZENKO.
Was hatte er vor ein Gesichte?
JANKU.
Er sahe gar blattersteppich aus / und hatte gar ein spitzige Nase.
CZENKO.
Die Muthmassung will nicht eintreffen. Doch gehe hin / und laß den andern herkommen.
NIKSCHI.
Ja da bin ich.
CZENKO.
Ich höre es ist neulich ein artiger Knabe durch den Wald gereiset.
NIKSCHI.
Ja es mochte irgend ein Edelmann seinen Jungen verlohren haben.
CZENKO.
Wie war er gekleidet?
NIKSCHI.

Je last doch sehen / mein Kopff kan auch nicht viel behalten / ja ja er hatte ein roth Wamst / und gelbe Hosen.

[130]
CZENKO.
War das Wamst gewiß roth?
NIKSCHI.
Ja es war von rothen dreysiegler Tuche.
CZENKO.
Von was waren die Hosen?
NIKSCHI.
Unser Pfaffe hat ein solch Meßgewand / sie heissen es gelben Sammt.
CZENKO.
Trug er eine Mütze auff dem Kopffe?
NIKSCHI.
Ach nein er hatte einen weissen Hut / und eine blaue Feder.
CZENKO.
Wie sahe er unter dem Gesichte?
NIKSCHI.
Er war schöne roth / und hatte eine kleine Nase.
CZENKO.

Ihr gottlosen Buben / ihr seyd bestochen / und wollt das Land verrathen helffen / wo werden wir Galgen gnung bauen lasen / daß wir allen solchen Schelmen Quartier schaffen?

10. Aufzug
Zehender Auffzug.
Woko, Bäbel. Antschku, Heuscha, der Bauern ihre Weiber.

WOKO.

Die Sache ist klar / die Weiber haben alles ausgesagt / der junge König ist hier durchpaßiret / und sie sollen es noch einmahl gestehen.

[131]
ANTSCHKU.

Ach ja warum sollen wir es nicht gestehen / das ist nun unser Unglück / daß wir den König nicht gekannt haben.

HEUSCHA.

Er hatte so schöne weisse Haar / und so ein freundlich Gesichte / wie der Engel an unserm Predigtstule.

ANTSCHKU.
Er hatte so ein schön blau Kleid mit Silbernen Spitzen.
HEUSCHA.
Und treffliche schöne rothe Auffschläge dazu.
ANTSCHKU.
Und eine schöne weisse Feder auff dem Hute.
HEUSCHA.

Ja er war so schöne / wenn ich auff der Welt noch ein Kind kriegen könte / so wolte ich mir selber wünschen / daß ich ein solches hätte.

WOKO.
Die Umstände treffen alle überein.
CZENKO.
Der König gieng eben in dem Habite.
WOKO.

Und wegen der Bedienten haben sie alles ausgesagt. Der junge Graffe ist dabey gewesen / der kleine Pfaffe / der kleine Narr / und ich weiß nicht / wer mehr.

CZENKO.
Was habt ihr nun davon ihr verlogenen Schelmen / heist das ein Kind in einem gelben Wamste?
JANKU.
Au / au ...
CZENKO.
Heist das ein Kind im rothen Wamste?
NIKSCHI.
Au / au / ...
CZENKO.
Was treibt euch zu solcher Weitläufftigkeit?
[132]
JANKU.

Je so will ich gleiche zu sagen / wie sich die Sache verhalt / es war ein Kerl dabey / der sagte / die Königin würde uns alle hengen lassen / wo wir die Leute nicht nauß schmissen / nun fürchte ich mich / der König möchte böse seyn / daß ers gewesen.

CZENKO.

So / so / ich mercke schon / HINKO hat unsere Parthey nicht verlassen / die Sache wird uns desto leichter gemacht werden / und ihr guten Leute lebet ohne Sorgen / ihr habt aus Unwissenheit gesündiget / wenn ihr uns den Weg weiset / so soll an eure Schuld nicht gedacht werden.

11. Aufzug
Eilffter Auffzug.
Berthold, ein Zittauischer Bürger. Rudolf, Wentzels junger Graff.

RUDOLF.
So viel ich sehe / so lebt ihr hier an einem PLAISIRlichen Orte.
BERTHOLD.

GOttlob und Danck / es ist gut genung / wir leben hier am Wasser / und am Gebürge / und was uns der liebe GOtt giebt / dafür müssen wir ihm dancken.

RUDOLF.
Der Wiesewachs / und der Acker-Bau zeugen von einer fruchtbaren Landes-Art.
BERTHOLD.

Es ist wohl nicht so köstlich / wie an manchen Ort in Böhmen / aber wir sind doch gar wohl zu frieden.

RUDOLF.
Die Häuser sind meistentheils gar neu gebaut.
[133]
BERTHOLD.

Der König OTTOCARUS hat erst die Stadt-Mauern bauen lassen / und das ist dort die Mandauische Pforte / denn sie heist nach dem Wasser / das harte vorbey gehet.

RUDOLF.
Was ist es vor ein Wasser?
BERTHOLD.

Mit dem rechten Nahmen heist es die Mandau. Die Bleicher und Vorstädter heissen es immer das alte Wasser.

RUDOLF.

Je es mag älter seyn / als wir alle mit ein ander. Doch es ist schade / daß die Stadt-Mauern nicht etwas grösser sollen angeleget seyn.

BERTHOLD.

Die Bürgerschaft nimmt sehr zu / es wird wohl geschehen müssen / daß wir die Stadt in die Höhe nauff rücken.

RUDOLF.

Es ist uns gar wohl drinne gangen / GOtt helffe / daß ihr alles gute mit euren Kindern zu gemessen habet.

BERTHOLD.

Ja das müssen wir hoffen / vielleicht wird der liebe Herr König der armen Stadt auch besser eingedenck seyn.

RUDOLF.

Daran dürfft ihr nicht zweifeln / eure Nachkommen sollen es ewig rühmen / daß ein König hier was guts genossen hat.

BERTHOLD.
Wir haben zu GOtt das Vertrauen / daß er in diesem Lande Ruhe und Friede wolle erhalten lassen.
RUDOLF.
Wo hat aber der Ort den Nahmen herbekommen?
BERTHOLD.

Die Hebe Princeßin / die das erste Closter hieher gebauet hat / die hat ZITTAVIA geheissen / derselben zu ehren nennte man den Ort / da sich etliche Leute umb das Closter [134] niederliessen. Darnach als König OTTOCARUS eine Stadt bauen wolte / ließ er sich den Nahmen gefallen / und machte eine gute Außlegung dazu. Denn er sagte: Es hiesse billig Sitta / weil man wegen der angenehmen Gegend wieder die neuen Einwohner wohl sprechen könte: Sitze da.

RUDOLF.
Ich habe allezeit gedacht / der Nähme sey aus der böhmischen Sprache kommen?
BERTHOLD.

So viel ich von meinen Vorfahren Nachricht habe / so kömmt der Nähme wohl unstreitig von der alten Printzeßin ZITTAVIA: Doch hernach haben die Leute viel Auslegungen über den Nahmen gemacht / und es kan seyn / daß OTTOCARUS einmahl gesagt hat / die Stad hieß billig nach dem böhmischen / Zittawa / das ist Kornreich.

RUDOLF.

GOtt bestätige die Muthmassung / und helffe / daß es diesem lieben Orte niemahls an Korn und Brodte / auch niemahls an andern Sachen ermangele / die man zu dem täglichen Brode / und in die vierdte Bitte zu rechnen pfleget. Doch wir vergessen unsern König. Denn ich stehe nun in Sorgen / die Feinde werden uns bald auskundschaffen / und da möchte dieser Ort einen trefflichen Schandfleck davon bekommen / wenn er so einen lieben Herren wolte verrathen lassen.

BERTHOLD.

Wir wollen das unsrige thun / nur der Kerle / der INSPECTOR seyn soll / der siehet mir was wilde um den Schnabel.

RUDOLF.
Gestern ward er ein bißgen schichtern gemacht / er wird sich wohl besser in acht nehmen.
BERTHOLD.
Nun wir wollen das Beste hoffen. Gehen ab.
12. Aufzug
[135] Zwölffter Auffzug.
Martin, ein Zittauischer Bürger. Hernach Bäbel, der Gärtner.

MARTIN.

Wenn ich der Sache nachdencke / so haben wir zur Sitte wohl eine grosse Ehre. Der König muß so zu rechen reden? / unsrer Gnade leben / und wo es auf seiner Seite gut abläuft / so wollen wir ein Privilegium davon kriegen / das sich solte gewaschen haben. Aber es giebt auch feine viel zu sorgen dabey / und wo uns die andern zu Prage einen Possen thun können / so werden sie unsers Schadens gar leicht begehren. Und was ist das vor ein Kerle? er sieht mir einem Verräther ähnlicher als einen Rebhune.

BÄBEL.

Nun soll ich der kluge Mann seyn / und was andre Leute nicht göckeln können / das soll ich zu rechte bringen. Da soll ich erfahren / wo der junge König steckt / und ich gab meinem Herrn doch so einen schönen Rath / er solte nur da seyn / und solte dem jungen Könige nur geweyht Saltz in die Hand streuen / so würde er ihn flugs finden. Aber ich kriegte eine Wespe hinter die Ohren / daß sie mir noch davon klingen. Nun laß sehen / da treff ich gleich einen guten Freund an / der mir aus der Noth helffen könte. GOtt grüß euch lieber Herr!

MARTIN.
Habt Danck lieber Herr.
BÄBEL.
Verzeiht mir doch / ich bin gar unbekant da.
MARTIN.
Man siehts an eurer Tracht / daß ihr weit über dem Gebürge her seyd.
BÄBEL.

Ja ein gereister Kerl bin ich / wenn ich noch einmahl ein solches Loch in die Welt gelauffen bin / so hab ich allemahl meine Reisebeschreibung mit 14. MULTIPLICIret.

[136]
MARTIN.
Es ist gar gut wenn sich ein Mensch wohl versuchen kan.
BÄBEL.
Aber hört doch / ist das die Weiten-Gasse?
MARTIN.
Ach nein / ihr sehts ja an der Enten-Pfütze / daß das die Papel-Gasse ist.
BÄBEL.
Siehe / hab ichs doch nicht gedacht / daß Endten und Papeln so nahe Geschwister Kinder seyn.
MÄRTEN.
Was wollt ihr denn in der Weiten-Gasse?
BÄBEL.
Ich wolte nicht gar viel / ich hätte nur so einen kleinen Brieff zu bestellen.
MARTIN.
Sagt mirs nur / ich will euch zu rechte weisen.
BÄBEL.

Ich muß den Brieff selber dem Herrn in die Hände geben / ich höre / er hat sich hier versteckt / daß es niemand wissen soll.

MARTIN.
Hat er sich versteckt / so weiß ich auch nichts.
BÄBEL.
Ich gehöre auch zu ihm.
MARTIN.

Ich weiß nicht / weh ihr meinet / hat euch was geträumet / so last euch dem Traum auslegen / ich bin kein kluger Mann. Ad spectatores. Das heist / ich bin kein Narr / daß ich mich einen jedweden frembden Berenheuter betrügen lasse. Geht ab.

BÄBEL.

Das war kein Leutseliger Mann. Entweder er sah mich nicht vor voll an / oder es steckte ihm sonst was im Kopffe. Richtig ist es nicht / die Leute zur Sitte haben ein Cause [137] mit dem Könige gemacht / er mag auch stecken wo er will. Denn was hätte der Narr sonsten so erschrecken dürffen / was hatte er dürffen davon lauffen? Und sieh sieh / wie vertraulich stehen dorte die Kerlen beysammen / ach ihr elenden Narren / betrügt ihr Meister BÄBELN?

13. Aufzug
Dreyzehender Auffzug.
Czenko, Bäbel.

CZENKO.

Du bist ein künstlicher AMBASSADEUR, wer auff der Gasse Maulaffen feil hat / der soll mir alles erfahren / weswegen wir über das Gebürge kommen sind.

BÄBEL.
Herr die Maulaffen sind zu gewisser Zeit nicht zu verachten.
CZENKO.
Ja wenn ich wüste / daß man den jungen König fangen könte.
BÄBEL.
Herr es wird schon gehen / übereilet mich nur nicht / ich dencke schon.
CZENKO.
Du Narr / was hilfft uns das Dencken / das hatten wir können zu Prage thun.
BÄBEL.
Ich dencke wie ich die Leute zur Sitte betrügen will.
CZENKO.
Aber am Gedancken und am gespannten Tuche geht viel ab.
BÄBEL.

Wenn nur so viel übrig bleibt / als wir brauchen: Denn sie fürchten sich vor was / sie wollen nicht recht antworten / [138] sie schlieren sich bald davon / in Summa / sie lassen mercken / daß sie was auff dem Hertzen haben / und was wird es anders seyn / sie werffen eine Wurst nach einer Speck-Seiten / dem Könige werden sie irgend eine Neiß-Karpe / oder eine wilde Taube vom breiten Berge versetzen / die wird er hernach fein theuer bezahlen müssen.

CZENKO.
Die Reden sind alle gut / aber deswegen haben wir den König noch nicht.
BÄBEL.
Ich will schon sehen was zu thun ist / und wenn ich mir solte Tuch zu ein paar Hosen kauffen.
CZENKO.
Du solst wegen des Geldes keinen Schaden haben. Doch wen hat der Herr Bruder angepackt?
BÄBEL.

Er kan es leicht mit dem Kerlen besser treffen / als mit mir / denn wo der Teuffel nicht hin will / da muß ein Münch daran.

14. Aufzug
Vierzehnder Auffzug.
Die Vorigen, Woko, Bruno, ein Münch.

WOKO.
So habt ihr gleichwohl so viel Nachricht?
BRUNO.

Im Lückendorffer Walde sind sie mir begegnet / ob sie aber gewiß in die Stadt kommen seyn / das kan ich nicht wissen / in unserm Kloster halten wir nicht viel auff neue Zeitungen.

WOKO.

Aber wenn ein ehrlicher Mann gleichwohl neuer Zeitungen benöthiget wäre / so würden sie doch wohl in ihrem Kloster so gut seyn und nachforschen helffen.

[139]
BRUNO.

Wir bekümmern uns um den Himmel / und also überlassen wir das Weltliche andern Leuten / die besser Zeit darzu haben.

WOKO
ad spectatores.
Ich mercke es wohl wo dir der Himmel sitzt; du solst mir bald was lieblicher pfeiffen.
BRUNO.
Also werde ich zu dem Herrn sprechen: PAX VOBIS.
WOKO.

Ey wo er nichts zu versäumen hat / so kan er wohl verziehen / da hat er meine Hand / es soll ihrem Kloster reichlich vergolten werden / wo sie uns hierinne mit einer guten Nachricht dienen können.

BRUNO.

Ich weiß nicht. Aber daß unser Kloster der Wohlthat nicht beraubet wird / so will ich doch sehen / ob ich was erfahren kan. Ich habe um diese Gegend eine Beichttochter / wo dieselbe was auff ihrem Hertzen hat / so wird sie mir zum wenigsten was davon offenbahren.

WOKO.
Ihr sollt erfahren / daß ihr mit danckbaren Leuten zu thun habt.
BRUNO.

Und wie gesagt / sie sollen erfahren / daß ich unser Kloster um keine Wohlthat bringen will.Gehet ab.

CZENKO.
Herr Bruder / er hat sich trefflich bey der Geistligkeit eingeschossen.
WOKO.
Wer etwas bannen will / der muß die Geister zusammen kriegen / wie er weiß und kan.
CZENKO.
Macht er gute Hoffnung?
[140]
WOKO.

In dem nechsten Walde hatt er den König angetroffen. Nun will er in etliche Häuser schleichen / und versuchen / ob er bey dem Frauenzimmer glückselig ist.

CZENKO.
Ich halte die Glückseligkeit macht bißweilen unglückselige Männer.
WOKO.
Das kan ich wohl leiden / wenn wir zu unserm Zwecke kommen.
CZENKO.
Doch sollen wir uns auff den Münch verlassen?
WOKO.
Die Verheissung hat ihn blind gemacht.
CZENKO.
So wollen wir unterdessen etwas ins Feld spatziren / und die lustige Gegend in Augenschein nehmen.
BÄBEL.

Ihr Herren ich lauffe mit / ich höre auff dem breiten Berge giebt es so eine Lust / da ist eine schreckliche große Spalte / da kommen die kleinen Männer rauß.

CZENKO.
Du bist ein gewanderter Kerle / du solst die Leute wohl in der Welt herum führen. Sie gehen ab.
BÄBEL
ad spectatores.
Ihr Herren lacht wie ihr wollt / ich bin doch um 14. Meilen besser als vor acht Tagen. Geht ab.
15. Aufzug
Funffzehender Auffzug.
Bruno, ein Münch. Rosine, eine Bürgers-Frau.

BRUNO.
Meine liebe Frau / es wird ihr nicht mißfallen / daß ich so fleißig hier einspreche.
[141]
ROSINE.

Ach mein Herr PATER, es ist mir immer / als wenn ein neuer Seegen bey mir einspräche / wenn solche liebe Herren bey mir sind.

BRUNO.

Es ist gar gut / die Welt ist nur gar zu böse / daß sie unsrer Heiligkeit nicht trauen will. Wiewohl ich habe mich noch zu bedancken / vor dem schönen Kälberbraten / den wir auff ihre Gesundheit im Kloster verzehret haben.

ROSINE.

Es ist was geringes / er nehme mit vorlieb / ich thue es gar gerne / daß ich mir mit den Kälberbraten eine Stuffe in dem Himmel baue.

BRUNO.

Sie darff daran nicht zweifeln. Die Frau thue nur das / und fahre in solchen guten Wercken fort: wenn sie auch etwan ein heimliches Anliegen hat / so kan sie mir solches gar getrost offenbahren.

ROSINE.
O GOtt Lob und Danck / es ist mir jetzt gar fein.
BRUNO.

Ein Mensch ist doch ein Mensch / es begegnet offte was / darüber man sich ein schwer Gewissen machen muß. Hat sie nicht irgend was begangen / das ihr leid ist?

ROSINE.
Je laß doch sehen / neulich hätte ich bald geflucht.
BRUNO.
Ey das wäre nicht recht gewesen. Aber was hatte sie vor Ursache darzu?
ROSINE.

Ich hatte ein Fäßgen Bier im Keller / und der Mann wolte gerne trincken / ich konte aber die Schlüssel nicht finden / das Ding verdroß mich aus der Weise / aber ich merckte wohl / daß mich der Teufel zum Narren hatte / ich solte fluchen / so sagte ich immer / der Teufel hat den Mantel drüber gedeckt / ich soll sie nicht finden: aber ich [142] thats ihm zum Possen / und fluchte nicht / ja Herr PATER ich hielt es aus mit ihm / und fluchte nicht.

BRUNO.

Ach das ist eine gebenedeyete Crone unter den Weibern. Doch hat sie sich etwan mit jemanden gezanckt?

ROSINE.
Ich wüste nicht / daß in nechsten acht Tagen wäre was vorgegangen.
BRUNO.

Doch kan man seinem Nechsten mit einem Worte zu nahe kommen / und wenn man in Zeiten dem Herrn Beichtvater nicht offenbahret / so behält man das Unglück am Halse.

ROSINE.

Gläubt mirs / ich habe mich mit niemanden gezanckt / mit meinem Manne ziehe ich wohl bißweilen die Strebe-Katze / aber solch Ding gehört zum Haußhalten / das wird wohl nicht Sünde seyn.

BRUNO.
Ich dachte ihr lebt sonst gar einig?
ROSINE.

Ja wir haben sonst gelebet wie die Kinder / nun ist aber dazwischen kommen / ich weiß selber nicht was.

BRUNO.
Ey das wird sie ja wissen.
ROSINE.
Wenn ichs auch wüste / so dürffte ich es nicht sagen.
BRUNO.

Ey wer will dem Herrn Beichtvater was verschweigen / es ist so viel / als wenn es dem lieben GOtt vertrauet wäre.

ROSINE.
Nun es betrifft etliche Gäste / da muß ich so tieff ins Meelfaß und in den Buttertopff greiffen.
BRUNO.
Ey frembde Gäste / wer müssen die seyn?
[143]
ROSINE.

Ach hertzer Herr PATER ich wills gerne sagen / aber ich bitte euch um Gott es Willen / lasts bey euch bleiben.

BRUNO.
Sie macht heute trefflich viel CEREMONIEN.
ROSINE.

Ja ja es hat auch was zu bedeuten / der kleine König hat sich bey uns versteckt / und wenn alle Leute nach ihm fragen / so sollen wir sprechen / er ist nicht da.

BRUNO.

Ey wenn die Sache so stehet / so muß sie auch dem Manne was zu gute halten / der König wird das Meel und die Butter wohl bezahlen.

ROSINE.

Es ist wohl so ein thun ums bezahlen: Aber der König ist so schrecklich muthwillig / er last sich nichts befehlen: Mein Mädgen hat er zum Narren / wo es noch 14. Tage währet / so schmeist er die Stube zum Fenster nauß.

BRUNO.

Junge Könige wollen frey gezogen seyn. Haltet ihm was zu gute / wer weiß / was er vor eine Freyheit auff euer Hauß leget.

ROSINE.
Nun so will ich doch immer geduldig seyn. Hat der Herr PATER sonst was zu erinnern?
BRUNO.
Nein / vor diesesmahl nichts / die Frau lebe wohl!
ROSINE.
Und er auch. Geht ab.
BRUNO.

Die DISCRETION vor unser Kloster wäre verdienet / es ist mir nur leid / daß ich die frembden Herren nicht bald finden soll.

16. Aufzug
[144] Sechzehender Auffzug.
Hinko, des Königs Inspector.

HINKO.

Das CONCEPT ist mir ziemlich verrückt worden / ich muß dem jungen Könige wieder meinem Willen treu seyn. Denn ich wurde sonst bey diesen einfältigen Leuten zum unglückseligen Menschen werden. Wiewohl ich habe mich doch in etwas REVENGIret / denn ich lasse dem jungen Könige allen Muthwillen zu / damit gedenck ich den Tag noch zu erleben / da sie des unnützen Gastes gerne werden entrathen wollen. Man höre nur / was er vor ein Gepolter anfängt / ich will mich nur ABSENTIren / daß ich ihm nichts verbieten darff.Geht ab.

17. Aufzug
Siebzehndter Auffzug.
Wentzel, Lisel, Girschick, Wazek. Sie jagen einander herum / Lisel kützelt Wentzeln, daß er abscheulich lachen muß.

GIRSCHICK.
Ihr Leute / daß ihr doch so treschen könnt / schämt ihr euch denn nicht vor meine Person?
WAZEK.
Ja seht doch / das Pfäffgen hats am ärgsten mit gemacht / nun sollen wir uns flugs vor ihm schämen.
GIRSCHICK.
Ey wir können wohl lustig seyn / wir dürffen deßwegen nicht so ein Gepolter und ein Geplärre machen.
WAZEK.
Je wenn ihr nun so voller Künste steckt / so theilet uns nur was mit.
[145]
GIRSCHICK.
Wir wollen eine COMŒDIE spielen.
WAZEK.
Ja wer die Personen auswendig gelernet hätte.
GIRSCHICK.
Ach es soll sich alles selber geben. Sieh WAZEK du solst der Richter seyn.
WAZEK.

Ich weiß nicht / wenn die vornehmen Personen an meines gleichen kommen / so steckt gewiß eine Leichtfertigkeit darhinter.

GIRSCHICK.

Ach wo hat es immermehr das Geschicke zu Leichtfertigkeit. Du bist Richter / der kleine Herr König ist Beysitzer / LISEL soll des Richters Frau bedeuten.

WAZEK.
Was haben wir denn zu richten?
GIRSCHICK.
Ich will der arme Sünder seyn.
WAZEK.
Was habt ihr denn gethan?
GIRSCHICK.
Ich habe ein Pferd gestohlen / da richtet mich drüber.
WAZEK.

Nun last sehen / so will ich mich auff den Thron setzen / und weil mir die Herrn COLLEGEN sind aussen blieben / mag meine Frau Beysitzer seyn. Nun höre du Kerle / gläubstu / daß du ein Pferdedieb bist?

GIRSCHICK.
Ehrenvester Herr Richter / das gläub ich.
WAZEK.
Gläubstu / daß das gestohlne Pferd hat vier Beine gehabt?
GIRSCHICK.
Ja vier Beine und so viel Huffeisen.
[146]
WAZEK.
Weistu auch wo solche Gäste hingehören?
GIRSCHICK.
Ich habs nicht gerne gethan / der Herr Richter wird mir wohl gnädig seyn.
WAZEK.

Ich weiß von keiner Gnade / Meister KILIAN rauß / und hencket mir den Kerlen flugs wie sichs gehöret und gebühret.

GIRSCHICK.
Ey Herr Richter / das wäre auch wohl das erstemahl / daß sie mich hengen liessen.
WAZEK.
Es muß ein Anfang seyn / du bist schon so gut / als ein Klöppel in der Feld-Glocke.
GIRSCHICK.
O ich bitte aber gar zu sehr.
WAZEK.
Nein nein / die Gnadenthüre ist verschlossen / der Galgen behält sein Recht.
GIRSCHICK
er streichelt alle auff dem Backen mit denen er redet.
O allerliebster Herr Beysitzer / ist es nicht möglich / daß ich kan davon kommen?
WAZEK.

Laß dich mit dem Besitzer unverworren / wen ich hencken lasse / den soll mir kein Beysitzer loßschneiden.

GIRSCHICK.

Ach tugendsame Frau Richterin / sie lasse doch ihre Vorbitte was gelten / es thut mir gar zu weh / wenn ich hencken soll.

WAZEK.
Laß mir die Frau auch zu Frieden. Denn wieder den Tod ist kein Kraut gewachsen.
GIRSCHICK.

O ich mercke es wohl / ich muß bey der rechten Thüre anklopffen / O hertz lieber güldner Herr Richter / last [147] es immer dieses mahl gut seyn / ein andermahl will ich gerne zwey Pferde stehlen / da könt ihr mich mit guter Bequemligkeit hencken lassen. Er streichelt ihn / und beschwärtzt ihm das gantze Gesichte / Wentzel und Lisel lachen über die Massen sehr.

18. Aufzug
Achzehndter Auffzug.
Die Vorigen, Berthold, Martin, Zittauische Bürger. Hernach Czenko, Woko, Bäbel.

BERTHOLD.
Ihr Kinder nicht zu lustig es sind Leute da / die euch schaden können.
MARTIN.
Fort fort versteckt euch in das Hinterhauß / die frembden Gäste möchten uns Händel machen.
BERTHOLD.
Es ist kein Schertz / sehet ich muß euch nur die Wege weisen. Jaget sie hinein.
MARTIN.
Ist es aber wahr / daß frembde Leute da sind?
BERTHOLD.

Ich wolte ich könte es vor einen Schertz ausgeben / so wäre mir viel heimlicher bey der Sache / sehet nur was vor liebe Hertzgen dort angestochen kommen.

CZENKO.
Glück zu ihr ehrlichen Leute.
BERTHOLD.
Grossen Danck dem Herren. Es ist was seltsames / daß so vornehme Gäste in ein geringes Hauß kommen.
CZENKO.

Wir kommen itzt daher / und wolten gern etwas kauffen / und da ist kein Unterscheid unter geringen und [148] vornehmen Leuten / wer Geld giebt / der hat die Waare.

BERTHOLD.
Doch muß ein armer Mann solche vornehme Herrn RESPECTIren.
CZENKO.

Wir wollen uns auffhalten / es soll hier ein gute Gattung von Tuche seyn / wenn ihr uns mit rathen wollet / so geschähe uns ein Gefallen.

BERTHOLD.

Wir richten uns mit dem Tuche nach dem Orte / wenn es gar zu gut gemacht würde / so bezahlte es niemand.

CZENKO.
Es stehet darauff / daß wirs ansehen. Doch ihr habt hier im Hause noch feine Gelegenheit.
WOKO.
Ja man hätte es dem Hause von aussen nicht angesehen / es wird doch unterschiedene Zimmer geben?
CZENKO.
Es muß ein guter Zimmerman gewesen seyn / der alles so artig in einander verbunden hat.
WOKO.

Der Mäuer ist auch nicht zu tadeln / gewiß ich möchte doch ein bißgen in dem Hause herumgehen / bißweilen fängt ein Baumeister was gutes an / und kan es nicht ausführen.

CZENKO.
Ihr ehrlicher Meister / habt ihr das Tuch bey der Hand?
BERTHOLD.
Ja sie könen nur in die Kammer hinein gehen.
CZENKO.
Wo es euch gefällt / wollen wir uns ein bißgen in dem Hause umsehen.
[149]
BERTHOLD
ad spectatores.

Das seyn gar die rechten / sie wollen sehen / ob ich eine Kammer habe / da der König nein verstackt ist.

CZENKO.

O wir wollen euch nichts wegtragen / wir wolten nur sehen / ob euer Zimmermann was guts machte / denn es könte kommen / daß wir ihn brauchten.

BERTHOLD.
O sie werden bey einem armen Manne gar schlechte Künststücke sehen.
CZENKO.
Ich weiß schon besser davon zu urtheilen.
BERTHOLD.

Je nu nu / wenn sie sich umsehen wollen / so können sie nur dorthin spatziren. Er führet sie hinein / komt bald heraus gelauffen / und sagt heimlich zu Martin. Es ist nicht anders / sie wollen den König ausstenckern / ich bitte euch drum / gebt achtung / daß niemand in die Hinterstube kömmt / sprecht / der Schlüssel ist verlohren / oder lehnt allerhand alt Gerille vor die Thüre / daß sie nicht wissen / wie sie dran seyn.

MARTIN.

Geht nur / wenn wir lange mit einander reden / so mercken sie die Possen / ich will schon sehen / daß wir davon kommen. Sie gehen an unterschiedenen Orten ab.

19. Aufzug
Neunzehender Auffzug.
Bäbel, Wazek mit dem geschwärtzten Gesichte hernach.

BÄBEL.

Der Wirth im Hause der ist ein Laurer / es ist so gewiß als ich hier stehe / daß der junge König in dem Hause stecken soll / und wir mögen suchen wo wir wollen / so [150] ist alles ledig. Und das sehe ich gleichwohl / den Leuten ist bange / sie haben was auff den Hertzen. Aber siehe da / was ist das vor ein Murmelthier?

WAZEK.
Bin ich ein Murmelthier / so bin ichs mit Ehren / wenn ich aber nun spräche / was will der PAVIAN?
BÄBEL.

Ey höre doch / sage mir zuvor / wer du bist / ich lasse mich sonst mit dem bösen Dinge nicht ein / das ein schwartz Gesichte hat.

WAZEK.

Ich will dirs wohl sagen / ich bin der Kobelt zur Sitte / wenn so ein Narr von Prage kömmt / so frage ich gerne darnach / was ihm hinter den Ohren sitzt.

BÄBEL.

Und ich bin der Kobelt von Prage / wilstu was anfangen / so thue mirs doch zu gefallen / und reise mir 14. Meilen nach.

WAZEK.

Du elender Narr / dir zu gefallen wolte ich nicht 14. Schritte aus dem Hause gehen. Aber da ich dich in meinen 4. Pfälen kriege / so möchte ich doch ein klein EXAMEN mit dir anfangen.

BÄBEL.

Ich weiß nicht / das Gesichte muß dir fort helffen / sonst dächte ich immer / unser verlauffener Schelme Wazek wäre in das Wammst hinein gekrochen. Höre doch du ehrenvester Herr Kobelt / vor dessen waren wir gar bekannt mit einander.

WAZEK.

Dir einen Quarck auff deine Bekandtschafft / itzo will ich mich in einer andern Gestalt PRÆSENTIren / daß du flugs vor mir niederfallen solst.

BÄBEL.

Je nu / ich thue es nicht gerne / daß ich niederfalle / doch wenn es seyn müste / so wolte ich / es geschähe fein [151] bald. Nu da steh ich / wer mich will liegen sehen / der werffe mich zu Gottes Boden.

WAZEK.
Ich rathe dirs / wündsche dir dein Unglücke nicht.
BÄBEL.

Ja es ist / als wenn ich heute ein Unglück haben müste / flugs wirff mich nieder oder ich werffe dich zu Gottes Boden.

WAZEK.

Nun so muß ich doch meine Kunst PROBIren. Er unterläufft ihn / und schmeist ihn nieder / Bäbel kriegt ihm beym Kopffe und hält ihn feste / also fängt Wazek an zu schreien.

20. Aufzug
Zwantzigster Auffzug.
Die Vorigen, Hinko, der Hofemeister.

HINKO.

Was zum Hencker ist für ein Tumult? Du gottloser Bube hastu nicht Befehl / daß du solst in deiner Clause bleiben / gehe fort / oder du solst keine gantze Ribbe im Leibe behalten. Er jaget ihm hinein.

BÄBEL.

Je Herr ich erfreue mich eurer guten Gesundheit: Wenn ihr wissen wollt / wer so turnirte / ich war es.

HINKO.
Ich weiß es wohl aber es ist nicht an der Zeit.
BÄBEL.
Wir wolln gern den jungen König finden.
HINKO.

Was wolt ihr denn darnach / wenn er gefunden ist? so wahr ich lebe / ihr könnt eine wichtige Tracht Schläge davon kriegen / wenn ihr euch nur im geringsten anstellt / als wenn euch was dran gelegen wäre.

[152]
BÄBEL.
Was hilfft und denn unsre Reise?
HINKO.
Sie wird euch gnung helffen / fangts nur klüger an.
BÄBEL.
Je wer der Klügste seyn will / der gebe uns einen guten Rath.
HINKO.

Schaffet euch morgen Gehülffen / und kommt vor unser Hauß / so will ich sehen / daß der Wirth niemanden um Hülffe ruffen kan / damit können wir den jungen König zur Pforte nauff bringen / ehe sich jemand des Possen versehen hätte / nur itzo packt euch zum Hause nauß / ich darf mit dem Herren selber nicht reden / es gebe Verdacht / doch gedenckt an mich / ihr habt einen treuen Diener.

BÄBEL.

Nun so will ichs meinen Herren stecken / daß sie sich nicht übereilen / das Bier schmeckt ohn dem gut / wenn wir gleich einen Tag länger da bleiben / es wird nicht viel zu bedeuten haben.Geht ab.

HINKO.

Die Zeit ist da / die Grobheit meines Wirths soll ihm theuer gnug bezahlet werden / wird nur der junge König RUINIret seyn / so mag die Königin mit solchen Verräthern anfangen was sie will / ich wünsche in der Sache COMMISSARIUS zu seyn / damit soll die Kappe zugeschnitten werden. Gehet ab.

21. Aufzug
Ein und zwantzigster Auffzug.
Czenko, Woko, Bäbel.

CZENKO.
Der Wirth ist vorsichtig / er will hauptsächlich betrogen seyn.
[153]
WOKO.
Und das soll ihm wiederfahren / ehe die Sonne zum andernmahle untergehet.
CZENKO.
Er kunte seine Furcht nicht verbergen.
WOKO.

Und in seiner Antwort war er allemahl so tieffsinnig / mich dünckt / wenn sich doch niemand zu keinem Verräther gebrauchen liesse / der die Kunst zu DISSIMULIren / nicht besser gelernet hat.

CZENKO.

Aber höre du BÄBEL / an dich wird die Charge kommen / du must uns etliche Bauern und andre Leute auffbieten / die uns an der Hand stehen / wenn wir den jungen König entführen wollen / ehe das Volck morgen früh aus der Kirche kommt / muß der Handel vollzogen seyn.

WOKO.
Und das mercke ein jedweder Bauer / der uns redlich beystehet / soll einen Ducaten zum Lohne haben.
BÄBEL.
Sprecht immer drey Thaler / so kan ich einen auff den Schwantz schlagen.
WOKO.

Wo uns der Anschlag mit dem Könige von statten gehet / so werden wir mit Thalern und Ducaten kein scharff Gedinge machen. Sie gehen ab.

BÄBEL
ad spectatores.

Das wird ein lustig Fressen seyn / morgen gehn die Leute früh in die Kirche / damit ist niemand zu Hause / und wir können unsern Herrn WENTZEL in einen Sack stecken / und immer zum Thore mit hinauß wischen. Nun der Possen wird was werth seyn / aber das schreib ich darzu / wenn er angehet; die Fuhre / die Bauren soll alles bestellet werden. Doch es wird ziemlich finster / wo ich die Bauern nicht im Bier-Hause beysammen kriege / so werde ich mich auff der Strasse nicht viel auffhalten können.

22. Aufzug
[154] Zwey und zwantzigster Auffzug.
WENTZEL.

Ach wie müde bin ich / ich wolte daß ich solte zu Bette gehen / und doch weiß ich nicht / warum die Leute so lange verziehen / ich werde mich ein bißgen daher setzen / ob ich schlaffen kan. Es wird sachte musicirt.

23. Aufzug
Drey und zwantzigster Auffzug.
Wentzel, schlaffende. Der Geist Ottocarus. Zabisch, Cunigunda hernach.

OTTOCARUS.

Soll ich dir antreffen / du eintzige Stütze meines Königlichen Nahmens? ist dir von deinem Königreiche nichts übrig bleiben / als dieser abgelegne Winckel des Böhmischen Gebürges? Ach ja du schläffest / und du kanst auch schlaffen / denn ich habe dir eine Stadt an der Neisse gebaut / welche dich so lange beschützen soll / biß die volle Beschützung von dem Himmel wird erhalten seyn. Unterdessen mein Sohn / da du mich mit wachenden Augen nicht sehen kanst / da es auch unmöglich ist / von Sittau in die Königliche Burg nach Prage zu sehen / so laß dir im Traume vorstellen / was daselbst würcklich getrieben wird. Du bist noch ein Kind / doch was du nicht verstehest / das behalt in deinem Hertzen / biß der Verstand mit den Jahren kommen wird. Er tritt auff die Seite / die andern kommen.

ZABISCH.

Allerschönste Königin / ist das der Lohn von unserm Beylager / daß wir einander sollen MELANCHOLIsch sehen?

CUNIGUNDA.

Ich habe schon viel Verstand / daß unsre Liebe durch einen lieben Tod soll befestiget werden. OTTOCARI [155] sein Nachfolger kan die Stelle nicht vertreten / wenn OTTOCARUS seinen Sohn nicht in jene Welt nachgeholet hat.

ZABISCH.

Indessen muß gleichwohl die unschuldige Liebe in meinem Hertzen nicht gantz ohne Trost gelassen werden.

CUNIGUNDA.
Den Trost habt ihr deutlich genung auch gewiß gnung.
ZABISCH.
Die Liebe will durch euserliche Zeichen versichert seyn.
CUNIGUNDA.

Ach sind die Zeichen nicht erkenntlich gnung / was hier stehet / was hier lebet / das ist in eurer Gewalt / wie kan ich denn mehr geben als ich habe / wollt ihr den Sohn haben / nehmt ihn auch / er soll gleichfals in eurer Gewalt seyn.

ZABISCH.

Ach wundersüsse Königin / wofern ich diesen Verheissungen begegnen soll / so muß ich mein Haupt krönen lassen.

CUNIGUNDA.

Die erste Krone habt ihr in meiner Liebe verdienet / die andre soll etwas prächtiger von dem gesamten Volcke dargebothen werden.

ZABISCH.

Ich bin so ehrgeitzig nicht / daß ich mich einer Krone eifrig anmassen wolte: Doch weil meine verliebte Pflicht sonsten einer Unvollkommenheit beschuldiget würde / wenn die Küsse von einem ungekrönten Haupte solten zugezehlet werden / so will ich mich gar gerne zu dieser güldnen Last verstehen.

CUNIGUNDA.

Ach mein Engels-Hertze / das habt ihr meinetwegen auszustehen. Die Regirung ist freylich eine Last / und in Betrachtung meiner Liebe last ihr euer Haupt gar willig damit beschweren.

[156]
ZABISCH.

Heroische Liebe will durch eine heroische Probe bestätiget seyn / es soll nur auch nichts mangeln / nach dem ich mit einer Königlichen Seele vereiniget werde. Ach allerschönste Königin / sie theile mir die Krafft ihrer Majestät mit / und lasse die verliebten Seufftzer meiner Seele zu Tröste kräfftig sein. Sie küssen einander / und bleiben in dieser verliebten Positur.

OTTOCARUS.

Ha du Schandfleck meines Hauses / du Unkraut des gantzen Königreichs / bistu von mir in ein Königliches Bette geleget worden / daß mir ein Unterthan auch nach meinem Tode den Purpur besudeln soll? Ich sage dirs / der Königliche Thron soll von keinem Sclaven geschimpffet werden. Wenn ihm der Kopff wird von den Achseln gerissen seyn / so wird König WENTZEL noch mit befestigten Scepter die gegenwärtige Boßheit bestraffen können. Die Zeit ist da / die redlichen Landes-Stände sollen diesen ehbrechrischen Küssen bald einen Stillstand gebieten. Der Himmel fodert Rache / der wird den König beschützen / und den untreuen Meuchelmord allen Verräthern auff den Kopff vergelten. Geht ab.


Die beyden Verliebten ziehen sich sachte in die mittelste Scene, welche zufällt.

5. Akt

1. Aufzug
Erster Auffzug.
Poto, Sbinko, Landstände auff Wentzels Seite. Lesko, Heyno, Soldaten. Hernach Christoffel, der Heldermeister von Zittau.

POTO.
Die Spur soll uns nicht betrügen.
SBINKO.
Ist der König entführet worden / so soll er auch wieder gesuchet werden.
POTO.
Gottlob / der Hauptfeind ist gedemüthiget worden.
SBINKO.
Die Tyrannische Königin ist in ihrem Vorhaben betrogen.
POTO.

Und wer ein redliches Geblüte noch bey sich im Hertzen hat / der wird der allgemeinen Sache beystehen.

SBINKO.

Und dessentwegen wird das arme Königreich nach so vieler Verfolgung ein Jubelfest nach dem andern CELEBRIren können.

POTO.
Doch wir werden hier den rechten Weg nach Zittau getroffen haben.
[158]
SBINKO.

Wo uns die Wegweiser nicht betrogen haben / so können wir nicht fehlen / doch es gilt noch eine Frage. Hört guter Freund ist das der rechte Weg nach Zittau?

CHRISTOFFEL.
O ja sie kommen gar recht.
SBINKO.
Wo sind wir jetzund?
CHRISTOFFEL.
Je das ist der Eichgraben.
SBINKO.
Wer seyd ihr?
CHRISTOFFEL.

O ich bin der Heldermeister von der Sitte / da soll ich in dem Eichgraben / nach den Teichen sehen / ich weiß nicht / was mir der Teichwärter vor Narrenpossen macht / daß man immer zu lauffen und zu rennen hat.

SBINKO.
Ich sehe ihr habt in dieser Gegend viel Fische.
CHRISTOFFEL.
O ja / wenn man vor Schelmen und Dieben was behalten kan / so muß man noch mit vorlieb nehmen.
SBINKO.
Aber giebt es was neues in der Stad?
CHRISTOFFEL.
Ich war wohl gestern zum Biere drinne / ich wüste aber nicht / daß ich was gehöret hätte.
SBINKO.
Sie sprechen ja / der junge König aus Böhmen soll sich da auffhalten.
CHRISTOFFEL.
Die Leute wollen wohl davon munckeln / wir wollen aber hoffen / es soll nicht wahr seyn.
SBINKO.
Seht ihrs nicht gerne / daß ein König bey euch Herberge sucht?
[159]
CHRISTOFFEL.

Wenn ich nach meinem albern Verstande reden soll / so sehe ichs nicht gerne. Denn solche grosse Herren wollen gar köstlich TRACTIret seyn / und wenn der Pappe einmahl anprintzelt so hatte man nur Schande und Spott zum Lohne.

SBINKO.

Ihr kennet euren König noch nicht / der liebe Herr wird alles gar gnädig auffnehmen. Aber wo es Anstand mit den Teichen hat / so erweiset ihr uns einen Gefallen / wenn ihr uns den Weg zeiget.

POTO.
Es soll euch an einem guten Trinckgelde nicht fehlen.
CHRISTOFFEL.
Ja ja wir Heldermeister gehen gerne ums Wasser / aber dem lieben Bier seyn wir desto günstiger.
POTO.

Es soll nicht bey dem Biere bleiben / wo ihr itzo dem Könige treu und redlich dienen wollet / so seyd versichert / ihr solt Heldermeister zu Prage werden / und da solt ihr euren Wein dazu trincken können.

CHRISTOFFEL.

Ich habe wohl immer gehört / wer in der Küche viel Fische hat / der muß sich die Kehle zum Weine gewehnen / es hat nur bißhero nicht seyn wollen.

POTO.
So lebt ihr gleichwohl so mäßig / und trincket keinen Wein?
CHRISTOFFEL.

Ich könte wohl / aber der Brantwein liegt ein bißgen breiter / wenn ich drey Gröschel habe / so kan ich weiter mit langen / als wenn ich Wein trincke.

POTO.

Nun / drum seht auff eure Belohnung / was wir euch sagen werden / und was die Soldaten thun sollen / darinne steht uns bey.

[160]
CHRISTOFFEL.
Ich will sehen / wie weit sich meine COURAGE erstrecken wird.
POTO.
Ihr habt euer Glücke itzund in euer Gewalt.
SBINKO.

Doch es sind bald etliche Worte geredt / und etliche Schritte versäumet / weist uns nur den Weg / unter dem Thore wollen wir selbst wissen / wie wir nachfragen sollen.

2. Aufzug
Andrer Auffzug.
Bäbel, der Gärtner. Janku, Nikschi, Bauern.

BÄBEL.
Hudelt euch fort / wer Geld auff die Hände genommen hat / der muß sich COMMANDIren lassen.
JANKU.
Ich thue es euch nicht zu gefallen / der grosse Herr machts / daß ich gehorsam bin.
NIKSCHI.
Und das liebe Bier machts / das ich heute gedencke auszusauffen.
BÄBEL.

Nu nu / lasts machen / wer da will / ich weiß doch / daß ich jetzund euer Commendante bin / und seht / da will ich euch beschreiben / was ihr werdet verrichten sollen.

JANKU.
Ich kan weder schreiben noch lesen.
NIKSCHI.
Mir ist auch so / ich dächte wenn ihr das Schreiben immer bleiben liesset.
[161]
BÄBEL.
Ihr Narren ich will euch die Buchstaben darnach machen / daß ihr sie lesen könnt.
JANKU.

Unser Schulmeister war ein kluger Mann / er hat mir doch nichts eingebracht / der Kerle wird nun kein Wunder thun.

NIKSCHI.

Ich dencke so / wo mir die Buchstaben anstehen / so kan ich sie lesen / wo aber mehr zu arbeiten / als zu trincken dabey stehet / so thue ich ein Gebete / und spreche: Du lieber St. Velten ich dancke dir / daß du mir solche Eltern beschehret hast / die mich zu nichts gehalten haben.

BÄBEL.
Hört erstlich solt ihr da stehen / und auffwarten.
JANKU.
Nu das ist eine Arbeit / die kann ich verrichten.
NIKSCHI.
Und ich dencke / man wird sich wohl dürfen dabey niedersetzen.
BÄBEL.
Darnach sollen eure Knechte mit ihrem Fuhrwercke PARAT seyn.
JANKU.
O ja / wenn mein Knecht eingeschmiert hat / so fährt er daß es ein Geschicke hat.
NIKSCHI.

Und mein Knecht darff ein Seidel Brantewein im Leibe haben / so fährt er wenn er gleich nicht einschmirt.

BÄBEL.

Wenn es zu der Schlägerey kommen soll / so helfft feine drauff schmeissen / und bleibt so lange zurücke biß wir weg seyn.

JANKU.
Sonst bleibe ich gerne bey meiner Herrschafft.
NIKSCHI.

Und ich richte mich gerne nach meiner Widerpart / wenn sie mir den Willen läst so lauff ich nicht davon.

[162]
BÄBEL.

Nun stellt euch / Maulaffen mögt ihr feil haben so lange ihr wollet / nur last euch nichts mercken / und wenn jemand fraget / so thut als wenn ihr nicht köntet auff drey zehlen.

JANKU.
Ja fürwahr / in meinem Gelde habe ich noch keinmahl können über drey zehlen.
NIKSCHI.
Wo des Herrn sein Maul ein Evangelium- Buch ist / so wollen wir in drey Tagen über hundert zehlen.
BÄBEL.
Ja ja / ihr solt brave zehlen lernen. Doch bleibt stehen / ich habe weiter zu COMMANDIren.
3. Aufzug
Dritter Auffzug.
Berthold, Martin, zwey Bürger.

MARTIN.
So geht ihr nicht in die Kirche?
BERTHOLD.

Ach wer will in der Noth an die Kirche gedencken / es ist nicht anders / die gestrigen Herren wollen unsrem Könige einen Possen machen.

MARTIN.
Das Ding wäre zwar ziemlich grob.
BERTHOLD.

Was vornehme Leute thun / das heist darnach recht / und thut mirs nur zu gefallen / und bleibt bey mir.

MARTIN.

Ich halte wenn wir das Hauß zumachten / wer anklopffen wolte / der möchte um den Mittag wiederkommen.

[163]
BERTHOLD.

Das Hinter-Hauß ist nicht wohl verwahrt. Schelme und Diebe finden leicht eine Strasse. Doch wir wollen sehen / daß uns niemand an unserer Vorsichtigkeit tadeln soll.

MARTIN.

Seht nur seht / dort stehen ein paar Strauch-Häne / ich wolte daß sie 6. Meilen hinter Reichenberg an dem höchsten Baume Mengen.

BERTHOLD.

O meinetwegen möchten sie eine Meile hinter der Kratze hängen / da müssen sie wohl auff eine Schelmerey umgehen.

MARTIN.
Nun das weiß ich / zu unsrer Thüre sollen sie nicht rein kommen.
4. Aufzug
Vierdter Auffzug.
Czenko, Woko, Bäbel. Die Bauern. Rosine, die zum Fenster heraus siehet.

CZENKO.
Die Stunde ist da / was wir heute versäumen / das wird sich künftiger Zeit nicht PRACTICIren lassen.
WOKO.
Und den Lohn / den ein getreuer Diener bekommen kan / der möchte darnach zurücke bleiben.
CZENKO.
Hier in dem Hause wohnen Verräther / die müssen verrathen werden.
WOKO.
Und hier wohnet der König / der muß dem Königreiche wieder geliefert werden.
[164]
CZENKO.
Die Leute haben die Thüre ziemlich verwahret / sie wollen uns so wohl betrügen / als den König.
WOKO.
Meister BÄBEL klopffet an.
BÄBEL.
Holla ho! ist niemand / der auff die Thüre bestellet ist?
ROSINE.
Nun wer klopfft denn so? die Leute seyn in der Kirche / es kan niemand auffmachen.
BÄBEL.
Wenn die Leute in der Kirche seyn / wer kan denn zum Fenster rauß ruffen?
ROSINE.
Nun das bin ich.
BÄBEL.
Und wenn ich klopffe das bin ich. Holla holla ...
ROSINE.
Hört doch / ich brauche die Thüre morgen wieder / last sie immer gantz.
BÄBEL.
Macht auff / so bleibt die Thüre gantz.
ROSINE.
Der Mann hat den Hauß-Schlüssel mitgenommen / ich kan nicht auffschliessen.
BÄBEL.
Schliesset auff / oder wir wollen das Schlüssel-Loch treffen.
ROSINE.

Je nu / macht was ihr wollt / wer mehr Gewalt über meine Hauß-Thüre hat / der mag sie brauchen. Sie macht das Fenster zu.

BÄBEL.
Ihr Herren / solchen RESPECT hat einer meines gleichen.
CZENKO.
Der Herr INSPECTOR kan auch zwey Sprachen reden.
WOKO.
Und wo er uns vor dießmahl stecken läst / so mag er sich vor der Königin vorsehen.
5. Aufzug
[165] Fünffter Auffzug.
Die Vorigen. Hinko, des Königs Inspector.

HINKO.

Ihr Herren / wozu dienet dieser heßliche Tumult? ich dachte / was wir vorhaben / das solte in der Stille ausgeführet werden.

CZENKO.
Und ich dachte / ein Werck von solcher Wichtigkeit solte etwas ordentlicher bestellet werden.
WOKO.

Und wo die Sache keinen Verzug leidet / da selten meines Bedünckens nach rechtschaffene Leute nicht auffgehalten werden.

HINKO.
Es ist alles PUNCTUEL in acht genommen worden / drum dürften sie vor der Zeit nicht ungeduldig seyn.
CZENKO.
Gleichwohl ist die Thüre verschlossen.
WOKO.
Und mit guten werden sie uns nicht hinein lassen.
HINKO.

So will ichs haben. Die Thüre muß verschlossen seyn / damit kein Nachbar zu Hülffe kommen kan. Ich will aber einen Weg zum Hinter- Hause weisen / da sollen sie unser nicht eher gewahr weiden / als biß der König in unsern Klauen ist. Sie lassen sich die Mühe nicht verdriessen / und folgen mir.

CZENKO.
Seine Redligkeit machts / daß wir auf seine Treue keinen Zweifel setzen. Gehen ab.
6. Aufzug
[166] Sechster Auffzug.
Die mittelste Scene öffnet sich. Martin, Berthold, Bürger. Rosine, dessen Frau. Lisel, dessen Tochter. Wentzel, der junge König. Rudolf, dessen junger Graff. Girschick, dessen kleiner Münch. Wazek, sein lustiger Diener.

RUDOLF.

Die Sache scheint gefährlich / ihr Herren macht es so mit uns / daß ihr es bey dem Könige / und bey den Landständen verantworten könnt.

BERTHOLD.
Die Thüre ist verschlossen / wer in das Hauß will / der muß mit Gewalt hineinbrechen.
RUDOLF.
Wenn aber solche Gewalt käme / wo wolten wir mit dem Könige bleiben?
BERTHOLD.

Das wollen wir nicht hoffen / die Nachbarschafft stehet auch beysammen / und es möchte solchen Strassenräubern gar übel bezahlet werden.

RUDOLF.
Unterdessen könte der König gleichwohl in Gefahr kommen.
[167]
BERTHOLD.

Das hab ich im Anfange versprochen / daß ich so viel dabey helffen will / als ich kan. Aber wo ist denn der Herr INSPECTOR?

RUDOLF.
Er bleibet bey seiner Mode / wenn es was zu thun giebt / so macht er sich unsichtbar.
BERTHOLD.
Doch was poltert vor der Thüre?
RUDOLF.
O wir sind verrathen. Das Getümmel wird grösser / sie schreyen zusammen: O wir sind verrathen.
7. Aufzug
Siebender Auffzug.
Die Vorigen. Czenko, Woko, Bäbel, Hinko und die Bauern.

CZENKO.
Sa COURAGE / so muß man die Königs- Diebe zu Schanden machen.
WOKO.
Und so muß man die Verräther in ihrem Neste bestricken.
CZENKO.
Sieh da / ist das der Ort / da der König seine RESIDENZ auffzuschlagen pflegt?
WOKO.
Und ist das der Ort / da ein ehrlicher Unterthan seinen König suchen soll?
CZENKO.
Höre du Kerl.
BERTHOLD.
Der Herr verzeihe mir zwar ...
[168]
CZENKO.

Ey nun wird zu langsam an die Verzeihung gedacht / du hast dich an der Majestät beleidiget / und das Unglück / das auff deinen Kopff kommen soll / das wird durch keine Verzeihung gemildert werden.

WOKO.

Und die Straffe soll auff deinem Kopffe nicht beruhen / du solt noch andre Geferten bekommen. Gnade Gott der armen Stadt / daß sie nicht vor eure Boßheit büssen muß.

BERTHOLD.

Ich habe meinen König und meinen Landsherrn beherberget / wenn ich dasselbe nicht gethan hätte / alsdenn hätte ich die Straffe verdienet.

CZENKO.

Ein anders ist beherbergen / ein anders leichtfertiger weise verstecken. Doch dieser Punct gehöret vor ein ander Gerichte. Das ist die Braut / darum wir tantzen / dieser König muß uns geliefert werden.

RUDOLF.
Ihr Herren / wenn er ein König heissen soll / so muß er auch besser RESPECTIret werden.
CZENKO.

In einem gemeinen Bürger-Hause lässet sich der König nicht RESPECTIren / wenn er wird auff Prage kommen / so wollen wir an unsere Schuldigkeit gedencken.

RUDOLF.

Wo ein König seine Unterthanen hat / da ist man ihm auch den RESPECT schuldig. Ich sag es noch einmahl / der Himmel wird die Grausamkeit straffen / die an dem unschuldigen Könige verübet wird.

CZENKO.

Da steht des jungen Königes sein Herr INSPECTOR, der hat Macht zu CONTRADICIren / wenn der Majestät etwas zu leide geschicht.

RUDOLF.
Eben dieser INSPECTOR mag sehen / wo er sich vor der redlichen Welt LEGITIMIren wird.
[169]
CZENKO.
Schweig du junger Kerl / laß diß dein letztes Wort seyn / sonst will ich dir die Rede verbieten.

Sie schreyen alle zusammen: Au weh! wir müssen sterben.
CZENKO.

Ihr Weibischen Bestien / da lieget eure COURAGE, ihr solt auch nicht so gut seyn / daß ihr unsern Zorn empfindet / es sollen sich andre Leute anmelden / die sich dazu werden gebrauchen lassen. Doch was halten wir uns auff / der König ist unser / die andern mögen bleiben wo sie wollen.

BERTHOLD.
Ach ihr Herren ich bitte.
CZENKO.

Was hastu zu bitten? wer sich an der Majestät versündiget / der hat die Gnaden-Thüre selber verschlossen.

MARTIN.
Ich will gerne ein Stücke Dreysiegler-Tuch dazu spendiren.
CZENKO.
Dein Haab und Guth soll ohn dem in unsrer Gewalt seyn.
ROSINE.

Ach erbarmet euch doch über mich / wenn sonsten keine Vorbitte helffen will / und laset nur den lieben jungen Herr König leben.

CZENKO.
Dessentwegen wird der König gesucht / daß er leben soll.
LISEL.

Ach ihr lieben bösen Herren / ich will euch gerne meine Puppen geben / nur nehmt mir meinen lieben König WENTZELN nicht.

CZENKO.
Auff die letzt werden wir uns den Kindern sollen gleich stellen / nur fort mit dem jungen Könige.
WENTZEL.
Was? gesteht ihr gleichwohl / daß ich ein König bin?
[170]
CZENKO.

Ja das wissen wir wohl / aber ein solcher König / dem noch eine Mutter befehlen kan / und dem die Vormünder Gesetze vorschreiben können.

WENTZEL.
Doch bin ich ein König.
CZENKO.

Ein König soll vor dem vierzehnden Jahre nicht wissen / was er ist. Ihr seyd des Königs Sohn / wenn euch das Alter zu etwas besser LEGITIMIren wird / so wollen wir den Titul Ihr. Majestät zubeissen.

WENTZEL.
Ich sehe / daß ich mir nicht helffen kan. Ach wehe! ich gehe in meinen Tod.
CZENKO.
Warum dieß? wißt ihr auch / daß man sich mit so einer falschen Einbildung versündigen kan?
WENTZEL.

Ach es dürstet euch nach meinen Blute. Drum schlaget mich nur da zu Boden / so hab ich diß zum besten / daß ich mich nicht lange fürchten darff.

CZENKO.

Es ist an kein Todtschlagen gedacht worden. Fasset an / ein junger König der nicht folgen will / der wird im Nahmen der Königlichen Frau Mutter angegriffen.


Sie schreyen alle: O weh der König soll sterben!
8. Aufzug
Achter Auffzug.
Die Vorigen. Poto, Sbinko, Landstände auffs Königs Seite. Lesko, Heyno, Soldaten. Christoffel, der Heldermeister von Zittau.

LESKO
zu Czenko.
Auff Befehl der Königlichen Landstände in Böhmen gieb dich gefangen.
[171]
HEYNO
zu Woko.
Und auff eben diesen Befehl gieb das Gewehr von dir.
CZENKO.
Wer will mir befehlen?
WOKO.

Und wer will mir das Gewehre vom Leibe nehmen / das ich zur Wolfarth des Königreichs angegürtet habe?

LESKO.
Ich will es thun.
HEYNO.
Und der hat es befohlen / der einem jedweden insonderheit zu befehlen hat.
CZENKO.
Weicht / oder ich begehe einen Todschlag.
LESKO.
Wir haben noch keine Ordre / daß wir einen Todschlag begehen sollen.
HEYNO.
Solche Landsverräther braucht man wohl lebendig.
POTO.
Wie lange sollen wir zusehen / daß dem hohen Befehle nicht gefolget wird?
SBINKO.
Wollt ihr das jenige nun abwenden / das euren hochmüthigen Bruder betroffen hat?
CZENKO.
Eben dieser Bruder soll wegen dieses Schimpffes Rache suchen.
POTO.

Eben dieser Bruder sitzt in dem eusersten Gefängnüß / da er ohn allen zweiffei an keine Rache gedencken wird.

CZENKO.
Wie mein Bruder? im Gefängnüß?
POTO.

Ja dein hochmüthiger Bruder / der die Königin verführet hat / der das Leben des jungen Königes zu seinem [172] Mahlschatze erwehlet hat / der sich als ein Sclave die Hoffnung zur Krone gemachet hat / dieser hat sich numehr unter die Fessel gedemütiget.

CZENKO.

Es ist nicht wahr / daß sich mein Bruder gedemüthiget hat / er kan gedrucket / aber doch zu keiner kleinmüthigen Erkäntnüß gebracht werden. Da steh ich / und nimmermehr will ich die Schande haben / daß ich mich der bißherigen Anschläge schämen solte.

WOKO.
Ach Herr Bruder / wir müssen dem Glücke weichen.
HINKO
ad spectatorcs.
Und ich will dem Glücke entlauffen / ehe von meiner Person was kan gedacht werden. Gehet ab.
WOKO.
Ich sage es noch einmahl: Wir müssen dem Glücke weichen.
CZENKO.

Ich dachte wir müssen uns dieser RESOLUTION schämen. Der Himmel zerschmettre mich in tausend Stücke / wofern ich mich zu dieser Parthey bekennen will.

WOKO.

Wer in dem Unglücke trotzig ist / der thut sich selber schaden. Er kniet vor Wentzeln. Ach gnädigster König / ist noch eine Gnade vor denselben übrig / der sich am ersten das Verbrechen thauern läst?

POTO.

Stehet auff / wer sich eines bessern besinnen will / der soll an dem heutigen Tage keines Unglücks gewärtig seyn.

CZENKO.

Ich will aber meines Unglücks erwarten / und drum schafft mir doch bey Zeiten einen Ort / da ich in meiner Einsamkeit nach meinem belieben dencken kan.

POTO.
So thut doch der Bestie ihren Willen / weil sie nichts als Einsamkeit verdienet hat.
[173]
CZENKO.
Ja hier gehet ein Mensch / den nichts hat überwinden können als Unglück. Er wird weggeführet.
POTO.

Aber gnädigster König / es wird uns nicht zugerechnet werden / daß wir uns der Feinde eher versichert haben / ehe wir mit unsrer demüthigsten Schuldigkeit haben erscheinen können. Sie haben dem Königreiche mit einer grossen Wohlthat beygewohnet / daß sie dem gefährlichen Ungewitter in etwas verwichen sind: doch nun werden sie desto williger das betrübte Volck wiedrum erfreuen / werden sich auch in der unfehlbaren Zuversicht befestigen lassen / das alle und jede getreue Unterthanen Guth und Blut vor dero Königliche Person / und vor das Auffnehmen des gesamten Königreichs freywillig auffsetzen werden.

SBINKO.

Ja gnädigster König / nun wird sich die unterthänigste Stadt Prage zum höchsten erfreuen können / daß dieselbe sie in ihrer Sicherheit demüthigst wieder umfassen kan / welchen sie bißhero bey so gefährlichen Zeiten mehr als zu gerne von sich gelassen hat.

WENTZEL.

Lebt zu frieden / ihr lieben Getreuen. So wohl als GOTT vor meine Person gesorget hat / so wohl will ich auch mein wichtiges Ampt beobachten / und auff die Wohlfarth des gesamten Königreichs mein Absehen richten. Doch ihr liebsten Zittauer / habt schönen Danck vor diese Liebe / damit ich bin vergnüget worden. Hat mein Herr Vater das Untertheil der Stadt bauen können / so will ich noch eine Neue-Stadt dran hengen. Führet den Löwen / und den Adler / nebst den nachdencklichen Buchstaben Z im Wappen / und die zwey Flügel / welche schwartz und gülden spielen / sollen das Zeichen einer güldnen Fruchtbarkeit biß auff die späte Nachkommenschaft erhalten. Lebet wohl / und gedencket / daß König WENTZEL seiner liebsten Zittauer nimmermehr vergessen werde.


[174]
Alle fangen an zu schreyen: Vivat König Wentzel, Vivat König Wentzel, und unter solchem Geschrey können die vorigen Schäfer wieder zurücke kommen / und folgenden Glückwundsch anbringen.
GENIUS ZITTAVIÆ.

Großmächtigster König / zukünfftiger Trost dieses Landes. Er nehme den Seegen von uns mit in seine RESIDENZ, und lasse den Segen seiner Königlichen Gnade hingegen bey uns zurücke.

I. Es wachse dero Königliches Hauß / wie die Rosen an den Bächen.

II.

Der König / der über viel Flüsse zu gebieten hat / werde. hierdurch zum Zeichen eines fruchtbaren Segens.

III.
So viel als Felsen in diesem Lande seyn / so vielfältig sey der Grund seines Königlichen Glückes.
IV.

Wer die Bäume in dem Walde zehlen kan / der unterstehe sich dero Königliche Wohlfarth zu zehlen.

V. Gleich wie das Gebürge einen weiten PROSPECT hat / also werde dessen Glückseligkeit allenthalben gesehen.

VI.

Die Zittauische Gegend sey nichts anders als ein breiter Berg / der mit Königlicher Gnade fruchtbar ist.

VII.
Und der König bewohne einen gesunden Berg / welchen keine Gefahr schrecklich macht.
VIII.
Alle hohe Wälder in Böhmen müssen ihm zum Paradieße werden.

I. Diese Stadt / die einmahl die Ehre genossen hat / die zarte Person eines Königes in ihren Mauren zu bedienen / wird so viel Königliche Schlösser auffbauen / als die Einwohner Hertzen haben / und in allen wird die Residente keinem andern eingeräumet werden / als welcher von GOTT und Rechtswegen zu der Ober-Herrschafft dieses Landes kommen ist.

[175]
II.

Was bey diesem zarten Könige angefangen wird das soll hernachmahls unter viel Königen CONTINUIren / es soll unter viel glorwürdigsten Römischen Käysern getreulich fortgesetzet werden / es soll endlich unter dem gnadenreichen Schutze des Chur-Sächßischen Rauten-Stocks zu einer gesegneten Vollkommenheit gedeyen.

III.
Zittau wachse vom König Wentzeln an / biß auff die hochlöbl. Chursächßische Regierung.
IV.

Zittau wachse unter solcher Regierung biß an den Jüngsten Tag.

V. Es verfliesse ein Jahr nach dem andern: doch der Segen fange stets wieder von neuen an zu fliessen.

VI.
Es verschwinde ein SECULUM nach dem andern / und allezeit habe man neue Gelegenheit zu JUBILIren.
VII.
Alle Jähe wolle GOtt mit Friede beschliessen / und keines mit Kriege anfangen lassen.
VIII.
Ja diese Schauspiele mögen zum Zeugnüsse dienen / daß Frieden und Segen im Lande gewohnet haben.
IX.

Liebster König / hier ist ein Geschencke vom Gebürge / es ist ein Tannen-Zweig / wie dieser seine Blatter nicht fallen last / also wolle GOtt die Obrigkeit dieses Landes grünen lassen.

X. Hier ist ein Zweig von Fichten / sie bleiben auch in dem Winter beständig / also wird auch die getreue Stadt in Noth und Widerwärtigkeit ihre treue Devotion zu erhalten wissen.

XI.

Hier ist ein Zweig von Kiefern / wie solcher allenthalben mit warmen und heilsamen Hartze gefüllet ist / so wird auch alles mit Liebe / mit heilsamer Pietät und mit beständiger Treue erkäntlich seyn.

XII.

Hier ist ein Zweig von Wacholdern / er grünet / er hat Früchte / er hat einen süssen Safft / in Summa / GOTT gebe so viel / als man nach Inhalt dieses Sinnbildes wündschen und gedencken kan.


[176]

I. Der König begiebt sich auff die Reise / wer es von Hertzen meinet / der lasse seinen Glückwundsch erschallen.

II.
Der König bleibet mit seiner Liebe hier / und dessentwegen soll der Glückwundsch doppelt werden.
GENIUS ZITTAVIÆ.

Ich will den Anfang machen / wer ein Zittauisches Hertze / oder im Hertzen eine Zittauische Liebe hat / der ruffe mir nach: Es wachse Zittau / und derselbe lebe / der über Zittau zu gebieten hat.


Sie ruffen dieses nach / unter Paucken und Trompeten / indessen zeucht sich König Wentzel herauß / daß er den Epilogum halten kan.
WENTZEL.

Gleich jetzund war ich ein König / der über die Stadt Zittau gebieten kunte / nun verwandle ich mich in einem Diener / welcher sich dieser geliebten Stadt zu allergütigen Affection RECOMMENDIret. Und ich halte / wo das Andencken dieses glückseligen Königes nicht unangenehm gewesen ist / so wird auch niemand von diesem Spiele unvergnügt nach Hause gehen. Sie leben allerseits wohl / und gemessen den Segen / welchen König WENTZEL fast vor einer Zeit von 400. Jahren wol gestifftet hat. Ja das hohe Churhauß Sachsen / welches numehr die unvergleichliche Wohlthat aus Böhmen mit vielfältigen Zusätze CONTINUIren soll / habe noch ferner das Glücke / damit dero Gräntzen in Friede behalten / die gesamten Unterthanen allerseits in gesegneten Wachsthum angetroffen / auch alsodann diese geliebteste Gegend unter dem kräfftigen Schatten des unverwelcklichen Rauten-Krantzes von allen gifftigen Unwesen kräfftigster massen beschützet werde.

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Dramen. König Wentzel. König Wentzel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-98A3-7