[102] Die Unschuld

Mutter.

Ja, liebes Kind, bisher hab ich dich selbst bewacht:
Nun bist du sechzehn Jahr, nun nimm dich selbst in Acht!
Flieh aller falschen Schäfer List:
Sie sagen dir, wie schön du bist,
Wie sehr ihr Herz von dir entzündet ist!
Doch darfst du ihnen niemals traun,
Und schwören sie, auf ihren Schwur nicht baun;
Denn wenn man ihnen nur den mindsten Kuß erlaubt,
So ist uns schon die Unschuld halb geraubt!
[103] Tochter.

So, Mutter? giengs euch so? ey warum sagtet ihr
Mir dieses nicht schon längst: was kann ich nun dafür,
Daß sie mir halb geraubet ist?
Denn Damon hat mich, welche List!
Zehnmal, ja hundertmal geküßt.
Schön ists: o wär es doch erlaubt!
Wie schön muß es erst seyn, wenn man sie ganz uns raubt!
Sagt Mutter, wie mans macht; sonst schweig ich etwan still,
Wenn Damon kömmt, und mir sie rauben will.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weiße, Christian Felix. Gedichte. Scherzhafte Lieder. Die Unschuld. Die Unschuld. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9A5C-C