Johanna von Weißenthurn
Johann, Herzog von Finnland
Schauspiel in fünf Aufzügen, nach der Geschichte, mit den nöthigen theatralischen Änderungen

[2]

Personen

Personen.

    • Erik, König von Schweden.

    • Maria, seine Gemahlinn.

    • Johann, sein Stiefbruder, Herzog von Finnland.

    • Catharina, Johanns Gemahlinn, Prinzessinn von Pohlen.

    • Siegmund, ihr Sohn, 4 Jahr alt.

    • Jöran, Reichskanzler.

    • Graf Richers, sein Neffe.

    • Braske, Geheimrath.

    • Botwid.

    • Theit.

    • Struen.

    • Wolowsky, Gesandter aus Pohlen.

    • Der Hauptmann von der Wache des Pallastes.

    • Ein Kammerherr.

    • Hasko, in Richers Diensten.

    • Sten, vormahls in Johanns Diensten.

    • Ein Edelknabe der Königinn.

    • Mehrere Edelknaben.

    • Gruskel, Kerkermeister.

    • Räthe.

    • Wache.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Kurzes Vorzimmer.
Wie die Symphonie aufhört, wird aufgezogen, und die Musik dauert innerhalb der Scene fort. Bediente tragen Speisen in das Seitenzimmer, und gehen ab und zu. Wie die Musik geendet, kommt Hasko, gleich darauf Sten.

STEN
tritt hastig ein.
Wo ist dein Herr?
HASKO.
Dort, wo sich die kleinen und die großen Herrn nicht gerne stören lassen – beym Essen.
STEN.
Geh', sage ihm, Sten sey hier.
HASKO
sieht ihn an und setzt sich langsam nieder.
STEN.
Was soll das heißen? melde mich geschwind!
HASKO.

Nur Geduld – ist deine Bothschaft schlecht, so hat's nicht Eile, daß mein Graf das Schlechte wisse; ist sie gut, so wird sie unter dem vielen Guten, was er jetzt zu sich nimmt, gar nicht geachtet; darum warte, bis du sie dem wahren Werthe nach verkaufen kannst. Man hört einen Tusch. Hörst du? sie sind beym Trunk. Wenn brave Herren trinken, müssen treue Diener saufen. Hält ihm einen Becher hin. Da nimm den Becher, wohl bekomm' es dir!

[3]
STEN.
Laß mich zufrieden.
HASKO.
Trink –
STEN
unwillig.
Gift werde jeder Tropfen, den wir Beyde trinken, ehe du mich gemeldet.
HASKO
der eben trinken wollte.

Das ist ein hoher Schwur! Verdammt, nun muß ich gehen, damit die Kehle mir nicht trocken werde. Seitwärts ab.

STEN
allein.

Wie man die goldne Zeit vertändeln muß. Ein nützlich Wort muß man mit hundert weggeworfenen kaufen. Das Gesindel lebt nur für den eignen Schlund; wenn der naß ist, fragt es nichts nach denen, die verschmachten. Man hört wieder einen Tusch. Trinkt nur zu, ihr Herren; nach meiner Bothschaft schmeckt euch der beste Wein nicht mehr.

HASKO
kommt zurück.

Leib und Leben hätte ich verwettet, daß ich dir jetzt die Thüre zeigen müßte, und, straf mich Gott, ich armer Sünder hätte es verloren. »Sten warte!« sprach der Graf.

STEN.
Sagte ich es nicht?
HASKO.

Sten saufe, spreche ich, Gibt ihm den Becher. und den guten Rath, den ich für andere habe, habe ich auch für mich. Trinkt.

STEN
trinkt, setzt aber gleich ab.
Da nimm, die Kehle ist wie zugeschnürt, sie läßt heute nichts hinunter.
HASKO.

Daß mich nur diese Krankheit nie befalle! Was ist dir denn begegnet? Sten, das ist nicht dein Gesicht, du hast es einem abgeborgt, der ein Schelmstück ausgeübt.

STEN.
Ich trage so etwas bey mir – ein Schelmstück, das ein andrer verübte – ein – o wo bleibt der Graf!
[4]
HASKO.

Ich wollte, daß er gar nicht käme. – Theilst du ihm etwas von deiner frohen Laune mit, so habe ich wohl auf lange Zeit das letzte freundliche Gesicht gesehen.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Richers, Vorige.

RICHERS
tritt hastig ein.
Wo ist Sten?
STEN.
Hier, edler Graf, zu euren Diensten.
RICHERS
zu Hasko.
Laß mich allein.
HASKO
geht ab.
RICHERS.
Nun Sten, was hast du mir zu sagen? Hast du Kunde von unserm Herzog, wie geht es ihm?
STEN.
Jetzt noch – gut – ich glaube gut –
RICHERS
mit Zuversicht.
Und bald noch besser. Ja, Sten, es muß anders werden.
STEN.
ANDERS. wohl, doch besser? Graf, ich fürchte, schlimmer.
RICHERS.
Was hast du? wo bleibt dein froher Muth?
STEN.
Er ist dahin – und, Graf – der eure wird ihm folgen.
RICHERS
betrachtet ihn.

Hätte ich es doch aus deinem ganzen Wesen sehen sollen, daß du mir heute nichts Gutes zu verkünden kommst. Schnell. Was führt dich her? was hast du mir zu sagen?

STEN.

Ein Übel, welches ich euch nach und nach verkünden muß; auf einmahl möchte es euch zu Boden schlagen.

RICHERS.

Glaubst du, es fehle mir an Muth, ein drohend Übel fest in's Aug' zu fassen? Weiber schlürfen [5] tropfenweis das Gift, der Mann leert kühn den ganzen Becher; darum verweig're mir nicht länger meinen Antheil an der Sache, sprich –

STEN.
Ihr wollt es so? es sey – Manns-Ille ist ermordet –
RICHERS.
Manns-Ille?
STEN.

Die Schriften, die er von dem gefangenen Herzog an die Höfe von Dänemark und Frankreich bringen sollte, sind in des Kanzlers Hand.

RICHERS.

In des Kanzlers? Ja, du hast Recht, nicht jedes Schweden Nerven wären stark genug, die Bothschaft ohne Beben anzuhören. Doch sieh, noch stehe ich fest, noch kann ich fragen, wie ist das geschehen?

STEN.

Auf der Landstraße ward er todt gefunden, der Schriften, und, um den Schein der Schuld auf gemeine Diebe zu wälzen, auch des Geldes beraubt. Vermuthlich ward die Sache eurem Oheim verrathen, und so –

RICHERS.
Mein Oheim? Ha – es wird hell, es wird ganz Tag – mein Oheim ist der Thäter.
STEN.
Verzeiht, daß ich das auch zu glauben wage.
RICHERS.

O glaube es nur, denn in ganz Schweden wird kein Bubenstück verübt, dem er mit seinem Ansehen, Rang und Würde nicht zur Seite stände. Ein Mord in den Mantel der Politik, der Staatsklugheit gewickelt, ist ihm nicht Sünde, Pflicht nennt dieser Chrvergessene solche Thaten; das sind die Stufen, auf denen man dem Throne näher steigt. Gott! – des Herzogs Schriften in des Kanzlers, in seines ärgsten Feindes Hand! –

[6]
STEN.
Sie werden uns mit ihm verderben.
RICHERS.

Nein – ich kenne ihren Inhalt, uns bringt das nicht Gefahr; der Herzog nannte niemand, sprach nur unbestimmt von seinem Anhang, den er noch in Schweden hätte –

STEN.

Schlau wird nun euer Oheim die Verbündeten entdecken wollen – darum habt Acht auf jede Miene, wägt jedes Wort.

RICHERS.

Ja, Sten, behutsam laß uns gehen, doch nicht verzagt; denn das Bewußtseyn der gerechten Sache gibt uns Stärke. Wir schlossen keinen Bund, die alte Ordnung umzuwälzen, uns launenhaft nur einer andern, wenn auch nicht bessern Führung zu vertrauen, nein, unsern Herzog dem Gefängniß zu entreißen, ihn seinem Volk und uns zurück zu geben, das ist's, was jedes Herz im Einklang sucht, und unser Arm erkämpfen muß, schlägt jedes andere Mittel fehl. – Struen, Theit und Botwid sind bey mir, die Übrigen berufe ich heute noch zusammen; es sind Finnländer, Männer, die lieber sterben, als die geschworne Treue brechen, komm. Gehen seitwärts ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Großer Saal.
Botwid, Theit und Struen sitzen bey einem prächtigen Mahl, das Ganze ist festlich beleuchtet, im Hintergrunde Musik, Bediente.

BOTWID.

Sagt mir nur, seyd ihr stumm geworden? hat Richers eure Sprache mitgenommen? Seit er fort ist, [7] sitzt ihr ohne Leben; das einzige, was an euch regbar ist, sind eure Augen, sie schielen ängstlich nach der Thür.

THEIT.
Er wurde sehr geheimnißvoll hinaus gerufen –
BOTWID.
Vielleicht ist's eine Weiber-Bothschaft – die haben meistens solche öffentliche Heimlichkeiten.
STRUEN.
Er bleibt sehr lange –
THEIT.
Auch mir scheint das verdächtig.
BOTWID.

Ei trinkt, und laßt euch das nicht stören, nicht was scheint, was ist, macht mir Verdruß. Zur Musik. Nun, schlaft ihr auch? frisch auf ihr Herren, die schönste Frau im Land soll leben!Tusch.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Richers, Sten, die Vorigen.

RICHERS
durch die Mitte zur Musik.
Genug, ihr seyd entlassen. Zu den Bedienten. Die Tafel ist aufgehoben, geht.

Musik und Bediente ab.
Theit und Struen sind, als Richers kam, aufgestanden.
BOTWID
sitzt allein am Tisch.
Was das für eine Art ist; erst fragt man doch die Gäste: ist noch etwas gefällig?
THEIT.
Was ist dir, Richers?
STRUEN.
Dein Aug' irrt wild umher, die Lippe bebt.
THEIT.
Seht, ich hatte Recht, sein Zögern arg zu deuten.
BOTWID
steht auch auf.
Nun Christian, sprich –
RICHERS.

Ich bin ein Todtenvogel, ich krähe euch ein unwillkommen Lied: wir haben einen Freund verloren – Manns-Ille ist ermordet.

[8]
BOTWID.

Wie? Unser Freund und Bruder? ermordet ist der Ehrenmann? Nenne mir den Thäter, an den Haaren zerre ich den Buben durch ganz Schweden, und ersäufe ihn dann in einer Pfütze, nenne mir ihn. Zieht den Degen.

RICHERS
kalt.
Mäßigung –
THEIT.
Nein, er hat Recht, auch hier steht Illens Rächer. Zieht.
RICHERS
tritt stolz unter sie.

Hier steht er, ich räche ihn, wenn auch mein eigen Blut die Schuld auf sich geladen. Noch kenne ich den Thäter nicht, doch ahnend sagt mir eine innere Stimme, näher stehe ich seinem Mörder, als ihr. Aber würde nicht die öffentliche Rüge den Bund verrathen, den wir zu unsers Herzogs Heil geschlossen? – Wir sind Finnländer, unser Herzog sitzt gefangen, tausend Späher sind besoldet, unser Thun und Lassen auszuforschen; darum steckt die Degen ein, laßt die Hände ruhen, laßt die Köpfe brüten, was zu thun. Die Schriften, die Manns-Ille an die Höfe von Dänemark und Frankreich bringen sollte, sind in des Königs Hand. Zwar zeugen sie nicht gegen uns, doch rütteln sie den längst schon regen Argwohn. Darum wacht über euch, nehmt öffentlich an Illens Tod nur den Antheil, den man an jeder Neuigkeit des Tages, an dem Tode des Bekannten, nicht des innigen, vertrauten Freundes nimmt. Kein finsterer Blick beym heitern Mahle, kein ängstlich Schielen, ob man auf euch achte. Seyd biegsam, doch nicht scheu, nehmt jede Form an, die zum Ziele führt; wechselt mit dem Äußeren wie das [9] Cameleon die Farben, nur das Herz bewahre seine Rechte, und bleibe Gott und seinem Fürsten treu.

THEIT.
Wie Richers spricht, so muß es seyn.
STRUEN.
Bey Gott! so kommen wir an's Ziel.
BOTWID.
Ja, aber langsam; das Fuhrwerk geht, als ob den Pferden der Hafer ausgegangen.
RICHERS.

Uns bleibt sonst keine Wahl. – Laßt uns geduldig jedem Götzen opfern, laßt uns dem Teufel Weihrauch streuen, wenn wir bewirken, daß er schlafe, wenn wir Gutes stiften. Zerstreut euch in Stockholm, besucht den Hof, erforscht, was man dort denkt, hört, was die Stadt von dieser Sache spricht; dann fleißige Bienen, sammelt euch bey Botwid morgen Nacht, und tragt den Schatz, den ihr aus Blumen und aus giftigen Kräutern sogt, zusammen, daß wir ihn ordnen. Üppiges Wohlleben diene, wie bisher, zum Vorwand, unser ernst Geschäft zu bergen. Schleicht nicht zum Sammelplatz, nicht heimlich kommen wir zusammen; Musik und Kerzenschimmer verrathe dem Vorübergehenden ein Fest. Mein treuer Sten, du darfst nicht fehlen, stehe vor der Menge, wie es dein Stand erfordert, bescheiden in der Ferne. Gibt ihm die Hand. Wie nahe du um deiner Treue willen unsern Herzen bist, das weißt du ja.

STEN.
Zählt auf mich, mein gnädiger Graf, im Leben und im Tode.
RICHERS
zu den Andern.
So spricht ein Diener unsers Herzogs, uns nannte er seine Freunde.
BOTWID.
Hätte ich zehen Leben, sie gehörten ihm –
THEIT UND STRUEN.
Leib und Leben für ihn.
[10]
RICHERS.
Ihr biethet zu wenig – es gilt hier auch die Ehre; uns droht der Tod durch Henkers Hand.
BOTWID.

So wird der Henker durch uns ehrlich, denn kein Laster, Tugend bringt uns auf's Schaffot. Auch diesen Tod will ich nicht scheuen.

STRUEN.
Noch wir.
THEIT.
Noch wir.
RICHERS.
Botwid, Theit, Struen. – Geschlossen ist der schone Bund. Gott helfe gnädig es vollbringen!
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Hasko, dann Jöran, und die Vorigen.

HASKO
eilig.
Graf, euer Oheim kommt –
RICHERS.
Du bist nicht klug – um diese Stunde –
HASKO.
Er ist's –
RICHERS
gefaßt.

Ha – gut – gut – Hasko fort – Sten, hier durch, der Weg ist dir bekannt. Öffnet eine Tapetenthüre. Sten ab. Ihr Andern, nehmt die Becher und handelt nun nach meiner Vorschrift. Sie setzen sich an den Tisch. Seit Jahren widerfuhr mir diese Ehre nicht. Der Fuchs geht auf die Lauer. – Kommt, trinkt auf unsers Herzogs Wohl, und laßt den Schleicher glauben, es gelte ihm.

ALLE
stoßen mit Geschrey die Becher an.
Er lebe, lebe lang!
JÖRAN
tritt ein.
Hier geht es lustig zu.
ALLE
stehen auf.
JÖRAN.
Wem galt es eben?
RICHERS
stellt sich weinlustig.

Euch Oheim, euch – [11] Hasko sagte: »Graf, euer Oheim kommt,« – »das ist mir eine seltene Ehre,« rief ich – »er soll leben!«

DIE ANDERN.
Ja, so war es.
JÖRAN
sieht sie an, geht nach einer Pause zum Tisch, und stürzt eine silberne Kanne um.

Mir scheint, ihr habt auch außer mir so manchen Andern leben lassen, denn hier ist's leer, und eure Köpfe laufen über.

RICHERS.

Wir fangen zeitlich an, da kommt so nach und nach ganz Schweden an die Reihe, manchmahl sauf' ich mich auch über die Grenze, und lasse Frankreichs schöne Mädchen leben.

JÖRAN.

Du trinkst, als hättest du drey Jahre in Deutschland, nicht in Frankreich zugebracht. Du solltest Sitten lernen, und kommst mit Lastern heim.

RICHERS.

Es ist doch ein schönes Laster, es macht die Seele froh; ein Bißchen Wein im Kopf, dann gilt mir's gleich viel, was um mich geschieht. Die Thoren, die nach Glanz und Hoheit streben, sie mit Gewissensbissen, mit Gefahr erkaufen! Trinkt Wein, und träumt euch so zum König; mancher König regiert ja nur im Traum.

JÖRAN.
Wie könnt ihr nur bestehen bey diesem wilden Leben?
BOTWID.

Wir könnten anders nicht bestehen; so ist uns wohl! Der Weingott bekehrt darum so viele Heiden, weil man bey ihm gleich in den Himmel kommt; auf den andern muß man gar zu lange warten.

THEIR.
Ja, du hast Recht, der Weingott lebe! Nimmt den Becher.
BOTWID.
Er lebe!
[12]
STRUEN.
Haltet, nehmt mich mit! laßt einen braven Kerl nicht so im Stich!
BOTWID.
Du weißt uns einzuhohlen –
RICHERS.
Nun, Oheim, haltet mit! Gibt ihm einen Becher.
JÖRAN
greift nach einer Pause nach dem Becher und sagt schnell.
Der König lebe –
ALLE.
setzen unwillkührlich die Becher ab.
JÖRAN.
Wie? Keiner trinkt?
RICHERS
gefaßt.

Seht, Oheim, es gibt gar manchen König; ihr habt vergessen uns zu sagen, wel cher leben soll. Ist's einer, der's nicht friedlich mit uns und unsern Landen meint, bey Gott! auf dessen Wohlseyn trink' ich nicht.

JÖRAN.
Wie könnte ich einen andern, als unsern Fürsten meinen?
RICHERS
schnell.

Unsern Fürsten? seht, das ist bestimmt; nun wird sich keiner weigern, wenn ich sage: Freunde! unser Fürst soll leben, der, den wir meinen, den wir lieben; dann bleibt kein Tropfen in dem Becher.

ALLE.
Er lebe!
JÖRAN
sieht alle bedeutend an, dann trinkt er auch.
Man that euch Unrecht, Neffe.
RICHERS.
Worin, mein gerechter Oheim? worin that man mir Unrecht?
JÖRAN.

Man sagte mir, euer wüstes Leben diene nur zum Vorwand einer bösen Absicht – ihr wäret unbemerkt sehr mäßig; man sagt sogar, ihr trinkt den Wein gemischt mit Wasser, damit stets der Verstand den Wächter eurer Zunge spiele.

[13]
RICHERS.
Wer sagt das? –
BOTWID.

Wie? was? Wasser? ich hätte ihm längst die Freundschaft aufgesagt, hätte ich es so gefunden. Unser Wahlspruch ist: – Herz, Wein – und Gewissen rein.

JÖRAN.
Und – Gewissen? Sie beobachtend. Habt ihr schon von dem Mord gehört?
ALLE.
Mord? wie? was? Mord? Alle drängen sich an ihn.
JÖRAN
nach einer Pause.
Manns-Ille wurde wenig Stunden von hier auf der Landstraße ermordet gefunden.
ALLE.
stellen sich erstaunt, aber ohne näheres Interesse.
BOTWID.
Manns-Ille?
THEIT.
Schade um ihn!
STRUEN.
Es war ein braver Kerl.
RICHERS.
Und so jung, er kann kaum dreyßig seyn.
JÖRAN
für sich.
Wie deute ich diese Ruhe?
BOTWID.
Herr Reichskanzler, wie ging das zu?
RICHERS
schnell.
Recht, Botwid, darauf kann mein Oheim Red' und Antwort geben, wie ging das zu?
JÖRAN
etwas betroffen.
Wie meinst du das?
RICHERS.

Daß ihr – ich kann es ja nicht anders meinen – daß ihr den Thäter wißt; denn was unter Schwedens Sonn' und Mond geschieht, muß man euch melden.

JÖRAN.

Und was man mir nicht meldet, sucht meine Wachsamkeit und meine Liebe zu dem König zu erforschen. Manns- Ille war der Führer eines schändlichen Complotts.

[14]
BOTWID.
Manns-Ille?
THEIT.
Manns-Ille?
JÖRAN.
Fürwahr, es ist nicht gut, daß man ihn oft mit euch gesehen.
BOTWID.
Er war ein lustiger Bruder, trank gerne mit.
JÖRAN.

Und ließ sich brauchen; er ging in die Ferne, Schwedens Bundsgenossen zum Abfall anzureitzen. Er hatte Plane, seinen rechtmäßigen König vom Throne zu stürzen, dem undankbaren Johann die Krone aufzusetzen. Seht, das war des Ehrenmanns Absicht.

THEIT.
Ist das möglich?
STRUEN.
Ist das möglich?
JÖRAN.

Das Haupt des Ungeheuers, das unsre bürgerliche Ruhe zu zerstören drohte, fiel – doch noch zucken des Kolosses Glieder. Langsam. Er war ein Finnländer – wenn ich nicht irre; ist keiner hier, der nicht sein Landsmann wäre?

ALLE.
Keiner.
BOTWID.
Ich bin ein Finnländer, und werde die mütterliche Erde nie verläugnen.
THEIT.
Noch ich, noch wir.
STRUEN.
Noch ich, noch wir.
JÖRAN
sieht alle bedeutend an.

Euer Herzog ist gefangen – das Land fiel seinem Bruder heim; ihr habt euch besonnen, auf des Königs Wohl zu trinken und eine schlaue Wendung half euch aus dem Spiel. – Mich däucht, den Überrest des Ungeheuers, das noch sterbend seine Klauen in Schwedens Eingeweide klammern will, sehe ich vor mir. Nach einer Pause. Sonderbar – die [15] Furcht leiht von der Unschuld ihre Farbe; hochrothe Wangen sah ich jetzt erbleichen, der Weindunst ist verflogen, ganz nüchtern steht ihr hier. Noch seyd ihr frey; die heutige Nacht ist euer, nützt sie zu eurer Sicherheit.Ab.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Die Vorigen ohne Jöran.

BOTWID
nach einer Pause.
Was war das?
THEIT.
Wir sind verrathen, das ist klar.
STRUEN.
Ich glaube, er hat nur Verdacht.
THEIT.
Er hat Gewißheit, wir sind entdeckt.
RICHERS.

Brav, alter Knabe, das ist dir gelungen, verlegen wolltest du uns sehen? und bey Gott, kein Gesicht behielt die alte Larve. Der alte Mann, mit Fischblut in den Adern, hat uns meisterlich umgangen. Tritt unter sie. Was denkt ihr zu thun?

THEIT.
Ich folge seiner Warnung, ich reise.
RICHERS
höhnisch.
Warnung?
STRUEN.
Er hat nur Argwohn.
RICHERS
zu Botwid.
Nun, und du?
BOTWID.
Wenn es der alte Knabe redlich mit uns meinte –
RICHERS
lacht.
Redlich?
THEIT.
So sollten wir den guten Rath befolgen.
RICHERS.
Und der Herzog? und euer Schwur?
THEIT.

Wir wagen gerne unser Leben, wenn es dem Herzog nützen kann; doch bleiben wir, so würden wir es verlieren, ohne ihm zu nützen.

RICHERS
lacht im Grimm.

Ha, ha, ha! Gut gewürfelt, [16] Oheim, der Gewinn ist dein; das Ungeheuer schlich nicht umsonst aus seiner Höhle, reiche Beute schleppt es heim. Gott! was macht der Mensch aus deiner schönen Schöpfung! Nicht Redlichkeit und Stärke, nicht Treu' und Glauben, nicht Verdienst und Tugend – List, List besiegt die Welt. Ein alter Hofmann lähmt durch seine abgenützte Zunge den rüstigen Arm drey wackerer Männer, den sie für die gerechte Sache, zum Schutz der unterdrückten Unschuld aufgehoben. Was hätten sie, ehe dieser Schatten eines Menschen uns in den Weg trat, nicht unternommen? auf welcher Höhe stand ihr Muth, in welche Tiefe ist er jetzt gesunken?

BOTWID.
Richers!
RICHERS.

Soll ich euch die Geschichte dieser Nacht erzählen? – Ihr eilt nach Hause, das Gesinde wird geweckt, es wird gepackt, ihr sorget ängstlich, daß zu der weiten Reise nichts vergessen werde; ihr nehmt von allem, was ihr liebt, auf ewig Abschied, werft euch mir wehmuthsvollem Herzen in den Wagen, vier rasche Pferde bringen euch – bis an das Thor; dort ruft die Wache: Halt! Ihr seyd verhaftet – Warum? weßhalb? wer gab euch den Befehl? – Wer anders als der gütige Mann, der euch so zärtlich warnte, und den nun eure Flucht erst überzeugt, daß ihr die seyd, die er so mühsam suchte.

THEIT.
Verdammt –
BOTWID.
Gott strafe mich, so wird es seyn!
STRUEN.
So ist's.
THEIT.
Wir bleiben hier.
ALLE.
Ja, wir bleiben hier.
RICHERS.

So seyd ihr nun. – Wankelmüthig, wie[17] das Weib den Buhlen wechselt, wechselt ihr in dieser ernsten Sache eure Meinung. Den steilen Berg, dessen Gipfel ihr euch zum Ziel ersehen, könnt ihr so nicht erreichen, bald bleibt ihr tändelnd stehen; ihr schaudert, wenn ihr abwärts blickt, und euer Auge mißt ängstlich die noch unerreichte Höhe. Der Mann mit festem Sinn klimmt muthig fort, mit neuem Muthe bekämpft er jedes neue Hinderniß, er steht am Ziele, und blickt dann spottend auf die Zögernden herab.

STRUEN.
Leite uns, Christian, dein Geist nimmt höhern Flug, ziehe uns arme Erdenwürmer mit dir aufwärts.
THEIT.
Thue das.
BOTWID.
Auf Herz und Arme kannst du dich bey uns verlassen – sey du der Kopf, bewege uns wie deinen Körper.
RICHERS.

Wohl – doch sey es das letzte Mahl, daß Furcht und Zweifel uns den Weg vertreten; laßt diese nächtlichen Gespenster das Gewissen meines Oheims foltern, denn wißt: er, und kein Anderer ist Illens Mörder.

BOTWID.
Was sagst du?
STRUEN.
Wäre es möglich?
RICHERS.

Es ist gewiß – seinem Argwohn fiel das Opfer; dem bloßen Argwohn kann er Menschen schlachten. Glaubt ihr nun noch an seinen guten Rath? Wie die gefallenen Engel Gottes arme Sterbliche beschleichen, gierig auf ihre Seelen lauern, so stand er unter uns, so sah ich ihn, und euch entging der Hölle Zeichen? der hämische Zug am Munde, der ihn zu der Teufel Erstem macht? Er glaubte bey dem Todten, nebst den Brieen, [18] auch ein Verzeichniß der Verbündeten zu finden, er betrog sich, und fluchte dem gedungenen Mörder, daß er zu gut getroffen, daß ihm Ille todt, nicht röchelnd in die Hände fiel. Dem Sterbenden hätte er noch Worte, wenn auch nur Sylben abgefoltert. Was kann ein Mensch, wie er, aus einer Sylbe machen. Erschöpft ein ganzes Wörterbuch, um eure Unschuld darzuthun, ihr könnt dieser Sylbe doch nicht Meister werden. Er will es, ihr seyd überführt, ihr seyd gerichtet.

THEIT.
Schrecklich –
RICHERS.

Noch weiß er nichts von uns, und fürchtet alles, darum sucht er uns zu überlisten. Doch fasset Muth, wir setzen seiner Heucheley die gerade, offne Stirne entgegen. Wir haben uns zu keiner Meuterey verbunden; Pflicht ist es, unsern Herzog zu befreyen, dem wir Treue schworen. Der Brüder Zwist lös't nicht unsern Eid, er ruht in Gottes Hand. Schwüre, die treue Unterthanen an ihre rechtmäßigen Fürsten ketten, lös't keine Macht auf Erden. Freund nenne ich nur den, der ohne Hoffnung auf dieß Erdenglück, auf schnöden Lohn hiernieden, seine Pflicht als treuer Unterthan erfüllt. Vier Jahre schmachtet Johann im Gefängniß, er hat kein Land und keinen Bruder mehr, aber er soll Freunde finden, die ihn befreyen, oder sterben.

ALLE
reichen ihm die Hand.
Die ihn befreyen, oder sterben.
RICHERS
schüttelt ihre Hand, dann nach einer Pause.
Botwid, morgen Nacht bey dir!

Ende des ersten Aufzugs.

[19]

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Jöran tritt durch die Mitte ein.

JÖRAN
zu einem Edelknaben.
Jöran bitte Seine Majestät um ein geheim Gehör.
EDELKNABE.
seitwärts ab.
JÖRAN
allein.

Zieht Briefe hervor. Kommt, verrätherische Zeilen, lenkt des schwachen Königs Willen rasch zur That; erstickt den letzten Keim der Bruderliebe. Der euch bestellen sollte, hat von mir das Bothenlohn empfangen, und trägt in diesem Leben keinen mehr. O edle Schreibekunst, dir dank ich endlich das Gelingen meines Plans. Auf einem kleinen Stück Papier sieht man des Menschen Innerstes entfaltet. Was man mir nicht geglaubt, hätt' ich es auch mit tausend Zungen in die Welt geschrien, das glaubt man dir. Er entfaltet einen Brief. Ei seht, wie schief – die Hand hat sehr dabey gezittert – war es Ahnung, daß diese Zeilen dich verderben würden? – ja – das sollen sie. Ich brachte dich nur in den Kerker, nahm dir nur die Freyheit, dieß nimmt dir das Leben. Er war der Liebling seines Vaters, der stets [20] mit Mißtrauen mich an Eriks Seite sah. – Als Knabe zeigte er mir bittern Spott, als Mann verhehlte er nicht seinen Haß und stand mir überall im Wege. Er wollte nicht die Braut, die ich für ihn gewählt, mit Schimpf verließ ich Cassel, wo ich um Landgraf Philipps Tochter für ihn freyte; – mir zum Trotz, und seinem königlichen Bruder zum Hohn nahm er die stolze Pohlinn. Der schwache König hätte es längst vergessen, auch vergeben. – Jöran ist festerer Natur, vergibt nicht; keine Spinne kriecht ungestraft über meinen Weg. Mit tausend Thränen hat er mir schon des Knaben Spott bezahlt; die Schuld des Mannes tilge Blut. Sieht sich um. Der König – Geht ihm entgegen.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Der König mit Gefolg. Jöran, später die Königinn.

JÖRAN.
Gott schütze Eure Majestät!
KÖNIG
kommt düster näher.
Du willst mich sprechen?
JÖRAN.
Zu eurem Heil.
KÖNIG
sieht ihn an.
Und wem zum Schaden?
JÖRAN
nimmt es übel, weiß es aber schnell zu wenden.
Zu meinem eigenen, heischt es meines Königs Wohl.
KÖNIG.
Das galt dem König – Erik weiß, wie er es zu nehmen hat.
JÖRAN.

Mein gnädigster Herr! ein Feind, den ich nicht kenne, raubt mir eure Gunst, ein theures Gut, das ich bey dem Bewußtseyn meiner Treue nie zu verlieren dachte; doch macht mich das nicht lau in meinem [21] Eifer, Eurer Majestät zu dienen. Ein rein Gewissen stellt vor Gott sich hin, und naht sich ohne Scheu auch seinem König.

KÖNIG.

Gott sieht in eure Herzen. Dem Blick des Königs begegnet ein immer lächelndes Gesicht, das keiner Leidenschaft erlaubt, aus ihrem Hinterhalt hervor zu treten. Schmerz, Wuth und Freude wißt ihr meisterlich zu bergen, wenn es euer Vortheil will.

JÖRAN
mit Heucheley.
Nur das Gefühl gekränkter Ehre nicht. Will ab.
KÖNIG.
Jöran –
JÖRAN
bleibt stehen.
Euer Majestät –
KÖNIG.

Nimm nicht auf dich, was ich so hingeworfen sagte; ich glaube an deine Treue, will an sie glauben. Sprich, wenn du mir etwas zu sagen hast.

JÖRAN.
Erlaubt, mein König – ohne Zeugen.
KÖNIG
winkt seinem Gefolge – es entfernt sich.
Nun Jöran, sprich –
JÖRAN.

Gott schütze meinen König und bringe jedes Unheil, das ihm droht, schnell zu seiner Diener Wissen, daß sie es von seinem heiligen Haupte wenden. Mein theurer König, ich tadle euer Mißtrauen gegen Menschen nicht – wie sollt ihr an die Liebe und Treue Fremder glauben, da euer eigen Blut euch so verrathen kann.

KÖNIG
schnell.
Mein Blut? neue Meuterey? ist vielleicht mein Bruder Carl?
JÖRAN.

Wie könnt ihr an der Tugend dieses sanften Prinzen zweifeln? der haus't ruhig in Südermannland, und denket seines königlichen Bruders mit Ehrfurcht und Ergebenheit.

[22]
KÖNIG.
Der schwachsinnige Magnus?
JÖRAN.
Ist Herzog von Ostgothland, und würde ein Joch Erde mehr nicht übersehen.
KÖNIG.
Und doch verrathen durch mein Blut?
JÖRAN
zieht Papiere hervor.
Mein König – kennt ihr diese Hand? Zeigt sie ihm.
KÖNIG
sieht hinein.
Johann? nein, unmöglich, er ist ja eng verwahrt?
JÖRAN.

Nicht eng genug, daß er die Hand zum Schreiben nicht bewegen könnte. – Als jüngst ein Haufe tollen Volks den Herzog zu befreyen strebte, bath ich euch dringend, gnädigster Herr, ihn tiefer in den Thurm zu bringen; doch eure Bruderliebe ließ ihn, wo er schaden, dem König sehr gefährlich werden kann. Manns-Ille wurde auf der Straße todt gefunden; das Gericht brachte mir die Schriften, die er nach Dänemark und Frankreich bringen sollte. Ist's Eure Majestät gefällig, sie zu lesen? Hält sie offen hin.

KÖNIG
ist in großer Bewegung, steht einen Augenblick an, dann sagt er.

Gib – Während des Lesens. Was? er spricht von ungerechter Haft? fordert Hülfe? reitzt zum Kriege? rühmt sich eines Anhangs – nennt mich beym Volk verhaßt?

JÖRAN.
Euch – den gerechtesten Monarchen?
KÖNIG
heftig.

Ha, Natter! – zischen kannst du, aber stechen sollst du nicht. Das Tagslicht, das dir meine Bruderliebe gönnte, mißbrauchst du, mich vom Thron zu stürzen? – So nehmt es ihm, werft ihn in des Thurmes Tiefen, kein Luftzug reinige seinen Kerker, keine warme Speise labe ihn, kein tröstend Wort erquicke ihn; [23] verzweifeln soll er an der Menschheit, wie ich an Dankbarkeit und Bruderliebe. Fort –

JÖRAN
will schnell ab.
Sogleich will ich befehlen –
DIE KÖNIGINN
ist während des Königs Rede heraus gekommen, tritt jetzt vor.

Jöran, wartet noch – der König ist erbittert. Ein treuer Diener eilt nicht, im Grimm gegebene Befehle zu vollziehen. Sanft zum König. Erlaubt mein König, daß er noch verweile.

JÖRAN
für sich.
Verdammt, sie stimmt ihn um.
KÖNIG.

Hast du noch Worte, den Verräther zu vertheidigen? Schon sah ich nur mit deinen Augen, schon war ich geneigt, dein ungestümes Flehen zu erhören, ihm die verwirkten Rechte einzuräumen.

JÖRAN
für sich.
Was höre ich?
KÖNIG
fortfahrend.

Da brütet er auf's neue Hochverrath, und damit schloß er nun die Thüre seines Kerkers, daß nur sein Henker sie ihm öffnen soll.

KÖNIGINN
nach einer Pause zu Jöran.
Das seyd ihr.
JÖRAN.
Euer Majestät –
KÖNIGINN.

Ihr facht den alten Haß beständig an, und löscht das kleine Flämmchen Bruderliebe, das ich bey meinem Erik sorgsam nährte. Warum verschweigt ihr kleine Fehler des Gefangenen nicht?

JÖRAN.
Kleine würde ich verschwiegen haben – Gott weiß – ich that das oft.
KÖNIGINN.
Ich glaube euch, denn für kleine Fehler nimmt man ihm nicht das Leben.
KÖNIG.

Maria, tadle nicht meiner Diener Eifer für mein Wohl. Verschwende deine Worte nicht, noch für den Schändlichen zu sprechen. Seine Verbrechen sind nicht [24] mehr zweifelhaft, die Beweise sind in meinen Händen, lies – Gibt ihr die Briefe.

JÖRAN
für sich.

Täglich wächst ihre Macht, es war die höchste Zeit. Laut. Noch vergaß ich Eure Majestät zu sagen, daß ich schon auf der Spur des Anhangs bin. Ein schlauer Kunstgriff sollte sie vergangene Nacht in meine Hände liefern, die Listigen entgingen dieser Falle. Doch einer andern, die ich bereitet, entgehen sie nicht.

KÖNIG.
Deiner Klugheit vertrau' ich diese Sache.
JÖRAN.

Rußlands Heere sammeln sich an Finnlands Grenzen; das könnte leicht schon eine abgemachte Sache seyn. Es wäre nöthig, schnell einen Abgesandten –

KÖNIG.
Du hast Recht –
JÖRAN.

Ich schlage zu dieser Bothschaft Eure Majestät den Grafen Christian Richers, meinen Neffen vor. Er scheint mir dazu sehr gewandt. Ich habe ihn nach Hof beschieden. Eure Majestät versprach dem gestern angelangten pohlnischen Gesandten eine gnädige Audienz; ich bitte bey der Gelegenheit, in Gegenwart des ganzen Hofes, meinem Neffen diese Gnade zu ertheilen.

KÖNIG.
Um dich in ihm zu ehren, sende ich ihn. Nun Maria? –
KÖNIGINN
gibt wehmuthsvoll den Brief zurück.
KÖNIG.
Rechtfertigst du ihn noch?
KÖNIGINN.

Johann steht vor der Welt und euch als ein Verbrecher da, so steht er nicht vor meinem Herzen; es entschuldigt ihn.

KÖNIG
aufgebracht.
Maria –
KÖNIGINN.

Rollt nicht die Augen, mein Gemahl; heißt den Sturm in eurem Busen schweigen; duldet, daß [25] ein Weib euch wahr und offen ihre Meinung sage, und ich bin gewiß, Johann steht dann nicht mit solcher Schuld belastet da, daß ihr ihn ganz verstoßen müßtet. Behutsam. Erik – schon dem Knaben Johann waret ihr nicht hold, und doch ist er, wie ihr, des großen Gustavs Sohn.

KÖNIG.
Der ihn, um der geliebtern Mutter willen, dem Erstgebornen vorzog.
KÖNIGINN.

Hierin liegt der Keim zu all dem Unglück eures Bruders. Als er noch kindisch um des Vaters Knie spielte, lallend auf der Mutter Schooß verlangte, da sah der ältere Erik neidisch auf den kleinen Glücklichen, und wähnte, ihm sey mit der Leiche seiner Mutter auch des Vaters Gunst begraben. Johann wurde Mann, er ging nach eurem Wunsch nach England, warb für euch um Elisabeth; daß sein Gesuch nicht glückte, lag in dem Charakter dieser stolzen Fürstinn, die alle Könige als ihre Freyer sehen will, die jeden hoffen läßt, und nie gewährt. Mit Unrecht traf ihn dafür euer Zorn. Er kam zurück, und wollte sich nach seines Herzens Wunsch vermählen, doch eure Staatsklugheit fand seine Wahl verwerflich. Ihr warbt für ihn um eine andere Braut; er verschmähte sie und ging nach Pohlen, die längst Geliebte als seine Gattinn heim zu führen.

KÖNIG.
War das nicht Trotz? – Pohlen führte Krieg mit Schweden. Es war mehr als Trotz, es war Verrath.
KÖNIGINN
fährt fort.

Johaunes Feinde, – Mit einem Blick auf Jöran. er hat ihrer an diesem Hof – benützten seine Abwesenheit, euer Herz ganz von ihm zu wenden. [26] Ihm hinterbrachte man, ihr wolltet ihm Finnland, sein angeerbtes Herzogthum, entreißen – euch, daß er nach eurer Krone strebe. Beyde Brüder sammelten Heere, bewaffneten tausend Arme, und eine freundlich dargebothene Hand hätte den Zwist geendigt. Johann wurde zu Abo gefangen und zum Tode verdammt. Doch Brudermord war eurem Herzen fremd, ihr beschränktet nur sein Wirken –

KÖNIG.
Und wie vergalt er das?
KÖNIGINN.

Mit Duldung seines harten Schicksals. Demüthige Briefs schrieb er euch, sie wurden kaum gelesen. Jahre flossen hin – sein wurde nicht gedacht. Wie sich der Rost um seines Kerkers Riegel legte, so zog sich eine harte Rinde um euer Herz. Da blickt er auf die abgehärmte Gattinn, die Glanz und Würden von sich stieß, ihm willig in's Gefängniß folgte. Sein Geist, schon halb der Welt entfloh'n, durch diese Bande fühlt er sich an's Irdische gebunden; sie muß er zu befreyen trachten. An eurem Ohr ging sein Geschrey unerhört vorüber; in weiter Ferne sucht er nun, was ihm sein Blut verweigert. Nach Freyheit strebt der Mensch, wenn er sich ungestüm dem mütterlichen Schooß entwindet, und jagt ihr nach, so lang er athmen kann. Je enger sich der Kreis des Wirkens um ihn schließt, je lauter ruft's in ihm – hinaus.

JÖRAN.

Wie? Eure Majestät vertheidigt ihn? ihn, der sich weigerte, in euch die Königinn zu ehren? der bey eurer Krönung nicht erschien!

KÖNIGINN.

Er rieth dem König, um des Landes und der Stände willen, eine würdigere Wahl zu treffen,[27] und nicht die Tochter eines Bauern von dem kleinen Hof Auga zu seiner Gattinn zu erheben. Das nähmliche rieth ich dem Könige auch; soll ich, was ich selbst that, an einem andern strafen? Daß er gegen meinen Stand sprach, kann ich ihm nicht verargen, mein Herz kannte er ja nicht.

JÖRAN
für sich.

Der König wankt, ich brauche Gegengift. Laut. Wenn Eure Majestät mit so viel Eifer Schuldige vertritt, so sind sie mehr als Schwedens treuste Unterthanen zu beneiden. Es ist wahr, des Königs Gnade könnte noch einmahl verzeihen, allein der Inhalt dieser Briefe, die man auf offner Straße fand, ist schon in aller Leute Mund. Das Volk umringte, als es ruchbar ward, mein Haus, und schrie: »Gott schütze unsern König und strafe den Rebellen!« Wenn der Monarch ein laut gewordenes Verbrechen, das jeder Unterthan mit Strenge richtet, mit gütiger Schonung übersieht, so ist das Volk gar bald geneigt, den guten König schwach zu nennen.

KÖNIG.
Keine Nachsicht.
JÖRAN
schnell.
Sie könnte sehr gefährlich werden.
KÖNIG.
Berufet den geheimen Rath; was er beschließt, werde schnell vollzogen.
KÖNIGINN.
An dem Bruder?
KÖNIG.

Das nähmliche Gericht, das meine Bürger richtet, verdamme auch den Königssohn. Soll der gemeine Missethäter nur der Gerechtigkeit zum Opfer fallen? und größere, von Stand und Laster, dürften jedes Recht verletzen? Zu Jöran. Bemächtige dich seiner vorigen Hüter, lass' ihn in engere Verwahrung bringen, untersuche, [28] richte. – Der Augenblick der Gnade ist entfloh'n, die Stunde der Vergeltung hat geschlagen.

JÖRAN.
Ich eile. Will ab.
KÖNIGINN.
Jöran –
JÖRAN
bleibt stehen.
Euer Majestät –
KÖNIGINN.
Treibt euch nur Eifer für des Königs Wohl? spielt euer Haß dabey gar keine Rolle?
JÖRAN
gekrankc.
Dieß Verkennen meiner reinen Absicht, meiner Unterthanenpflicht.
KÖNIG.

Maria, kränke nicht durch solchen niedrigen Verdacht meinen treu'sten Diener. – Zu Jöran. Du weißt, der Frauen Richter ist ihr Herz. Der Mann hohlt Rath bey der Vernunft – sie befiehlt uns, so zu handeln, vergiß den Argwohn.

JÖRAN.

Der treue Schwede hat nur Gedächtniß für die Augenblicke der Huld und Gnade, womit ihn Eure Majestät beglucken. Heil den schönen, mitleidsvollen Herzen unsrer Königinn! – Wenn auf dem Throne die Gerechtigkeit Hand in Hand mit dem Erbarmen geht, so ist des Volkes Glück gegründet. Mit Feuer zum König. Heil dem ge rechten König! Scheinheilig zur Königinn. Heil unsrer guten Königinn. Schnell ab.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Der König und die Königinn.

KÖNIG.

So bin ich denn verdammt, in steter Furcht auf meinem Thron zu leben. Das Volk, die Geistlichkeit, in Zwietracht mit sich selbst und mit dem Himmel, feindselig stehen sie einander gegenüber, und streiten, wie [29] man Gott am besten diene, indeß ihm keiner dient. Mein Blut ruft fremde Mächte auf zu meinem Untergang, streut des Aufruhrs Samen, der üppig um sich greifen, uns verderben wird. Zur Königinn. Und deine Wange deckt nicht Todtenblässe? – mit stolzer Ruhe stehst du da, und denkst der Tage nicht, wo diese Herrlichkeit, die uns umgibt, verschwindet?

KÖNIGINN
mit Ruhe.

Ehe ich aus goldenen Schalen trank, ehe mich die prächtigen Gewänder schmückten, schlug ruhig dieses Herz auch unter dürftiger Hülle. Nichts, als unschuldsvolle Seelenruhe brachte ich euch zur Morgengabe. Erlaubt, mein König, daß ich diesen Brautschatz treu bewahre, denn des Hofes Glanz und Freuden geben dafür nicht Ersatz. Ihr seyd ein großer König, Herr über Tod und Leben, über Gold und Schätze, und könnt euch doch nicht einen frohen Augenblick erkaufen. Den nenne ich nicht reich, der alles hat, ihm bleibt nichts mehr zu wünschen, und er fürchtet, alles zu verlieren. Der, dem das Schicksal viel versprach, der hoffen kann, der ist der Glückliche.

KÖNIG.
Maria –
KÖNIGINN.

In jedem, der sich eurem Throne nahet, erblickt ihr einen Feind. Nicht um euch sehe ich Feinde, in euch wüthen sie. Kann der, mit sich nicht einige, mit andern wohl im Frieden leben? – Es schien euch recht, den Bruder zu verhaften, jetzt fühlt ihr wohl, es schien nur so, es war nicht recht. Ein Herzogthum habt ihr dabey gewonnen. Der König hat sein Land vergrößert, doch der Mensch ist dabey arm geworden.

[30]
KÖNIG
heftig.

Weg mit dem Spiegel, in dem ich mich nur als Tyrann erblicke, den mir bey allem, was ich thue, geschäftig deine Hand entgegen hält. Maria, soll ich die Feindinn auch in dir erblicken? habe ich darum alle die verschmäht, die meinem Throne nahe standen, habe ich die Fernste an mein Herz gedrückt, daß sie mir auch mit Undank lohne?

KÖNIGINN
mit Würde.

Mein König – für alles, was ihr an mir gethan, kann ich euch nichts als Wahrheit geben. Je seltener euch diese Sprache war, je nöthiger ist es, daß ihr sie hört. Verbannt ist diese Himmelstochter von dem Thron der Könige – das Gift der Schmeicheley hat sie verdrängt, ich öffne ihr den Weg zu eurem Herzen. Glaubt mir, ich stehe nicht von ungefähr auf dieser Stelle – kein Zufall entrückte mich dem Staub. Den Wanderer, der auf einen schroffen Felsen klimmt, um Menschenwohl zu fördern, den leitet höhere Hand. Euch mit euch selbst, und mit der Menschheit zu versöhnen, zerriss'ne Bande der Natur an euer Herz zu knüpfen; darum stehe ich da, und eure Härte, selbst euer, Zorn soll mich nicht von dieser Stelle drängen. – Erik – hört die Stimme der Natur, verstoßt den Bruder nicht!

KÖNIG
mit Zorn.

Kein Wort von ihm! Bey meinem Zorn, wer für ihn spricht, ist der Genosse seiner Frevel! Er hat sein Schicksal selbst geleitet, er rief den Blitz, der ihn zerschmettern soll. Ist's meine Schuld, daß er ihn endlich trifft? Unwillig. Fort mit diesen Thränen, sie fließen meinem Feind.Faßt sie heftig bey der Hand. Maria, habe ich in dir auch eine Schlange mir gezogen? [31] Läßt sie los. Dann – glaube an die Menschheit, schwacher Funke, verlösche ganz. Dann will ich meines Volkes Geißel werden, dem Laster Tempel bauen, aus des Pöbels Hefen meine Räthe wählen, die Grausamsten zu meinen Freunden machen – den Tag festlich feyern, an dem die meisten Thränen flossen – dann flucht ihr Tugendhaften, flucht dem Teufel, zu dem ihr selber mich gemacht! Ab.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Königinn allein.

KÖNIGINN.

Umsonst nährte ich die Hoffnung, Argwohn und Zweifel zu bekämpfen, ihn mit sich selbst und mit dem Himmel zu versöhnen – zu eitel war ich – zu wenig gelt' ich ihm; er haßt den Bruder mehr, als er mich liebt. Nicht sprechen darf ich mehr für ihn – und er wird doch verhört, und seine Richter – Jöran und der König. Gott! Gott! dulde nicht, daß er sein Blut vergieße, daß ewige Reue dann an seinem Herzen nage. Er steht an einem fürchterlichen Abgrund – meine schwache Hand vermag ihn nicht zurück zu halten. O! sende einen Engel, der ihm die Binde von den Augen nimmt, der ihn mir, der Tugend, und seinem Volke wieder gibt. Ab.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Großer Saal in des Königs Pallast, seitwärts ein Thron. Richers, Botwid, Struen, Theit, mehrere edle Schweden. Edelknaben am Eingang.

BOTWID
steht bey Struen und Theit.
Nun hätte ich das Warten satt.
[32]
THEIT.
Das sieht man dir an, dein Gesicht wird immer länger.
BOTWID.
Ich kann die Hofluft nicht vertragen.
STRUEN.
Der Kanzler hat uns förmlich laden lassen.
THEIT.

Gebt Acht, wir stehen in einer neuen Schlinge – zieht hübsch die Füße an euch, daß er uns nicht erwischt.

RICHERS
hat mit den übrigen gesprochen, aber die Augen immer auf diese drey geheftet; kommt jetzt näher.

Zerstreut euch, steckt die Köpfe nicht zusammen – macht es doch meinem Oheim nicht so leicht, daß er mit einem Schlag drey Fliegen fängt; laßt nach euch haschen. Geht von ihnen.

BOTWID
geht auch.
Die Klugheit hat viel Unbequemes.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Die Vorigen, Jöran, Wolowsky aus der Mitte.

JÖRAN
zu einem Edelknaben.
Meldet Seiner Majestät des Herrn Abgesandten Gegenwart.
EDELKNABE
ab.
JÖRAN
hat sich bedeutend umgesehen, sagt für sich.

Sie sind hier. Laut zu Richers. Neffe, tretet naher, daß der König euch bemerken kann, er hat mit euch zu reden

RICHERS.
Oheim, ihr wißt, nach welcher Seite Seine Majestät am liebsten blickt – steh' ich euch so recht?
JÖRAN.
Wie meint ihr das?
RICHERS.
Ob die Puppe, die ihr dem König zeigen wollt, hier im rechten Licht –
[33]
JÖRAN.

Neffe, macht mich nicht zu eurem Mahler,Leise zu ihm. ich möchte leicht der schönen Larve den Schelm im Herzen auf die Stirne zeichnen.

RICHERS.
Richtig treffen ist die größte Kunst des Mahlers. Wie Schade ist es, daß ihr Minister seyd.
JÖRAN
leise mit Grimm.
Danke Gott dafür – so rette ich dein verwirktes Leben.
RICHERS.
Oheim –
JÖRAN.
Der König –
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Der König mit Gefolge, die Vorigen.

KÖNIG
geht auf den Thron zu, alles steht ehrerbiethig um ihn herum; wie der König auf dem Throne sitzt, sagt er zu Jöran.
Den Gesandten!
JÖRAN
führt Wolowsky vor.
WOLOWSKY.
Sigmund, König von Pohlen, sendet mich an Eure Majestät.
KÖNIG.
Was will der König?
WOLOWSKY.

Ehe ich von Geschäften rede, sey es mir vergönnt seine Wünsche für Eurer Majestät Wohl, und fernere nachbarliche Freundschaft zu überbringen.

KÖNIG.
Sagt ihm, sie werde durch mich nicht gestört.
WOLOWSKY.
Doch haben schwedische Soldaten die Stadt besetzt, die sein Eidam, Herzog Johann, ihm abgetreten.
KÖNIG.

Johann konnte von des Vaters Erbe nichts verschleudern; Finnland gehört zu Schweden, mir, dem [34] mein Vater die Krone auf das Haupt gesetzt, mir kommt es zu, darauf zu achten, daß auch nicht die kleinste Perle daraus verloren gehe.

WOLOWSKY.

Mein zweyter Auftrag lautet – die Herzoginn zurück zu fordern, sie wird von Eurer Majestät in strenger Haft gehalten.

KÖNIG.

Nach ihrem eigenen Willen. Sie kann als Herzoginn in Schweden leben, mit einer Hofhaltung, wie es ihr Stand erfordert Aus freyem Antrieb folgt sie dem Rebellen in's Gefängniß – indem sie meine Achtung für ihr Geschlecht und ihre Treue ließ. Als eine Gnade habe ich ihr das bewilligt, die sie wohl besser als ihr und euer König zu schätzen weiß.

WOLOWSKY.

Zaar Iwan, der früher als der Herzog um sie freyte, dann eurem Bruder weichen mußte, verlangt von Pohlen, daß man feyerlich, nach Kirchenbrauch, die Bande löse, die sie an den gefangenen Johann knüpfen.

RICHERS
für sich.
Unerhört –
KÖNIG.
Ist König Sigmund das zufrieden?
WOLOWSKY.
Des Zaars Truppen stehen an Pohlens Grenze, er weicht der Macht.
KÖNIG.

Der darf ich nicht weichen. Daß ich dieß Band nicht gerne knüpfen sah, ist der Welt bekannt, doch nun es vollzogen, werde ich sie nicht zu der Scheidung zwingen. Vielleicht – Düster. vielleicht tritt etwas in den Weg, das ihr benützen könnt – vielleicht nehmt ihr die Braut als Witwe mit.

WOLOWSKY.
Ist Herzog Johann krank?
KÖNIG
rasch.

Genug, genug, das Übrige wird sich finden. Sprecht mit der Herzoginn, verweilt an meinem [35] Hofe – ihr kommt mir sehr gelegen – ja, ja, beredet sie, nehmt sie mit euch fort – spart keine Worte, dieses zu bewirken – bis dahin – Gott befohlen. Wendet sich weg. Wo ist Richers? Er steht auf, man sieht, daß er sich zerstreuen will.

RICHERS
tritt näher.
Eure Majestät –
KÖNIG.

Euer Oheim rühmt euch thätig und geschickt, und doch lebt ihr vom Hof entfernt, bewerbt euch um kein Amt; in eurem Alter muß man seine Kräfte üben, dem Ganzen, nicht dem Einzelnen sich weihen. Ich glaube eurem Wunsche zu begegnen, wenn ich euern künftigen Wirkungskreis bestimme, und ernenne euch daher zu meinem Abgeordneten nach Rußland.

RICHERS
stutzt, sieht seinen Oheim an, dann faßt er sich schnell und verbeugt sich.
KÖNIG.

Euer Auftrag fordert Eile, schickt euch zur Reise an, denn morgen mit dem Frühesten müßt ihr Stockholm verlassen.

JÖRAN
dringend.
Gefällt es Eurer Majestät, so kann er diese Nacht – ja heute noch.
KÖNIG
versteht ihn nicht.
Man muß die erste Arbeit nicht so schwer ihm machen.
JÖRAN
halb laut zum König.

Des Zaars Liebe zu der Herzoginn kann Unheil über Schweden bringen. Ich glaube daher, daß man schnell –

KÖNIG.

Du hast Recht. Zu Richers. Seyd jeden Augenblick gewärtig, abzureisen, euer Oheim wird euch die nöthigen Schriften und Verhaltungsregeln übergeben.

RICHERS.

O gnädigster Herr, wie rührt mich dieß[36] Vertrauen, noch that ich nichts, wodurch ich es verdiene, daß Euer königlicher Blick bey dieser ernsten Sache auf mich fällt. Ihr wollt den Oheim in dem Neffen ehren, ihm, Blickt ihn an. euch, Oheim, dank' ich dieses Glück. Ihr habt stets väterlich für mich gesorgt, doch diese Güte übersteigt mein kühnstes Hoffen. Kniend dank' ich Eurer Majestät für dieses gnädige Vertrauen.

BOTWID UND THEIT
für sich.
Was ist das?
JÖRAN
hat sie beobachtet, für sich.
Sie sind betroffen, sie sind schuldig.
KÖNIG
zu Richers.
Steht auf – der Weg zu jeder Ehrenstelle ist euch offen.
RICHERS.

Ich verfolge ihn mit raschem, doch besonnenem Schritt. Oheim, eilt mich abzufertigen, denn diese neue Pflicht ist mir so lieb geworden, daß ich mir in Stockholm nicht mehr gefalle.

JÖRAN
für sich.
Wie deute ich diesen Eifer?
THEIT
zu Botwid.
Er verräth uns.
KÖNIG.
Jöran! wann versammelt sich der geheime Rath?
JÖRAN.
Schlag fünf Uhr, gnädigster Herr!
KÖNIG.

Braske darf nicht fehlen, er ist gerecht, an ihm hängt das Volk, man muß seine Meinung ehren. Untersucht, erwägt genau; nicht glauben soll die Welt, daß ich mich räche, strafen will ich. Zu Richers. Gott geleite euch auf eurer Reise – benehmt euch klug, denn auf der Stelle, wo ihr künftig steht, hängt oft von einem Wort, von einem Ton, der dieses Wort begleitet, Tod und Leben ganzer Völker ab. Bewahret Schwedens Ehre, und sorgt für meiner Unterthanen Glück. Ein groß [37] Geschäft liegt in des Jünglings Hand; es fordert Weisheit und die Bedächtigkeit des Mannes – ich glaube, eure Fähigkeit kam der Zeit zuvor, der Lohn für treue Dienste soll sich nicht verspäten. – Gott geleite euch. Ab. Alles, bis auf Botwid, Theit und Struen, folgt ihm.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Botwid, Theit, Struen.

BOTWID UND STRUEN
stehen mit untergeschlagenen Armen, und starren den Boden an.
BOTWID
nach einer Pause.

He da – den Kopf in die Höhe, die Arme auseinander – blickt euch um, so packt euch ja der Feind von allen Seiten an. Seyd ihr Männer?

THEIT.
Ist das männlich, was wir jetzt erfahren?
STRUEN.
Der Schlaue, er bringt sich in Sicherheit.
BOTWID.

So scheint es mir auch. Ihn schickt man nach Rußland, und uns – uns wird man jen seits etwas zu bestellen geben. Wenn alles, was ich sah und hörte, nicht ein höllisch Blendwerk war, so ist Freund Richers –

THEIT
rasch.
Ein Verräther.
BOTWID.
Sachte, sachte – das muß erst der Ausgang zeigen.
STRUEN.
Warte den ab, wer Lust hat, ich nicht.
THEIT.
Noch ich.
BOTWID.

Wie? weil wir ein Rad verloren, käme [38] die gute Sache ganz in's Stocken – ist Richers gleich nicht mit uns, gegen uns kann er nicht seyn.

STRUEN.
Der Glanz des Hofes –
THEIT.
Neue Ehren –
BOTWID.

Machen öfter neue Schurken, das ist wahr. Aber denkt nicht so von Richers – zieht er den Kopf auch aus der Schlinge – bey Gott! ich hätte ihm das nicht zugetraut, doch unseren bringt er durch Verrath nicht auf's Schaffot, das kann ein Schurke nur, und das ist Richers nicht.

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Die Vorigen, Richers.

RICHERS
ist unter der letzten Rede herausgetreten, kommt jetzt vor.
Seyd ihr nicht allein?
BOTWID.
Wenn drey allein seyn können, sind wir's.
RICHERS
mit Ironie.
Nicht doch – es ist gewiß ein Fremder unter euch.
BOTWID.

Wenn du außer Struen, Theit und mir noch jemand siehst, so müssen deine Augen besser seyn, als meine. Bedeutend. Ehe du kamst, war kein Fremder unter uns.

RICHERS
sieht ihn ruhig an.
Gegen wen hast du mich denn vertheidigt?
BOTWID
will schnell antworten, faßt erst dann den Sinn der Rede, und sagt nach einer Pause.
Gegen diese da.
RICHERS
blickt stolz auf sie hin.

Schwächlinge, die ohne Stütze niemahls aufrecht steh'n, ihr dauert mich – ihr wollt der starken Eiche gleichen, die Stürmen widersteht[39] – und seht, die laue Hofluft hat euch schon entwurzelt.

THEIT.
Was wir gesehen, gehört, berechtigt uns zum Mißtrauen.
RICHERS.

Und diesem Mißtrauen müßt ihr schnell Worte geben, die den Freund beleidigen? Bey Gott! euch halte ich nun fähig des Verraths, und glaube, daß ihr mich nach euch beurtheilt habt.

BOTWID.
Nun, nimm es nicht übel – aber deine Freude über die neue Würde war mir auch verdächtig.
RICHERS.

Botwid – o wie reut es mich, daß ich mich mit euch wankelmüthigen Geschöpfen eingelassen. Wie könnt ihr wohl das weite Ziel erreichen, wenn ihr euch kleinlich bückt, um jedes Steinchen aufzulesen? Vertraut, wo ihr nicht versteht, und fordert nicht von jeder Miene Rechenschaft.

THEIT.
Wenn aber des Königs Gnade –
RICHERS.

Mich stolz und aufgeblasen machte? – ich bitte euch, schweigt! laßt euch doch nicht in solcher Blöße sehen. Die Schmeicheleyen dieses Königs, meint ihr, würden mich bestechen? zu stolz bin ich, als daß dieß auf mich wirken könnte. Der Edle dünkt sich nicht zu gering an eines Königs Tisch, und nicht zu vornehm, die freundlich angebothene Mahlzeit eines Bürgers zu verschmähen. Nicht Ehrenstellen, nicht des Hofes Glanz, mein Selbstgefühl muß mich erheben.

STRUEN.
Und du reisest?
THEIT.
Mit solchem Auftrag? die Scheidung unseres Herzogs zu bewirken.
[40]
RICHERS
zieht sie an sich und sagt mit Feuer.
Seine Freyheit!
Fast zugleich.
BOTWID.
Wie?
STRUEN.
Seine Freyheit?
THEIT.
Richers sprich!
RICHERS
sieht sie an.

Fast möchte ich's euch verschweigen – doch – ihr seyd abgelaufen, nöthig ist's, euch wieder aufzuziehen. So wißt – unsern Herzog sende ich fort in meinen Kleidern.

THEIT.
Ist's möglich?
STRUEN.
Den Herzog?
BOTWID.
Wird dir das gelingen?
RICHERS.
Ich hoffe es.
THEIT.
Aber wie?
RICHERS.

Diese Frage ist an dir – denn wie, wie ich ihn rette, das fällt keinem ein, weil keiner das für seine Rettung gäbe – das Leben.

BOTWID.
Richers –
STRUEN.
Wage nicht zu viel.
RICHERS.

Alles! – Ich habe niemand, der mir nachweint, ich stehe allein – ob ich falle, oder ein Sandkorn weniger die Erde drückt, das gilt dem Ganzen gleich. Er hat ein liebend Weib, er hat Unterthanen, die mich segnen werden – ich gebe den Verwais'ten ihren Vater wieder; Tausende stürzen dankbar auf die Knie, und dieß alles kostet nur Ein Leben, das ich vielleicht in wenig Tagen beym Tanz, durch einen kühlen Trunk, auf der Jagd, durch einen Sturz vom Pferd, verliere. Laßt mich mit meinem Tode wuchern, laßt mich mit einer schönen That hinübergehen.

[41]
BOTWID
fällt ihm gerührt um den Hals.
Freund –
THEIT
beynahe mit Thränen.
Wie stehen wir vor dir?
STRUEN
gibt ihm die Hand.
Dich konnten wir verkennen?
RICHERS.
Ihr erkennt mich jetzt – alles sey vergessen.
BOTWID.

Kann ich denn gar nichts bey der Sache thun? gibt's nichts zu raufen? nichts zu fechten? Willst du denn so allein die Haut zu Markte tragen?

RICHERS.
Allein.
BOTWID.
Und wie willst du den Herzog –
RICHERS.

Befreyen? Das alles liegt noch ungeordnet hier. Legt die Hand auf die Stirne. Doch bald entwickeln sich verworrene Begriffe, bald tritt das Wie aus seiner Dunkelheit hervor. Der Plan steht hell und klar vor meiner Seele, entzückt faßt ihn der frühere Entschluß, und bald gibt das gelungene Werk mir Freudenthränen. Dieselbe Hand, die unsre Briefe durch des Kerkers Thüre schob, sie war bestechlich, das Eisen weicht fast überall dem Golde. Mit Feuer. Wohl mir! ich habe Gold und brauche wohl nach dieser That nichts mehr. Sogar den prächtigen Leichenzug wird mir die strafende Gerechtigkeit ersparen; den armen Sünder deckt ein Häufchen Erde, kein Grabstein trägt zur Nachwelt seine That, doch – Gibt ihnen die Hand. in dem Herzen meiner Freunde lebt sie fort. Weg mit stolzen Marmorblöcken, eure Thränen fallen auf mein Grab; dieß sey mein Denkmahl, das dem Wanderer sage: hier ruht ein guter Mensch!

BOTWID.
Freund –
[42]
THEIT UND STRUEN.
Richers!
RICHERS.

Nun fort – fort. Hier ist der Ort nicht, gute Thaten zu besprechen, das Laster kommt auf diesem Boden fort. Zerstreut euch – nehmt an allem, was ich thue, keinen Antheil – lebt für unsern Herzog. Ich lege das Vermächtniß meiner Liebe und Treue in euren Busen nieder – dort fordre ich Rechenschaft. Botwid, Theit, Struen – dort fordre ich Rechenschaft. Alle ab.


Ende des zweyten Aufzugs.

[43]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Johanns Gefängniß.
Im Vordergrunde ein Tisch mit einer Lampe, im Hintergrunde ein Ruhebett. Die Thüre ist im Hintergrund erhöht, eine Treppe führt herab.
Johann liegt auf dem Ruhebette und schlummert, Siegmund sitzt bey ihm auf der Erde, und sieht ihm in's Gesicht.

CATHARINA
sitzt am Tisch und starrt den Boden an.
SIEGMUND
steht auf und schleicht vor.
Mutter, der Vater schläft.
CATHARINA.
Gott sey Dank! – sey stille, liebes Kind, wecke ihn ja nicht auf.
SIEGMUND.

O nein, ich will schon ruhig seyn, denn wird er wach, so wird er wieder böse und schilt die Menschen, daß sie uns in diese finstere Stube eingeschlossen. Sieht sich um, furchtsam. Mutter – es ist hier recht schauerlich.

CATHARINA.
O Gott –
SIEGMUND.
Aber – ich fürchte mich doch nicht. Nicht wahr, Mutter, gute Kinder dürfen sich nicht fürchten?
[44]
CATHARINA
reißt bewegt das Kind an sich und blickt gegen Himmel.
SIEGMUND.

Heute Morgen konnten wir noch die Sonne und schöne grüne Bäume sehen; hier sind nur nasse Steine, und hier ist's immer Nacht. Ach – wenn es sonst Nacht wurde, und der Mond und die kleinen Sternlein kamen, die vielen kleinen Sternlein, die so funkeln – da standen wir alle am Fenster und blickten den schönen blauen Himmel an.

CATHARINA
wendet sich bewegt von ihm.
Ach –
SIEGMUND.

Dann sagte der Vater: »Siegmund! dort über den Sternen wohnt der gute Gott, zu dem wir täglich bethen, daß er uns erlöse.« Und da legte ich die Hände zusammen, und bath ihn so sehr, er möchte uns in die schöne große Welt hinaus lassen; aber – er hat es doch nicht gethan.

CATHARINA.
Siegmund –
SIEGMUND
gegen Himmel.

Bist du böse auf uns, lieber Gott, daß du es nicht gethan hast? – sey wieder gut, lass' uns die Sonne und die Sternlein wieder sehen!

JOHANN
fährt wild auf.
Catharina – Siegmund –
CATHARINA.
Was ist dir, lieber Mann? Springt hin.
JOHANN
starrt sie an.
Bist du es, Catharina? wo ist Siegmund?
SIEGMUND.
Hier, Vater. Läuft hin.
JOHANN
führt beyde vor und starrt sie an.
Ihr seyd es – ihr seyd es wirklich? seyd bey mir?
CATHARINA
zärtlich.
Könnte ich wo anders seyn?
JOHANN
drückt beyde an sich.
Ihr seyd hier, ich[45] halte euch wie sonst in meinem Arm? – Wohl mir, vorüber ist's – es war ein Traum.
CATHARINA.
Ein böser Traum, wenn er mich von dir trennte.
JOHANN.
O wüßte ich nur, ob Ille Hülfe bringt?
CATHARINA.

Kaum ist er fort; erwarte seine Wiederkehr mit Ruhe. Seit dieser kleine Strahl von Hoffnung in unsern Kerker fiel, erträgst du minder männlich unser Mißgeschick. Dich flieht der Schlaf, und wenn er kommt, so kommt er nicht als Freund, der unsre Leiden mildert, unsre Sorgen von der Seele nimmt, der uns in liebliche Gefilde zaubert, die wachend wir so lange entbehrten. Was hätte der Schuldlose wohl vor dem Bösewicht voraus, der, so wie wir, das Licht des Tages mißt, wenn es nicht hell in seiner Seele wäre?

JOHANN.

Doch diese neue Schmach! Blickt um. Dieser Aufenthalt! Ein langsam tödtend Gift entquillt den nassen Steinen – blick' hin – kaum brennt die Lampe mehr, der Pestqualm scheint sie zu ersticken. Mit Thränen. und du bist mir gefolgt. – Weib – Engel – lebendig hast du dich mit mir begraben! –

CATHARINA.

Kenne ich ein Leben ohne dich? Bey allem, was das Schicksal über uns beschlossen, läßt es mir dich und dieses Kind, bin ich als Weib und Mutter zu beneiden. Welch schöneres Loos hat Reitz für mich?

JOHANN.
Zum Herrschen wurdest du geboren.
CATHARINA.
Zum Dulden, denn ich bin ein Weib.
JOHANN.
Rußlands Beherrscher both dir seine Hand und seinen Thron.
[46]
CATHARINA.
Du mir dein Herz – was macht wohl glücklicher?
JOHANN.

Gott! Gott! was habe ich denn gesündiget, daß du mir diese harte Prüfung auferlegt? Habe ich das Volk bedrückt? ging ich an Menschenelend ungerührt vorüber? habe ich die Religion verspottet? habe ich nach Willkühr, oder nach Gerechtigkeit entschieden? war ich dem Laster hold? verbannte ich die Tugend? war mir der Tag nicht heilig, an dem ich Menschenglück befördern konnte? und doch hast du auf dieser ganzen schönen Erde nur diesen Raum für mich?

CATHARINA.

Johann – lästre nicht! Gott that viel für uns, verkenne nicht das Gute und dulde männlich jedes Übel, bis sich unser Schicksal wendet.Nimmt Siegmund bey der Hand. War er es nicht, der diesen kleinen Tröster zu uns sandte? – Als du nur hoffen durftest, ihn zu sehen, schlug sehnsuchtsvoll dein Herz dem frohen Augenblick entgegen. Als du ihn sahst – was glich der Wonne, als du dein Kind in deinen Armen hieltst? und als er lallen konnte, und dann bald Vater rief. – Als er mit schwachem Fuß zu dir die ersten Schritte lenkte, da stürzten Freudenthränen über deine Wangen. Der König auf dem Thron vermißt die süßen Vaterfreuden, sie verlieren sich in der Sorge für das große Ganze. Dir ward das schöne Loos, sie rein und wahr zu fühlen. – Als Gatte, Vater, als Mensch beglückt zu seyn.

JOHANN.
Und die, die mich beglücken, leiden.
CATHARINA.

Ich leide nur, wenn du nicht ruhig bist. – Auch mich befremdet dieser schnelle Wechsel unsrer Lage, auch mich empört der schaudervolle Ort.

[47]
JOHANN.

Für Missethäter seltner Art – für Verbrecher, wie es keine gibt, hat die barbarische Vorzeit dieses Denkmahl ihrer Grausamkeit erbaut. Kein lebend Wesen haus'te hier; da stieg auf Schwedens Thron ein Ungeheuer, dem die Natur Gefühl und Menschlichkeit versagte; es spottet jeder Regung der Natur. Jammert, verzweifelt – es regt sich nicht in ihm der Mensch. Ja, eine weinende Welt zu seinen Füßen entlockte dem ewig trocknen Auge keine Thräne. Dieß Ungeheuer wußte diese Höhle zu bevölkern, stieß seinen Bruder – Es bricht ihm die Stimme.

CATHARINA.

Fasse dich – zermalmend liegt diese Felsenmasse auf dem Lasterhaften, uns drückt sie nicht einmahl. Dem Tugendhaften scheint diese schwache Lampe heller, als dem Bösewicht die Sonne; sogar der Tod ist' ihm nicht fürchterlich, er kommt als Freund, der liebend unsre Fesseln lös't, der gute Kinder zu ihrem Vater bringt.

JOHANN
nimmt sie in seinen Arm.

Catharina – Weib – mußte ich so elend werden, um dich so groß zu sehen? Ja, Erik, herrsche, erobere die ganze Welt, ich habe dich, ich bin in meinem Kerker reicher, als er auf seinem Thron.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Gruskel, die Vorigen.

GRUSKEL
sperrt einige Schlösser auf, dann tritt er ein; im Hereintreten.
Die Schlösser sind nicht stark genug, da muß mehr Eisen her.
JOHANN.
Was ist das?
[48]
GRUSKEL
nimmt ganz leicht die Kappe ab und setzt sie wieder auf.

Ich werde hier wohl nicht mit guten Augen angesehen, aber, das kann nicht helfen, wir müssen einander schon ertragen.

JOHANN.
Wer bist du? warum kommst du hierher?
GRUSKEL.

Damit ihr nicht wegkommt, Herzog, darum komm' ich her. Die Thüre eurer vorigen Wohnung war nicht fest genug, sie hatte Spalten, durch die sich wohl ein Briefchen stecken ließ.

JOHANN
für sich.
Ha meine Ahnung – Ille – Laut. Wo ist Swart'? er ist mein Wächter.
GRUSKEL.

Er war es; nun müßt ihr euch an mich gewöhnen. Swarte war nicht für ein solches Amt gemacht. Ein Kerkermeister, der nicht flucht, dem, Gott verzeih' mir's, gar die Thränen in die Augen kommen, der mit den Gefangenen bethet, jammert, klagt, der wird von seinen Untergebenen nicht respectirt. Man muß beständig, was man ist, vor Augen haben. Ich werfe mich nicht weg, mach' mich nicht gemein, bey mir schließt kein goldner Schlüssel, und Thränen kann ich wie Bäche rinnen sehen. Kurz, Gruskel steht auf seiner rechten Stelle.

JOHANN.
Ist Swarte todt?
GRUSKEL.

Vor der Hand nur abgesetzt, aber – was ihm gebührt, wird er empfangen. Frau Herzoginn, ihr geht mit mir.

CATHARINA
erschrickt.
Wer? ich?
JOHANN.
Mein Weib? wer wagt es, sie von mir zu trennen?
GRUSKEL.
Ein Abgesandter eures Vaters will euch sprechen, folgt mir in die große Stube.
[49]
CATHARINA
bebt.
Meines Vaters?
JOHANN.
Wehe mir!
CATHARINA.
Von meinem Vater?
JOHANN.
Er fordert dich zurück – ich werde dich nicht wieder sehen.
SIEGMUND
ängstlich.
Mutter –
CATHARINA
gefaßt.

Seyd ruhig – ich weiche nicht von euch. Zu Gruskel. Der Abgesandte komme, hier will ich ihn sprechen.

JOHANN.
Er wird dich mit Gewalt von meiner Seite reißen, wenn er dich so behandelt sieht.
CATHARINA.

Gewalt – die Gattinn? die Mutter mit Gewalt? Man kann mit einem Mord uns drey wohl tödten, aber trennen nicht. Er komme –

GRUSKEL.

Ihr wollt es so. Ich habe den Befehl, mich euch in nichts zu widersetzen, was mit der Sicherheit verträglich ist. Aber er sagt, er habe mit euch allein zu sprechen.

CATHARINA
zu Johann.
Entferne dich, verberge dich in dem Gewölbe.
GRUSKEL
ab.
JOHANN.

Könnte ich wohl dem Manne in's Auge sehen, der vielleicht ein Zeuge meiner Schwüre war, dich zu der Glücklichsten zu machen. Wie habe ich meinen Schwur erfüllt? Im dumpfen Kerker, des Tageslichts beraubt, so sieht er dich.

CATHARINA.

Entferne dich – laß mich mit ihm allein – vielleicht – o Gott! – wird er der Engel unserer Rettung. Mann – Kind – was auch seine Sendung sey, allein führt er mich nicht aus diesem Kerker.

[50]
JOHANN
hebt das Kind auf ihre Arme.

Mutter! vergiß nicht deines Sohn's, deines Gatten. Siegmund, bitte die Mutter, daß sie noch ferner unser Elend theile, daß sie uns nicht verlasse.

SIEGMUND.
Mutter, liebe Mutter, verlass' uns nicht!
CATHARINA.

Gott möge mich verlassen, wenn ich euch je verlassen könnte. Drey Wesen sind wir, doch wir haben nur ein Leben, das können sie uns nehmen, aber trennen kann uns nichts.

JOHANN.
Nichts. Umarmt sie heftig. Gott stehe dir bey!

Ab mit Siegmund in ein Seitengemach.
CATHARINA
allein.

Ein Bothe meines Vaters – haben seine Briefe nicht schon mein Herz zerrissen? Gott! wenn er wüßte, daß ich Mutter bin, wenn er das Kind aus meinen Armen riß. – Nein, nein, noch weiß er nichts, wir sind ja, gleich Begrabnen, längst vergessen. Man kommt. Wie schlägt mein Herz, wie zittern meine Knie.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Wolowsky Catharina.

WOLOWSKY
noch innerhalb.
Führt ihr mich in den Mittelpunct der Erde?
CATHARINA.
Diese Stimme –
WOLOWSKY
tritt ein, Gruskel zieht die Thüre nach ihm zu.
Hier? hier soll ich meines Herrn Tochter finden?
CATHARINA
schreyt.
Wolowsky!
WOLOWSKY
erblickt sie.
Catharina – ihr – ihr seyd es?
CATHARINA.
Alter, treuer Freund –
[51]
WOLOWSKY
starrt sie an.
Ihr hier – hier?
CATHARINA.

Wohl ist für meinen Gatten dieß kein Aufenthalt, doch da ihn schwarze Bosheit bis hierher geschleudert, so wundre dich nicht, mich hier bey ihm zu finden.

WOLOWSKY.
Catharina – Gott – so, so finde ich euch? blaß, durch Gram entstellt.
CATHARINA
sanft.
Das Äußere wich der Zeit, mein Herz ist unverändert.
WOLOWSKY.

Als Herzog Johanns Braut, im königlichen Schmuck, so sah ich euch das letzte Mahl, als seine Gattinn muß ich so euch wieder finden?

CATHARINA.

Wie, Freund – in deinen Jahren ist dir des Glückes Wechsel noch so unbekannt? Beruhige dich über meine jetzige Lage. Geschmückt mit fremder Zierde sahst du mich als Braut; mit eigenem, höherem Werthe stehe ich als Weib vor dir.

WOLOWSKY
ergreift ihre Hand – küßt sie, kann vor Wehmuth nicht reden.
O klaget – weint, diese Ruhe, diese sanfte Duldung bricht mir alten Mann das Herz.
CATHARINA.

Fasse dich – sprich von der lieben Heimath – dem guten Vater – von den alten treuen Freunden – o sage, ob sie meiner noch gedenken?

WOLOWSKY.

Sie ehren euch um eurer Tugend, Liebe und Treue willen, wie eine Heilige. – Viel habe ich euch zu sagen, doch das Beginnen wird mir schwer. Zu sehr ergreift mich alten Mann die Gegenwart, als daß ich des Vergangenen mich so bald entsinnen könnte. Catharina – was auch der Ruf gesagt, so glaubte ich euch nicht zu finden, so glaubt euch euer Vater nicht behandelt.

CATHARINA
schnell.

Du mußt es ihm verschweigen. – [52] Es ging mir bisher gut. Seit heute erst ist dieser Kerker unser Aufenthalt; ob Jöran – ob die Königinn uns diese Schmach bereitet – wem wir es danken, daß man uns sogar das Licht des Tages nicht mehr gönnt, das ist uns unbekannt.

WOLOWSKY.
Die Königinn? wie sollte sie?
CATHARINA.

Sie hasset meinen Gatten, weil er bey ihrer Krönung nicht erschien. Der schwache Erik läßt sich ganz von ihr beherrschen; sie zieht sein Herz von seinem Bruder ab, so nur läßt die Verfolgung sich erklären, die sich täglich mehrt.

WOLOWSKY.
Catharina – ihr müßt fort.
CATHARINA.
Wie?
WOLOWSKY.
In solcher Wohnung, in solchen Händen lass' ich euch nicht zurück.
CATHARINA.

Mein Schicksal muß sich wenden. Du weißt, das Glück hat Launen, es hebt und stürzt. Du kamst auch gerade in dem Augenblicke, wo eine finstere Wolke mir neidisch vor die Sonne tritt; – sie zieht vorüber, und der heitere blaue Himmel lächelt mir.

WOLOWSKY.

Der lächelt euch in diesem Land nicht mehr. Catharina, glaubt mir, glaubt meinen Thränen, ihr müßt fort.

CATHARINA.
Was ist dein Auftrag? sprich nicht von mir, sprich endlich doch von meinem Vater.
WOLOWSKY.
Er fordert euch zurück!
CATHARINA.
Wolowsky!
WOLOWSKY.

Ich soll die Königstochter dieser Schmach entreißen. Ich soll euch in die Arme eures alten Vaters führen.

[53]
CATHARINA.
Gott –
WOLOWSKY.
Ihr sollt bey ihm mit all' dem Glanze leben, der eurem Stand gebührt.
CATHARINA
schnell.
Mein freyer Wille hat ihn ausgeschlagen.
WOLOWSKY.
Ihr sollt die fremden Fesseln brechen.
CATHARINA.

Bin ich gefangen? – ein Wink von mir sprengt diese Thüre, frey gehe ich durch das ganze Land. Als Erik seinen Bruder in's Gefängniß stieß, lud er mich ein, an seinem Hof zu leben; er both mir königlichen Glanz und jede üppige Gemächlichkeit; da wies ich lächelnd hin auf meinen Trauring. Vereint bis in den Tod! war in das Gold gegraben, und unvergänglich steht das hier in meinem Herzen. Ich warf von mir die glänzenden Gewänder, die Perlen riß ich aus den Haaren, vertheilte mein Geschmeide, arm und dürftig folgte ich meinem Gatten in's Gefängniß. Habe ich geschworen, nur im Glück sein Weib zu seyn? hat mich die Kirche nicht zu gleichem Schicksal, zu gleichem Wohl und Weh mit ihm vereint? Man raubte ihm des Vaters Erbe, des Bruders Herz; – die Gattinn konnte Menschentücke ihm nicht rauben, sie steht im Unglück ihm zur Seite, und auch im Grabe weicht sie nicht von ihm.

WOLOWSKY.
Catharina, ihr müßt fort!
CATHARINA.

Ich muß? wer will mich zwingen? Du? meiner Kindheit Freund? – der Vater, der mir nichts versagen konnte?

WOLOWSKY.
Das Schicksal – selbst euer Vater – selbst Schwedens König kann euch nicht mehr schützen.
[54]
CATHARINA.
So schütze Gott mich! – Sprich! was drohet mir?
WOLOWSKY.
Rußlands Beherrscher hat neuerdings um euch geworben.
CATHARINA.
Um mich? um die Vermählte?
WOLOWSKY.

Er betrachtet eure Ehe als aufgelös't. – Die Flamme lodert noch, die einst bey eurem Anblick ihn ergriff. Er droht mit Krieg, will seine Braut erkämpfen.

CATHARINA.

Alter Mann – verwahre deine Ehre – zur Lüge läßt du dich herab, um mich zu kirren? Das Eheweib eines Andern will der Zaar? er will? – was will ein mächtiger Zaar nicht! – doch darf mein Vater, darf Schweden – kann ich das jemahls wollen?

WOLOWSKY.

Seine Heere stehen gerüstet, in Schweden einzufallen, welche Gewalt wollt ihr dem mächtigen Herrscher wohl entgegen stellen?

CATHARINA.

Die Allgewalt des tugendhaften Weibes. Todt können seine Krieger mich von dem Gatten reißen, an den mich Liebe, Ehre und Religion geschmiedet, doch lebend nicht. Gott, was soll aus deinen Völkern werden, wenn ihre Könige kein Band der Tugend ehren, wenn ihren Lüsten nichts mehr heilig ist? Dem Weib, der Mutter, einen solchen Antrag? und von euch?

WOLOWSKY.
Wie? was sagt ihr? der Mutter?
CATHARINA.

Ja – Mutter bin ich – Weib – bin nicht mehr Königstochter, will nichts mehr seyn als Weib und Mutter. Nehmt hin die Hoheit dieser Welt, laßt mir die einzige Würde, ein tugendhaftes Weib zu seyn.

WOLOWSKY
gerührt.
Ihr seyd Mutter?
CATHARINA.

In stiller Einsamkeit, von aller Welt verlassen, [55] sogar der Hülfe auch beraubt, der sich die dürftigste Gebärerinn erfreuen darf, sah ich mit banger Sehnsucht dem Augenblick entgegen, da sich neue Sorgen und neue Freuden meinem Schooß entwinden sollten. Da trat in mein Gemach ein Weib, von königlichem Wuchs, und nahte dicht verschleyert meinem Lager. Ihr brauchet Hülfe, sprach sie sanft: schlagt die nicht aus, die ich euch biethe. Zwey Frauen eilten auf ihren Wink herbey; bald lag mein Sohn in meinen Armen; doch jenes himmlische Gebilde war verschwunden. War es eine Heilige, die zum Himmel wiederkehrte, – so wähnte ich oft in meinem stolzen Wahn. Mit tausend Fragen bestürmte ich die zurückgelassene Wärterinn, doch fest verschlossen blieb ihr Mund.

WOLOWSKY.
Und ihr wurdet Mutter?
CATHARINA.

Als ich den Neugebornen in des Vaters Arme legte, da lächelte und weinte er zugleich. Willkommen, rief er, Gefährte unsrer Leiden! und bethend sank er mit dem Kinde auf die Knie.

WOLOWSKY.
Warum verbargt ihr eurem Vater, daß ein Erbe –?
CATHARINA.

, Sollte nicht mein erster Sohn der Erbe Pohlens seyn? sollte er nicht unter meines Vaters Aug' in jenem Land erzogen werden? Ach! wir armen, freudenlosen Ältern hatten nichts als ihn, vermochten's nicht, den Einzigen von unsrem Herzen los zu reißen. Gold – Bitten – Thränen erweichten unsers Wächters Herz – er schwieg.

WOLOWSKY.

O laßt mich den kleinen Engel sehen! versagt es nicht dem Mann, der euch so oft auf seinen Armen getragen.

[56]
CATHARINA.

Ja – du sollst ihn sehn; blick' auf das Kind, und entreiß' ihm seine Mutter, wenn du kannst. Schnell ab.

WOLOWSKY.
Wie ist mir zu Muth – mir schlägt das Herz, als sollte ich meinen Enkel sehen.
CATHARINA
mit Siegmund auf dem Arm.

Als Braut im königlichen Schmuck, so sahst du mich das letzte Mahl; als Weib, als Mutter siehst du mich heute wieder. Der Tand des Lebens ist dahin. Die wahren, schönern Freuden sind geblieben.

WOLOWSKY.
Dieß der Enkel meines Herrn? Pohlens Erbe?
CATHARINA
gibt ihm das Kind.
Sey sein Freund, und wenn ihm Gott bald seine Ältern nimmt, so sey ihm Vater.
WOLOWSKY
ist in seinem Anschaun verloren.

Ist's mir doch, als wäre in dieser Finsterniß die Sonne aufgegangen, seit ich dir in die lieben Augen sehe.Herzt das Kind.

SIEGMUND.
Mutter – ist der Mann mein Großvater?
CATHARINA.
Nein, mein Kind – sein Freund.
SIEGMUND.
O lieber alter Mann, sage ihm doch, daß wir ihn recht lieben, und alle Tage für ihn bethen.
WOLOWSKY.
Thust du das? lieber kleiner Engel, bethest du für ihn?
SIEGMUND.
Alle Tage. – Die Mutter und der Vater bethen auch.
WOLOWSKY.
Dein Vater – Gott! Besinnt sich. Gott! Stellt das Kind hin und will fort. Lebt wohl!
CATHARINA.
Wo willst du hin? was treibt dich fort?
WOLOWSKY.
Unglück zu verhüten, wenn es möglich ist.
CATHARINA.
Welches Unglück?
WOLOWSKY.
Ach! ihr wißt nicht – Johann soll –
[57]
CATHARINA
schnell.
Was, was soll er?
WOLOWSKY
sieht ihr Entsetzen, will einlenken.

Er soll noch länger im Gefängniß schmachten. – O, warum wollt ihr Schweden nicht verlassen? Folgt mir, nehmt euer Kind, und laßt uns fliehen –

CATHARINA
reißt das Kind an sich.
Nimmermehr! –
WOLOWSKY.
So laßt mich fort!
CATHARINA.
Wo willst du hin?
WOLOWSKY.
Ich will bitten – flehen – drohen – alles versuchen, die schlafende Natur zu wecken.
CATHARINA.
Mensch! – laß mich nicht in dieser Todesangst – so fürchte ich mehr, als du mir sagen kannst.
WOLOWSKY.

Könnt ihr mehr als das Ärgste fürchten? – Noch ist die Wuth der Feinde nicht gekühlt, man strebt von neuem eurem Gatten nach dem Leben.

CATHARINA.
Barmherziger Gott! Sinkt in die Knie.
WOLOWSKY
zu Siegmund, der sich ängstlich an die Mutter schmiegt; er faltet ihm die Hände.

Bethe, Kind, falte deine kleinen Hände, und bethe laut. – Catharina, die Menschen meinen es nicht gut mit euch; von oben muß die Hülfe kommen. Er sieht in jedes Herz, er weiß, in welches er Erbarmen legen soll; er wird dem alten Manne Worte geben, eurer Feinde Herz zu rühren. Lebt wohl – lebt wohl – Gott stärke euch! Schnell ab, die Thüre wird hinter ihm verschlossen.

CATHARINA
springt auf.

Wolowsky – bleibe – höre! – Fort ist er, – fort – und klirrend schloß sich hinter ihm die Thüre. Was soll ich thun? – ich will des harten Bruders Knie umfassen, ich will mich vor dem Weib im Staube winden, das dem Staub entstieg uns zu verderben. [58] Ich will das Volk um Hülfe flehen, ich will – o Gott! Gott! versage mir nur nicht die Kraft, bewahre mich vor Wahnsinn.Mit Hoffnung. Nein – nein, ich verzweifle nicht an deiner Hülfe, du lebst ja noch – du lohnst, du strafst ja noch, du wirst die Deinen nicht verlassen. Bleibt, den Blick andächtig gegen Himmel gerichtet.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Johann, die Vorigen.

JOHANN
im Heraustreten.
Du bist allein? und rufst mich nicht?
CATHARINA
fährt zusammen.
JOHANN.
Catharina – ich finde dich in Thränen –
CATHARINA
sucht sich zu fassen, wendet sich weg, wird dann vom Gefühl übermannt, und fällt ihm um den Hals.
JOHANN.

Liebes Weib, was brachte dir der Abgesandte, das dich so erschrecken könnte? – Vorwürfe deines Vaters, daß du mein hartes Schicksal theilst?

CATHARINA.
O nein, o nein. Wankt.
JOHANN.
Du bist entkräftet, deine Knie wanken – du bist tief erschüttert. Nimmt sie in seine Arme.
CATHARINA.

Wir sprachen von den alten guten Zeiten, von meinem Vater. – Es ist Wolowsky, den der Vater sendet, du kennst ihn ja? ein guter alter Mann; er will uns wohl, er will – Es bricht ihr die Stimme.

JOHANN.

Umsonst verbirgst du mir den Aufruhr deiner Seele; angstvoll hebt sich deine Brust, mit Gewalt entstürzt dem Auge die zurückgehaltene Thräne. – [59] Catharina – dein Vater – er ist alt; Mit Schonung. ist dir vielleicht ein werther Freund gestorben?

CATHARINA.
O Gott, nein, o nein.
JOHANN.
Lebt dein Vater?
CATHARINA.
Er lebt.
JOHANN.
Und ich und Siegmund leben, und Thränen rollen unaufhaltsam über deine Wangen?
CATHARINA
sucht sich zu fassen.

Habe Geduld mit mir, es wird vorüber gehen. Fährt erschrocken aus seinen Armen empor. Horch – hörst du nichts?

JOHANN.
Fernes Geräusch –
CATHARINA.

Es nähert sich – es sind Bewaffnete. Sie kommen – fürchte nichts. Drückt beyde an sich. Ich weiche nicht von deiner Seite – so sollen sie uns finden – so lebten wir, so laßt uns sterben.


Pause – man sperrt die Kerkerthüre auf.
CATHARINA
bleibt mit dem Gesicht gegen die Thüre erstarrt stehen.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Der Hauptmann, Gruskel trägt eine Fackel, Wache.

HAUPTMANN.
Herzog, folget mir!
JOHANN
erstaunt, doch gefaßt.
Wohin?
CATHARINA
bebend.
Zum Tode? Sprich, Unmensch! führst du ihn zum Tode?
HAUPTMANN.

Dürfte ich meinem Herzen folgen, so führte ich ihn hinaus in's freye Leben. Doch der Soldat [60] folgt seiner Pflicht. Ich führe euch dahin, wo strenge Richter eurer harren.

JOHANN.
Ha – Zu Catharina. jetzt verstehe ich dich. Zum Hauptmann, gefaßt. Ich folge euch.
CATHARINA.
Halt! um Gottes willen halt! sie führen dich zum Tode!
SIEGMUND
ängstlich.
Vater! lieber Vater –
JOHANN.
Fasse dich.
CATHARINA.

Nein, nein, sie tödten dich. O, sieh es doch an dieser Angst, die mir den Athem nimmt – verlass' mich nicht, du siehst mich niemahls wieder. Kniet vor ihm. Verlaß mich nicht! Zu den Soldaten. nehmt mich mit! Will aufstehen, sinkt zurück. schleppt mich ihm nach, laßt mich nicht hier, vielleicht kann ich ihn retten.

JOHANN.
Geliebte! fasse dich – du siehst mich wieder.
CATHARINA
schwach.

Nein – nein, sie tödten dich! Will aufstehen, kann nicht. Ich kann nicht, o seyd barmherzig, schleppt mich fort, laßt mich nicht hier.

JOHANN
führt Siegmund zu ihr.
Lebe für diesen, erhalte dich für unser Kind.
CATHARINA.

Für dich – für euch! Umschlingt das Kind. Johann – wo bist du, mein Auge wird dunkel, mich verläßt die Kraft – ich sterbe. Sinkt ohnmächtig nieder.

HAUPTMANN
zu Gruskel.
Schafft Hülfe!
GRUSKEL
ab.
JOHANN.

Catharina! Kniet bey ihr. bist du mir vorangegangen? bist du schon in jener bessern Welt? Catharina! Richtet sie auf. kann dich die Stimme deines Gatten nicht erwecken? Mit Entsetzen. Sie ist todt – [61] Dumpf. todt – kalter Schweiß deckt ihre Stirne – still stehen die Pulse – kein Athemzug verräth mir Leben – Mit Thränen. Sie hat geendet – ihr ist wohl – des Lebens Dornenpfad hast du vollendet – ruhe sanft in deiner stillen Gruft. Legt sie sanft nieder. Siegmund, bewache deiner Mutter Leiche. Küßt ihn und hebt ihn gegen Himmel. Vater im Himmel! erbarme dich der armen Waise.Zum Hauptmann. Nun kommt!

HAUPTMANN.
Herzog! nehmt das Kind mit euch.
JOHANN.
Unbarmherzige! wollt ihr der Mutter alles rauben?
HAUPTMANN.
Sie lebt – sie athmet wieder!
JOHANN.

Sie – lebt? Starrt hin. sie athmet? Mit dem Ausbruch der Freude. Ja, sie lebt – nun kommt! kommt, eh' sie erwacht – Gott steh' ihr bey! Er geht schnell gegen die Thüre; auf der Treppe bleibt er stehen, blickt hinab, sieht gegen Himmel, dann auf Weib und Kind, und eilt ab.

CATHARINA
erhohlt sich, blickt bewußtlos um sich her, steht auf, geht einige schritte, plötzlich scheint die Erinnerung an das Vergangene zurück zu kehren, sie sinkt bey dem Kinde auf die Knie, und bethet ängstlich, dann drückt sie das Kind an sich.

– Auf einmahl scheint sich Hoffnung ihrer Seele zu bemeistern – Sie scheint über Etwas nachzudenken – Wie sie den Entschluß gefaßt hat, reißt sie das Kind auf den Arm, blickt gegen Himmel, und eilt fort.


Ende des dritten Aufzugs.

[62]

4. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Raths-Saal, über der Thüre eine große Uhr.

JÖRAN
tritt rasch ein.

Noch niemand hier? Ha, wie das schleicht. Sieht ungeduldig auf die Uhr. Erst halb? das kann nicht seyn, sie geht zu spät. Ruft zur Thüre hinaus. Was ist die Uhr?

RATHSDIENER
unter der Thüre.
Halb fünf Uhr, edler Herr. Macht die Thüre zu.
JÖRAN.

So komm' ich doch zu früh. Gleich dem Verliebten, der die Stunde nicht erwarten kann, treibt mich die Rache.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Richers, Jöran.

RICHERS
eilig.
Treffe ich euch endlich, Oheim.
JÖRAN
streng.
Was willst du hier? Dieß ist kein Ort, Besuche zu empfangen.
RICHERS.
Auch komm' ich in Geschäften – der König will, ich soll mit frühem Morgen fort.
JÖRAN.
ICH. will, daß du bleibst.
[63]
RICHERS.
Wie?
JÖRAN.
Ich sende einen Andern.
RICHERS
heftig.
Oheim – das könnt', das dürft ihr nicht!
JÖRAN
stolz.
Was darf Jöran nicht?
RICHERS.
Vor dem ganzen Hofe –
JÖRAN.

Ernannte dich der König zu seinem Gesandten, weil ihn dein Oheim um diese Gnade bath, weil ich dich dem Complott entrücken wollte, wo Hochverrath geschmiedet wird, weil ich die Schande nicht erleben wollte, daß mein Blut auf dem Schaffot vergossen würde.

RICHERS.
Oheim!
JÖRAN
fortfahrend.

Wilde Jugend, die nur braus't, nie denkt, nach Neuem hascht – das Alte zu vertilgen Plane schmiedet. Glaubst du, du habest mich getäuscht? der alte Hofmann verstehe sich so schlecht auf Farbenwechsel? Kein Schiffer kann des Meeres Strömungen so gut berechnen, wie ich das Auf- und Niederwallen deines Bluts. Jetzt stehst du blaß vor mir, ein Wort, und alle Adern ergießen sich in deine Wangen.

RICHERS
hat sich gefaßt.

Gut denn – ja, ich wollte fort, weil ich mich in Verbindungen einließ, die mich reuten. Wohlthätig kamt ihr meinem Wunsch zuvor, warum wollt ihr mich jetzt verhindern?

JÖRAN
sieht ihn an, dann sagt er spöttisch.
Zu einer so weiten Reise braucht man Geld.
RICHERS
schnell.
Bin ich nicht reich?
JÖRAN
kalt.
Du warst es –
RICHERS.
Wie?
JÖRAN
mit festem Ton und Blick.
Ehe du dem Kerkermeister [64] Johanns dein ganzes Vermögen bothst, um mit dem Gefangenen zu sprechen.
RICHERS
erschrickt.
JÖRAN.
Wenn er nun deinen Wunsch erfüllt, bist du ein Bettler, mit was willst du reisen?
RICHERS.
Oheim, die Hölle ist in eurem Solde –
JÖRAN.

Willst du nach Rußland, um Heere dort zu werben? willst du an ihrer Spitze wiederkehren, um Tausende in deinem Vaterlande zu schlachten, damit der eine seiner wohlverdienten Strafe entgehe? Du solltest Freundschaftsbande knüpfen, und eilst dahin der Zwietracht Samen in das nachbarliche Land zu streuen. Bey Gott! nicht Sorge für dein Leben hält mich ab, der strafenden Gerechtigkeit dich auszuliefern, nein, nur die Sorge für unsres Hauses Ehre.

RICHERS.

Die wird dadurch gerettet, wenn einer für die gute Sache stirbt, indeß der andere für die schlechte lebt.

JÖRAN.
Schweig! fürchte meinen Zorn! fürchte, daß ich dich bey den Haaren zu des Königs Füßen schleppe.
RICHERS
kalt.
Ich erspare euch die Mühe, ich überliefre mich selbst.
JÖRAN
heftig.
Mensch! soll die Wache deine Schritte hemmen?
RICHERS
bleibt stehen.
Die Wache?
JÖRAN.
Soll ich dich, gleich einem Rasenden, der sich selbst verderben will, in Fesseln legen?
RICHERS
heftig.

In Fesseln? Lacht ergrimmt. Es ist wahr, ihr habt dazu die Macht, ihr könnt das thun – was könnt ihr nicht in Schweden alles thun! Gleich[65] einem Ungethüm umlagert ihr den Thron, schlagt eure giftigen Krallen in jedes Tugendhaften Brust. Für euch wird das Metall der Erde Schooß entrissen, um von euch zu erkaufen, was eure Gerechtigkeit verweigert hat. Die Flotten, die Heere, sie leiden Mangel, damit ihr eure Kisten füllt.

JÖRAN.
Rasender!
RICHERS.

In mir flösse euer Blut? Gibt es verwandte Körper, in denen sich so fremde Seelen wohnen? – Ihr tretet jedes Recht mit Füßen, ihr sehet kalt, mit trocknem Auge Thränen fließen, die Todesangst aus halb erloschnem Auge preßt. Ich fühle, weine mit, und jede Nerve zuckt, und jede Ader schwillt, und jeder Pulsschlag treibt mich an, dem Unterdrückten beyzustehen. Ihr könnt nur Menschenglück zerstören, vernichten – ich baue auf, was ihr darnieder reißt.

JÖRAN.
Fürchte meinen Zorn!
RICHERS
fährt fort.

Es ist nichts Kleines, womit sich eure Seele jetzt beschäftigt – sie brütet Mord, sie lechzt nach Blut, und kein Gemeines ist's, wonach sie dürstet, was eurer Rache fließen soll. Mit Gustav Wasa's königlichem Blut wollt ihr das Land und euch beflecken; ihr habt nach manchem Mord die Hände rein gewaschen, diese Flecken tilgt kein Raß, keine Reue nimmt die Last von eurem Gewissen, und keine Zeit tilgt Schwedens Schande.

JÖRAN.
Aus meinen Augen – fort!
RICHERS
tritt vor ihn hin.

Oheim! ich rufe durch diesen Nahmen das Andenken an meine Mutter, die ihr liebtet, euch zurück; sie war das einzige Geschöpf, das [66] dieser Felsenbrust ein menschliches Gefühl entlockte – bey ihrer Asche, bey ihrem seligen Geiste, der uns jetzt umschwebt, beschwör' ich euch, seyd heute Richter nur, nicht Kläger!

JÖRAN.
Seine Briefe klagen ihn an, sonst niemand.
RICHERS.

Der Ton gibt erst den Worten die Bedeutung, gebt ihnen keinen fremden Sinn Oheim! auf meinen Knien fleh' ich – mildert, ver größert nicht, gedenkt an eure Sterbestunde!

JÖRAN
heftig.
Ist sie schon da, daß du mir gleich dem Priester sprichst?
RICHERS
steht auf – nach einer Pause.
Sie ist euch nahe –
JÖRAN.
Wie?
RICHERS.
Wenn ihr unschuldig Blut vergießt, wenn Mitleid und Erbarmen fern von euch sind, ist sie euch nah' –
JÖRAN
will ab.
Ha –
RICHERS
hält ihn und sagt mit durchdringendem Blick.

Bewahrt eure Seele vor Mord, bebt vor dem neuen gräßlichen Verbrechen, das ihr den alten zugesellen wollt, zurück – sonst – denkt an eure Sterbestunde! Schnell ab.

JÖRAN
allein, sieht ihm erstaunt nach.

Was war das? Der Wurm darf sich nur krümmen, und dieser droht – droht mir? Läge mir nicht viel daran, in diesem Augenblick das Aufsehen zu verhüten, du solltest sehen, daß Jöran auch sein eigen Blut vergießen kann, und deines braus't so wild, so heftig in den Adern, daß es mit Ungestüm mich mahnt, ihm Luft zu machen. So offen darf er sich nicht ungestraft als meinen Feind erklären.[67] – Unsinniger! glaubst du, der Knabe, der sich mir entgegen stellt, hemme meinen Weg? er nöthige mich, nur eine Spanne breit zu weichen? Zertreten wirst du, über deinen Leichnam schreite ich zum Ziel.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Braske. Jöran.

JÖRAN
geht ihm entgegen.
Wir sind die ersten, Herr geheimer Rath, gleicher Eifer trieb uns her.
BRASKE.
Doch verschieden war die Absicht.
JÖRAN.
Wie meint ihr das?
BRASKE.
Ihr eilt, weil ihr des Angeklagten Unglück nicht erwarten könnt, ich, weil ich es verhü ten möchte.
JÖRAN.
Traut ihr mir nicht dasselbe zu?
BRASKE
sieht ihn an.
Dasselbe, was ich mir zutraue? – nein.
JÖRAN.

Nicht nach Laune, nach Gerechtig keit richtet man in Schweden; es ist der Wille Seiner Majestät, sie auf's genaueste Hand zu haben.

BRASKE.
In manchen Fällen – ja.
JÖRAN.
Ich dächte – immer.
BRASKE.
Nachdem es dem Könige Sieht ihn an. und seinen Räthen frommt.
JÖRAN
gereitzt.
Braske! ihr redet euch noch um den Kopf.
BRASKE.
Wenn ich die Wahrheit sage? und ihr redet von Gerechtigkeit in Schweden?
[68]
JÖRAN.
Ein Glück, daß ich es, und kein Anderer gehört.
BRASKE.
Ich meine, der Gefährlichste hat es vernommen.
JÖRAN
geht auf ihn zu, reicht ihm heuchlerisch die Hand.
Freund! –
BRASKE
weicht aus.
Zu keinem Titel kam ich je so unverdient, wie zu dem eures Freundes.
JÖRAN.
Ihr wollt es nicht seyn –
BRASKE.
Ich kann nicht.
JÖRAN
geht von ihm.
Eigensinniger Mann –
BRASKE.

Ja, eignen Sinn habt ihr schon oft bey mir gefunden. Ihr wißt, wir beyde gehen nicht einen Weg; auf meinem wuchs mir manche Blume, und viele gute Menschen reichten mir die Hand. Ihr geht durch wüste, freudenlose Steppen, und trefft zuweilen nur ein Raubthier an, das euch nichts thut, weil es dem Menschen nur gefährlich ist.

JÖRAN
heftig.
Braske! –
BRASKE
fährt fort.

Da ihr mir heute nun so fein, so honigsüß entgegen kommt, so meine ich fast, ihr möchtet mich für etwas stimmen.

JÖRAN.
Dann wäre es sicher nur für die gerechte, gute Sache.
BRASKE.

Für die war ich noch nie verstimmt, doch ihr habt manchen Mißton euch zu Schulden kommen lassen. Wenn bey der Wage der Gerechtigkeit die Schuldenschale euch nicht tief genug hinunter sinkt, rasch werft ihr eine Sünde mehr hinein. Die Last erleichtern sah ich euch noch nie.

[69]
JÖRAN.
Ihr tadelt mich, weil ich nicht durch die Finger sehe?
BRASKE.

Gott bewahre mich vor solchem Frevel. Ganz Schweden weiß, daß bey euch manche Diebe ungestraft entrinnen.

JÖRAN
heftig.
Braske, ich fordre euch auf, mir solches zu beweisen.
BRASKE.
Leichteres hat von mir kein Mensch gefordert.
JÖRAN.
Weil euch der König duldet –
BRASKE.

So duldet ihr mich auch – das weiß ich wohl, sonst stände längst ein Mann an meiner Stelle, der des Günstlings Ja und Nein maschinenmäßig wiederhohlte. Ich spreche Recht, und scheue niemand, indeß mich mancher scheut.

JÖRAN.
Der König hat mir aufgetragen, euch zu sagen, daß ihr den heutigen Fall genau erwägen sollt, ob –
BRASKE
schnell.
Ob sich ein Mittel zu seines Bruders Rettung fände?
JÖRAN.
Er will ihn streng nach dem Gesetze richten, wie den geringsten Schweden.
BRASKE
nach einer Pause.
Dann hat der geringste Schwede das vor dem Königssohn voraus, daß ihn nicht sein Bruder richtet.
JÖRAN.
Des Königs und des Landes Sicherheit fordert –
BRASKE.

Johanns Tod? Legt mir nur auf die Zunge, was ich sprechen soll, und hohlt dann eure eigne Meinung wieder ab, so bald ihr deß benöthigt seyd. Sieht sich um. Der Rath versammelt sich – ich wollte wetten, daß [70] alle diese Körper heute nur einen, nur euren Willen haben. Oder sind eure Uhren noch nicht aufgezogen? Gebt ja Acht, daß sie euch zur rechten Stunde schlagen.

JÖRAN.
Braske, diese Sprache habt ihr euch noch nie erlaubt.
BRASKE.

Die Ehre Schwedens stand nie auf dem Spiel. – Der über Könige richten will, muß die Stimme nicht scheuen dürfen, die ihn richtet. Jöran! fremde Völker werden unsern heutigen Rathschluß hören, und ich fürchte, sie werden nicht den Be klagten, sie werden seine Richter als Schuldige verdammen.

4. Auftritt
Vierter Auftritt
Acht Räthe haben sich unter den letzten Reden versammelt. Braske und Jöran.
Jöran gibt ein Zeichen, sie setzen sich an einen Tisch, der einen halben Mond bildet. Jöran sitzt an einem, Braske an dem andern Ende. Nach einer Pause fängt Jöran an zu reden.

JÖRAN
Edle Schweden! ihr wißt, warum wir hier versammelt sind.

– Ein Fall, der die Natur aus ihrem Gleise drängt, hat sich ergeben. Ein Bruder trachtet nach seines Bruders Thron und Leben; reitzt Fremde auf, sich seiner schlechten Sache anzunehmen, bewaffnet ihn aus seinem Kerker zu befreyen, indem ihn Sorge für des Reiches Wohl gefangen hält. Wenn nun nachbarliche Mächte seine Sache zu ihrer eignen machen, so werden bald des Reiches hoffnungsvolle Söhne dem Feind entgegen ziehen, der sich verheerend unsern Grenzen naht. Aufruhr und Zwietracht wird im Innern wüthen, und [71] bald wird Schweden nur ein großes Grab. Doch Gott, der Staaten schützt, steht an der Seite der Gesalbten, er hat dieß Unglück von uns abgewendet; die Briefe, die der Zwietracht Seuche in fremde Länder bringen sollten, sind in unsrer Hand. Gibt ihnen die Briefe. Les't –

BRASKE.

Wahrlich – eure weise Einleitung macht diese edlen Herren nicht verlegen, was sie von dem allen denken, und wie sie darüber richten sollen. Laßt bey Gericht die simple Sache sprechen, gebt ihr nicht Farben, die euch wohlgefallen, vernehmt ob diesen Briefen den Beklagten.

EINIGE RÄTHE.
Ja, man muß ihn hören.
EINER
allein.
Das ist Hochverrath –
EINIGE.
Was kann er noch dagegen sagen?
BRASKE.

VIEL. für den Richter, der nicht unbedingt verdammen will; der sein Gewissen erst zu Rathe zieht. Herr Reichskanzler – laßt ihn kommen.

JÖRAN
gibt dem an der Thüre stehenden Rathsdiener einen Wink.
Er komme.
RATHSDIENER
ab.
BRASKE
steht feyerlich auf.

Laßt uns in dieser Zwischenzeit das Herz zu Gott erheben, laßt uns ihn bitten, daß er uns, frey von Haß, von niedriger Leidenschaft, nur Recht und Unrecht sehen lasse. Laßt uns wie Männer richten, die jeden Augenblick vor Gott erscheinen können, keine weltliche Furcht lenke unser Urtheil; Gottesfurcht bestimme es.

JÖRAN
hat, gleich den andern, andächtig da gestanden, doch muß man seine Ungeduld dabey, aber nicht zu auffallend, bemerken.
Die Räthe setzen sich.
[72]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Die Vorigen, Johann, der Hauptmann. Die Wache bleibt vor der Thür.

JOHANN
tritt ein, sieht mit stolzer Ruhe um sich her.
Was soll ich hier?
HAUPTMANN.
Den edlen Herren Antwort geben.Ab.
JOHANN
geht vor.
JÖRAN
wendet sich nach ihm.
JOHANN
erblickt ihn.
Wie? du hier? Du noch am Ruder dieses lecken Schiffes?
JÖRAN.
Wie ihr seht, Herzog, mein Reich ist nicht vergänglich wie das eu're –
JOHANN.
O Vaterland, o arme Schweden, wie bedaure, wie beweine ich euch!
JÖRAN.
Ich möchte euch rathen, andere nicht zu beweinen, damit ihr für euch selber Thränen habt.
BRASKE.
Herr Reichskanzler – kommt zur Sache.
JÖRAN.
Johann, warum steht ihr vor Gericht?
JOHANN
nach einer Pause.

Weil ich Feinde habe, die mir das Bißchen dumpfe Kerkerluft mißgönnen, die ich seit Jahren athme; sie haben sich nach einer hingeschwelgten Nacht erinnert, daß ich nur halb gemordet bin. Wollt ihr den Nahmen dieser Feinde wissen?

JÖRAN.
Eurer Freunde, eurer Mitverbrecher.Hält ihm den Brief hin. Habt ihr das geschrieben?
JOHANN
nach einer Pause.
Ja –
JÖRAN.
Bedenkt euch wohl.
JOHANN.
Wenn Teufel warnen, sind sie ihrer Beute schon gewiß?
[73]
JÖRAN.
Ihr rühmt euch in diesen Briefen eines Anhangs.
JOHANN.
Den glaub' ich auch zu haben.
JÖRAN.
Nennt ihn uns.
JOHANN.

Alle die, die das Gefühl für Recht und Unrecht in ihrem Busen treu bewahren. Sitzt einer in des Königs Rath, der sich deß rühmen kann, so zähl ich ihn zu meinem Anhang. Doch dafür habt ihr wohl gesorgt, daß unter diesen Richtern kein gerechter sitzt.

JÖRAN.
Johann – beleidigt nicht, gebt Antwort – habt ihr das geschrieben?
JOHANN.
Ich läugne nichts, was ich gethan –
JÖRAN.
Auch nicht Hochverrath?
JOHANN
heftig.
Wer kann mich dessen zeihen?
JÖRAN.
Dieß Papier – ihr fordert fremde Mächte auf.
JOHANN.

Meine Fesseln zu zerbrechen, den Kerker mir zu öffnen, in dem man widerrechtlich, unnatürlich mich gefangen hält.

JÖRAN.
Widerrechtlich? Habt ihr es nicht gewagt, gegen euren König die Waffen zu ergreifen?
JOHANN.

Wollte er mir nicht mein väterliches Erbe entreißen? Darf ich die Pforten meines Hauses nicht bewachen? nicht feindlich dem entgegen gehen, der mich daraus verdrängen will?

JÖRAN.
Der Gnade eures königlichen Bruders hättet ihr euch unterwerfen sollen.
JOHANN.
Pfui des Mannes, der, keines Unrechts sich bewußt, bey seinem Feind um Gnade fleht.
JÖRAN.
Ihr gesteht also, daß ihr bey fremden Mächten –
[74]
JOHANN
schnell.
Das gesucht, was mir mein Blut verweigert – Freyheit –
JÖRAN.

Daß ihr sie aufgefordert, den König, euren Bruder, zu zwingen, euch in Freyheit zu setzen, euch euer Herzogthum zurück zu geben?

JOHANN.

Wehe dem König, den fremde Mächte zwingen müssen, in seinem Lande Gerechtigkeit zu üben! Weh seinem Volk, wenn er sie nicht einmahl an seinem Bruder übt!

JÖRAN.

Wehe seinem Rathe, wenn er noch ferner diese Lästerung gegen seinen König duldet! Nennt eure Mitschuldigen.

JOHANN.

Sind eure Kerker leer? seyd ihr verlegen, sie zu füllen? Geht, verhaftet alle Gutdenkende in Schweden, sie verachten euch, sie stehen auf meiner Seite.

JÖRAN.
Vergrößert nicht durch Starrsinn eure Strafe.
JOHANN.
Traut ihr mir zu, daß ich sie durch feige Bitten mildre?
JÖRAN.
Habt ihr noch etwas zu sagen?
JOHANN.
Euch – nichts.
JÖRAN
läutet, der Officier und der Rathsdiener treten ein.
Führt den Gefangenen fort.
BRASKE
steht auf.

Haltet! – Herzog – ihr seyd in Gefahr – diese Briefe zeugen wider euch; wir müssen nach den Gesetzen richten, nicht das Herz, der todte Buchstabe wird nur gefragt. Wendet euch an euren königlichen Bruder.

JOHANN.
Zahllose Briefe ließ er ohne Antwort.
BRASKE.

Vielleicht – ich sage sicher, gelangten sie nicht bis zu ihm. Versucht es noch einmahl, ich will [75] den Brief bestellen. Seht mich nicht mit solchem Mißtrauen an; wohl hat die Menschheit nur ein kleines Recht auf euer Zutrauen, laßt mich es heut vergrößern.

JÖRAN.

Ihr vergeßt wohl, Herr Geheime-Rath, daß kluge Vorsicht nicht gestattet, dem Hochverräther Schreibgeräth zu geben.

BRASKE.

Ihr habt Recht. Auch habe ich vergessen, daß man diesen Hochverräther schuldig finden, und schuldig lassen will.

JÖRAN.
Braske!
BRASKE
kalt.
Ruhig. Setzt sich. Ihr seht mich wieder auf der alten Stelle.
JOHANN.
Hatte ich Unrecht, dich mit Mißtrauen anzublicken? Unter allen diesen Larven nur ein Mensch.
JÖRAN.
Ich frage euch zum letzten Mahl, wißt ihr etwas, das euch entschuldigen kann?
JOHANN
stolz.

Entschuldigen kann sich nur der Schuldige; rein stehe ich vor Gott und Menschen. O ihr im Richteramt ergraute Männer, lehrte die Erfahrung euch nicht den Verbrecher kennen? – Ich blicke euch ruhig an, indeß mich euer Auge vermeidet. Nicht stärker klopft mein Herz, in eurem Busen muß es stürmen. Käme jetzt ein Richter, der, mit der Hand auf's Herz gelegt, den Schuldigen entdecken wollte, mich spräch' er frey, den Rath befände er schuldig.

JÖRAN.
Fort –
JOHANN.

Schweden! als Gustav Wasa's Sohn, als Finnlands Herzog rede ich zu euch. Ihr habt dem großen König sterbend angelobt, die Rechte seiner Söhne zu beschützen, stets der gerechten Sache beyzustehen. – [76] Wie habt ihr diesen Schwur erfüllt? – Ich, sein liebster Sohn, wie hat mich euer Haß verfolgt? Ihr nahmt die Freyheit mir, und strebt nach meinem Leben.

JÖRAN.
Das habt ihr verwirkt.
JOHANN.

Leidenschaftliches Insect! – ist der Faden, den dein Geifer spann, endlich lang genug, den Königssohn darin zu fangen? O fürchte nicht, daß ich dir zu entfliehen trachte; ruft ihr das Verderben selber über euer Haupt, so komme es auch mit seinem gräßlichen Gefolge. Vergießt mein Blut, zerreißt die Bande der Natur – gebt der Welt ein Beyspiel unerhörter Grausamkeit. Wenn der Bruder seinen Bruder schlachtet, wenn solchen Gräul der König selbst verübt, dann lös't sich jedes Band der Tugend bey dem Volke. Dann würgen Söhne die ergrauten Väter, Mütter ihre neugebornen Kinder, verbrecherisch umarmt der Bruder seine Schwester. Blutschänderisch tritt dann aus des Lasters Pfuhl ein neues Volk hervor, eines solchen Königs, eines solchen Rathes würdig.

JÖRAN.
Unerhört! – so spricht der Verbrecher mit dem Richter?
JOHANN.
Gott sey der Richter zwischen mir und meinem Bruder, ihr könnt mich morden, aber richten nicht.
JÖRAN
zum Officier.
Bringt ihn fort –
JOHANN
geht zu Braske, reicht ihm die Hand.

Es that mir wohl, die Stimme eines Menschen hier zu hören. Einzeln, wie ein Fruchtbaum in der Wüste, von höherer Hand dahin gepflanzt, stehst du auf diesem lasterhaften Boden. Hoch ragt dein Haupt empor, der Schierling, [77] der zu deinen Füßen wächst, hat deine Säfte nicht vergiftet. – Greis! – dein weißes Haupt erinnert mich an meinen Vater, mir war, als ob er spräche, als sey er für die Rettung seines Sohnes dem Grab entstiegen. Ich bin beraubt, habe nichts; Gustavs Sohn steht ärmer als ein Bettler vor dir, nichts blieb ihm, womit er treue Liebe lohnen kann, als dieser Händedruck und diese Thräne. Gott lasse dich sanft hinüber gehen, dieß ist der Tugendhaften Heimath nicht – dort sehen wir uns wieder. Ab.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Die Vorigen, ohne Johann.

JÖRAN.

Welch neue Verbrechen! – so schimpflich behandelt er des Königs Rath. Wenn der Gefangene Johann droht, müßte man nicht vor dem Freygelassenen zittern? Uns ist des Landes Wohlfahrt anvertraut – wer das Reich und seinen König liebt, der schwanke nicht, das Urtheil schnell zu fällen, das dem Staate Frieden, dem König seine Ruhe wieder gibt. Er faßt schnell die Feder. Er sterbe.

EIN RATH.
Ich stimme auf ewiges Gefängniß.
JÖRAN.

Damit sich Frankreich und Dänemark bewaffne, ihn zu befreyen? Sein Leben bringt dem Staate Verderben, sein Tod wendet jedes Unheil von uns ab. Der Zaar verlangt die Herzoginn zum Weibe; das verräth des Staates Schwäche, wenn wir das Eheweib eines königlichen Prinzen auf Rußlands ungestüme [78] Forderungen überliefern. Thun wir es nicht, so steht ein Heer bereit in Finnland einzufallen. Reis't sie als Witwe zu dem neuen Gatten, wohl uns; gerettet ist dann Schwedens Ehre, im Frieden leben seine Völker.

MEHRERE RÄTHE.
Er sterbe.
JÖRAN
unterschreibt.

Er sterbe. – Der Gefangene erregt Mitleid, das Mitleid schafft Schwärmer, die ihn zu befreyen streben – der Todte wird vergessen. Die Räthe unterschreiben alle. Nach einer Pause zu Braske. Nun edler Herr – ihr habt wohl eure eigne Meinung, euch, den kein Gold besticht, hat seine Schmeicheley bestochen.

BRASKE
sieht ihn einen Augenblick an, dann greift er rasch nach dem Bogen und unterschreibt nach kurzem Bedenken.
JÖRAN
zweifelhaft für sich.
Er unterschreibt.
BRASKE
gibt ihm den Bogen.
JÖRAN
liest freudig überrascht.

Tod! einstimmig alle – – mit Tages Anbruch sterbe er auf dem Schaffot. Zu einem von den Räthen. Eilt mit dem Urtheil zu dem König.

BRASKE
steht auf.
Haltet! der Gang ist an mir.Nimmt ihm das Papier ab.
JÖRAN.
Wie? ihr selbst? Braske, das ist gegen alle hergebrachte Form.
BRASKE.

Was die Form von mir gefordert, habe ich gethan. Das Gesetz spricht Tod, seht her, der Richter hat das Seinige gethan. Was ich als Mensch noch von dem Menschen, von dem Bruder fordern kann, das soll mir keine Form, am wenigsten ihr, die Form nur eines Menschen sollt mir das verbiethen. Ab.

JÖRAN
für sich.

Noch nicht am Ende! – doch er [79] mag gehen, er mag sein Heil versuchen, was auch des Königs Mitleid in einem schwachen Augenblick gewährt, ich reitze seine Furcht, er nimmt es schnell zurück. Laut zu einigen Räthen. Kündigt dem Gefangenen sein Urtheil an; Für sich. daß es schnell und gewiß vollzogen werde – sey meine Sorge. Alle ab.

7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Vorzimmer der Königinn. Wolowsky kommt seitwärts mit einem Pagen.

PAGE.
Ich sage es noch einmahl, die Königinn ist beschäftigt, kann niemand sprechen.
WOLOWSKY.
Sagt nur, ich bäthe dringend.
PAGE.
Sie ist nicht allein; auch naht die Stunde, wo sie bethet.
WOLOWSKY.
Zu einer guten That ruf ich sie ab, Gott wird die Störung gern verzeihen.
PAGE.
Ich will's versuchen. Ab.
WOLOWSKY.

Man läßt mich nicht zum König, Johanns Feinde bewachen ihn, daß ihn kein menschliches Gefühl beschleiche. Alter Thor! auch hier wohnt seine Feindinn, und du klopfst an ihrer Thüre an – doch – sie ehrt Gott – der Page sagte ja, es naht die Stunde, wo sie bethet. Wenn wahre Andacht, nicht Gewohnheit ihre Knie beugt, wenn sie zu Gott mit wahrer Reue um Vergebung ihrer Sünden fleht, so wird sie andern auch vergeben.

PAGE.
Die Königinn. Auf der andern Seite ab.
[80]
WOLOWSKY.

Sie kommt! Ruhig, ruhig altes Herz, klopfe nicht so heftig; besonnen muß ich handeln, alle Worte wägen, nicht bestürmen; beschlei chen muß ich ihren Haß; sie kommt – Wie? von geringer Abkunft wäre sie? das gemeine Äußere hätte sich so bald verwischt – die niedrige Seele wäre ihr nur geblieben?

8. Auftritt
Achter Auftritt
Die Königinn mit zwey Frauen, Wolowsky.

KÖNIGINN.
Ihr wollt mich sprechen?
WOLOWSKY
unterdrückt.
Eure Majestät –
KÖNIGINN.
Es sey dringend, sagte mir der Page.
WOLOWSKY.

Ich bitte Eure Majestät, mir diese Freyheit zu verzeihen. Ich weiß, daß ich erst förmlich um ein gnädige Audienz – allein, die Noth kam hier dem Hofgebrauch zuvor.

KÖNIGINN.
Ihr seyd bewegt, ihr zittert – sprecht schnell, was kann ich für euch thun?
WOLOWSKY.
O gnädigste Frau, gestattet, daß ich ohne Zeugen –
KÖNIGINN
winkt den Frauen, sie entfernen sich.
Wir sind allein.
WOLOWSKY.

Viel hat die Königinn schon für den fremden Mann gethan – wird sich ihr Auge von mir wenden, wenn ich es wage –

KÖNIGINN.
Sprecht.
WOLOWSKY
fürchtend.
Für die Verwandten sie um Schutz zu flehen?
[81]
KÖNIGINN
ahnend.
Für die Verwandten?
WOLOWSKY.

Schwarz hängt der Himmel über diesem Lande – bald – bald hüllt es sich in einen Trauerflor, nur eure Hand vermag ihn wegzuziehen. O säumt nicht gnädigste Frau, Dringend. säumt nicht, es wird zu spät.

KÖNIGINN.
O Gott! Wendet sich weg.
WOLOWSKY.

Johann, der Bruder eures Gatten, ein Sprößling aus dem königlichen Stamme, er stirbt – o Gott – er stirbt auf dem Schaffot.

KÖNIGINN
für sich.
Allmächtiger!
WOLOWSKY.

Seine Gattinn, meines Königs Tochter, sie überlebt ihn nicht. Dasselbe Beil, das ihren Gatten tödtet, trifft auch sie – Sieht ängstlich aufmerksam auf die Königinn und sagt schonend mit Beziehung auf sie. Man sagt, er habe mächtige Feinde an diesem Hofe, sie umstricken des Königs Herz, verschließen es der Stimme der Natur. – Vielleicht, vielleicht drückt ihn auch eigne Schuld, vielleicht hat er gefehlt, aber, verzeihen ist ja so himmlisch süß, dem im Staub getretenen hülfreiche Hand zu biethen, ist doppelt groß, wenn er uns einst beleidigt hat.

KÖNIGINN.
Johanns Feind ist unversehnlich.
WOLOWSKY
mit Angst.

Das verhüte Gott. Möge er an seine letzte Stunde denken, wie will er dort Vergebung seiner Sünden hoffen, wenn er hier nicht vergibt? O gnädigste Frau, ich komme aus seinem Kerker – was er auch gethan, in jenem schrecklichen Gewölbe hat er streng gebüßt. Erbarmt euch des Verfolgten, nehmt ihn in euren Schutz.

KÖNIGINN
mit Wehmuth.
Was kann ich für ihn thun?
[82]
WOLOWSKY.

Alles, alles; – ich wollte zu dem König, man ließ mich nicht zu ihm, euch ist der Weg zu ihm, euch ist sein Herz offen! bestürmt es, flehet, bittet, tretet, wie ein Engel, friedlich zwischen die getrennten Herzen, vereinigt sie, verscheucht die Furien des Hasses, winket der Liebe – der Versöhnung.

KÖNIGINN
seufzend.

Umsonst – Ericks Furcht, durch Johanns Anhang Reich und Krone zu verlieren, macht es seinen Feinden leicht, ihn zu verderben, und mir unmöglich, ihn zu retten.

WOLOWSKY
flehend.
O Königinn – wagt den Versuch.
KÖNIGINN.

Glaubt ihr, ein Fremder müsse mich an meine Pflicht erst mahnen? mich triebe nicht das eigne Herz, von dem Gemahl die Schande, und die gewisse späte Reue abzuwenden? – Ich lag im Staub vor ihm, ich warf mich überall ihm in seinen Weg, ich flehte, weinte, jammerte, benetzte seine Hand mit meinen Thränen – es gilt mein eigen Leben, sprach er kalt; wer ferner für ihn bittet, will meinen Tod. – Das Wort erstarb auf meinen Lippen, nur Thränen hatte ich noch, das Unglück unsres Hauses zu beweinen.

WOLOWSKY.

Wie? das habt ihr gethan? ihr Königinn? Wie? so gehört ihr nicht zu seinen Feinden? ihr haßt ihn, ihr verfolgt ihn nicht?

KÖNIGINN.
Alter Mann –
WOLOWSKY.

Nein – nein – Mitleid und Erbarmen ist in diesen Zügen – ihr haßt nicht – ihr habt es längst vergessen, daß Johann euch beleidigt hat.

KÖNIGINN.
Johann hat mich nie beleidigt, und wäre es auch, Marie rächt sich nie.
[83]
WOLOWSKY.

O guter Gott! verzeih' mir alten Mann die Sünde, daß ich nur einen Augenblick an diesem Herzen zweifeln konnte. Johann – Catharina – ihr seyd im Irrthum, geht nicht, den Fluch im Herzen über euren Engel, aus der Welt.

KÖNIGINN
bewegt.
Sie fluchen mir? mir?
WOLOWSKY.

Ihr habt umsonst gefleht? zu seinen Füßen sah er die geliebte Gattinn, hart blieb sein Herz? o dann ist Johann nicht zu retten! dann steht Brudermord unwiederruflich fest in seiner Seele; dann fort mit ihr aus diesem Lande, fort – Will gehen.

KÖNIGINN.
Wo wollt ihr hin?
WOLOWSKY.

Die Gattinn aus den unglückseligen Armen reißen, daß nicht die Henkersknechte sie entweihen. Ach! ihr wißt nicht – er ist Vater – ein hoffnungsvoller Knabe weint ihm nach. – O gnädigste Frau! seht mich zu euren Füßen, erbarmt euch seines Weibes, seines Kindes, nehmt tröstend sie in eure Arme, laßt sie nicht von euch, bis der Unglücksschlag geschehen.

KÖNIGINN.

Alter Mann! muß ich dir wieder sagen, daß ich mich zu keiner Pflicht erst mahnen lasse? Was du verlangst, was ich thun konnte, ist geschehen. Sie zieht im Hintergrund an einem Vorhang. Blick um dich!

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Catharina, Siegmund, die Vorigen.
Man erblickt Catharina ohnmächtig auf einem Ruhebette, die Frauen der Königinn sind um sie beschäftigt.

WOLOWSKY
schreyt, wie er sie erblickt.
Catharina! – Gott! –
[84]
KÖNIGINN.
Seit einer Stunde liegt sie ohne Leben.
WOLOWSKY
stürzt hin und faßt sie bey der Hand.
Catharina –
CATHARINA
bewegt sich.
KÖNIGINN.
Sie bewegt sich, sie athmet wieder.
CATHARINA
richtet sich auf, sagt schwach.
Wer ruft? Erschrickt, wie sie Wolowsky sieht. Wer bist du?
WOLOWSKY
mit Thranen.
Gort! sie kennt mich nicht.
CATHARINA
sieht ihn an.

Ich sollte dich wohl kennen. Zieht mir den Schleyer von den Augen – so – ja – ja ich kenne dich, du warst dabey, wie ich –Erkennt ihn. du bist Wolowsky!

WOLOWSKY.
Gott!
CATHARINA
blickt um sich.

Wo sind wir? wer sind die Frauen? habe ich denn meinen Hofstaat wieder? Steht auf, scheint sich zu erinnern, schnell zu Wolowsky. Wolowsky, du wolltest Hülfe bringen – ja – so war es, du versprachst sie mir.

WOLOWSKY.
Erhohlt euch – ihr seyd schwach.
CATHARINA.
Nein, nein, ich bin nicht schwach – sprich nur, sprich schnell, sind wir gerettet?
WOLOWSKY.
Ach! –
CATHARINA.

Du blickst dich ängstlich um? Komm, folge mir in jene Ecke, dort wird uns niemand hören – nun sprich – Ängstlich dringend. Sind wir gerettet? ist Johann frey?

WOLOWSKY
wehmüthig.
Er wird es werden – bald lösen sich die Fesseln.
CATHARINA.

Er wird frey? frey! O laßt mich hin zu ihm! Die Frauen halten sie auf. Laßt mich doch fort, er wird mich längst vermissen, wir waren nie getrennt. Ich hohle [85] ihn aus seinem finstern Gewölbe, ich führe ihn in Gottes freye Luft – o laßt mich fort, er wird mich suchen.

KÖNIGINN
tritt zu ihr, nimmt sie in ihre Arme.
Bleibt bey mir, ihr könnt ihn jetzt nicht sprechen.
CATHARINA
sieht sie finster an.

Wer seyd ihr? ein Diadem schmückt eure Stirne? o dann schlägt kein Herz in eurem Busen. Ich trug es auch, ich warf es weg. Greift nach dem Kinde und zeigt ihm furchtsam die Königinn. Siegmund! sieh, so sehen die aus, die uns verfolgen.

WOLOWSKY.
Verzeiht ihr, Königinn!
CATHARINA
erschrickt.

Königinn? – Verbergt mich, laßt mich fort! sie haßt mich! – Wolowsky! bringe doch mein Kind in Sicherheit, sie wird es mir entreißen! – O seyd barmherzig! er ist mein Alles, ich habe nichts als ihn. Fällt, das Kind beschützend, auf die Knie.

KÖNIGINN.
Unglückliche! – bald sollst du mich erkennen. Schnell ab.
CATHARINA
sieht ihr nach.

Sie geht, dort sah ich sie verschwinden – sie geht zu ihm – Springt auf. o eilt ihr nach, sie beschleunigt Johanns Tod – Wolowsky, drohe doch! Mein Vater ist ein König, und er hat Krieger, Waffen, und Gott hat Blitze, die er auf die Verruchten schleudert. Blickt gen Himmel. Will keiner Treffen?

WOLOWSKY
nimmt sie bey der Hand.
Kommt zu euch selbst.
CATHARINA.

Will keiner treffen? jetzt, jetzt – der Himmel öffnet sich, es fällt ein Feuerregen; weg mit den Funken, Flammen müssen diese Welt verzehren. Jetzt speyt die Hölle ihr verzehrend Feuer, die Winde heulen, zerstörend naht der Sturm, die Ströme treten aus den [86] Ufern – alle Elemente müssen wüthen, dann hört der Mensch zu wüthen auf.

WOLOWSKY.
Gott! Ringt die Hände. Gott –
CATHARINA.

Jetzt wird es still – fort sind die Würger, die Fluth hat sie hinweggespühlt. Leise. Johann! tritt hervor aus deiner Höhle, sie sind fort; der Aufruhr ist gestillt, der Engel Gottes winket Ruhe. Sie erblickt die Königinn, welche sich in einem langen weißen Gewande verschleyert naht. Allmächtiger Gott! Pause, dann sagt sie bebend. Seht hin! seht hin! da schwebt sie her, die göttliche Gestalt – so sah ich sie, so nahte sie sich meinem Schmerzenlager, so gab sie mir die Hand.

KÖNIGINN
sanft.
Catharina – du brauchst Hülfe –
CATHARINA.
Es ist ihr Ton – es sind dieselben Worte – sie ist's – du bist's, du bist's. Fällt vor ihr nieder.
KÖNIGINN
wirft den Schleyer zurück und reißt sie an sich.
In meine Arme, an mein Herz!
CATHARINA
sieht sie forschend an.

So bist du wirklich eine Sterbliche? Fühlt an ihr Herz. Ja, ja, hier schlägt es, wie bey mir – aus deinen Augen brechen Thränen, du bist ein Mensch, denn du fühlst Mitleid und Erbarmen. Fällt ihr um den Hals.

KÖNIGINN.
O könnte ich mehr, als deine Leiden fühlen, könnte ich helfen.
CATHARINA
vertraut.

Mir ist geholfen, er wird frey – ich fliehe dann mit ihm in öde Wälder, ich will ihn schon verbergen, sie sollen ihn nicht finden. Nimmt ängstlich Siegmund bey der Hand. Rette mir nur den Knaben, verhülle ihn mit deinem Schleyer – der König weiß nicht, daß ich ihn geboren – sieht er ihn, so läßt er ihn [87] ermorden. Sie verhüllt den Knaben mit einem Theil des Schleyers der Königinn. So laß uns durch die Wachen gehen, sie werden ihn nicht sehen. Bittend zu den Frauen. Ihr müßt es niemand sagen, daß ich Mutter bin; ihr müßt mir auch nicht folgen, das erregt Verdacht.Zur Königinn. Nur du verlaß mich nicht – sey meines Kindes Mutter, wenn ich nicht mehr bin.Pause. So – jetzt sind wir an der Pforte – man hält uns auf – warum ruft ihr zurück? was soll der lange feyerliche Zug? Die Glocken tönen dumpf – die Priester bethen, die Kerzen flackern, jetzt kommt der Sarg – wie – kein Weinender begleitet ihn? kein Kind, kein Weib folgt ihm zum Grabe? – Hebt den Deckel auf – ich will den Todten sehen. Befehlend. Den Deckel weg! sag' ich – wer war der Todte? Schaudernd. Er ist ohne Haupt – dort liegt, dort zuckt es. Schreyt. Johann! Stürzt dann zusammen.

WOLOWSKY.
O Jammer!
KÖNIGINN.

Bringt sie zu sich, laßt sie nicht allein – ich kehre bald zurück. Vielleicht – Für sich. Gott! Gott! ein dämmernd Licht erblicke ich in weiter Ferne, verlösche nicht den schwachen Schimmer – laß mich es erreichen, laß mich der Engel ihrer Rettung seyn.


Ende des vierten Aufzugs.

[88]

5. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Saal im Pallast. Der Kammerherr, dann der König.

KÖNIG
tritt rasch aus seinem Zimmer.
Wer sprach hier?
KAMMERHERR.
Niemand, Eure Majestät.
KÖNIG.
Es war mir doch, als hörte ich sprechen.
KAMMERHERR.
Ich bin, und war allein.
KÖNIG
fährt zusammen.
Horch, welch Geräusch an jener Thüre.
KAMMERHERR
nach einer Pause.
Ich höre nichts.
KÖNIG.
Öffne!
KAMMERHERR
geht hin, öffnet.
Das Gemach ist leer.
KÖNIG.
Ruft mir den Hauptmann von der Wache.
KAMMERHERR.
Sogleich. Durch die Mitte ab.
KÖNIG
allein.

Ich kann in dieser Angst nicht länger leben. Ich will mir Ruhe schaffen, will den Thron mir sichern, gälte es auch tausend Leben.

2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Hauptmann, der König.

KÖNIG.
Sind die Wachen verdoppelt?
HAUPTMANN.
Ja, Eure Majestät.
[89]
KÖNIG.
Jeder Zugang zu dem Pallast besetzt?
HAUPTMANN.
Nach Eurer Majestät Befehl.
KÖNIG.
Seyd auf eurer Hut, Hauptmann.
HAUPTMANN.
Ich war nie lässig in Erfüllung meiner Pflicht.
KÖNIG.
Wie beträgt sich das Volk?
HAUPTMANN.
Es ist ruhig.
KÖNIG.

Traut dieser Ruhe nicht; des Volkes Schweigen ist oft gefährlicher als sein Geschrey. Nach einer Pause. Hört ihr nicht? Tumult im Schloßhof! eilt zu den Wachen.

HAUPTMANN
tritt an's Fenster.
Mein gnädigster Herr! – es herrschet Todesstille.
KÖNIG.
Ja – todt – todt, dann wird es besser. Geht an's Fenster. Was schleicht dort um die Ecke?
HAUPTMANN.
Ein alter blinder Bettler – er kommt täglich.
KÖNIG
schnell.
Nehmt ihn gefangen.
HAUPTMANN.
Wie, gnädigster Herr?
KÖNIG.
Dergleichen Leute sind oft die Führer gräßlicher Complotte.
HAUPTMANN.
Der alte blinde Mann?
KÖNIG
heftig.
Nehmt ihn gefangen, der Augenblick erfordert jede Vorsicht.
HAUPTMANN.
Ich gehorche. Will ab.
KÖNIG.
Hauptmann!
HAUPTMANN
kommt zurück.
Mein König!
KÖNIG.

Habt ihr ihn rein befunden, so laßt ihn nach drey Tagen wieder frey, und gebt ihm dieß. Gibt ihm einen Beutel mit Geld.

[90]
HAUPTMANN
fröhlich.
Er bethe für Eure Majestät.Ab.
KÖNIG
allein.

Er bethe – habe ich bey Gott des Bettlers Stimme nöthig? ich ein König? was nützt mir ein Gebeth, das ich mit Gold erkaufe? Aus eigner Brust, die eigne Stimme rufe es himmelan, dann dringt es zu den Ohren des Erlösers – ich kann nicht bethen – o daß ich mich sammeln, daß ich wieder bethen könnte! mir würde besser werden.

3. Auftritt
Dritter Auftritt
Der Kammerherr, dann Braske, der König.

KAMMERHERR.
Geheime Rath Braske bittet um Gehör.
KÖNIG.
Braske? Nach einer Pause. Er komme!
KAMMERHERR
ab.
KÖNIG
allein.

Warum stieg mir bey diesem Nahmen gähe Röthe in's Gesicht? warum wird mir jetzt plötzlich kalt? Braske ist ein edler Mann, sollte ich den Anblick eines guten Menschen nicht ertragen können? Langsam. Er saß mit bey Gericht – er bringt vielleicht – o Gott –

BRASKE
tritt ernst und feyerlich ein.
KÖNIG
nach einer Pause.
Willkommen Braske!
BRASKE
kommt langsam näher.
Ich hoffe nicht, daß ich heute Eurer Majestät willkommen bin.
KÖNIG
unruhig.
Führt dich ein eigen, oder fremd Geschäft zu mir?
BRASKE.
Das eurige, mein König, das ich stets zu dem meinen mache.
KÖNIG
mit unterdrückter Stimme.
Rede!
[91]
BRASKE.
Ich komme aus dem geheimen Rath.
KÖNIG
wie vorhin.
Ist – ist er geendigt?
BRASKE
nach einer Pause.
Ich bringe Eure Majestät den Rathsbeschluß. Hält ihm das Papier hin.
KÖNIG
fängt an zu zittern, wird blaß, will es endlich nehmen, kann nicht, zieht die Hand zurück, und sagt gepreßt.
Legt hin –
BRASKE
geht zu dem Tische, an dem der König steht, legt das Papier hin und geht an seine vorige Stelle.
KÖNIG
sucht sich zu fassen.
Warum sprecht ihr nicht?
BRASKE.
Ich möchte den nicht gerne stören, der jetzt mit euch spricht.
KÖNIG.
Wer spricht mit mir?
BRASKE.
Gott, durch das Gewissen.
KÖNIG
etwas heftig.
Braske –
BRASKE
fest.

Gott, durch das Gewissen – hört es gnädigster Herr! es wird euch in dieser Sache sichrer leiten, als eure Räthe.

KÖNIG.
Was – was beschloß der Rath?
BRASKE
nach einer Pause.
Tod.
KÖNIG
wiederhohlt dumpf.

Tod. Geht einige Schritte, bleibt dann stehen und sagt entschlossen. Schwedens Wohlfahrt will ein Opfer – es falle!

BRASKE.

O König – täuscht euch nicht! Gustav's Wasa's königliches Blut, auf dem Schaffot vergossen, sollte Schweden Segen bringen? dem Lande bringt es Fluch, euch späte, blutige Reue.

KÖNIG.

Soll ich die Schlange ferner in dem Busen wärmen? unter Meuterey und Aufruhr täglich für mein [92] Leben zittern, vom Schlaf aufschrecken, ob sich nicht ein Mörder meinem Lager naht?

BRASKE.

Ihr wollt mit seinem Tod euch Ruhe erkaufen? o gnädigster Herr, wie weit seyd ihr vom Ziel! Was stört jetzt eure Ruhe? die Feinde, die euch Johanns Gefangenschaft erwarb? setzt ihn in Freyheit, und sie werden eure Freunde. Gebt ihm sein Herzogthum zurück, laßt ihn darinnen nach Gefallen schalten. Schwedens Ruhe wird dann nicht gefährdet, und kein Meuchelmörder strebt nach eurem Leben. Doch, fließt sein Blut, dann fürchtet seine Rächer. Tausend Stimmen werden schreyen, tausend Arme sich bewaffnen – sein blutiger Schatten geht vor ihnen her, zeigt seine Wunden, entflammt mit Mordlust Greise, Weiber, Kinder. Euch jagt Gewissensangst und Furcht vom väterlichen Boden, doch, wo ihr seyd, folgt euch sein Geist. Den Schlaf scheucht er vom müden Auge, läßt euch nicht ruhen in der Gattinn Arm – Auch wachend, unter tausend lebenden Gestalten, ihr seht den Todten nur, die ganze Schöpfung ist für euch dahin gestorben, euch lebt nur der, den ihr gemordet habt.

KÖNIG
in heftiger Bewegung.

Fort, Teufel! nimm mir nicht die letzte Hoffnung, Ruhe zu erkaufen.Reißt das Papier auf, starrt es an. Tod – so viele Lebende hier stehen, so oft steht Tod. Sieht Braske an. Und Tod steht auch bey deinem Nahmen.

BRASKE.
Dort steht der Richter – hier, der Mensch.
KÖNIG
greift nach der Feder.
Ich trenne, so wie du, den Richter von dem Menschen, und – Will schreiben.
BRASKE
schnell.
Auch den Bruder von dem König?
[93]
KÖNIG
läßt die Feder sinken.
BRASKE.

Seht – seht – es bebt die Hand. Das eigne Blut wollt ihr vergießen, die Natur empört sich schon bey diesem gräßlichen Gedanken, und doch seyd ihr begierig nach der That? Soll euch die Welt als einen Nero hassen, soll sie den Todten als einen Heiligen, als einen Märtyrer verehren, soll sie den Lebenden verfluchen?

KÖNIG
springt auf.
Braske –
BRASKE.

Verfluchen! ja, König! – Fremd ist eurem Ohr die Sprache, doch unerhörte Thaten fordern nie gehörte Worte, und dulden nicht die Schranken weiser Mäßigung. Zu den hervorstrebenden Gestalten nimmt der Mahler grellere Farben, und diese That, nennt sie, bedeckt sie, wie ihr wollt, sie steht im Vordergrunde eures Lebens, und deckt dem Auge all das Gute, was ihr gethan. Der Rath verdammte, doch Schande treffe den, der glauben konnte, das Urtheil würde auch vollzogen werden. Wessen Nahme fehlt? der Bruder – wird der unterschreiben? Bey welchem eurer Unterthanen laßt ihr Gnade für Recht ergehen, wenn ihr diese schöne Fürstentugend nicht an eurem Bruder übt?

KÖNIG.
Er ist mein größter Feind.
BRASKE.

Groß ist es, seinen Feinden zu verzeihen, klein wäre es, an dem Bruder sich zu rächen. Zeigt ihm das Urtheil und vernichtet es vor seinen Augen, er sehe, daß er von nun an jeden Athemzug euch dankt, das Licht des Tages nicht mehr gesehen hätte – und dankbar wird er eure Knie umfassen, bereuen wird er jeden raschen Schritt, eure Herzen, die schwarze Bosheit trennte, werden wieder friedlich an einander schlagen. Für Schweden[94] geht dann eine neue Sonne auf, der Friede und die Eintracht auf dem Throne bringt Segen jeder Hütte; verjährte Feinde reichen sich die Hände, und heben bethend sie für ihrer Fürsten Wohl empor. O Fürst! könnt ihr an Blut und Mord noch denken, wenn ihr dieß Bild gesehen habt?

KÖNIG
bewegt.
Was willst du aus mir machen?
BRASKE.
Einen glücklichen Menschen –
KÖNIG.
Kann ich –
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Jöran, die Vorigen.

JÖRAN
verstört.

Vergebt, mein König, daß ich ungemeldet – doch eure Sicherheit fordert diese Eile – Johann ist entfloh'n.

KÖNIG
wie vernichtet.
Entflohn –
JÖRAN.

Faßt euch, mein König, er soll uns nicht entkommen, seinem Befreyer bin ich auf der Spur, die Wachen suchen ihn. O der Schande! der nie erlebten Schmach! – es ist Richers, es ist mein Neffe.

KÖNIG.
Und ihr verschwiegt mir das?
JÖRAN.

Ich hielt seine Schwärmerey für unschädlich – da Johann mit Tages Anbruch – o es ist schändlich, gerade in diesem Augenblick –

BRASKE.

Entrückt ihn Gott dem Beil, das über seinem Haupte schwebte. Doch fürchtet nichts, er kann euch nicht entkommen, und wird nun um so sichrer sterben. Nun ist er verloren.

[95]
KÖNIG.

Ja, nun rettet ihn kein Gott, sein verrätherisches Haupt soll fallen, er predigt Aufruhr, strebt nach meinem Leben. Sende Wachen durch das ganze Land, wer ihn ergreift, soll ihn ermorden; ihn schütze keine Gott geweihte Stätte, von dem Altar reißt ihn – fort! fort! Der mir die Nachricht seines Todes bringt, er sey mein Freund, mit Schätzen will ich seinen Mörder lohnen, er ist es, der mir Ruhe, der mir das Leben gibt. Fort! fort!

JÖRAN
will gehen, indem tritt ein.
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Der Hauptmann von der Wache.

HAUPTMANN.
Graf Richers ist im Vorgemach.
JÖRAN.
Habt ihr ihn? wie habt ihr ihn gefunden?
HAUPTMANN.

Unter einem Haufen Bewaffneter; wir umringten das Haus, es entkam nicht einer, doch der Herzog war nicht dabey.

KÖNIG.
Nicht? – Fort – eilt, sucht ihn auf, königlicher Lohn erwartet euch. Laßt Richers kommen!
HAUPTMANN
ab.
JÖRAN.
O daß mein Blut sich so beflecken mußte!
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Richers, die Vorigen.

RICHERS
tritt gefaßt ein.
JÖRAN.
Schändlicher! was hast du gethan?
[96]
RICHERS.
Nichts – denn ihr habt mich an dem guten Werk verhindert.
KÖNIG.
Wie?
RICHERS.

Ja König, wisset es, ich wollte die schwarze That, zu der euch dieser hier verleitete, unmöglich machen. Ich wollte das Opfer der Gewalt entziehen. Zu Jöran. Doch deine Teufel standen auf der Lauer, und bringen deiner Mordbegier ein neues Opfer.

KÖNIG.
Verräther – sprich, wo ist der Herzog?
RICHERS.
Wie?
JÖRAN.
Wo hast du ihn versteckt?
RICHERS.
Den Herzog?
JÖRAN.
Umsonst suchst du zu läugnen. Johann ist entfloh'n, und du bist sein Gehülfe.
RICHERS
starrt ihn an.

Entfloh'n –? der Herzog? entfloh'n sagt ihr? er ist gerettet? Mit dem Ausbruch der höchsten Freude stürzt er auf die Knie. Gott – Gott – er ist gerettet. Springt rasch auf. Oheim sagt es noch ein Mahl. Ich habe oft gemurrt, daß mir die Vorsicht einen solchen Blutsverwandten gab, sagt noch ein Mahl, der Herzog ist gerettet, und ich umfasse eure Knie, bethe euch an, will euch wie meinen Vater lieben.

KÖNIG.
Was ist das?
JÖRAN.

List, verdammte List – Verstellung, um uns irr' zu führen, Zeit zu gewinnen, den Raub in Sicherheit zu bringen, doch die Folter soll –

RICHERS.

Schleppt mich zur Folter, lös't Glied für Glied von meinem Körper, ich fürchte nichts, ich leide nichts – er ist gerettet, zwar nicht durch mich – Gott legte den Entwurf in meine Brust, doch der Sterbliche [97] schien ihm zu schwach, ihn auszuführen, er sandte einen Engel, und er ist gerettet, er ist frey.

JÖRAN.
Verdammtes Gaukelspiel – sprich Rasender, wo ist der Herzog?
RICHERS
mit der größten Freude.
Wohl ihm, daß ihr das nicht wißt! wohl ihm!
JÖRAN.
Und wehe dir!
KÖNIG.
Man soll euch zum Geständniß zwingen.
RICHERS
stolz.

Zwingen? König! versuchet eure Allmacht nicht an meinem festen Sinn. Die Form des Menschen kann ein Wink von euch zerstören, doch über seinen Willen habt ihr keine Macht. Versuchet es, martert mich – was in dem grauen Alterthum die Märtyrer um des Glaubens willen litten, was unsre Weichheit jetzt für Fabel hält, er schöpft euch in allen diesen Qualen, ich dulde sie. Mein Muth steht unerschütterlich, und wie ein Felsen fest. Ihr Könige der Erde richtet über Staub, der innre bessere Mensch wird nur von Gott gerichtet, und steht nicht unter irdischer Macht. Allein, damit euer hoher Rath sich nicht verwirre, nach einem andern Opfer hasche, – so wißt, ich weiß von seiner Flucht. – Jetzt führt mich fort, und thut, was euch gelüstet. Wo er ist, und wie ich es vollbracht, ich bitte euch, thut Verzicht darauf, das von mir zu hören, denn jeder weitern Frage bleibe ich Antwort schuldig.

JÖRAN
ruft.

Wache! Wache tritt ein. Ich nehme es über mich, dir schwaches Menschenkind zu zeigen, daß irdische Macht der Schwärmerey der Jugend überlegen ist. Zur Wache. Legt ihn in Ketten.

KÖNIG.
Fort mit ihm. Wirft sich unruhig in einen Stuhl.
[98]
RICHERS
tritt vor seinen Oheim, sieht ihn durchdringend an, dann verläßt er ihn mit einem verächtlichen Blick.
BRASKE
geht auf ihn zu.

Jüngling, ich lese in deiner Seele. Dein Blut verläugnet dich – allein stehst du am Ende deines jungen Lebens! du siehst noch einmahl in die Welt zurück, und kein verwandtes Auge weint dir nach? Komm an mein Herz, es schlägt für dich, ich weine um dich. Ziehe hin, und denke, das sey Vaterkuß. Küßt ihn bewegt.

RICHERS
zu Jöran.

Ihr habt mich verdammt, der Fremde segnet mich. Für einen solchen Oheim gewinn ich diesen Vater – So lohnt Gott nur eine gute That – seht, seht, ihm bin ich kein Verbrecher – ja Vater, segne mich – Gerührt. und glaube, es sey dir ein guter Sohn gestorben.

BRASKE
legt gerührt die Hand auf sein Haupt.
Ich segne dich.
JÖRAN
heftig.
Fort mit ihm!
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Die Königinn, Vorige.

KÖNIGINN.

Was geht hier vor? – man spricht von Aufruhr, der ganze Schloßhof ist voll Wache, doch welcher Feind?

KÖNIG
springt auf.

Ich habe einen nur, der mir Tausende und Tausende wirbt, den deine Weichheit oft in Schutz genommen, der mich und dich vom Throne stoßen wird, denn wisse – Johann ist entflohen.

[99]
KÖNIGINN
ruhig.
Entflohen?
KÖNIG
deutet auf Richers.
Hier, dieser Undankbare bewirkte seine Flucht.
KÖNIGINN
erschrickt.
Wer? wer mein König?
KÖNIG.

Dieser – den Hochverräther brachte er in Freyheit, doch, er ist mein, er soll es schrecklich büßen, auf unerhörte Qualen will ich sinnen, nicht tödten, martern soll man ihn. Fort, in den tiefsten Kerker, schleppt ihn fort! Die Wache umgibt ihn, er verbeugt sich gegen den König, reicht Braske freundlich die Hand, wirft auf Jöran einen Blick voll Verachtung, und will ab.

KÖNIGINN.
Haltet – Tritt vor ihn hin, sieht ihn fest an. Dieser wäre es? Zum König. Dieser?
JÖRAN.
Klar wie der Tag ist seine Schuld, er hat sie eingestanden.
KÖNIGINN.
Richers, besinnt euch, geht mit keiner, auch nicht mit einer frommen Lüge aus der Welt.
RICHERS
mit Feuer.
Keine Wahrheit kann mir größern Segen bringen, ich habe ihn befreyt.
KÖNIGINN.
Junger Schwärmer – täuscht nicht euren König, verleitet ihn zu keinem raschen, ungerechten Schritt.
RICHERS.
Man wollte mich schuldig finden, und ich bin es.
KÖNIGINN.

Schweigt – ihr seyd es nicht, könnt es nicht seyn; denn wißt, nur ich kenne den Thäter, und kam hierher, ihn meinem König anzuzeigen.

JÖRAN.
Ist's möglich –
KÖNIG.
Marie? Du?
RICHERS
ängstlich.
Königinn? was wollt ihr thun?
[100]
KÖNIGINN.
Meine Pflicht.
RICHERS
schnell.
O König! glaubt es nicht – ich bin –
KÖNIGINN
zur Wache.

Fort mit dem Rasenden, bewacht ihn streng, doch hütet euch, die Hand an ihn zu legen. Er spricht im Wahnsinn, den wahren Thäter zeige ich dem König an.

KÖNIG.
Du – du weißt?
KÖNIGINN.
Nur euch mein König kann ich es vertrauen.
KÖNIG
schnell.
Verlaßt uns schnell!
JÖRAN.
Dürfte nicht wenigstens ich
KÖNIGINN.

Wenn das Urtheil Seiner Majestät: Tod – dem Verbrecher zuerkennt, dann erst brauchen wir den Henker, früher nicht. Laßt uns allein.Alle ab.

8. Auftritt
Achter Auftritt
Der König, die Königinn.

KÖNIG.

Nun Marie – sprich schnell, wie konntest du erfahren? wer, wo ist der Schuldige? ist er mit ihm entflohen? kann ihn meine Rache noch ereilen?

KÖNIGINN.
Zertreten, denn er ist euch nahe –
KÖNIG.
O so sprich, verzögre nicht seine Strafe, wo ist er?
KÖNIGINN
nach einer Pause.
Er steht vor euch.
KÖNIG
bebt.
Wie?
KÖNIGINN
mit Ruhe.
Ich mein König, ich habe ihn befreyt.
KÖNIG
starrt sie betäubt an.
Du? Du – mein Weib?
[101]
KÖNIGINN.

Ich, euer Weib. – Wem ziemt es mehr als eurem Weibe, für eure Ehre, für eure Seelenruhe, und für die Wohlfahrt eures Volks besorgt zu seyn?

KÖNIG.

Gott – willst du mir denn jeden, auch den kleinsten Glauben an die Menschen nehmen! nein – nein, das ist nicht, das kann nicht seyn. Sieht sie an. Verrath trägst du in dieser sanften Miene? Verrath an deinem Gatten, deinem König? Allein stehe ich in dieser großen weiten Welt? so liegt der Fluch auf mir, daß mich mein Blut, und nur mein Blut verrathe? Der eigne Vater haßte mich, der Bruder strebt nach meinem Leben, ich wollte wenigstens als Gatte glücklich seyn, verschmähte Königstöchter, nahm eine Bettlerinn, und konnte mir mit Glanz und Thron kein Herz erkaufen. O! Wirft sich in einen Stuhl.

KÖNIGINN
wirft sich zu seinen Füßen.
Mein Erik – höre mich!
KÖNIG.

Fort Schlange! Springt auf. Ein Ungeheuer war ich euch? Ihr gabt dem Lamm den Nahmen, der Tiger tritt erst jetzt aus seiner Höhle, und er naht fürchterlich. Ein Leben galt es, nun mögen tausend fallen; ihr seyd geschäftig, das Schaffot zu füllen – Johann stieg durch dich herab, du steigst hinauf.

KÖNIGINN
steht mit Würde auf.

Ich scheue nicht den Tod; trifft er mich unverdient, so hoffe ich, ihm mit Ruhe zu begegnen. Für andre hatte ich Bitten, für mich keine. Nicht jede Königinn sieht so wie ich dem letzten Augenblick entgegen. Ich stieg nicht, um zu hassen, zu verfolgen, nein, um zu lieben, zu beglücken. Bringt dieß Gefühl mir Tod, so folgt mir manche Thräne [102] in mein frühes Grab, und keines Menschen Fluch verbittert meine letzte Stunde.

KÖNIG
heftig.
Ich, ich fluche dir.
KÖNIGINN
sanft.

Das könnt ihr nicht, mein König; nehmt von der That den falschen Schein, seht sie in ihrem wahren, eigenen Licht, und ihr könnt eure Gattinn nicht verdammen. Die Morgensonne sollte Johann nicht mehr sehen, geschäftig war man, ein Gerüst zu bauen, das euch zum Schandpfahl werden sollte. Cure Diener schlichen mit gesenktem Haupt einher; er schont den Bruder nicht, wer zittert nicht in Schweden für sein Leben – so dachten sie. In ängstlicher Bewegung war das Volk, die Weiber weinten, drängten sich zur Kirche, aus jedem Auge sprach, aus jeder Brust erscholl: Gott! Gott! verhüte Brudermord! Umsonst lag ich zu euren Füßen, kein Mittel wußt' ich mehr, die Zeit entfloh, die Schreckensstunde rückte näher, sie drängte mich, ich sah das Beil schon blinken, an einem Augenblick hing Tod und Leben. Ich wagte meines, und er ist frey.

KÖNIG.

Und ich bin verloren. Um ihn versammelt sich das Volk, es jauchzt ihm zu, es dient zur Brustwehr ihm, zum Schilde; es nahen einverstandne fremde Völker; Aufruhr, Empörung herrscht im Lande, Krieg droht den Grenzen.

KÖNIGINN
einfallend.

Krieg? nein, mein Gemahl. Steht Gott mir bey, so ist geendet jeder Zwist, so gebe ich eurem Herzen Frieden, und dem ganzen Lande.

KÖNIG
schnell.
Wo ist er? sprich, wo hält er sich verborgen?
KÖNIGINN
innig.
Bey seinem besten Freund.
[103]
KÖNIG.
Er schmiedet Waffen.
KÖNIGINN.
Waffen, das Bruderherz zu rühren.
KÖNIG.
Er sammelt Heere –
KÖNIGINN.
Seine Heere sind ein flehend Weib, ein weinend Kind.
KÖNIG.
Kind? sein Kind?
KÖNIGINN.

Ja, er ist Vater, Gatte, er hat Freunde, er ist nicht verlassen. Kommt, seht seine ganze Macht, und widersteht ihr, wenn ihr könnt. Geht an die Seitenthüre, wo sie kam, und bringt Catharina und Siegmund.

KÖNIG
steht in banger Erwartung.
KÖNIGINN.

Diese Geißeln ließ er euch zurück; ist seine Flucht euch noch gefährlich? Zu Catharina. Geht hin, bestürmt das Bruderherz, die Gattinn hat das Ihrige gethan.

ERIK
hat sich, wie er sie erblickt, in einen Stuhl geworfen.
CATHARINA
stürzt zu seinen Füßen.

Mein königlicher Bruder! o wendet euch zu mir – kein thränenvolles Aug' soll auch begegnen, ich habe keine Thränen mehr. O Gott! mir fehlen auch die Worte; nichts kann ich, als mit Todesangst und mit Verzweiflung schrey'n: tödtet euren Bruder nicht! Siegmund! umfasse seine Knie, rufe: Oheim! gib mir den Vater wieder!

SIEGMUND
weinend.
Oheim! gib mir den Vater wieder!
KÖNIG
wendet sich gerührt zu dem Kinde, sieht es an, dann reißt er es an sich, küßt es, und stellt es schnell wieder nieder.
KÖNIGINN
dringend.
Gebt ihn dem Vater wieder!
KÖNIG.
Ihr treibt mit eurem König Spott. Nun er in Freyheit ist, fordert ihr ihn von mir.
[104]
KÖNIGINN.
Von dir – er ist nicht frey, er ist in deiner Macht.
KÖNIG.
Marie –
KÖNIGINN.

Nicht fremde Völker führt er feindlich dir entgegen, strebt nicht nach deinem Leben, nach deinem Herzen, dieses will er rühren. O Erik, höre ihn, höre die Stimme der Natur!

KÖNIG.
Er wäre nicht entflohn?
KÖNIGINN.
Rufe Bruder, und er liegt an deinem Herzen. – Blick' um dich!
KÖNIG
sieht sich um und erblickt Johann mit Catharina und Siegmund an der Hand.
Ha – Wendet sich weg.
JOHANN
naht langsam und sagt mit unterdrückter Stimme.
Mein König –
KÖNIG
sieht nach ihm hin.
Er ist's – er ist's –
JOHANN.

Ja – ich bin es – und, du bist es auch. Trotz allem, was ich litt, jetzt fühl' ich nur die mächtige Regung der Natur, ich sehe nicht in dir den Feind – den König – den Bruder seh' ich nur.

KÖNIG
sagt gerührt, indem er ihn betrachtet.
Johann!
JOHANN.
So ruft der König nicht, das war des Blutes Stimme.
KÖNIG.
Bruder!
JOHANN
stürzt in seinen Arm und sagt.
Mein Bruder! Dann sinkt er zu seinen Füßen. Mein König –
KÖNIG.
Herauf, herauf – Komm an mein Herz! Sieht ihn bewegt an. Verzeihe –
JOHANN.
Erik!
KÖNIG
tief bewegt.

Verzeihe! mein Argwohn stahl dir die schönsten Lebensjahre; diese blasse Wange klagt [105] mich an. Sie soll sich wieder röthen. – Ruft mir Jöran, Braske, ich brauche Zeugen dieser schönen Stunde.

KÖNIGINN
öffnet die Thüre.
9. Auftritt
Letzter Auftritt
Braske, Jöran, die Vorigen.

JÖRAN
im Hereintreten, wie er Johann erblickt.
Ha! was ist das?
BRASKE.
Der Herzog hier?
KÖNIG
zu Jöran.

Er entfloh seinen Feinden, und steht bey seinem Freund. Seht diese blasse Wange an – was ich ihm zu viel that, dazu habt ihr mich verleitet. Ihr legt eure Ämter und das Reichs-Insiegel in dieses edlen Mannes Hand. Deutet auf Braske. Er ist menschlich, er wird mich menschlich handeln lehren. Zu Johann. Herzog von Finnland, ich setze euch in alle eure Rechte. Marie, ich bereue es nicht, daß ich dich jeder Fürstinn vorgezogen, denn fürstlich handeln lerne ich von dir.

KÖNIGINN.
Mein König –
KÖNIG.

Schwester – Bruder – Gattinn! Ja, du hast Recht. Eintracht ist der Weg zur Ruhe, ich betrete ihn an eurer Hand.

ALLE
außer Jöran.
Gott erhalte euch so, mein König!

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TextGrid Repository (2012). Weißenthurn, Johanna von. Dramen. Johann, Herzog von Finnland. Johann, Herzog von Finnland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9AA8-D