An unsere Poeten 1

Ihr Dichter, wenn ein Vers aus eurer Feder quillt,
Um eure Phyllis zu bedienen,
So zeigt sich gleich ein »Marmorbild«,
Ihr Aug' ist von »Achat«, die Lippen sind »Rubinen«,
Die Adern aus »Saphir« gemacht,
Und eure Buhlschaft wird, weil ihr sie preist, verlacht.
Die Welschen sind zwar auch nicht klug,
Weil sie in einem weiten Flug
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Mit einer Göttinn stets bis an die Sterne fliegen;
In Frankreich macht man sie von lauter Geist und Witz,
Der Freundschaft fähig und verschwiegen,
Kurz ein Gefäß ohn' einen 2 Ritz;
In England, wo sie schalt- und walten,
Da werden sie für nichts, als Fleisch und Blut, gehalten;
Ihr aber, umgekehrt, wollt all' Pygmalions sein, 3
Denn eure Phyllis ist ein Bild, ein Bild von Stein.

Fußnoten

1 Insbesondere gegen den Schwulst der Lohensteinschen Schule gerichtet.

2 eine.

3 Ihr aber wollt verkehrt Pigmalions alle sein.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Wernicke, Christian. An unsere Poeten. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A197-7