Ode. An seine Freundin

Doris, fühle dies Lied, fühl in der Ferne selbst
Wie dein Thyrsis itzt fühlt, hohe Empfindungen,
Gleich dem Gefühl des Dämons
Wenn er die himmlische Nymphe küßt.
Sanft, mit stiller Gewalt, fasse die zarte Brust
Die Bewegung die itzt, Göttliche, mich ergreift,
Von sympathetischen Freuden
Bebe dein Herz und empfind wie ich.
Welche Ruhe, die sich über mein Herz ergießt?
Welche Himmel von Lust wo sich mein Blick verläuft?
Doris, dich denkt mein Geist nur!
Dich und die himmlische Liebe nur.
[10]
Tod ist ihm itzt die Welt, kein Geschöpf ist ihm mehr,
Du, du winkest ihm itzt, lächelnder Himmel, nicht,
Kein einladender Abend
Nimmt mich in tauende Schatten ein.
Dein Olympisches Lied tönt nicht mehr in mein Ohr
Du, bei dem ich so oft meinen Virgil vergaß,
Der du in Harfen der Engel
Den erhabnen Messias singst!
Doris bleibt mir allein aus der Unendlichkeit
Deiner Bildungen, Gott, ist Sie allein mir noch,
Füllt die Schönste der Seelen
Ganz dies ihr nur geschaffne Herz.
O wie wallt es so sanft! o wie befriediget
Schlummern tief in der Brust alle Begierden ein,
Und die schauende Seele
Göttliche Schöne, hängt ganz an dir!
Wie Dein himmlischer Geist jeglichen Blick belebt!
Wie im redenden Aug, ach! im so schönen Aug!
Sich sie Seele enthüllet
Die So zärtlich und edel denkt?
Wie den blühenden Leib Anmut und Huld umfließt?
War nicht Eva so schön, da ihr entstehend Bild
Zur begeisterten Seele
Göttlicher Milton! herunter stieg?
O! wie liebt dich dein Freund? o wie beglückst du ihn!
Wenn dein Hyblischer Mund sich seinen Küssen beut,
Und die Sanftzitternde Lippe
Gleich der Rose in Knospen schwellt.
Wenn mein freudiger Blick an deinen Blicken hängt
Und die Seligkeit sieht, die itzt dein Herz umfaßt,
Freuden erhabnerer Sphären
Die kein Sklave der Erden kennt.
[11]
O! wie ist er entzückt? o wie begeisternd glänzt
Ihm dein himmlisches Aug und das zufriedne Rot
Das die Wangen umfließet
Und im Munde noch frischer blüht.
Doch wenn einst dieser Glanz in deinen Augen lischt,
Wenn der ernstliche Tod Schönheit und Grazien,
Von dem geliebten Leibe,
Den Sie lange bewohnten, treibt,
Doris, ja wenn du einst in meinen Armen stirbst
Wenn dein Auge nun bricht, wenn diese Lippen mir
Nun zum letztenmal lächeln,
Und mein gleichfalls erblaßter Leib
Hinsinkt, wenn wir alsdann freudig, dem Leben zu
Dieser Erden entfliehn, wenn dann mein reiner Geist
Mehr dem deinigen gleichet
Und nun bald so seraphisch wird.
Wenn ein himmlischer Leib uns itzt umfließt, und wir,
Aufgelöst in der Lust neuer Umarmungen,
Kein Elysium sehen,
O wie werden wir selig sein!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wieland, Christoph Martin. Gedichte. Gedichte. Jugendgedichte. Ode. An seine Freundin. Ode. An seine Freundin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A6B0-9