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Der Ruhm dies Wunder zu erneun,
Olympia, der seltne Ruhm, sei Dein!
Der schönste aller Deiner Preise!
Wohl Dir, die in dem Weihrauchkreise
Der Erdengötter nicht den hohen Sinn verlor
Für Freiheit und Natur, nach alter Deutscher Sitte
Sich einen Wald zum Ruhesitz erkor,
Und in der moosbedeckten Hütte,
Wenn tief im nächtlich stummen Hain
Auf offnem Herd die heilge Flamme lodert,
Sich glücklich fühlt und nichts vom Schicksal fodert.
Des Waldes Geister sehn den ungewohnten Schein
Ringsum die hohen Buchen weißen,
Und nähern freundlich sich, und heißen
Willkommen Dich in ihrem stillen Reich.
Wir spüren sie, bald leichten Nebeln gleich
Um halb bestrahlte Erlen lauschen,
Bald über uns durch hohe Wipfel rauschen.
Ein leises Grauen schleicht um unsre Brust,
Doch stört es nicht, erhöht nur unsre Lust.
Wir singen – um Dich her im Kreise
Gelagert – nach der schönen Weise
Die Dir, Olympia, die Musen eingehaucht,
»Zaydens Schmerz bei ihres Mohren Klagen«,
Und fühlen unser Herz im Busen höher schlagen:
Bis jetzt der Herd mit trüberm Feuer raucht,
Und späte Sterne, die durch schwarze Wipfel blinken,
Uns in die Burg zurück zu unsern Zellen winken.
Was ist's, das uns Olympiens hehren Wald
Zum Zaubergarten macht, zum Tempel schöner Freuden,
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Zu dem man eilt um zögernd draus zu scheiden?
Sie selbst! – O! würde Sie zu Ihrem Aufenthalt
Der rauhsten Alpe Gipfel wählen,
Der rauhsten Alpe würde bald
Kein Reiz der schönsten Berge fehlen.
Ja, zöge Sie bis an den Anadir,
Wohin Sie gehen mag, die Musen folgen Ihr,
Ihr einen Pindus zu bereiten.
Sie, von Olympien stets geliebt, gepflegt, geschützt,
Belohnen Sie durch ihre Gaben itzt.
Sie schweben Ihr in Ihren Einsamkeiten,
Wenn Sie im Morgentau die Pfade der Natur
Besuchet, ungesehn zur Seiten,
Und leiten Sie auf ihre schönste Spur.
Und wenn Sie, in begeistertem Entzücken,
An einen Stamm gelehnt, mit liebender Begier
Was Sie erblickt und fühlt Sich sehnet auszudrücken,
So reichen sie den Bleistift Ihr.
Sie sind's, die am harmonischen Klavier
Der leichten Finger Flug beleben;
Und wer als sie vermöchte Ihr
Die Melodien einzugeben,
Von denen das Gefühl der lautre Urquell ist,
Die tief im Herzen widerklingen,
Die man beim ersten Mal erhascht und nie vergißt,
Und niemals müde wird zu hören und zu singen?
O Fürstin, fahre fort aus Deinem schönen Hain
Dir ein Elysium zu schaffen!
Was hold den Musen ist soll da willkommen sein!
Doch allen, die in Deine Wildnis gaffen
Und nichts darin als – Bäume sehn,
Dem ganzen Midasstamm der frostgen langen Weile
Mit ihrem Troß, dem Uhu und der Eule,
Und ihrer Schwesterschaft von Gänschen und von Krähn,
Sei Deine Luft zu rein! Das traur'ge Völkchen weile
Stets an des Berges Fuß; und führt das böse Glück
Es ja hinauf, so kehr es bald zurück,
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Und banne selber sich aus Deiner Republik!
Und so, Natur, und ihr, geliebte Pieriden,
Pflegt eurer großen Priesterin!
Ihr sei das schönste Los des Erdenglücks beschieden,
Zur Lust an euch ein immer offner Sinn,
Ein immer fühlend Herz, und eine Quelle drin,
Die nie versiegt, von süßem innerm Frieden!
Was sonst die Sterblichen zu wünschen sich ermüden,
Ist gleich der Flut im Faß der Danaiden:
Und schöpften sie äonenlang hinein,
Es würde niemals voller sein.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wieland, Christoph Martin. Gedichte. Gedichte. Gedichte an Olympia. Zweierlei Götterglück. 3. [Der Ruhm dies Wunder zu erneun]. 3. [Der Ruhm dies Wunder zu erneun]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A6E0-E