Aus dem 17. Capitel des 1. Buchs von Arnds Wahren Christenthum

Der Glaubigen Erbtheil ist nicht in der Welt zu finden, darum sie das Irdische als Gäste ansehen müssen.


Was Gott der grosse Herr erschaffen, und denen Menschen dargestellt,
Es sey Glück, Reichthum, Witz und Ehre, und alle Schätze dieser Welt,
Das gibt er uns zur Nothdurft nur, und darzu sollen wirs geniessen,
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Hingegen seine Vaters-Hand davor in tiefster Ehrfurcht küssen.
Was wir von Nothdurft übrig haben, das stellt uns Gott zur Probe dar,
Und nimmt an diesem unsre Liebe zum Geber und zur Gabe wahr.
Gott will nur sehn, ob Seel und Geist sich an der Welt und ihren Schätzen
Mehr als an ihm, dem Höchsten Gut, und an dem Himmlischen ergötzen?
Er will uns prüfen und erforschen, ob auch die Wüste dieser Welt,
Uns mehr als Canaan und Gosen, mehr als das Paradieß gefällt?
Deswegen hat auch Gott der Herr dem Menschen freye Wahl gelassen,
Ob er sein Heyl bedenken will, und Gott mit Glaub und Lieb umfassen,
Und ob er etwa hohe Gaben, Gunst, Reichthum, Ehre höher acht,
Gott aber als das höchste Wesen in weit geringerm Werth betracht?
Gott läßt die Wahl; allein er will nach dieser auch die Menschen richten,
Und diese Wahrheit finden wir in allen biblischen Geschichten.
Dahero sind uns alle Dinge allhier zum Schauspiel vorgesetzt,
Nicht zum Vergnügen und zur Wollust, daß man sich nur daran ergötzt.
Nein! nur zur Probe ist es uns von Gott dem Schöpfer dargereichet,
Daran er merken will, wie weit das Herze von dem guten weichet
Dieß ist der Baum, dieß sind die Früchte, die Gott zu essen uns verbeut,
Und daß wir nicht darnach gelüsten in dieser Welt und Eitelkeit.
Ach leyder! suchet jetzt die Welt in Wollust, Geld und Kleider-Prangen,
In Ehre und Gemächlichkeit die höchste Freude zu erlangen.
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Ach leyder! aber nur vergebens; Denn dieses führet uns von Gott,
Und stürzt in kurzen Geist und Seele, in ewge Schande, Hohn und Spott.
Wir sind ja, wenn wir unsern Stand und unsre Lebens-Zeit betrachten
Nicht anders als wie reisend Volk und fremde Pilgerim zu achten;
Und darum sollen wir die Güter zur Nothdurft, aber nicht zur Lust
Und schnöder Uppigkeit gebrauchen. Wir sollen nur in unsrer Brust
Die Freude über Gottes Gnad und seine Gütigkeit entzünden,
Wo anders; so sucht uns die Sünd und ihre Macht zu überwinden.
Der Christen angenehmste Speise und Trank ist Christi Leib und Blut,
Denn dieses heilget ihren Wandel und gibt der Seelen Kraft und Muth.
Ihr Ruhm ist dieser, daß sie Gott von Herzen können Vater heisen;
Dieß ist ihr Reichthum, daß sie sich der wahren Gottesfurcht befleisen;
Ihr Schmuck bestehet nicht in Perlen, in Purpur und in seidnen Kleid;
Nein! in der Klarheit ihres Gottes und in der wahren Heiligkeit.
Den Christen ist ja alles hier ein Antrieb zu verbothnen Sünden,
Gift, Galle, eine Arzeney daran sie ihr Verderben finden.
Denn was der Mensch mit Lust berühret und bloß nur zur Ergötzlichkeit
Und ohne Gottesfurcht gebrauchet, das hat er sich zum Gift bereit.
Es wird zur Galle, ob es gleich den Menschen noch so lieblich schmecket.
Doch wo ist jemand in der Welt, den der verbothne Baum erschrecket?
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Man lauft mit Lust und mit Verlangen nach dieses Baumes Früchten zu,
Und suchet unter dessen Schatten (o Elend!) täglich seine Ruh.
Ein wahrer Christ gebrauchts mit Furcht, und als ein Gast auf dieser Erde,
Und hütet sich, damit sein Gott darüber nicht erzürnet werde:
Auch daß sein Nächster gleicher Weise nicht werd zum Aergerniß gebracht.
Sein Wille ist nur auf dem Himmel und auf das Ewige bedacht.
Die Güter dieser Welt vergehn: Die Himmels-Schätze aber bleiben,
Dieß ist ein Trost, der in der Noth die Schwermuth kan zurücke treiben.
Was hilfts dem Leib, wenn er auch lange der Erde Zärtlichkeit empfindt,
Er wird den Würmern doch zur Speise, dieweil wir alle sterblich sind.
Wir kommen nackend auf die Welt, so müssen wir von hinnen scheiden,
Im Tode nützt kein Pracht und Staat, kein Kleid von Hermelin und Seiden,
Und was wir von der ersten Stunde des armem Lebens aufgezehrt,
Das hat der Herr uns nur aus Gnaden und väterlicher Huld beschert.
Ja was noch mehr, wir haben es mit Noth und Trübsal eingenommen;
Denn jeder Tag hat seine Plag, so hoch wir auch an Jahren kommen.
Wird einer auf die Welt gebohren, so bringt er Leib und Seele mit,
Man speißt und kleidet ihn nach Nothdurft, so bald sein Fuß die Welt betrit;
Wenns aber an das Sterben kömmt/ so muß er dieses alles meiden,
Und noch darzu muß Leib und Seel oft schmerzlich von einander scheiden.
Bist du nun nicht mit Gott vereinet, und stirbst alsdann; so sage an,
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Ob man ein Wesen möchte finden, das sich wohl ärmer nennen kan?
Dieweil wir also fremde sind, und Gäste dieses eitlen Lebens,
Was plagen wir denn unsre Seel, und sorgen oftermahls vergebens?
Nur Thorheit ist es, Schätze sammlen, die mit der Welt und uns vergehn,
Wir wissen ja ein besser Leben/ in dem wir tausend Freude sehn.
Wo ist wohl dieses Vaterland, allwo wir einstens sollen wohnen?
Was fragst du Seele? sieh es ist dort oben bey den Engels-Thronen.
Dort wo der Glanz der Seraphinen und Abraham und David ist.
Schau doch auf diese Erden-Schätze, und halte nun geliebter Christ
Die Güter jener Ewigkeit, und was dir Gott geschenkt, dargegen,
So kanst du ja den Unterschied in deiner Brust gar leicht erwegen.
Bedenke nur die Lust des Himmels, und das Vergnügen dieser Welt,
So wirst du alsobald gestehen, daß dir der Himmel mehr gefällt.
Wofern du dieses recht erwegst; so wird dein Glaube wohl geläutert.
Und deine Andacht wird vermehrt, dein Auge wird ganz ausgeheitert,
Weil es so viele Dinge siehet, die denen gänzlich unbekannt.
Die sich in diese Welt verlieben/ und scheuen keinen Unbestand;
Aus Ursach, weil ihr Herz gedenkt, es könne diese Lust der Erden,
Die ihnen gar zu süsse schmeckt, in jener Welt nicht grösser werden.
O Thorheit! nein, die wahren Christen betrachten diesen Erden-Saal
Als ein Gefängniß, eine Grube, ja als ein Angst- und Jammerthal.
Die, so sich in das Zeitliche als in ihr Paradieß vergaffen,
Und untersuchen nicht mit Fleiß, worzu sie sind von Gott erschaffen;
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Die, sag ich, haben wenig Klugheit, und fahren wie ein Vieh davon.
Dieß lehre mich doch wohl bedenken, o Jesu grosser Gottes Sohn!
Ey! solten wir nicht Gäste seyn, und Pilgerim der Erden heisen!
Es will ja unser Heyland selbst uns dieß durch sein Exempel weisen?
Der Himmel und die ganze Erde war sein, und gleichwohl war er arm,
Und hatte nicht sein Haupt zu legen; das Vieh im Stalle macht ihn warm.
Er kam zu uns als wie ein Gast und war doch selbst der Herr der Erden,
Drum folgen wir ihm billig nach, und suchen ihm hier gleich zu werden.
Auch David war in seiner Jugend arm, und verachtet, niedrig, klein;
Und gleichwohl, da er König wurde nahm ihn kein Stolz und Hochmuth ein.
Er sahe nur auf seinem Gott, und freute sich auf jenes Leben,
Das ihm der Herr aus Gütigkeit nach seinem Tode würde geben.
Sein Wort und Wohnung war ihm lieber als alle Schätze dieser Zeit.
So hielt auch Moses Schmach und Leiden viel höher als die Herrlichkeit.
Selbst Daniel erwehlte sich nur Wasser, Brod und Zugemüsse,
Und warf sich täglich Freude-voll den Höchsten dreymahl vor die Füsse.
Auch Paulus sahe diese Güter und Herrlichkeit vor Koth nur an,
Und wandelte als wie sein Meister auf seiner vorgegangnen Bahn.
Er übte sich in Heiligkeit, Gedult u. Keuschheit, Demuth, Liebe,
Woran sein Gott ergebnes Herz gleich denen Ketten hangen bliebe.
Geprüfte Christen sehn in allen nur ihres Jesus Beyspiel an,
Sie dulten, wie er hat gelitten, und wandeln so, wie er gethan.
Und flucht man ihnen; Ey! so heists: Wir segnen doch? der Herr vergebe,
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Und beßre deine arme Seel, auf daß sie dermahleinsten lebe.
Sie wissen, daß sie durch viel Leiden, Noth, Trübsal, Lästrung, Haß und Schmähn
In jene vorbehaltne Freude, und in das ewge Leben gehn.
Sie sterben aller Ehr und Lust, Pracht, Reichthum, Haß und Nachgier abc,
Und sorgen täglich, daß ihr Herz nichts mit der Welt zu schaffen habe.
Sie ehren denn mit reiner Liebe, der an dem Creuze vor sie starb,
Und ihnen durch sein Blut und Wunden das schöne Himmelreich erwarb.
Ach! dieses ist die wahre Lust die Gottes Kinder hier empfinden,
Die aber, so noch an der Welt und an dem Schlamm und Koth der Sünden
Ihr nichtiges Vergnügen haben, die schmecken nicht die Süßigkeit,
So allen Labsaal übersteiget, ja alle Wollust dieser Zeit.
Bewährte Christen sind bemüht, daß sie in Jesus Wege treten,
Und wo nicht stetig mit dem Mund, doch mit dem Geist und Seufzern bethen.
Das Buch, worinnen sie studiren, ist selbst ihr Heyland Jesus Christ;
Und also leben sie in diesem, und sind, wie er gewesen ist.
Sie achten nicht das Irdische, und was sie mit den Augen sehen;
Denn alles dieses muß dereinst zu Trümmern und zu Grunde gehen.
O nein! ihr Glaubens-Auge blicket auf das, was himmlisch ist und heist,
Und auf denselben, den man nennet Gott Vater, Sohn und heilgen Geist.
Da wir nun fremd und Gäste sind; so schliessen wir hieraus gar eben,
Es sey dieß kurze Lebens-Licht uns nicht zur Eitelkeit gegeben,
Und wir zu etwas mehr erschaffen, als unser Auge hier erkannt.
Die Welt ist gar nicht unser Erbe, Besitz und rechtes Vaterland;
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Wir wissen einen bessern Ort, wovor wir gerne unser Leben,
Auch mehr als hundert Welten noch, ja alle Kronen möchten geben,
Damit wir diesen Ort behalten. Drum freuet sich ein wahrer Christ,
Daß Gott ihn dieß erkennen lassen; und daß er reich im Glauben ist,
Und zu dem ewgen Himmelreich durch Gottes Gütigkeit gebohren.
Ihr Welt-Verliebten! kehrt doch um, sonst geht ihr ewiglich verlohren.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Geistliche Gedichte. Aus dem 17. Capitel des 1. Buchs von Wahren Christenthum. Aus dem 17. Capitel des 1. Buchs von Wahren Christenthum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC69-A