Als der Leichnam des Wohlgebohrnen Herrn von Milwitz in der Heil. Wipperts-Kirchen zu Erfurt beerdiget, und von denen R.R.P.P. Augustinern die solennen Exequien gehalten wurden.

Den 2ten des Heumonats 1736.


In anderer Namen.


Die hohe Allmachts-Hand, die alles mit Bedacht
Sehr weißlich und sehr schön und wundervoll gemacht,
Hat auch beym Anfang gleich da kaum die Welt geworden,
Und Menschen sich gemehrt, verschiedne Ständ und Orden
Gemacht und eingesetzt. Dem einen gab sie viel
Von Weisheit und Verstand, so, daß sein Wort das Ziel
Und auch die Regel war, wornach in allen Dingen
Die andern sich gericht, und nach demselben giengen.
Dem andern legte sie viel Geld und Güter bey,
Damit er mächtiger als wie sein Mitknecht sey.
Den dritten crönte sie mit Herrlichkeit und Ehre,
Damit ein Unterschied in denen Ständen wäre.
Und diese Ordnung steht auch jetzo noch so fest,
Und so gewiß, als sich in Ost, Süd, Nord und West
Ein Element bewegt, und sein Geschäfte treibet.
Ja, daß die Republic in Flor und Ordnung bleibet,
So muß ein Unterschied in denen Ständen seyn.
Doch sind die Stände nicht in allem überein:
Der ziert den Richter-Stab und trägt ihn ohne Tadel.
Den andern aber schmückt Helm, Degen, Wappen, Adel.
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Denn ob man wohl nicht leicht auf die Gedanken fällt,
Und zu behaupten sucht, daß in der ersten Welt
Der Adel, wie wir ihn zu unsern Zeiten sehen,
Auch eingesetzet wär; indem dieß erst geschehen,
Als man die Tugenden aus jener dunklen Nacht
Mit Fleiß hervor gesucht, und an das Licht gebracht;
So ist uns doch bewust, das in den ersten Zeiten,
Eins vor dem anderen besondre Herrlichkeiten
Und Würde überkam: Die warlich merklich leicht,
Und auch dem Adel-Stand an Schmuck und Ehre gleicht,
Es muß der Adel-Stand wohl freylich auf der Erden,
Nicht etwa obenhin, so schlecht betrachtet werden;
Sein Purpur, Feder, Helm, Schild, Wappen, Fahn und Stahl,
Und was man sonst noch nennt, bezeugen allzumahl,
Wie hoch sein Glanz und Ruhm und Ansehn ist gestiegen,
Und was er vor ein Recht des Vorzugs muste kriegen.
Der Ahnen schöne Reih befördert seine Ehr,
Vergrössert seine Pracht und Schönheit desto mehr.
Allein, was ist doch wohl der hocherhöhte Adel
Wenn er nicht Tugend hat? Ein Compaß ohne Nadel,
Ein Licht, das keinen Schein und Nutzen von sich giebt.
Wer vom Geschlechte nicht die ächte Tugend liebt,
Der kan sich nicht mit Recht berühmt und edel nennen.
So viele Tugenden muß er als eigen kennen,
So viel er Ahnen wünscht und auch wohl zehlen kan:
Dann heißt er erst mit Recht ein wahrer Edelmann.
Ein solcher kunte wohl der Herr von Milwitz heisen,
Er suchte nicht zum Pracht die Ahnen aufzuweisen,
Noch daß Er Prahlerisch dieselben her erzehlt!
Die Tugend hatte Er mit selbigen vermählt.
Sein hochberühmt Geschlecht und auch sein groß Vermögen,
Die kunten nie den Grund zu eingen Hochmuth legen.
Er war dem Ehrgeiz feind, er war der Wollust gram,
Die auch kein freches Thun und Wesen an sich nahm.
Er liebte seinen Gott, die Demuth war sein Wissen,
Indem er sich nur stets der Eitelkeit entrissen.
Er wußte nichts von Schein, Betrug und Heucheley,
Er war ein Redlicher nach alter Deutschen Treu.
O! daß die ewge Macht beym Anfang aller Sachen
So einen festen Bund zugleich beliebt zu machen,
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Der alles Fleisch betrift, und der uns sterblich macht:
Hier wird kein Reichthum nicht noch Adel-Stand betracht.
Der Tod nimmt nicht nur die zu sich in seine Kammer,
Die arm und elend seyn, die nichts als Angst und Jammer
An jedem Morgen sehn; er reist auch die mit fort,
Die reich und vornehm sind. Des Todes ernstes Wort
Ergehet auch an den, der nach der Tugend wandelt,
Und bey erhöhten Stand und Reichthum redlich handelt.
O Tod! wie hast du dich so kühn und unverzagt,
Auch an das Lebens-Schif des Milwitz schon gewagt?
Muß seines Leibes-Bau zerbrechen und zerschellen?
Wie? hast du noch den Rest von Milwitz mögen fällen?
Du reißt das Adliche berühmte Wappen ab,
Und wirfst es neben ihm zerbrochen in das Grab
So ists in dieser Welt, Einmahl ist uns das Leben,
Vom Herrn der Creatur auf eine Zeit gegeben,
Ist nun dieselbe um, so thut des Todes Hand,
Kein Reichthum, kein Geschlecht den kleinsten Widerstand.
Der Höchste hält es so, er heißt die Menschen sterben.
Hier baut er ein Geschlecht, dort läßt er eins verderben.
Ein Schau-Platz ist die Welt. Man legt die Kleider an,
Jetzt tritt ein Jüngling auf, und diesem folgt ein Mann,
Und spielt die Rolle weg, und gehet dann zurücke.
Wer nun mit Vorbedacht, mit Schönheit, Witz und Glücke
Die Rolle durchgespielt. Ich meine, wer mit Fleiß
Nach denen Tugenden und göttlichem Geheiß
Sein Leben angestellt, und sich so aufgeführet,
Daß jedermann von ihm was löbliches gespühret,
Und gehet dann davon und läßt den Schau-Platz stehn,
Dem suchet Ehr und Ruhm auf ewig nachzugehn.
Nun hat der letzte Zweig von Milwitz gleicher massen
Den Schau-Platz dieser Welt mit vielem Ruhm verlassen:
Drum wird man Preiß und Lob auf seine Bahre streun,
Sein holdes Angedenk muß unvergeßlich seyn.
Sein Hingang aus der Zeit nach jenen finstern Bogen,
Hat manche Traurigkeit und Seufzer nachgezogen.
So, wie sein Todes-Fall so manche Brust erschreckt,
So viel Verwunderung hat er zugleich erweckt.
Denn der, so ihm das Ziel des Lebens auserkohren,
Der, so die Stunde rief, darinn er ward gebohren.
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Der hat es gleichfals auch beschlossen und bestellt,
Daß er zu gleicher Zeit und Stunde auch die Welt
Hinwieder lassen soll. Die Nacht, in der er kommen
Hat ihn auch ebenfals das Leben weggenommen.
Wie wunderbar ist doch der Rath der Ewigkeit!
Zeigt das Verhängniß nicht die größte Seltenheit?
Denn dieses lässet jetzt auch dem von Milwitz sehen,
Was andern schon vorher auf gleiche Art geschehen.
Pompejus und zugleich Philippens grosser Sohn,
Und Cäsar musten auch ihr Scepter, Reich und Kron
Am Tage, der sie gab, und auch zugleich das Leben,
Der strengen Todes-Faust auf ewig übergeben.
Starb nicht auch Caracal auf seinem Lebens-Tag?
Ja, daß man noch etwas von andern sagen mag.
So ist auch Plato selbst an diesem Tag im Frieden,
Wie auch Sidonius von dieser Welt geschieden.
Albinus gab am Tag, der ihn ans Licht gebracht,
Hinwiederum der Welt auf ewig gute Nacht.
Es hat Altingius in seinen Lebens-Stunden,
So, wie Labadie den Sterbens-Tag gefunden.
Hier aber fällt mir nun noch diese Frage bey:
Welch unter beyden wohl der beste Tag doch sey?
Hierauf kan Salomon die beste Antwort stellen,
Und das gerechteste und klügste Urtheil fällen.
Er hat bereits gesagt: der Tag des Todes ist,
Weit besser als der Tag, da uns das Leben grüßt,
Und uns geschenket wird. So bald wir nur gebohren,
So geht das Elend an. Es hat den Eyd geschworen,
Daß uns von Müh und Quaal nichts als die Sterbens Zeit,
Und unser Todes Tag erlöset und befreyt.
So kans nicht anders seyn, Gott hat es wohl gefüget
Da dich dein Sterbe-Tag nun ewiglich vergnüget.
Ruh wohl in deiner Gruft und schlafe sanft und schön,
Bis dich der Lebens-Fürst heist wieder auferstehn.
Indessen danken wir dir noch vor alle Liebe,
Vor deine Redlichkeit und Freundschaftsvolle Triebe.
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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Leichen-Gedichte. Als der Leichnam des Herrn von Milwitz beerdiget wurde. Als der Leichnam des Herrn von Milwitz beerdiget wurde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ACD8-E