Auf Frau Christiana Eleonora Friderica Gotschöfsky, Gebohrnen von Stiel, welche von ihrem leiblichen Bruder, Günther Carl Heinrich von Stiel, Kön. Polnis. Fahnjunker, den 22. Nov. Abends 6 Uhr mit 17 Wunden im 30ten Jahre ihres Alters jämmerlich ermordet worden

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Komm Erfurt! Komm herbey, und sieh die Helden-That,
Die jetzt ein Edelmann so schnell verübet hat!
Er ist bemüht den Fuß, den Degen und Camaschen
Mit Blut und rothen Schweiß zu färben und zu waschen.
Er brennt, er schäumt, er gischt, sein Muth und Wuth ist groß
Er geht mit Stoß und Hieb auf seinen Gegner loß.
Sein Eifer ruhet nicht biß daß er ihn durchstochen;
Biß er ihn umgebracht und seinen Stahl zerbrochen.
Sieh Held! was deine Faust und tapfrer Arm gethan!
Sieh den besiegten Feind vor dir im Blute an!
Ist nun dein Geist vergnügt, da du ihn hast erleget?
Sieh! wie er vor dir stirbt, und sich nicht weiter reget!
So kämpft ein Edelmann; so sieget ein Soldat.
Ist das nicht adlich gnug, was er verübet hat?
Kan wohl der Ahnen Zahl und alle Ritter-Sachen
Ihn so berühmt, als jetzt der einzge Handel machen?
Allein wer ist denn wohl der überwundne Feind,
So hier im Blute liegt? Ein jeder schließt und meint,
Es müß ein kühner Held und Krieger seyn gewesen.
Man hat ja allezeit gesehn, gehört, gelesen,
Daß sich kein Cavalier mit einem Knaben schlägt.
Der Ehrgeiz ist ja sonst den Herzen eingeprägt,
Vermöge welchem sich nur die mitnander schlagen,
Die gleichen Stand und Rang und gleiche Gaben tragen.
Es fordert ein Soldat auch einen Krieger raus,
Und also windt er sich den schönsten Ehren-Strauß.
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So glaubt man, dieser muß mit einem Feind von Gaben,
Und Muth und Tapferkeit gekämpft, gefochten haben.
Wer war denn dieser Feind? Ach man versetzt mit Schmerz:
Es war ein zartes Weib, und redlich Schwester-Herz.
Wie? wars ein Frauenbild, mit der er sich gerungen,
Und ihr den blanken Stahl durchs Rückrad durchgedrungen?
Ja! ja! es war ein Weib. Jedoch es ist bekannt,
Die Welt bezeigt es ja, daß auch der Weiber Hand
Den Degen hat geführt, man hat nicht allzuselten
Auf Rossen, Gaul und Thier, in Läger und Gezelten,
Im Krieg, im Kampf und Streit, und in der blutgen Schlacht
Mit Degen, Harnisch, Bley das Frauenvolk betracht.
Wie mancher Frauen Arm hat ritterlich gekämpfet.
Und als ein junger Löw den tollen Feind gedämpfet.
Vielleicht wars eine Frau von Feuer, Geist und Muth;
Vielleicht regierte sie den Stahl und Degen gut;
Hat sie etwa den Geist der Tapferkeit getragen,
Und mit entblößtem Arm, sich rum, und durchgeschlagen?
Wenn dort Aurelius Zenobien besiegt,
So schätzt er sich beglückt, und ist sehr hoch vergnügt.
So kans ihm auch zum Ruhm und Herrlichkeit gereichen,
Daß einer Heldin Faust von seiner muß erbleichen.
Ja! wäre dieses wahr; wärs ein beherztes Weib
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Und kühner Arm gewest. Hätt sie auf seinen Leib
Den scharfen Stahl gesetzt; Hätt er sich müssen wehren:
Ey so gereichte ihm ihr Tod zu seinen Ehren.
So aber hatte sie das Fechten nicht gelernt;
Sie führte keinen Stahl, er war ihr weit entfernt.
Die leere Hand, ihr Mund, ihr Flehen und ihr Bitten,
Das war ihr Waffen-Zeug, mit welchem sie gestritten.
Doch der verwegne Geist betrachtet keines nicht.
Er metzt, er häut, er schlägt, bis daß er sie ersticht,
Bis daß das warme Blut stark auf der Erde fliesset,
Und sie mit Jesus Nam ihr frommes Leben schliesset.
Verfluchte Raserey! verdammte Cains-Brut!
Die sich mit redlichem und frommen Schwester-Blut
Die Hände waschen will. Wo hat man von Barbaren
Dergleichen Grausamkeit gelesen und erfahren?
Vor einer solchen Wuth und Teufels-Tyranney
Empfinden Bestien; du aber keinen Scheu.
Ist ja dein Blutdurst groß, wilst du den Degen färben,
Wilst du den Leibes-Bau zerschmettern und verderben;
So geh zur Donau hin, und greif den Muselmann
Den Feind der Christenheit, und nicht die Schwester an.
Da hast du Feinde gnug; hier streite als ein Ritter,
Mach ihnen da die Lust zum Christen-Blute bitter.
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Von dieser kühnen That erlangst du keinen Preiß
Die Welt, die nun hierdurch von deiner Bosheit weiß,
Wird dich und deinen Geist und Hand vermaledeyen.
Und das vergoßne Blut wird Rache! Rache! schreyen.
Faß nicht wie Joab dort des Altars Hörner an,
Weil keiner dich vorm Fluch der Allmacht schützen kan.
Entweiche! fleuch! wohin? von einem Ort zum andern
Must du wie Cains Fuß mit Herzens-Stichen wandern.
Der offenbare Lohn der That ist noch zu früh
Vor dich, du Bösewicht! du must mit saurer Müh
Erst durch die Felder gehn, und stetig also schreyen:
Ihr Hügel fallt auf mich! vom Schmerz mich zu befreyen.
Ihr Berge, deckt mich zu! und nehmt mein Leben hin,
Damit ich von der Angst und Quaal entledget bin.
Ein baldger Tod ist noch vor deine schwere Sünde,
Vor deine Grausamkeit zu sanft und zu gelinde.
So nimm denn Cains Angst auf deine Flucht nun mit.
Was Gott zu diesem sprach, das folg auch deinem Schritt.
Du aber frommes Weib, ruh in der kühlen Erde,
Bis dich dein Lebens-Fürst zur Freud erwecken werde.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Leichen-Gedichte. Auf Frau Christiana Eleonora Friderica Gotschöfsky. Auf Frau Christiana Eleonora Friderica Gotschöfsky. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADF1-C