Filips von Zesen
Simson
Eine Helden- und Liebes-Geschicht /
Mit dreissig schönen kupferstükken
gezieret

Widmung

[5] Dem

zur Tapferkeit Wohlgebohrnen

und zur Ruhmherligkeit auserkohrnen

fürtreflichem Helden /

HERRN

Heinrichen von Delwich / ehmahligem

der Königlichen


Schwedischen Heersmacht / nunmehr aber des

Hochmögenden Niederländischen Stahts /

neben andern / Hochbesteltem Kriegs-

haupte / Alles selbsterwünschte

Heil und Krieges- und

Sieges-Glük

zuvor!

[5][7]
Vergönn' / O Held / daß dieser Held /
den ich alhier auf Blätter mahle /
mag stehn / in deinem Heldensaale /
den Heldenbildern zugeselt;
die seine Mauren überzieren /
und manches Hertz und Auge rühren.
Es ist der Große Wunderheld;
es ist der tapfere Zareer /
der Fürst und Heiland der Ebräer;
der tausend auf einmahl gefelt /
der tausend Hälse hat zerbrochen /
mit einem Eselsbakkenknochen.
Für dessen starker Faust erschraak
das stärkste Heer der kühnsten Krieger /
ja selbst der sonst berühmten Sieger
erworbner Ruhm erstorben lag;
auf dessen Wink die Riesen zittern /
die Tohr' und Mauren musten schüttern.
Ein solcher ists / ein solcher Held /
der hier bei Dir sucht seine Wonne /
bei Dir / der Helden Glantz' und Sonne /
und wil / imfal es Dir gefelt /
sich deiner Heldenfaust ergeben /
in deinem Schutz und Schirm zu leben.
So nim ihn dan / aus meiner Hand /
den tapfren Simson / hin zur Grabe /
O tapfrer Delwich; die ich habe /
als meiner treusten Treue Pfand /
[7]
die Du zwar ohne dis erkennet /
Dir zuzueignen längst benennet.
Hiervor begehr' ich nichts / als dis /
daß deine Gunst / die ich verspühre
von Jahren her / sich nie verliere.
Erhalt' ich dis / so sol gewis
aus allen meinen Federkielen
nichts / als nur Delwichs Kriegs-Ruhm / spielen.
Und dieses sol tauren / so
lange / als ich heisse

Filip von Zesen.

[8] Dem Deutsch- und treu-gesinnetem Leser.

Nun folget endlich mein Simson der schon vorlängst aufgeträhtenen Assenat. Nun trit er auch auf den Schauplatz der Welt. Er zeiget sich nun auch; wiewohl lang nicht in dem ausbündigen Zierrahte /der einen solchen Helden geziemet. Er war / durch seine übermenschliche Wunderstärke / die so wundergroße Heldentahten verübet / ein ruhmherliches Weltwunder. Er war ein Heiland Israels / zum wunderwürdigen Vorbilde dem Heilande der Welt selbsten erkohren. Und eben darüm erforderte seine Wundergeschicht eine wunderwürdige Feder. Sie erheischte die Hand des allergeschiktesten Schreibers / und einen Zierraht gantz ungemeiner Reden. Aber ach! wie solte ich eine solche Feder führen / da meine kränkliche Hand oftmahls kaum so viel Macht hatte sich zu bewägen? Wo solte der Zierraht gantz ungemeiner Reden herflüßen / da mein Gehirn entstellet / mein Gemüht gekränket / und meine Sinne geschwächet waren? Die stähtige Mühsäligkeit meines Lebens / die Arbeitsäligkeit in meinem Berufe / die Widerwärtigkeit in meinen überheuften Geschäften haben mich eine Zeit her so abgemattet / daß ein beschweerlicher /ja gefährlicher Zufal über den andern mich bestürmet. Hierzu komt dan auch das andringende Alter; welches ohne dis anders nichts / als Schwachheiten / mit sich schleppet. Und also war der Wille wohl da / aber das Vermögen entfiel mir meinen Simson zum schönsten auszuarbeiten. Ich hatte zwar beschlossen seine Lebensgeschicht viel weitleuftiger / als sie alhier / auf hiesiger papierenen Schaubühne / erscheinet / auszuführen. Auch war die Anstalt zu funfzehen Büchern albereit gemacht. Aber die Feder war kaum angesetzet / als mir meine jähligen einbrächende Schwachheit schon gebot solchen Schlus zu ändern. Ich muste dan / aus Furcht / der [9] Tod möchte mich vor volzogener Arbeit übereilen / nohtwendig abkürtzen. Ich muste diese gantze Wundergeschicht in viel ängere Grentzen einschlüßen / nur bald zum Ende zu kommen. Dieses ist nun auch / durch die Gühte Gottes / der ich hertzlich danke / glüklich erreichet: wiewohl so glüklich nicht / als ich selbsten gewünschet. Iedoch bin ich /nachdem der Höchste mich meinen Wunsch so weit erreichen laßen / als ich gebähten / wohl zu frieden. Und Du wirst auch / lieber Leser / verhoffendlich hiermit also zu frieden sein / als gühtig meinSimson von dir angeblikket zu werden verlanget. Wan dir etwan einige Druk- auch wohl andere Fehler darinnen aufstoßen möchten; so sei so guht sie / mit einem geneugten so wohl / als reiffem Urteile / zu verbessern. Ja gedenke / daß ich selbst bei dem Drukke nicht sein können / auch mir meine gantze Verfassung / sie von Büchern zu Büchern durch und durch zu überwägen / und der unverhuhts oder aus übereilung eingeschlichenen Fehler darinnen wahr zu nehmen /, eher nicht vergönnet war nachzulesen / als da sie mir gedrükt wieder eingehändiget worden; weil ich sie zu zwei oder drei Büchern / sobald dieselben drukfärtig /obschon die übrigen noch in der Feder waren / dem eilenden Drükker zusenden müssen. Und dieses ist auch die Uhrsache / daß ich darinnen alles so genau nicht in acht nehmen können. Im übrigen fället hierbei zu erinnern vor / daß ich mich / in Erlängerung und Ausbreitung dieser Geschicht des Simsons / fast nur allein mit der Erzehlung / welche der Schreiber des Buches der Richter so gar kurtz aufgezeichnet / behelfen müssen: weil ich bei den alten Geschichtschreibern nichts / oder doch /wan ie einer derselben gedacht / sehr wenig mehr /das mir zu meinem Vorsatze dienen können / darvon gefunden. Man hat sich gewislich zu verwundern /daß gemeldte Geschichtschreiber / und unter denendie Ebräer selbst / in ihren weltlichen Geschichtbüchern / dieser allerdenkwürdigsten Wundergeschicht nicht mit einem Worte / so viel mir bekant ist / gedacht; ohne was der berühmte Jüde Flavius Josef / wiewohl auch nur überhin und mit wenigen / getahn. Und also hat mir / zu hiesiger Verfassung /niemand mehr / als [10] der erwähnte Geschicht schreiber des Buchs der Richter / und dan Flavius Josef / mit seinen Altheiten derJüden / wie auch / unter den neuen / der berühmte Wälsche Schreiber Ferrant Pallavizien /durch seinen Simson / vorleuchten können. DieserPallavizien ist / meines Wissens / der erste gewesen / der von mehrgedachter Lebensgeschicht desSimsons ein sonderliches Werklein / in drei Bücher eingeteilet / geschrieben: welches auch bald darnach der berühmte Herr von Stubenberg /unter den Durchleuchtigen Fruchtbringenden derUnglüksälige verhochdeutschet. Und eben daher bin ich gezwungen worden viel Dinges nicht allein anderwärts her und aus andern Geschichten / sondern auch selbst aus eigner Erfündung / wie man sonst in dergleichen Heldengeschichten oder vielmehr Gedichten zu tuhn gewohnet / miteinzufügen. Ja daher ist es kommen / daß die gantze Riesengeschicht / die das vierde Buch fast gar erfüllet / hat eingerükt werden müssen; doch also / daß sie / in selbiger Gegend der Geschicht Simsons / nicht fremde / noch ungereimt stünde. Dergleichen Einrükkung von anderwärts her ist auch mit dem Pammenes geschehen: wiewohl alles / was darbei von der Schönen Timnatterin / welche des Simsons verrähterischer Frauen Schwester gewesen / wie auch vom Egiptischen Königlichen Für sten / und sonsten erzehlet wird / aus meiner eigenen Erfündung geflossen. Dieser Erfündung ist ebenmäßig zuzuschreiben die gantze Begäbnis der Schönen Naftalerin: in welcher / und jener ich eine recht Tugendhafte Schönheit / gleichwie inSimsons Eheliebsten / und der Filistischen Fraue /welche sich für die Mutter der Schönen Naftalerin ausgab / eine Lastervolle Häsligkeit abbilden wollen. Eben so Tugendhaft und Schön ist auch die Mutter des Simsons / wie auchder Schönen Naftalerin / und der Schönen Timnatterin / zur höchsten Volkommenheit zu / vorgestellet worden. Was endlichdie Anmärkungen betrift / darinnen ich meine Verfassung erklähren wollen / diese haben gleichesfals / aus obangezogenen Uhrsachen / vielmahls abgekürtzt werden müssen; wiewohl sie auch vielmahls / wan meine [11] Leibeszufälle mich zu überfallen nachliessen / zimlich lang gefallen. Hiermit mus ich schlüßen / und darbei den guhthertzigen Leser ersuchen mich in sein Gebäht / zu wiedererlangung meiner Gesundheit / miteinzuschlüßen. Dafür ihm dan alle meine Geflissenheit gewiedmet sein sol / so lange / als ich bin und heisse

Der Färtige.

[12] Das erste Buch.

Die (1) Einteilung.


Israel war nunmehr ohne Heupt. Fürst Abdon /der Eilfte / der Friedfärtige / war hin. Er hatte sich zu seinen Vätern versamlet. Sein Richtstuhl stund öde. Das Volk Gottes lebete zaumloß. Ein ieder täht / was ihn lüstete. Die Boßheit nahm oberhand. Die Uberträhtungen heuffeten sich / und mit ihnen die Strafen.

(2) Bisher hatte der Himmel das Land besäliget. Alles stund in vollem Frieden. Iederman saß in Ruhe. Es war überal Stille. Aber aus diesem Frieden keumete die Wohllust auf. Diese Ruhe machte das Volk wohltägisch / und lüstern zur Uppigkeit. Diese Stille war ihm ein Lokaß zum Bösen / eine Körnung zum Laster. So schläget auch das Guhte selbst / durch Misbrauch / oftmahls zum übelsten aus.

(3) Zu gar zu guhten und friedlichen Tagen gehören starke Schultern. Wan diese schwach seind / vermögen sie jene nicht zu tragen. Auch machet alzuviel Ruhe faul und träge zur Tugend: die unter solchen Faulbetten anfaulet / wo sie nicht gar erstikket. Ja die Stätigkeit der Stille bringet Feulnis des Geblühtes /und diese die Schlafsucht des Gemühtes.

(4) Ich wil sagen: Müßiggang würkt aller Tugenden Untergang. Daher ist er auch aller Untugenden Anfang. Durch ihn werden die Muhtigsten Muht- / die Mächtigsten Macht-loß. Durch ihn erschlappen die Schultern / erschwachen die Kräfte. Durch ihn gerahten die stärksten Stahtswesen zum Falle. Dagegen stehet ein Staht / dessen Volk in stäter Arbeit bleibet /üm so viel fester.

[13] (5) Darüm warden auch wider den Müßiggang von den weisen Alten so scharfe Stahtssatzungen gestiftet. Solon erkennete die Müßiggänger zum höchsten strafbahr. Drako sprach ihnen den Kopf ab. Die Sardischen Gesetze befahlen sie schweerlich zu strafen / und forderten von allen Einwohnern /ihrer Arbeit / Nahrung / und ihres gantzen Lebens gar genaue Rechnung. Die Atehner verurteilten den Müßiggang / als ein großes Verbrächen. Die Nabateer belegten die Faulentzer / und die ihr Väterliches Erbguht verminderten / mit harter Strafe.

(6) Der Lukaner Satzung wider das Faulentzen ging auch so weit / daß sie dieselben / die den Müßiggängern und Bauchdienern etwas geliehen / des Geliehenen verlustig machten. Die Massilier jagten die Faulen Hummeln / die dem Stahte / durch Faulheit und Bätteln / überlästig fielen / aus dem Lande. Keiser Wentzel / und Romahn der Jüngere warden / ihres faulen und wohllüstigen Lebens wegen / von den Röhmischen Reichsständen beide des Keisertuhms beraubet. Was viel andere mehr / dieses so schädliche Laster abzuschaffen / löblich gestiftet / ist aus den alten Geschicht-schriften bekant.

(7) Wie nun dem Müßiggange die Sünde folget; so folget der Sünde Gottes Zorn / und diesem die Strafe. Kaum iemahls / ja wohl gar nie ist eines ohne das andere. Eine solche dreigliedrige unzertrenliche Kette befesselte das Volk an Händen und Beinen. Ein solcher dreifältig verknüpfter Zweifelsknohte hing überIsraels Heupte. Ein solches dreifache schädliche Kleeblat wuchs in seinem Garten. Dieses war der rechte dreiköpfichte Höllenhund / der aus dem Abgrunde selbst hervor zu springen schien / das sichere Volk zu verschlingen.

(8) Nichts in der Welt ist leichter / als Sündigen: nichts auch schweerer / als From-sein. Wie schweerlich ahrtet der Mensch zum Guhten! Wie leichtlich neugt er sich zum Bösen! Wir alle wallen im Argen. Kaum einer / wo nicht gar keiner / tüget zur Tugend. Wir seind alzumahl Untüchtig; allezeit lüstern zu Lastern. Es ist keiner / der Guhtes tuht / auch nicht einer.

(9) Durch vielerlei Sünden sonderten sich Israels Kinder von ihrem Schöpfer: der sich doch mit ihnen verlobet / verbunden / [14] vertrauet in Ewigkeit. Sie erzürneten Gott / ihr höchstes Guht / durch so viel Böses: doch allermeist durch Abgötterei. An ihres Gottes stat ehreten sie fremde Götzen. Mit denen buhleten sie / an stat / daß sie Gott lieben solten. Und hierdurch vertieften sie sich in der abscheulichen Huhrerischen / ja selbst Ehbrächerischen Todsünde.

(10) Darüm übergab Er sie auch in die Hände der Unbeschnittenen. Darüm lies Er sie / unter dem eisernen Joche der Filister / in schmählicher Dienstbarkeit der Heiden / wohl genug zappelen Und dieser Zorn währete wohl vierzig Jahr. Das war eine lange Zeit / eine bange Last / ein garzulangwieriges Unwetter / nach einer so kurtzen gühtigen Stille.

(11) Gleichwohl ie grösser die Noht / ie näher war Gott. Er entzog ihnen seine Gnade nie. Er verbarg sie nur ein wenig hinter der Zornruhte. Hinter diesem abscheulichen Strobelsterne flinkerte der erfreuliche Stern seiner Gühte noch immerzu. Seine Liebe war zu brünstig / zu mächtig. Ihre Flammen stritten mit den Flammen seines Zornes / und trugen den Sieg darvon. So schlug die Liebe den Zorn aus dem Felde / daß er weichen / ja fast gar verschwinden muste.

(12) Kaum hatte Gott angefangen zu strafen / da empfand Er schon Reue. Da brach das Mitleiden sein Vaterhertz. Da gab Er ihnen schon einen Heiland /einen Erlöser. Diesen hatte Er längst zuvor / eh er im Mutterleibe empfangen ward / ihnen zum Fürsten erkohren / zum Retter ihres Heiles bestimmet: dessen Gebuhrt auch eben itzund / in der Fülle der Zeit / ein Engel verkündigen muste. Ja dieser war es / von dem / als ihrem Herzoge / als ihrem Richter / als ihrem Kriegs- und Sieges-Helden / ja als der Sonne selbst ihres Heiles / die aus Dans Nachkommen hervorbrächen solte / dieser ihr nunmehr sterbender Vater schon lange vorher / in seinem letzten Segen / seinen Kindern geweissaget.

(13) Auch blühete fürwahr / mitten in der grössesten Angst / die Zeit ihres Heiles / ihrer Erlösung. Ja sie stund schon in voller Blühte / und begunte nunmehr zu zeitigen / als Simson Danssohn /vom Geiste des HERREN getrieben / Lust bekahm der Filister Land und Landesweise zu besichtigen.

[15] (14) Tugend kennet keinen Haustrümmel. In der Fremde sich ümsehen schärfet die Sinne / leutert den Verstand / bringet Erfahrung. Tapfere Geister können nicht lange hinter dem Ofen tauren. Fort und fort bei der Mutter zu faulentzen ist ihr grössester Verdrus. Stähts zu Hause zu liegen / ist schändlich / wo nicht schädlich. Sie laßen sich nicht einsperren. Sie trachten immer nach frischer Luft. Das Ausheimische Leben ist ihr Wohlleben. Da samlen sie / gleich den Bienen /das Beste / das Edleste zu ihrer Speise. Hierdurch werden ihre Sinne mit Klugheit / ihr Gemüht mit Weisheit gesättiget. Hierdurch nehmen sie zu an Tugend. Hierdurch wächset ihr Muht; sofern die Einsamlung behuhtsam geschiehet.

(15) Dieses alles wuste Simson sehr wohl. Darüm verlangte er nach solcher Reise. Darüm gedachte er auch in die Welt hinaus. Darüm wolte er sich auch in der Fremde versuchen. Sein Vaterland ward ihm zu änge. Sein Zarea allein konte ihn nicht vergnügen. Der Verzährtelung seiner Mutter / der Verhähtschelung seiner Eltern war er entwachsen; ja selbst auch ihrem Zwange.

(16) Bisher hatte er seiner Jugend / ja selbst auch seiner Tugend erste Versuchstüklein im Dannischen Läger blikken laßen. Aber nunmehr war zwischen Zarea und Estaol nicht raumes genug seine Tapferkeit / die mänlich zu werden begunte / zu üben. Sein Sin stund ihm viel weiter hinaus. In so genauen Schranken wuste sich sein Muht nicht länger zu halten.

(17) Also urteilen wir von Simsons Beginnen. Mit solchen Gedanken denken wir an seine beschlossene Reise: wiewohl das Göttliche Verhängnis hierinnen ein gantz anderes Ziel gehabt zu haben scheinet. Ja ich darf wohl sagen / daß ihn Gott selbsten fortgezogen / durch ihn auszuführen / was Er / in seinem Rahte / den Israelern zum Heile / beschlossen.

(18) Gott handelt nie ohne Mittel. Simson solte derselbe sein / durch den Er sein Volk zu erlösen bestimmet. Danssohn solte die Schmaach des gantzen Israelischen Volks an den Filistern rächen. Und hierzu zeigete die Hand Gottes ihm selbsten den Weg. Ja sie führete ihn dahin / da er [16] Anlaß bekommen solte die Filister zu befeden. Ich wil mehr sagen: sie selbsten solten ihm Uhrsache geben zu solcher Rache; damit alles richtig zuginge: damit ihn niemand einer unrechtfärtigen Gewalttaht beschuldigen möchte.

(19) Der Himmel begunte kaum zu grauen: kaum hatte die Morgendömmerung das Scheidezeichen zwischen Nacht und Tag gemachet / als Simson sich schon auf die Wanderschaft begab. So begierig war er dasselbe Land zu sehen / dessen Volk seinem Volke die Herschaft gewalttähtig abgezwungen. Ja er eilte dermaßen / daß ihn die Zareer schon aus dem Gesichte verlohren / als sie das erste Morgenroht hinter ihm herschimmern sahen.

(20) Zu Timnat war eben ein Kreustag. Da versamleten sich die fünf Kreuse des Filisterlandes. Alda berahtschlagten sich ihre fünf Kreus-Fürsten über den Staht. Hierher gedachte Simson. Hiernachzu gieng seine Reise. Kaum war er in dieser Stadt angelanget / als ihn schon nicht weis ich was für ein Blitz bestrahlete. Indem er die Augen bald hier-bald dorthin drehete / die Ahrt und Tracht der Bürger / zusamt dem Baue der Heuser / zu beschauen / sties ihnen / unter dem Filistischen Frauenzimmer / eine hertzentzükkende Schönheit auf.

(21) Timnat heisset ein Bild. Warüm nicht lieber eine Stadt des Bildes / oder noch lieber eine Stadt der Bilder? Dis war auch der volle Nahme; dessen Grundteil / das die flüchtige Zunge verschwieg / unter dem Nebenteile solte verstanden werden. Vielleicht daher: weil darinnen viel Götzenbilder auf Heidnische weise verehret warden. Und also bedeutete Timnat eigendlicheine Götzenstadt. Aber es scheinet / ausSimsons Begäbnis / daß sie vielmehr von der Mänge der schönen Bilder / oder Frauenbilder / damit sie vor andern Städten gepranget und geprahlet / diesen Nahmen bekommen.

(22) Ein solches Frauenbild war es / das Simson unter dem Timnattischen Frauenzimmer erblikte. Straks auf den ersten Anblik dieser Schönheit / folgeten so viel tieffe Hertzwunden / als sie Strahlen / oder vielmehr Pfeile aus ihren allerschönsten [17] [19]Augen auf ihn zuschos. Mit diesen blikkenden oder vielmehr blitzenden Strahlen vereinbahrten sich seiner Augen Blikke dermaßen / daß sie / mit einer heftigen Entzündung / in ihre Höhlen zurükpralleten: welche von stunden an das schädliche Feuer / das sie empfangen /den innersten Schlaufwinkeln der Seele mitteileten.

(23) Eben ein solches Feuer der Liebe zündete die Schönheit der Hebe / der Omfale / der Jole / in des großen Heldens Herkules / die Liebligkeit der Briseis in des Achilles / die Anmuhtigkeit der Andromede in des Perseus großmühtigen Seelen an. Warüm wolte man sich dan über unsern Simson / den Israelischen Herkules / verwundern / daß er seinen Augen verhänget sich an einer Filistischen Schönheit dergestalt zu vergaffen / daß er sich / straks im ersten Anblikke / seiner gantzen Sinligkeit verlustig befunden?

(24) Sobald dem Gesichte der Zügel gelaßen wird /verlieret ihn die Vernunft über unsern Gemühtstrieb. Dieser leuft dan / wie ein Schif ohne Steuerman / ungesteuert und zaumloß fort. Ja er reisset / als ein durchgebrochner Strohm / ungezeumt und ungeziemt über alle Schranken der Mäßigkeit hin. Als Simson seinen Augen verhing die bezauberenden Blikke gemeldter Schönheit einzusaugen; da verlohr er seinen Geleitsman. Die Vernunft verlies ihn. Seine Hertztriften spieleten meister. Sein Gemühtstrieb stund nicht zu bändigen. Er ris ihn / wie ein Zaum-und Gebis-loser Hängst seinen Reiter / über Stok und Pflok fort. Und hiermit war es üm seine Freiheit getahn.

(25) Mit einem Worte: Simson ward verliebt. Sein Hertz brante für Liebe. Und diese Liebesbrunst erwekte den Durst / den Hunger / die Begierde / ja das ungestühme Verlangen des Lieblichen / des Schönen unverzüglich zu geniessen. Es mochte nun sein / was es wolte / das seine so heftige Liebesbrunst gebahr; so war doch dieses gewis / daß er dadurch unaussprächliche Schmertzen empfand. Der Anblik des Schönen /der Wiederblik oder die Wiederstrahlung desselben /und das Verlangen darnach / seind drei Kettenglieder / daraus dieselbe Liebeskette sich schmiedet / die unsere Freiheit befesselt / die [19] Tühre der Vernunft verkettelt / und uns selbst an den Stok der unaufhörlichen Leibeigenschaft anschlüßet.

(26) Simson in diese dreifache Fessel geschlagen / mit diesem dreifachen Liebesstrükke verstrükket / war gantz unleidlich über der Ungestühmigkeit seiner Gemühtsregung. Die Schmertzen / die sie ihm erregte / waren ihm unerträglich. Der kleineste Verzug fiel ihm zu groß / zu lang / zu schweer. Gleichwohl war es der Billigkeit gemäß wieder nach Hause zu kehren. Gleichwohl erforderte die Kindespflicht seinen Eltern sein Vorhaben / eh er weiter fortführe / zuvörderst vorzutragen.

(27) Diese Wiederkehr wolte zwar ihn viel zu lang deuchten. Dieser Vortrag schien ihm die Beförderung seines Glüks auf die Harrebank zu schüben. Aber was sein muste / das muste sein. Der Nohtzwang trieb ihn nach Hause. Und also begab er sich auf die Rükreise: wiewohl mit langsamen und zauderhaftigen Schritten; indem das stähtige Andenken seiner Liebsten seinen Gang kräbsgängig zu machen schien.

(28) Kaum war er in seine Väterliche Behausung eingeträhten: kaum hatte er auszuruhen sich niedergelaßen; da fing er schon an Vater und Mutter seinen Willen zu eröfnen / mehr ihre Wilfahrung / als Beirähtigkeit / einzuhohlen. Und solches täht er /durch folgende Rede.

(29) »Das Leben ohne Lieben ist kein Leben. Des Lebens Laabnis / ja selbst Erhaltnis ist die Liebe. Wan diese aufhöret / höret auch das Leben auf: eben wie sie nicht ist / wo kein Leben ist. So nahe seind Leben / und Lieben einander verwant / daß keines ohne das andere so schweerlich sein kan.

(30) Darüm lebet auch warlich kein Mensch / der nicht liebet. Ja / was mehr ist / die Liebe herschet überal. Unter ihrer Bohtmässigkeit stehet der Himmel so wohl / als die Erde / mit allem / was sie begreiffen. Sie erweiset ihre Kraft / was die Erde betrift / nicht nur in den Beseelten Vernünftigen / und Unvernünftigen / sondern auch selbst in den eigendlich Unbeseelten bloß allein wachsenden Weltgeschöpfen.

(31) Der Weinstok ümarmet ja / aus Liebe / den Ulmbaum. Der Magneht oder Liebesstein ziehet / aus Liebe / das Eisen an [20] sich. Aus Liebe gatten sich alle Tiere / die den Erdbodem beträhten / oder bekriechen. Aus Liebe paaren sich die Vogel der Luft / und alle Fische / die in den Wassern schwimmen. Ja selbst der Salmander / der im Feuer lebet / kennet die Liebe: ohne die sein Geschlächt aussterben würde.

(32) Im Himmel ist zuvörderst alles der Liebe vol. Alda befindet sich unter den Engeln ein lauteres ewiges Liebeleben. Alda seind alle Heiligen Gottes erfüllet mit Liebe. Ja alle Himmelsgeschöpfe bestehen aus Liebe / und gehen mit Liebe den Irdischen vor. Vom ungeschaffenen dreieinigem Gotte / der aller Dinge Schöpfer / ja die Liebe selbst ist / wil ich nicht einmahl sagen.

(33) Was für ein Wunder ist es dan / daß Ich liebe? weil alle lebendige Geschöpfe / sobald sie zu leben /auch zu lieben beginnen. Meiner Großmühtigkeit /damit der Himmel mich begabet / ist es keines weges verkleinerlich: auch gereicht es meiner übermenschlichen Stärke zu keiner Verschwächerung / daß ich die Bande der Liebe trage. Die tapfersten Helden / die stärkesten Riesen seind so wenig / als die allerverzagtesten Menschen / und allerschwächesten Zwärglein /von so süßen Empfindligkeiten der Liebe befreiet.

(34) Der Anblik einer gantz sonderbahren Schönheit unter den Timnattischen Töchtern hat mich / in der Liebeschuhle das erste Schuhlrecht abzustatten /gereitzet / ich wil nicht sagen verleitet. Die Augen /als Fenster zum Hertzen / konten sich nicht entziehen ihre so helfunklende Strahlen / mein Hertz zu entzünden / einzulaßen. Diese Brunst nahm dermaßen oberhand / daß ich / imfal sie mir / mit dem Hertzen / auch die Behertztheit meines Gemühtes entzogen / so lange nicht warten können üm die Besitzung derselben / die mich verliebt machte / zu wärben.

(35) Eine Kriegsmacht von viel tausend Filistern und eben so viel tausend Enakskindern darzu were nicht mächtig genug gewesen mich zu verhindern / sie / durch die Stärke dieser Faust / ihnen angesichts zu entwältigen. Ich versichere Euch / sie solte in diesen meinen Armen schon liegen. Aber ich hatte / wiewohl ich sonst selbst überwunden [21] war /dannoch alhier nicht vergessen den Treiber meiner Sinne zu überwinden. Und diesen Treiber / wie ungestühm er war / trieb ich gleichwohl so lange zurük /bis Ihr Euch / zur Belohnung dieses Sieges / üm die Besitzung der schönen Timnatterin mir zum besten bemühet.

(36) Hierzu / hoffe ich / werdet Ihr nicht ungeneugt sein. Ja ich versichere mich schon erlangt zu haben /was ich verlange. Ich hoffe / ja ich gleube / Ihr werdet dieses Verlangen / durch Vereinbahrung eures Willens mit meinem Willen / zu billigen kein Bedenken tragen. Mich dünkt / ich vernehme schon die Glükswünsche / die Ihr mir zurufen werdet / in meinen Ohren. Mich deuchtet / ich höre schon das Frohlokken meiner Mutter über ihre kurtzkünftige Tochter.«

(37) Auf ein so kühnes Ansuchen / oder vielmehr Anmuhten / dessen sich niemand vermuhtet hatte /wuste der halbbestürtzte Vater sich eine guhte Zeit zu keiner Antwort zu entschlüßen. Er stund / als entzükt. Bald schlug er die Augen nieder. Bald erhub er sie wieder. Er schüttelte das hängende Heupt. Zuweilen täht er den Mund auf / als wan er reden wolte. Doch vernahm man von ihm anders keine / als die stumme Rede seiner Gebährden; damit er die Traurigkeit seines Hertzens vernähmlich genug andeutete. Endlich aber lies er seinen Bescheid / indessen die Mutter /mit lauten Trähnen / ihr Misfallen über des Sohnes Vorsatz bezeugete / folgender gestalt aus.

(38) »Deine Liebe / mein Sohn« / sagte der Alte /»tadeln wir gantz nicht. Auch trachten wir keines weges von der Liebe dich abzuhalten. Vielmehr ist es uns lieb / daß du liebest. Du bist unser einiges Kind /unser einiger Sohn / unser einiger Erbe. Solten wir dan darüm nicht lieber wünschen / daß du liebetest /daß du dich beweibetest / als daß du lieb- und eh-loß dahin lebetest? Ach ja! mein Sohn / wir wünschen nichts lieber / als deine Liebe: vermittelst derer wir dich in den Ehstand versetzet / und mit Kindern gesegnet sehen möchten: damit unser Geschlächt vermehret / und für seinem Untergange bewahret würde.

(39) Aber wir wünschen auch hierbei / daß deine Liebe so [22] geziemt / als ungezeumt sie aus der Spuhr schreitet / sein möchte. Ich wil sagen / daß sie so wohl die Vernunft / als deinen verkehrten Willen / zur Führerin hette. Wer die Vernunft höret / wird nie betöhret. Diese mus auch in Menschlichen Dingen /wie in Göttlichen der Glaube / den Ausschlag haben. Beide müssen / jene dort / dieser hier / das meiste gelten. Mit diesen zwo Leuchten wandelt der Mensch /auch mitten in der Nacht / ohne stulpern / über alles hulprige hin. Wan er aber seines Gemühtes unbesonnenem Triebe folget; dan stößet er / selbst auf ebenen Wegen / und im klähresten Mittage / überal an / ja fället wohl gar zu bodem.

(40) Fehlet es dan deinem Geschlächte an Jungfrauen? Mangelt es unter allen Stämmen Israels an Weibsbildern? und gebricht es diesen an Geschikligkeit? Ist dan keine Schönheit unter allen Töchtern dieses gantzen Volks / die dir gefalle? Ist dan das Volk Gottes so unglüklich / daß unter allen desselben Eingebohrnen nicht eine zu finden / die so liebsälig / so holdreich were / als eben diese Heidin / die du zum Ziele deiner Liebe erkohren? Mustdu dir dan eben unter den Unbeschnittenen eine Braut suchen; unter den Filistern / unsern Todfeinden / ein Ehgemahl wehlen?

(41) Ich versichere dich / daß alhier bei uns eben so fürtrefliche Schönheiten vorhanden / als dort. Ja ich darf wohl wetten / daß unser Frauenzimmer an Hold-und Leut-säligkeit das Timnattische weit übertrift: zumahl wan man die innerliche Gemühtsschönheit betrachtet; welche bei dem Heidnischen sehr selten / oder kaum / ja wohl gar nicht zu finden.

(42) Ich und deine Mutter / mit allen deinen Freunden / ja mit deinem gantzen Volke / ziehen es uns für einen Schimpf an / daß du unsern Töchtern eine Fremde / ja selbst eine Feindin unsers Volks / und unsers Gottesdienstes vorziehest. Deine zaumlose Leidenschaft können wir mit nichten guht heissen. Dein ungeziemtes Verlangen / die Besitzung einer Filisterin zu erlangen / können wir keines weges billigen / und noch viel weniger darein willigen.

(43) Wan wir zuliessen / daß unser Sohn eine Götzendienerin heurrahtete; were es nicht eben so viel /als wolten wir ihm [23] verhängen zugleich ein Götzendiener zu werden? Dieses sei ferne von uns! Da bewahre uns Gott für! Unser Gesetz rahtet / ja ziehet uns von solcher so gar schädlichen Einwilligung ab.

(44) Zudem wan es ie geschehen solte / welches wir doch nimmermehr hoffen wollen / daß du diese Filisterin ehligtest / und / durch dieses Mittel /dich mit den Filistern / derer Joch uns drükket /befreundetest; so würden wir das feste Vertrauen / das wir haben / von diesem Joche / durch Dich / erlöset zu werden / verlieren. Ja Gott selbst würde Dich / den Er sonst uns zu unsrem Erlöser erkohren / alsdan verwerfen / und dieses Heilwerk durch, einen solchen / der sich einer Heidin / einer Gottesverächterin Liebe so schändlich betöhren laßen / nicht ausführen wollen. Darüm / mein Sohn / lenke dich zu besseren Gedanken. Begehe diese Tohrheit nicht. Siehe wohl zu / was du tuhst.«

(45) Manoah / so hies Simsons Vater /wolte weiter reden: aber der Sohn fing ihm das Wort auf / und fuhr / halberzürnet / folgender gestalt fort. »Freilich seh' ich wohl zu / was ich tuhe. Ich habe mir / mitten unter den Feinden / eine Braut erkohren. Ich habe sie aus den Götzendienern erlesen / oder vielmehr zu erlösen im Sinne. Was schadet nun diese Wahl? Was hindert dieser Vorsatz? Ich sage vielmehr / daß es uns frommen kan. Ja es wird uns frommen: das solt ihr bald erfahren.

(46) War es dem Egiptischen Schaltkönige Josef / dem Sohne Jakobs oder Israels / unsers algemeinen Stamvaters / zuläslich / daß er eine Egipterin / eine Heidin / und gar eine geweihete Götzendienerin / ja selbst eines Obersten der Egiptischen Götzenpfaffen Tochter heurrahten mochte; warüm solte mir es verarget werden eine Filisterin / die zwar auch eine Heidin / und Götzendienerin / aber keine Geweihete / noch eines Götzenpfaffen Tochter ist / zu meiner Braut zu wehlen? Wan derselbe / den man nachmahls selbst unter die absonderlichen Stamväter der Kinder Israels / des Volkes Gottes / gerechnet / solches tuhn dürfen; warüm solte dan mir / der ich nur ein Absprösling solcher absonderlichen Stämme bin / dergleichen zu tuhn verbohten sein; zumahl da der Sache [24] Beschaffenheit auf der Braut Seite / weil sie weniger ärgerlich scheinet / mir mehr Freiheit erleubet?

(47) Ich wil mehr sagen: Scheuete sich Moses /des Volks Israels Gesetzgeber selbst nicht / sich mit der Zipore / einer Araberin / einerMohrin / ja Heidin / und eines Heidnischen Priesters in Midian / des Raguels Jetro Tochter / in Ehgelübnis einzulaßen; so darf auch ich keine scheu tragen mich mit einer Filisterin zu vermählen. Und wan dieser Man Gottes hieran so übel getahn / wie ihr wähnet / daß ich an dieser meiner beschlossenen Heurraht tuhe / so würde Gott seine Schwester Mirjam / weil sie / samt ihrem Bruder dem Aaron / deswegen gemurret / gewislich nicht mit der allerabscheulichsten Seuche des Aussatzes gestrafet / ja ihn selbst nimmermehr zum Führer und Fürsten seines Volkes bestellet haben.

(48) Eine so ausbündige Schönheit / wie diese / die meinen Augen gefället / behält überal den Preis. Der Ruhm bleibet ihr überal. An allen Orten gebühret ihr Ehre. Ja were sie schon mitten in der Hölle; würde doch der Ort ihre Verdienste nicht mindern: indem sie ihre Liebligkeit und Liebenswürdigkeit von ihr selbst / und nicht vom Orte / der sonsten so häslich / so unwährt ist / bekommen.

(49) Mit Vorbedacht tuh' ich / was ich tuhe. Dan so lange dieser so währte / so liebe Schatz in den Händen unserer Feinde bleibet / können sie anders nicht /als währt und lieb gehalten werden. Wie kan auch ich zum Heilande / zum Erlöser des gantzen Israels gebohren zu sein / ja zum Verderben eines solchen Volks / das uns drükket / erkohren zu sein gesagt werden / so lange sich unter demselben eine so anbähtenswürdige Schönheit befindet? Ja wie solte ich eine Stadt / darinnen sie sich aufhält / oder einen Feind / der die Ehre hat sie zu besitzen / indem ich ihrentwegen aufhören müste sein Feind zu sein / beleidigen können? Ich würde gewislich mir einbilden /imfal ich solches tähte / das Laster eines beleidigten Heiligtuhms / das einer Gottheit geheiliget / begangen zu haben.

(50) Hingegen würden die Filister / sobald sie ihrer Gegenwart [25] solten beraubet sein / in der Taht erfahren / daß ich ihr Feind worden. Und darüm verziehet nicht länger / durch eure Bewilligung / unsern Feinden ihre Verheerung über den Hals zu ziehen: damit wir an unsern Hälsen ihr eisenhartes Joch /durch ihr Bluht / ie eher / ie lieber durchweichet / ja gar zerschmoltzen sehen mögen.«

(51) Der alte Manoah hatte / unter seines Sohnes Wiederantwort / zwar unterschiedliche Gegenwürfe mehr ersonnen / in Hofhung / ihn endlich einmahl zur Beobachtung seiner Pflicht zu bewegen. Aber er begunte kaum zu reden: ja er hatte hierzu den Mund kaum eröfnet / als Simson seine Rede schon unterbrach. Und solches täht er mit folgenden Worten.

(52) »Mein Schlus« / sprach er / »ist unveränderlich. Unbeweglich bleibet mein Sin. Mein Wille stehet fest. Meine Worte dringen auf meines Verlangens Volziehung. Ich wil / ja ich mus vergnüget sein. Ich wil rundaus dieselbe besitzen / die sich meinen Augen so angenehm / so wohlgefällig gemacht.«

(53) Mit hiesigen Worten trafen die Gebährden zu; und mit den Gebährden die Stimme. Aus deren hart-erhobenem Klange konte man die Hartnäkkigkeit seiner Entschlüßung unschweer errahten. Eben dasselbe gab er auch / mit seinen starren Augen / und übersich geruntzelter Stirne / zu verstehen. Zu diesem kahm die Veränderung der Farbe / des Ganges / des Standes / ja der gantzen Leibesgestalt / die mehr einen trotzigen und tolkühnen Muht / als ein verliebtes Hertz andeutete.

(54) Aus solchen so unfehlbahren Zeichen eines gewalttähtigen Willens / war die Rechnung leichtlich zu machen / daß des Vaters Beredungen nichts verfangen würden. Manoah märkete nun sehr wol /daß seines Sohnes Wahl bloß eine Würkung der Sinligkeit sei; die das Wohlgefallen zur Richtschnuhr erkohren. Er sahe / daß allhier alles nach Beliebung der Augen sich richtete. Wo nun diese allein herschet / da gehet der Verstand auf Steltzen: da fället die Einrede /wie vernünftig sie ist / auf ein steinichtes Land. Da ist es unmüglich / daß sie sich bewurtzele / ja noch unmüglicher / daß sie fruchte.

[26] (55) Hierbei befahrten sich auch Vater und Mutter /wan sie / ihm zu widerstreben / fortführen / eines unglüklichen Ausschlages. Sie fürchteten / es möchte seine Steifsinnigkeit zur Tolsinnigkeit ausbrächen. Sie besorgeten sich / er möchte seiner Faust / die sich auf den gewaltigen Nachdruk seiner Stärke verlies /ungeziemter Weise zu wühten verhängen: oder aber sonst eine unrühmliche Taht verüben.

(56) Einen Starken / in seiner Erboßtheit / durch vieles zörgen / noch erboßter zu machen ist gefährlich. Dan sein Zorn / ie höher er steiget / ie mehr Kraft giebt er seiner Stärke; und schläget endlich wohl gar in eine grimmige Wuht aus: die alsdan /durch die Stärke seines Armes / das Verderben überal säet. Ein solcher lest sich durch nichts aufhalten. Er bricht / ie mehr man ihm zu wehren trachtet / ie gewaltiger durch alles durch. Seine blinde Gemühtstrift lest sich zuweilen / durch einen andern / bei der Richtschnuhr des Urteils / wohl leiten / aber von ihrem Wege nie ableiten.

(57) Bei Erwägung dieser Beschaffenheit / entschloß sich endlich der Vater in seines Sohnes Willen zu willigen: weil er doch wohl sahe / daß die Kraft seiner Bewägnisse wider die Macht der Sinregungen seines Sohnes nichts / ja gar nichts auszurichten vermochte. Und also erhielt Simsons Wille den vollen Sieg über den Willen seiner Eltern: die es sehr schmertzete / daß sie ihrem Sohne / zu seinem verkehrten Willensiege / behülfliche Hand zu leisten sich keines Weges entbrächen können.

(58) Aber es war beiden Eltern noch zur Zeit verhohlen / daß Simsons Wille / durch einen höheren Willen getrieben / gleichsam gezwungen ward sich dem ihrigen zu widersetzen. Sie wusten noch nicht /daß die Götliche Hand selbsten / und nicht Simsons unbändige Gemühtsneugung / wie sie itzund wähneten / die Treiberin war in dieser Sache. Sie erkanten nicht / daß Gott / der in seinen wüchtigen Schlüssen / dergleichen einen Er alhier auszuführen vorhatte / auf eine gantz sonderliche / wunderliche / ja der Vernunft / und den Göttlichen Befehlen selbst oft / dem Ansehen nach / widrige Weise gemeiniglich würket / hierinnen mit unterspielete. Sie gedachten[27] nicht / daß Simson / auf Gottes Verhängnis / seine Brautwahl begonnen: daß er hierdurch der Filister Hochmuht und Gewaltzwang zu dämpfen Uhrsache suchen / und das Heilwerk der zuvor geweissagten Erlösung seines Volkes gleichsam anträhten und befördern solte.

(59) Von der Zeit an / da den Fal des ersten Mansbildes / und zugleich aller nach ihm / ja selbst aller Menschen beiderlei Geschlächts das allererste Weibesbild veruhrsachte / scheinen die folgenden Weibsbilder / als des ersten Töchter / ein gar gewöhnliches Mittel zum Falle der Mansbilder / ja selbst zur Verwüstung gantzer Völker / durch Gottes Verhengnus /geworden zu sein. Die Wahrheit dessen bezeugen uns / in so gar überheufter Mänge / die Beispiele bei den Geschichtschreibern.

(60) Von so vielen tausenden wollen wir nur etliche nennen. Ein kleiner Auszug ihrer so langen schwartzen Rolle wird hier genug sein. Die bekantesten / die alda eingerollet stehen / seind Jesabel /Atalie / beide Königinnen von Israel / Helene / die Trojische / Hippodamie / des Oenomaus Tochter / Hippodamie /des Piritous Gemahlin / Aspasie / des Perikles Spielmägdlein / Lavinie / des Lateinischen Königs Tochter / Arsinoe / des Agatokles Stiefmutter / Anaxarete / Deiani re / Berenize / Eurifile / des Amfiaraus verrähterisches Ehweib / Nikostrate / Fedre / des Hippolitus Stiefmutter / Hermione / Zille / des Königes Nisus verrähterische Tochter / Kleopatre / die Egiptische Königin / Tullia / des Servius Tullius verrähterisches Ehweib / Fridegunde /König Hilfreichs verrähterische Gemahlin /Isabelle / Graf Luchins Gemahlin.

(61) Nach diesem so gewöhnlichen Glüksfalle /solte dan auch alhier den Filistern ein Weibesbild / das Simson / aus ihren Töchtern selbst / zu seiner Braut erlesen / zum Falstrükke dienen. Es solte die Falbrükke sein / dadurch die Almacht Gottes diesem Helden den Zugang / sie feindlich anzufallen / eröfnen wolte. Es solte gleichsam der Angelhake sein /sie zu fangen / und den Tod unter ihnen überal auszusäen. Ja es solte Dieselbe / die ihn verliebt machen müssen / [28] ihn auch erboßen / und aufreitzen eine Verwüstung / unter ihrem Volke / weit und breit anzurichten.

(62) Und also hat Simsons Liebste / die doch keines weges gewillet war / ihren Landsleuten einiges Unheil über den Hals zu ziehen / zu der Filister Niederlage / wider ihren Willen / ja selbst unwissend die fürnähmste Bewäguhrsache sein müssen: indem die Götliche Rache / wie es scheinet / sich / zum Verderben der Filister / nirgend anders anspinnen wollen / als an diesem Wokken / darvon der Fadem des menschlichen Verderbens sich zum allerersten entsponnen / und noch itzund am meisten fortgesponnen wird. Ja ich darf wohl sagen / daß ein Weibesbild gemeiniglich der Feuerstein sei / daraus die Funken zu einem solchen Feuer / das den Untergang so manchen Völkern veruhrsachet / so heuffig entspringen.

(63) Diese Funken nun geben sie von sich fürnähmlich auf dreierlei Weise. Erstlich / zuweilen unwissendlich / und wider ihren Willen; wie Simsons Liebste: darnach / oftmahls wissendlich / doch mit gezwungenem Willen; wie die entführte Frauender Sabiner: und dan / zum öftern wissendlich /und willens; wie die weltberufene unflätige Tais getahn / die dem Großen Alexander so künstlich zu liebkosen wuste / daß er / ihr zu liebe / und ihm zum schändlichen Nachruhme / über die unschuldige mächtige Stadt Persepolis das Feuer seiner Grausamkeit zum allererschröklichsten ausstürtzete.

(64) Weil dan die Almacht Gottes / in diesem Liebespiele / solchergestalt mitwürkete / mochte Simson das Augenmärk / seine Liebe zu vergnügen / unschweer erreichen. Wo Gottes Wille mitwaltet / da erlangt man alles / was man verlangt. Wohin der Himmel wil / dahin mus die Erde folgen. Wo Gottes Rahtschlus unsern Willen begünstiget / da gedeiet unser Anschlag zum glüklichen Ausschlage. Da müssen alle Hindernisse weichen. Schlösser und Rügel springen auf. Die Tühren öfnen sich selbst. Alles mus unsrem Willen gehorchen.

(65) Manoah hatte zwar Simsons Heurraht bewilliget: gleichwol verzog er mit derselben Volziebung. Die Väterliche Zuneugung konte nicht gestatten / daß sein Sohn so bald wieder verreisete. Hierzu stimmete die Mütterliche Liebe. Die Bluhtsfreunde[29] selbst wolten ihn so geschwinde nicht missen. Ja das gantze Dannische Volk vermochte diesen so schleunigen Abschied kaum zu leiden. Aber dem jungen Liebeschüler war der kürtzeste Verzug zu lang. Der geringste Verschub war ihm verdrüßlich. Eine Stunde fiel ihm alhier länger / als sonst ein gantzes Jahr. So sehnete er sich nach seiner Liebsten.

(66) Es stritte dan alhier so vielerlei Liebe: doch keine so heftig / als des verliebten Simsons. Diese zwang alle die andern zur Ubergabe. Vater und Mutter musten sich selbst / auf sein so ungestühmes Anhalten / mit ihm auf die Reise begeben / dem Verlöbnisse beizuwohnen. Die Verwanten warden gezwungen / ohne ihn / der Heimat zu hühten. Das gantze Volk vermochte seinen Abschied nicht zu hintertreiben.

(67) Die Reise nach Timnat ging fort. Vater und Mutter begleiteten ihren Sohn: der so langsam nicht schleichen konte / als die alten Eltern. Auch durfte er nicht / als ein Jüngling: viel weniger / als ein Verliebter. Er hielt es für Schande. Darüm war er froh / daß die Liebe seine Füße flügelte: daß die Begierde / die jenige zu sehen / derer Schönheit ihn so kräftig an sich zog / seinen Gang fortjagte: daß das Verlangen dieselbe zu besitzen / die sein Hertz besaß / sein Treiber war worden: daß der Liebestein zu Timnat selbsten ihn fortzog. Also lief Simson / oder sprang vielmehr / als ein flüchtiges Reh / das der Schütze der Liebe jagte / vor seinen Gefährten hin. Ja er eilete ie mehr und mehr / ie näher er an Timnat zu gelangen begunte.

(68) Ein muhtiges Ros märkt es zur Stunde / wann es der Krüppe sich nähert. Dan begint es / aus Liebe zum Futter / mit weiteren Schritten / ja völleren Sprüngen / zu rennen. Dan reisset es / gleich als geflügelt / seinen Reiter dermaßen fort / daß er weder der Spisruhte / noch der Spohren bedarf. Gleichergestalt täht alhier Simson. Als er dem Orte sich näherte / da ihn das Futter der Liebe füttern solte / fing er auch an viel stärker zu eilen / als zuvor iemals. Ja die Hofnung / seine Liebste bald in seinen Armen zu sehen / vermehrte seine Kräfte dermaßen / daß er selbst schier nicht wuste / wie so hastig er fortkahm.

[30] (69) Sobald er nun nahe vor der Stadt die lustige Gegend der Weinberge liegen sahe / schlug er seit wärts aus. Er nahm seinen Weg hinter denselben hin. Er verlies die gebahnte Heerstraße / und begab sich auf einen wenig gebahnten Fußsteig. Und solches täht er ohne Zweifel aus Furcht / es möchten die Weintrauben / die nunmehr zu ihrem völligen Reiftuhme gelanget / ihn lüstern machen die Süßigkeit ihres Saftes zu kosten / und sich zugleich an seinem Schöpfer zu versündigen.

(70) Simson war schon ein Verlobter Gottes /eh er gebohren worden. Und daher durfte er keinen Wein trinken / noch Weintrauben essen. Beides war ihm verbohten. Dieses Verboht nun nicht zu überträhten / verlies er die gewöhnliche Landstraße /die mitten durch die Weinberge hinlief; und begab sich / hinter denselben / auf einen Schlaufweg. Und also wolte er die Gelegenheit zu sündigen meiden: welche der Ort den durchreisenden / durch die große Mänge seiner so mancherlei Weintrauben / mildiglich anboht.

(71) Wer hette diese so lieblichen Brüste / welche die Vorübergänger / mit tausend lustreitzenden Augen / anzulächlen schienen / bloß allein anschauen können / daß nicht auch zugleich der Mund lüstern were worden / ihren zukkersüßen Milchsaft einzusaugen? Ich gleube schier / daß es leichter gewesen were den anreitzenden Liebestrahlen einer Jungfreulichen Schönheit zu entgehen / als die Anlokkungen dieser so an genehmen / so saft- und kraft-reichen Rebenfrüchte zu verschmähen.

(72) Darüm gedachte Simson: weit darvon ist guht für den Schus. Wer sich in Gefahr giebt / verdürbt darinnen. Der Gefahr zu sündigen sich nähern /ist schon halb gesündiget. Gelegenheit macht Diebe. Wir seind von uns selbst nur alzulüstern zu Lastern. Man darf nicht erst hingehen / wo der Anlaß darzu die Augen beitzet / die Sinne reitzet. Nichts so sehr ist uns angebohren / als die Neugung zu Uberträhten. Mit der ersten Muttermilch wird sie uns eingeflößet. Man darf darzu keines andern Einflusses. Man darf sie / durch Ergreiffung der Gelegenheit / nicht mehren / und triftig machen.

(73) Aber indem Simson der einen Gefahr zu entgehen [31] gedachte / geriet er unverhuhts in eine andere. Er hatte sich kaum in die abwegigen Streucher begeben / da kahm albereit ein junger hungriger Leue brüllend auf ihn zu. Dessen grimmiger Anblik schien ihm gleichwohl lange so gefährlich nicht / als das Anschauen der Trauben: die ihn zur Uberträhtung des Götlichen Gebohts anzureitzen vermochten.

(74) Ein Leue / wan er erzürnet wird / brühet einer vorgeworfenen Henne / mit seinem südendheissem Ahtem / oftmahls die Federn weg. So heftig hitzet und brennet sein Zorn. Gleichwohl scheuete sich Simson für diesem nicht / der mit aufgesperretem Rachen auf ihn ansprung. Er wich keinen Fuß breit /weder hintersich / noch seitwärts: wiewohl er gantz wehrloß war. Er hielt stand / mit unerschrokkenem Muhte: indem der Geist Gottes seinen Muht bemuhtigte / sein Hertz behertzte / und seine Faust / die das einige Werkzeug sein solte dieses Tier zu fällen /kräftiglich stärkte.

(75) Ein tapferes Gemüht weis von keiner Flucht. Es ist unbewäglich. Kein Trutz kan es schrökken. Seine Tapferkeit verhöhnet die Grimmigkeit / dämpfet den Hochmuht / vereitelt das Dreuen. Des Leuen Wesen war grimmig / sein Gang hochmühtig / sein Rachen vol Dreuungen. Er schüttelte die Mähne /knirschete mit den Zähnen / scharrete mit den Pfohten / blitzete mit den Augen. Doch fürchtete sich dieses Hertz / dem nichts / was menschlich ist / bewust war /für so leeren Aufzügen gantz nicht.

(76) Als nun der Leue so nahe war / daß er den Simson mit den Pfohten schier erreichen konte; da schwung er sich / mit einem gewaltigen Sprunge /nach ihm zu / den ersten Angrif zu tuhn. Simson aber vereitelte diesen Ansprung / durch einen behänden Zurüktrit: und fiel darauf das Tier dermaßen an /daß er es von stunden an auf den Bodem warf / und wie ein Böklein zerrisse. Also erlegte Simson den Leuen: und nachdem er ihn / neben dem Schlaufwege / in die Streucher verstekt hatte / begab er sich wieder auf den Fußweg seine Reise fortzusetzen.

(77) Von einer so kühnen Taht schwieg dieser Leuenkämpfer gleichwohl gantz stille. Er berührte sie nicht mit einem Worte. [32] Er täht nicht / wie mancher Großsprächer; der mehr prahlet / als er ausgerichtet. Er wolte kein Windbrächer / kein Aufschneider sein: der im Wahrreden eben so karg ist / als er / mit milder Zunge / hinter der Wahrheit hin lustwandeln gehet; damit er von den Leuten üm so viel mehr gerühmet /geehret / und angesehen werde. Ein solcher Ehr- und Ruhm-Geitz fand bei unserem jungen Freuer keine stat. Er entdekte diese Begäbnis weder Vater / noch Mutter / ja selbst der Liebsten nicht. Und also schien er sie / in seinem Hertzen / unter dem Kohlfeuer der Liebe verscharret zu haben.

(78) Es war auch in Wahrheit gantz scheinbarlich /daß zuvörderst die Liebe dieses so gar geheime Stilschweigen veruhrsachet: Weil die Eingezogenheit und Niedrigkeit / als erstgebohrne Töchter der Liebe /derer Bohtmäßigkeit den Satzungen des Hochmuhts und Ehrgeitzes schnuhrstraks zuwider / Simsons Hertz beherscheten. Zudem mochte sich Simson in seinen Liebesgedanken vielleicht so sehr vertieffet haben / daß er alles dessen / was ihm mit dem Leuen begegnet / vergessen; oder sich so viel von denselben / solches zu erzehlen / nicht abmüßigen wollen.

(79) Zu diesen Würkungen der Liebe kahm auch vermuhtlich die Furcht: indem er sich befahren konte /wan seine so kühne Taht Vater und Mutter erführen /sie möchten darüber erschrökken / und sich derselben Macht / die Eltern über Kinder zukömt / allezeit gebrauchen. Ja er konte die Rechnung leicht machen /daß sie ihn alsdan / aus alzuübermäßiger Beisorge /seine so große Kühnheit und Stärke möchten ihn irgend zu Schaden bringen / nicht weit auslaßen würden.

(80) Die Jugend ist gemeiniglich verwägen: zumahl wan sie sich verlesset auf Stärke; derer Gebuhrt die Verwägenheit so wohl / als die Kühnheit ist / wo nicht auch die Frechheit. Wo nun die Verwägenheit einziehet / da ziehet die Vorsichtigkeit aus. Keine leidet die andere. Beide vertragen sich nimmer zusammen. So bahnet dan die Verwägenheit den Weg zum Untergange. Sie würket das Verderben. Zum wenigsten ist sie vol Gefahr: welche die Vorsichtigkeit meidet. Und darüm ist es guht / daß ein verwägener Jüngling unter dem Zaume der [33] [35]Eltern stehe. Wer dem entleuft / der rennet mitten ins Unglük.

(81) Mitler Zeit war Manoah / samt seinem Weibe / zu Timnat angelanget. Kurtz darnach kahm Simson auch an der dan seinen Vater alsobald antrieb das Brautgewärbe zu verrichten. Straks ward der Jungfrauen Eltern angedienet / daß Manoah von Zarea sie zu sprächen begehrte. Die Vergünstigung kahm / mit dem Bohten / geschwinde zurük. Geschwinde muste Manoah / mit noch zween Bluhtsfreunden / sich aufmachen. Simson lies ihm keine Ruhe: wiewohl er selbst so gern der Ruhe genossen. Ohne Verzug solte das Jawort gefordert / und gegeben werden.

(82) Simsons Stärke war schon überal erschollen. Seine Tapferkeit kenneten die Filister. Sein bloßer Nahme war ihnen ein Schrik. Und darüm durften sie seinen Freuwärbern nichts abschlagen. Das Gewärbe ward angenommen. Die Einwilligung folgete. Dem Freuer ward vergönnet die Jungfrau zu besuchen. Alles ging ihm nach Willen und Wunsche.

(83) Manoah kahm mit dieser fröhlichen Bohtschaft geschwinde zurük. Simson begab sich straks in das Brauthaus. Straks ward er in das Jungfrauenzimmer geführet. Geschwinde ging alles zu. Ihn und seine Liebste lies man allein. Sie hatten auch keines Zuschauers nöhtig. Ein fremdes Ohr und Auge war ihnen verdrüßlich.

(84) Die Liebe paaret nur. Sie kan kein drittes leiden. Ihre Geselschaft beruhet bloß auf zweien. Durch zwo Zungen / unter zwei paar Ohren / und zwei paar Augen / wird ihr Band befestiget. Auch fügt sich das Wort / das dieses Band bindet / nur aus zwee Buchstaben zusammen. Einer ahrtet dem Selbstande deß Mannes nach / der andre dem Weibsbilde. Jener stimmet für sich / dieser mit zu. Jener führet die Haupt-dieser die Unter-Stimme.

(85) Wer war froher / als Simson? Wer war vergnügter / als er? der nunmehr die ersten Vergnügungen seiner Liebe gantz überflüssig einärnten konte. Bei dem ersten Eintritte / bildete er ihm schon ein im Reiche der Liebe König zu sein. Ja er befand sich / in seinen Gedanken / schon auf der Liebe [35] Reichstuhl erhoben / als er seine Liebste zum ersten erblikte; als ihn dünkte / ihre Gegenblikke so lieblich / so freundlich auf ihn gerichtet zu sehen / daß er für Liebe zerflüßen / ja gar in lauter Liebe verändern müste. Nunmehr schienen sich seine Augen mit ihren süßen Liebesblikken / seine Ohren mit ihren so anmuhtigen Zukkerworten / sein Mund mit dem Honigtau ihrer zahrten Lippen schon zu sättigen.

(86) Seine Ansprache war kurtz. Den Flus der überflüßigen Schmukreden kennete sie nicht. Ihre Worte flossen gantz rein und lauter aus dem Brunnen seiner Liebe. Diese mahlte seine Zunge gantz nakkend ab. Er überfärbete sie mit keiner Schmünke. Er überstrich sie mit keiner Zierfarbe. Er verstellete / noch verschönerte sie mit keiner fremden Maske. Er schmukfärbete / noch prunkredete keines Weges; wie sonst in dergleichen Begäbnissen geschiehet. Ja er drükte seine Gemühtsneugungen folgender Gestalt aus.

(87) »Meine Hertzallerliebste« / sagte er / »nun ist der Tag meiner Zufriedenheit gebohren. Nun ist die Stunde meiner Vergnügung erschienen. Dieser Augenblik lest mich alle meine Glüksäligkeit erblikken. Itzund wird mir / sie zu sprächen / erleubet. Itzund wird mir ihre Besitzung versprochen. Itzund wird mir zugefüget Dieselbe / derer Schönheit helleuchtende Strahlen mit Liebe mein Hertz entzündet.

(88) Ich brenne für Liebe. Ich komme / durch Liebe getrieben / zu meiner Liebsten. Aus feuriger Liebe spräch' ich sie an. Ich rede von Liebe. Ihr zu Liebe lebet mein Leib. Mein Hertz dürstet nach ihrer Liebe. Auf ihre Liebe hoffet mein Geist. In ihrer Liebe mein Leben zu laben verlanget meine Seele. Mit ihrer Liebe begehr' ich gesättiget zu werden. Wan ich dieses erlange / wird die Erde mein Himmel / und ihre Besitzung meine Säligkeit sein.

(89) Hingegen verspräch' ich ihr wieder alle Liebedienste. Diese Hände / denen die Almacht Gottes den Auszug menschlicher Stärke zugeteilet / sollen allezeit ausgebreitet sein sie zu tragen. Diese Arme sollen nie aufhören ihren lieben Leib zu ümarmen. Dieser Schoß sol nimmermehr überdrüßig werden sein Sässel zu sein. Diese Füsse sollen fort und fort bereit[36] stehen ihr aufzuwarten. Ja der gantze Simson sol unaufhörlich trachten ihren Befehlen zu gehorchen.

(90) Es kan auch in Wahrheit ihrer Hochachtbarkeit zu keiner Verkleinerung gedeien / wan Simson ihr Unterthaner wird: dessen bloßer Nahme dieselben / die nur wissen / was Simson ist / erschrökket. Vielmehr wird es ihr ein unvergleichlich- großer Ruhm sein / daß ein solcher sie dermaßen übermenschlich ehret / daß er eher den Preis seiner Tapferkeit missen wolte / als aufhören ihr Leibeigner zu sein.

(91) Darüm bedenke sie sich nicht lange. Darüm verziehe sie nicht mich zu vergnügen. Verliebten ist nichts unerträglicher / als der Verzug. Nichts ist bitterer / als ihr Verlangen erlängern: nichts auch dagegen süßer / als das unverzügliche Vergnügen. Straks gegeben ist zweifältig gegeben / und macht auch zweifach verpflichtet.

(92) Die Glüksäligkeit ihrer zu geniessen ist mir versprochen. Ihr Ehgatte zu sein bin ich bestimt. Es ist ihrer Obern Wille / ihrer Eltern Verlangen. Ja ich wil mehr sagen / der Himmel selbst giebet sein Jawort darzu. Ei! so verziehe sie dan nicht Dieselbe zu sein /darzu sie der Himmel versehen / die Eltern benennet /und ich selbsten erkohren.

(93) Lesset vielleicht ihre Jungfreuliche Schaamhaftigkeit die Worte nicht zu? Darf sie etwan / aus angebohrner Blödigkeit / nicht reden? Eil so geruhe sie zum wenigsten ihre Bewilligung / durch ein Bliklein ihrer lieblichen Augen / zu erklähren. Ein einiger Wink sol mir genug sein. Das Nikken ihrer schneeweissen Stirne / das Eröfnen ihrer lieblichroten Lippen / die Bewägung eines anmuhtigen durch dieselben hinschlüpfenden Hertzlüftleins sol mir an stat des Jawortes dienen.

(94) Wan ich dieses erlange / werd' ich einen Schatz besitzen / der mir lieber sein wird / als alle Schätze der Welt: den ich höher schätzen werde / als alle Reichthühmer / als alle Königreiche / die der Himmel mir iemals schenken könte. Hiermit endigen sich meine Reden; doch meine Seufzer nicht: die erst aufhören werden / wann sie aufhören wird meinen Ruhetag aufzuschüben.«

(95) Unter währender dieser Rede stund die Jungfrau stokstille. [37] Nur ihre Augen schlug sie zuweilen ein wenig auf: iedoch mit solchen Blikken / welche andeuteten / daß des Freuers Worte zwar das Ohr /aber nicht das Hertz berühreten. Ja sie schien gantz achtloß / kaltsinnig und ohne Liebe: von derer Kraft und Würkung sie auch gewislich nichts wuste. Zum wenigsten hatten ihre Füße die Liebesschuhle noch nie betreten: wo sie nicht gar / der Angebohrenheit nach / einer volkommenen Liebe nachzuhängen Abscheu trug. Gleichwohl antwortete sie / nach einer kleinen Verweilung / mit folgenden wiewohl zimlich fremden Worten.

(96) »Es scheinet« / sagte sie / »als sei ich meinen Eltern eine Tochter zu viel: weil sie mich einem Fremden zu geben versprochen. Vielleicht wil man meiner gerne loß sein / daß man mich also zu verstoßen bestimmet. Imfal ihr Versprächen nicht zu ändern / und sie meiner loß zu sein noch itzund gewillet: so wird sich mein Wille nach dem ihrigen nohtdrünglich richten müssen. In diesem Kreuse mus ich bleiben. Hierinnen mus ich gestatten / daß sich der gantze Handel ümdrehe.«

(97) Simson stund in seinen Liebesgedanken so vertieffet / daß er nicht acht schlug auf ihre Reden: die mit lauter stachlichten anzüglichen Worten erfüllet /und fast auf lauter Schrauben gestellet waren. Der Kuß / welcher zur Bestähtigung des Ehverlöbnisses zu geben üblich / lag ihm fort und fort im Sinne. Darüm betrachtete er auch ohn unterlaß bald den Mund / bald die Wangen / bald die Augen / bald die Hände seiner Liebsten. Dan diese waren die vier Kusglieder / darunter er eines / den Siegel des Kusses darauf abzudrükken / erwehlen solte. Und also war alle Kraft seinen Ohren entwichen / sich in seinen Augen zu versamlen.

(98) Als nun der Handschlag dieser zwei Liebsten /zur Befestigung ihres Verlöbnisses / vorging; da bekahm er auch zugleich Erleubnis solchen so lange verlangten Kus anzubringen. Hier war Simson zweifelschlüssig / wohin und auf welchen unter den vier bestimten Kuswürdigsten Oertern dieser einige Kus solte gegeben werden. Er hette ihn gern dahin gesetzt / da er ihm die meiste Wohllust gebähren konte.

[38] (99) Erstlich boht sich gleichsam hierzu der Liebsten Mund an / als der gewöhnlichste und zu küssen anmuhtigste Ort; durch welchen auch nur allein der Kus pflegte gegeben zu werden. Ja er bedung / als der einigste lebendige Redner unter den vier Kusgliedern / mit ausdrüklichen Worten / den Vorzug.

(100) Darnach schienen die Bakken ihn zu fordern; in derer erhobenen zwee Lustgärten so wohl / als auf den zweifachen Koralwällen der Lippen / die Purpurrosen zu blühen pflegen: wiewohl sie für kein Werkzeug der Sinligkeit / wie andere Kusglieder / im Rahte der Sinnen / wolten erkant werden.

(101) Hierauf winkten ihm die Augen / als wolten sie den Vorzug vor andern Kusgliedern bedingen. Sie schienen zu sagen: daß ihnen / durch ihre Gleichähnligkeit mit dem Kusse / oder vielmehr durch die Gleichähnligkeit ihrer Kraft mit der Kraft des Kusses / der Kus zuvörderst zukähme. Dan gleichwie der Kus ein Liebespfeil sei / der das Hertz verwundete; so weren die Augenstralen auch Pfeile der Liebe / die eben dasselbe würkten. Zudem leuchteten die Augen /als zwo Sonnen / die das Angesicht aufklähreten. Ja sie weren gleichsam zwei Hertzensfenster / oder Hertzensbohten / durch welche man wahrhaftig und ohne Betrug alles erführe / was in der geheimen Rahtstube des Hertzens beschlossen.

(102) Endlich wenkten ihm die Schloßweissen behänden Hände: denen dieser Verlöbniskus von rechtswegen gebühren wolte; weil durch sie der Zusage Bekräftigung geschehen / und also auf sie derselben Versiegelung / durch den Kus / auch geschehen müste.

(103) Simson schalt die alzukarge / wo nicht alzumisgünstige Gewohnheit / die nicht mehr / als nur einen einigen Kus bei dergleichen Begäbnis zulies. Er hette lieber alle vier kuswürdig erkante Gliedmaßen geküsset: ja noch darzu die Stirne / die Schauburg /das Rahthaus / oder vielmehr den Reichsstuhl der Liebe; zusamt dem Busen / dem zweifachen Königreiche der Liebe / dem zweihüglichten Weinberge vol aller Ergetzligkeiten. Dan diese zween herliche Sitze der Schönheit schienen ihm nicht weniger kuswürdig /als jene.

[39] (104) Verliebte können sich auch in Wahrheit mit einem einigen Kusse nicht wohl sättigen. Ein einiges Lustbislein stilt keinen Hunger. Ein einiges Lustgüslein vermag das Feuer der Liebe nicht zu blüschen. Ein einiges Kühltröpflein ist nicht genug den Brand der Begierden abzukühlen. Es kan den Durst des Verlangens nicht leschen. Vielmehr dienet es die Heftigkeit der Lust aufzureitzen. Vielmehr bringt es die Begierden vollend in den Harnisch. Vielmehr erlängert es den Durst des Verlangens. Es ist nur Oehl ins Feuer.

(105) Gleichwohl muste dismahl dem genauen Befehle der Gewohnheit gehorchet sein. Und weilSimson sahe / daß durch eine so zauderhaftige / so langsame Kuswahl die Zeit verlohren / seine Lust verzügert / und sein Hertz / durch eigenen Selbmord /schier ertöntet ward; so entschlos er sich endlich solchen Kus auf das gemeineste Kusglied / welches den Kus so wohl nimt / als giebet / abzustatten.

(106) Der Mund war auch gewislich dasselbe Glied / dadurch das Hertz seiner Liebsten ihm den Ausspruch des Jawortes oder Ehgelübtes getahn. Und daher muste freilich dieser Kus / der als ein Siegel des Ehgelübtes sein solte / nirgend anders hin / als auf eben denselben Mund / durch Simsons Mund / gedrükt werden.

(107) So ümhälsete dan Simson seine Liebste. So fügte er Mund auf Mund. So drükte er das Siegel des Kusses auf das rohtweiche Koral der zweifachen Tühre des Hertzens / mit so viel Seufzern / als Wunden seinem Hertzen ihrer Schönheit Strahlen gegeben. Und dieses täht er üm so viel erpichter / als heftig er verlangte / durch den kühlen / oder vielmehr feuchten Lippentau / seine Liebesbrunst / wonicht zu leschen /dannoch zu lindern.

(108) Die Gedanken / welche Simson bei dieser Kuswahl hatte / verfassete er auch nachmahls / bei müßiger Weile / in folgendes zweifache Kus- und Schlus-lied.



[40][42]

Simsons Kuslied.

1.
O Stärke / die entstärket schier!
o Kraft / an Kräften leer und öde!
o Tapferkeit / enttapfert hier!
o Kühnheit / die entkühnt und blöde!
Wie hat ein Strahl der Schönheit euch
so gar entstrahlt / entseelt zugleich?
2.
O Arme / die entarmet seind!
o Hertz / das sich enthertzet fühlet!
o Mund / der gantz entmuntert scheint!
der mit entlipten Lippen zielet /
doch ungewis / wohin der schus
sol setzen meinen ersten Kus.
3.
Es sint nicht mein entsinter Sin /
noch mein entwitzter Witz kan wissen /
wo dieser Mund sol wehlen hin /
die Liebst' am lieblichsten zu küssen.
Ach! daß Vernunft vernehm' an Ihr /
und mein Verstand verstünd' alhier!
4.
Vier Glieder fordern einen Kus /
der Mund / die Wangen / Händ' / und Augen:
darunter eins ich wehlen mus.
Ach! daß die Wahl doch möchte taugen
zur süßesten Ergetzligkeit /
zur sichersten Zufriedenheit!
5.
Der Mund beut sich am ersten an /
als der auch selbst gewohnt zu küssen:
[42]
der Küsse giebt / und nehmen kan;
die seinen Durst entdürsten müssen /
durch angenehmes Lippennas.
nichts kan so süße sein / als das
6.
Dem Munde folgt der Wangen zwei;
die jenen vor den Richtstuhl tagen /
und daß ihr Roht viel klährer sei /
als dort der Purpur / dürfen sagen.
Hier hägt die Lieb' ihr Bluhmenfeld /
dort scheint ersteint die Lust der Welt.
7.
Hierwider handelt dan die Hand /
als die den Vorgrif hart bedinget:
weil ihr das Fühlen zuerkant /
das auch / durch sie / zum Hertzen dringet;
ja weil sie / was der Mund verspricht /
erst kräftig macht / durch ihre Pflicht.
8.
Zuletzt erscheint der Augen paar /
der Hertzensfenster / Hertzensuhren;
dadurch man schauet hel und klahr
des fünstern Hertzens tiefste Spuhren.
Dis wil vor andern hier allein /
durch einen Kus / versiegelt seyn.
9.
Mich wundert / daß der hälle Hals
nicht auch zugleich mit unterhallet;
daß nicht die Zunge gleichesfals /
noch auch die Brust darzwischenlallet;
ja daß die Stirne / die doch zeigt
der Liebe Himmel / itzund schweigt.

[43]

[44]
[45]

Schluslied.

1.
Nur auf / mein Mund! mehr hat man / als genug /
das leere Stroh / an Kornes stat / gedroschen.
Es schadet dir der lange Lustverzug.
Mein Urteil ist noch nicht so gar verloschen.
Es fält zuletzt auf meiner Liebsten Mund /
der meinem Ohr' ihr edles Hertz macht kund.
2.
Auf! spitze dich! Itzt schlag' ich üm den Hals
hier diesen Arm / der manchen Arm geschlagen.
Nun koste doch dis süße Lippenschmaltz /
daran auch selbst dis Weltrund schöpft behagen.
So wird mein Hertz in ihr Hertz eingedrükt /
und meine Seel' in ihrer Seel' erkwikt.
3.
O nun behertzt- und eingehertztes Hertz!
wie wohl ist dir / wie wohl auch deiner Höhle!
Wie ist verschmertzt / ja selbst entschmertzt dein Schmertz /
o nun beseelt- und eingeseelte Seele!
Nur ein Kus schart alhier ein solches Heil /
daß tausenden sonst nährlich fält zu teil.

(109) Unter wehrendem Liebeshandel des Simsons mit seiner Liebsten / die hinfort mit dem lieblichen Brautnahmen zu beehren sein wird / war zwischen beiderseits Eltern die Ehstiftung auch volzogen. Alles ging alhier gantz einmühtig / und ohne einiges Widersprächen zu. Was der eine Teil vortrug / oder begehrete / das bewilligte der andere straks. Was jenem beliebte / das beliebte zugleich auch diesem. Keiner war dem andern zuwider. Alle stimmeten vertraulich zusammen. Alle Vorschläge gedihen zu einem glüklichen Ausschlage.

[46] (110) Hierauf ward das Verlöbnismahl gehalten.Simson / und seine Braut hatten an der Tafel die Oberstelle. Bei jenem saß der alte Manoah / bei dieser Simsons Mutter. Darnach folgeten die Freuwärber / und andere Freunde. Den Ring beschlos endlich der Braut Vater / zusamt ihrer Mutter / und jüngeren Schwester. Unter wenigen geschahe dis Freudenmahl. Sie hatten auch keiner Zeugen mehr nöhtig. Diese wenige waren genug. Was man durch Wenige volenden kan / darf man durch Viele nicht beginnen. Ie weniger / ie vertraulicher. Große Geselschaft / kleine Vertrauligkeit. Viel Schauens / wenig Vertrauens. Was unter der Rosen bleiben sol / mus durch Wenige geschehen. Der Mänge wird alles zu änge.

(111) Nach volendetem Mahle / nahm Simson /samt seinen Reisegefährten / Abschied / wieder nach hause zu reisen. Der alte Manoah lies der Braut seinen Segen zurük. So täht auch Simsons Mutter. Der Braut Vater aber segnete dagegen den Simson; wie auch die Mutter. Ja alle gaben einander wechselsweise den Segen. Mit diesem Segen schieden sie voneinander. Simson reisete fort / zugleich traurig / und fröhlich: traurig / weil er seine Braut verlaßen muste; und fröhlich / weil es bloß auf eine kleine Zeit geschahe. In kurtzen verhofte er seine Freude zu erneuren. Uber wenig Tage solten sich seine betrübten Augen an seiner Sonne wieder aufklähren.

(112) Kaum war er in seiner Väterlichen Behausung angelanget / da begunte er / zu seiner instehenden Hochzeit / schon Anstalt zu machen. Erstlich trug er Sorge für seine Hochzeitkleider: welche die Pracht und Kostbarkeit unserer Zeit / noch den Französischen Zuschnit nicht kenneten. Darnach schafte er auch an die hand alles dasselbe / was er seiner Braut zum Mahlschatze zu geben verpflichtet. Endlich war er bedacht auf die übrigen Nohtwendigkeiten. Und hierzu durften ihn seine Eltern nicht antreiben. Sein Verlangen nach einer solchen so angenehmen Zeit war ihm Antreibers genug.

(113) Simson hatte neulich den Anfang seiner verlangten Vergnügung gekostet. Aber dieses Kosten war ihm nur eine bloße Beitze / die ihn anreitzete die volle Vergnügung zu suchen. Es war anders nichts /als eine Körnung / die sein [47] Verlangen üm so viel heftiger machte. Ja es war gleichsam der Lokvogel / der seine Begierden zu einer weit höheren Ergötzligkeit anlokkete.

(114) Ein kleines Zukkerstüklein lokaset nur / und macht den Mund lüstern / sich mit dem gantzen Zukker zu sättigen. Ein einiges Wohllustschlüklein ist bloß als ein Zunder des Liebedurstes; der nicht eher aufhöret / als nach einer vollen Tränke. Kurtz /Simson verlangte nach demselben Tage / da die neulich geschehene Zusage volzogen / ihm die gäntzliche Besitzung seiner Braut gewähret / und er aus einem Breutigam / die süßen Früchte der Ehlichen Liebe / mit geheuften Scheffeln / einzusamlen / ein völliger Ehman werden solte.

(115) War nun dieser neue Breutigam / durch das Verlangen angespörnet / zu Zarea geschäftig; so war es seine Braut / samt ihren Eltern / zu Timnat nicht weniger. Weil die Filister dazumahl noch über Israel herscheten / so wolten sie diesem Volke nichts zuvor geben. Der Brautschmuk solte üm soviel kostbarer sein: weil die Braut einem Zareer /aus Israel bürtig / solte vermählet werden. Hierdurch gedachten sie ihr Ansehen vor ihren Lehnsleuten zu behaupten / und dem Simson selbst / dessen Tapferkeit und Stärke sie sonsten sehr fürchteten /die Augen zu verblenden.

(116) Wiewohl der Hochmuht und die Hofahrt zu der Zeit lange so hoch nicht gestiegen war / als in der Folgewelt; so solte doch alhier so viel Pracht / als ihnen bekant / und müglich / geführet werden. Konte die Braut schon nicht mit kostbaren Perlen und teuren Demanten prangen; so warden doch hierzu Halsketten / Arm- und Ohren-spangen / auch anderes gewöhnliche Geschmeide von Silber und Golde bestellet. Konten ihre Brautkleider gleich nicht aus köstlichen seidenen Zeugen gemacht / und mit güldenen Bohrten verböhrtelt / oder mit güldenen Spitzen bespitzt werden; so musten sie doch so kostbar und zierlich sein /als ihre damahlige Mittel sie zu geben vermochten. Ja man stellete zu Timnat alles so an / als man nöhtig erachtete den Hochzeitgästen von Zarea eine blaue Dunst vor die Augen zu mahlen.

[48] (117) Nachdem Simson zu Hause gegen sein Hochzeitfeier alles bestellet hatte / da begab er sich straks wieder auf die Reise nach Timnat / sein Beilager zu volziehen. Wan itziger Zeit ein solcher Held /als Simson war / den auch Gott selbst zum Fürsten und Heerführer seines Volkes bestimmet / auf sein Beilager ziehen solte; so würde gewislich sein Aufzug / mit vielem Gefolge von Reitern / Reisigen Dienern /und Rüstwagen / auf das herlichste / ja prächtigste geschehen.

(118) Aber unser Zareische Breutigam wuste gantz von keiner Pracht / von keinem solchen Schwalke /von keinen Hand- und andern Reisigen Rossen / ja selbst von keinen Mauleseln: auf denen doch dazumahl die Richter in Israel / und andere seines gleichen ansehnliche Helden zu reiten pflegten. Er ging /ohne einigen Diener / gar zu fuße. Er hatte nicht einmahl einen Stab in der Hand / sich darauf zu lehnen /oder der Reissenden Tiere zu erwehren.

(119) So gantz ungewafnet / ungerüstet / und unbegleitet zog er zu seiner Braut / als der nur allein vom Geiste des HErrn begleitet / und mit Kraft und Stärke von oben gewafnet und ausgerüstet sein wolte; wie er auch in der Taht war. Ja gantz niemand folgete ihm /als Vater und Mutter / mit etlichen wenigen gleichmäßig ungewafneten Freunden: die er auch / zu seinem Einzuge zu Timnat / nicht einmahl bei sich behalten; indem er sich unweit von der Stadt von ihnen gesondert.

(120) Diese des Simsons Absonderung von seinen Reisegefährten geschahe wiederüm vor den Timnattischen Weinbergen / und aus eben derselben Uhrsachen / wie vor diesem. Alhier war es / da er sich auf den alten Schlaufweg / durch das Gebüsche begab: da er vor etlichen Tagen den Leuen zerrissen /und hinter die Streucher / in einen dikken Knak / geworfen. Alda lag auch noch itzund sein Aas. Noch itzund waren die Kenzeichen des vergossenen Bluhtes zu sehen: welche die Spuhr nach dem Aase zu eigendlich genug anwiesen.

(121) Simson war begierig die zerrissenen Glieder dieses Untiers / als seiner Tapferkeit und Stärke noch übriggebliebene [49] Siegeszeichen / zu besichtigen. Und zu dem ende folgete er der Spuhr nach / bis zum Aase. Aber er ward nicht wenig verwundert / als er sahe / daß die Bienen desselben Rachen / der vorhin ein Nest der bitteren Grausamkeit gewesen / zum süßen Hohnigstokke gemacht.

(122) Vielleicht hatte der Bienenkönig im Rachen dieses Leuen / weil er ein König aller vierfüßigen Tiere gewesen / seinen Reichsstuhl befestigen wollen: damit er nicht etwan von den Würmern entweihet /und zu einem Wurmsitze gemacht würde. Mit einer solchen Ehrerbietigkeit schien alhier ein König dem andern begegnet zu haben. Oder es mochten auch wohl die Bienen vorgehabt haben dasselbige grimmige Maul / das mit seinem so grausamen Gebrülle den Erdkreus zu erschrökken pflegte / mit ihrem Schwarme zu überrumpeln / und mit Wachs und Honige gleichsam zu verpichen: damit sich hinfort niemand mehr vor einer so ungeheuren Stimme zu fürchten hette.

(123) Aus hiesigem Bienenstokke nahm Simson etliche Honigscheiben / und aß darvon. Auf sauren Schweis folgt süßer Preis. Hier kostete der Uberwinder des Leuen die Anmuhtigkeit des Ruhmes / die Süßigkeit der Ehre / den Honig der Herligkeit: die alle drei aus der bitteren Arbeit seiner Tapferkeit entsprossen.

(124) Diese drei seind auch in Wahrheit der Tapferkeit Kost / der Großmühtigkeit Speise; durch tapfere Tahten / durch großmühtige Verrichtungen erworben. Von dieser Kost nähren sich alle tapfere Gemühter. Mit dieser Speise gelangen großmühtige Helden / die das Feld mit Leichen der Erschlagenen besäen / zu ihrem völligen Wachstuhme: da sie ihre Siegespracht in den Himmel der Herligkeit erhöbet.

(125) Von dieser süßen Ausbeute / von diesen Honigscheiben / von diesen Früchten seiner Tapferkeit teilete Simson seinen Eltern auch etwas mit. Er vergaß auch nicht seiner Liebsten. Die Braut muste /neben den überreichten Geschenken / auch ihr Teil darvon haben / ihren süßen Mund zu versüßern. Aber aus was für einem Stokke sie herrühreten / erfuhr niemand; auch die Eltern selbst nicht. Simson hielt es gantz [50] heimlich. Er schwieg darvon gantz stille / nicht anders / als wan er selbst alles vergessen.

(126) So eingezogen war Simson / nach einer solchen Taht / darinnen er sich mehr / als leuenmühtig / erwiesen. So meisterlich wüste er seine Ruhmbegierde zu zwingen; indem er sich seines Sieges nicht mit einem Worte verlauten lies. Und dieses täht er ohne Zweifel darüm / damit er keinen Argwahn beiden Filistern erwekte. Vielleicht suchte er sie hierdurch sicher zu machen: damit sie üm so viel weniger acht schlügen auf seine Anschläge: damit er sie dermahleins unverhuhts überrumpeln / und ihren Hochmuht mit leichterer Mühe stürtzen möchte.

(127) Eben hierauf zielete vermuhtlich sein gantzer Vorsatz. Und darüm handelte Simson sehr klüglich / daß er / im Anfange seines so wüchtigen Anschlages / unter den Filistern einherschlich / als hette er niemahls einiges Wasser gelühmet; als hette er niemals einige tapfere Taht verübet. Dieses war auch eine Heldenlist / die ihm mehr Ruhmes bringen konte / als das unvorsichtige noch unzeitige Geprahle von so einer Heldentaht / die er im Verborgnen verrichtet. Ja es war eine solche / vermittelst deren er mit der Zeit auf den Stuhl der Ehre selbst / und zur Herligkeit der Siegespracht über die Filister erhoben zu werden verhofte.

(128) Aber ehe wir in Erzehlung hiesiger Geschieht fortschreiten / wollen wir sie zuvor was näher betrachten. Wir wollen beschauen / wie Gott alhier /gleich als durch Spielbilder / die Geschieht seines Sohnes gespielet: wie er diese / durch jene / gleich als durch ein Vorspiel / auf den Schauplatz der Weltge führet: ja wie der Held Simson / mit solcher seiner Geschieht / des HERRN JESUS Vorbild gewesen. Diese Betrachtung wird uns wol so viel währt sein /daß wir / ihr zu gefallen / ein wenig stil stehen / und ihr auf einen Augenblik das Auge gönnen.

(129) Simson heisset ein Sonneman. Er ward auch Israels Landsonne. JEsus ist die Sonne selbst / die unsre Hertzen erleuchtet. Er ist die große Sonne der Gerechtigkeit. Er hat durch seinen Sonnengang unsern Sündengang guht [51] gemacht. Am Morgen seiner Gebuhrt ging Er auf / im Kriplein zu Betlehem. Er offenbahrte sich nachmahls / als ein Licht der Welt / bis an den heissen Mittag des Zornes Gottes. Da ging Er / auf den Abend seines Lebens / am Kreutze /bluhtroht unter; indem die Sonne des Himmels / seinen Tod zu betrauren / erschwartzte. Da stieg Er in die untersten Oerter der Erde. Da stürmete Er die Hölle: und ging wieder auf am Ostermorgen / bis Er endlich / in seiner Himmelfahrt / gar wieder hinaufstieg zur Rechten Hand GOttes.

(130) Simson solte Israels Richter sein. Dieser Ehrennahme war ihm auch von seinem Stamvater Dan / welches ein Richter heisset / gleich als angebohren. Er solte seines Volkes Heiland und Erlöser sein / oder vielmehr dasselbe zu erlösen anfangen: wie der Engel von ihm mit Vorbedacht sagte.JEsus ist zum Richter aller Menschen / der Tohten so wohl / als Lebendigen / bestimmet. Ja Er ist der Heiland und Erlöser der gantzen Welt. Er ist es / der nach Simsons bei den Kindern Israels angefangenen zeitlichen Erlösung / uns allen eine gantz volkommene ewige zu wege gebracht.

(131) Simson solte dem HErrn heilig sein von Mutterleibe. Er solte von Jugend auf / wie die Verlobten Gottes / ein strenges Leben führen. Er wuchs: und der HERR segnete ihn. Er lies straks in der Jugend /vom Heiligen Geiste getrieben / seinen Heldenmuht blikken. Er ward ein Wunderheld. Er überwand /indem er ausging ihm eine Braut zu suchen / einen grimmigen Leuen. Er aß von den Honigscheiben / die er / zum Siegeslohne / in dieses Leuens Aase gefunden. Er teilete von dieser durch seine Tapferkeit erworbenen Beute zugleich auch seinen Befreundten mit: wiewohl er ganz nicht damit prahlete / noch sich märken lies / wie und wo er sie bekommen.

(132) Eben also ward auch unser Säligmacher dasheilige Kind GOttes genennet. So nennete Ihn straks der Engel Gabriel selbsten / als er seine künftige Mutter anredete / mit diesen Worten: »das Heilige / das von dir gebohren wird / sol GOttes Sohn genennet werden.« Ja Er selbsten heiligte sich für uns; damit wir / durch Ihn / vor GOtt heilig würden. Auch hat Er ein so gar strenges und heiliges Leben geführet / [52] daß Er frei fragen mochte: wer unter euch kan mich einer Sünde bezüchtigen? Er lebete schnuhrrecht nach seines Vaters Willen; damit Er für unsern Ungehohrsam büßete / und ihn vertilgete. Er wuchs an Weisheit / Alter / und Gnade bei GOtt und Menschen. Er war die gesegnete Frucht des Leibes seiner Mutter. Er war noch nicht zwölf Jahr alt: gleichwohl lehrete Er schon die alten Lehrer / im Hause GOttes.

(133) Er ward vom Heiligen Geiste selbst in die Wüste getrieben / mit dem Teufel zu streiten; den Er auch überwand. Den Nahmen eines Helden und Weltwunders eigneten ihm lange vor seiner Gebuhrt die alten Weissagungen zu. Als Er vom Vater in die Welt ausgegangen war ihm eine Braut zu suchen; da bekahm Er mit dem höllischen Leuen zu kämpfen. Diesen schlug Er / mit keinem andern Gewehr / als nur mit den Worten: Es stehet geschrieben. Ja Er überwand ihn vollend / in seinem Leiden / und führete ihn / als der sieghafte Leue vom Jüdischen Stamme /gefangen. Wie Er / in seiner Jugend / nach der alten Weissagung / Honig und Butter gegessen / indem Er sich / durch seine Eltern / zu allem. Guhten williglich ziehen laßen: so teilete Er auch von seinem Honige /den Er durch seinen bittern Todeskampf erwarb / seinen Muhts- und Bluts-Freunden mit: nähmlich Vergebung der Sünden / und ewiges säliges Leben.

(134) Sobald nun Simson zu Timnat in das Frauenzimmer traht / lief ihm seine Liebste straks entgegen / ihren Breutigam zu empfangen. Auch lies sie aus ihren Augen eine ungemeine Freude spühren. Doch dieses geschahe mehr aus Begierde zu vernehmen / was er ihr mitgebracht / als aus einer recht volkommenen Liebe. Und darüm sahe sie ihm fort und fort nach den Händen: von denen sie die gewöhnlichen Brautgaben erwartete. Ja sie lauerte darauf mit unverwanten Blikken; nicht anders / als ein Raubvogel auf eine fette Henne: nicht anders / als ein Habicht / oder eine Weihe nach dem Raube.

(135) Die Begierde sich zu bereichern scheinet den Weibsbildern / die schläfrig in der Liebe seind / gemeiniglich angebohren. Ihre Hand ist immer geschlossen zu geben / und immer geöfnet zu nehmen. Wo die Liebe schlummert / da [53] wachet der Geitz. Wo der Geitz nistet / von dannen wandert die Liebe. Beide stallen sich nie. Allezeit streiten sie wider einander. Sie seind gantz ungleicher Ahrt / gantz widerwärtiger Würkung: eben wie Tugend und Untugend. Zu jener wird auch die Liebe / zu dieser der Geitz gezehlet. Ja der Geitz ist selbst ein Hauptlaster / wie die Liebe das Haupt aller Tugenden.

(136) Wan man den Geitz nennet / so nennet man zugleich mit die Kargheit / Vervorteilung / Falschheit / Untreue / Betrügerei / Arg- und Hinter-listigkeit /Lügen / Mis- und Ab-gunst / Ungeduld / Grobheit /Zanksucht / Unbarmhertzigkeit / Hochmühtigkeit / ja den Zorn selbst / und fast alle die andern Untugenden / derer Großvater der Geitz ist.

(137) Dagegen verstehen wir unter der Liebe die Mildheit / Aufrichtigkeit / Unverfälschtheit / Treue /Unbetrügligkeit / Guhthertzigkeit / Wahrheit / Gunstgewogenheit / Guhttähtigkeit / Verträgligkeit / Leutsäligkeit / Bescheidenheit / Friedligkeit / Barmherzigkeit / Mitleidenheit / Demuht / Sanftmuht / ja alle die andern Tugenden / die aus der Liebe / dem Springbrunnen / ja der Mutter alles Guhten / so reichlich entspringen.

(138) Des andern Tages nach des Breutigams und seiner bei sich habenden Hochzeitgäste glüklicher Ankunft / warden auch dreissig der muhtigsten Timnattischen Jünglinge zur Brautmahlzeit eingeladen. Und solches geschahe vermuhtlich unter dem Scheine / als solten sie der Brautdiener Stelle verwesen: als solten sie den Breutigam und der Braut aufwarten /und acht geben / daß bei dem Brautmahle alles richtig zuginge.

(139) Diese Mänge war zur Aufwartung der Breute / sonderlich dazumahl / da man von dergleichen Weitleuftigkeiten und Geprängen auf Hochzeiten noch nichts wuste / viel zu groß. Und darüm konte man hieraus freilich anders nichts urteilen / als daß die Filister / denen Simsons berufene Tapfermühtigkeit verdächtig / und ein Dorn in den Augen war / diese dreissig Jungferknechte eigendlich darzu bestellet / daß sie auf Simsons Beginnen ein wachendes Auge haben / und ihm / sofern er [54] etwan einige Feindsäligkeit auszuüben sich unterfinge / mit gesamter Macht widerstehen solten.

(140) Ein böses Gewissen ist niemals ohne Furcht. Es schläft wohl eine Zeit lang: doch erwacht es endlich / und macht dem Hertzen Angst und bange. Die Filister hatten das Volk GOttes nunmehr eine geraume Zeit nacheinander mehr als zuviel geängstiget. Ihr Joch hatten sie ihm so schweer gemacht / daß es darunter schier verschmachtet. Sie waren zwar GOttes Strafruhte. Aber diese Ruhte begunte nun zu verdorren: ich wil sagen / zeitig zu werden zum Zornfeuer der Göttlichen Gegenstrafe.

(141) Dieses märkte das heillose Volk. Dieses ahnete die Bösewichter. Dieses schwahnete dem Abgöttischen Gebrühtsel. Und darüm ängstigte die Furcht /als der Strafe Vorgängerin / ihr Hertz. Darüm fürchteten sie / Simson möchte vielleicht derselbe sein /den der GOtt Israels erwehlet sein Volk zu rächen. Und zu dieser Furcht bewegte sie seine so übermenschliche Stärke; die nirgend anders herrühren konte / als von der Almacht des GOttes Israels. Diese Furcht gebahr in ihnen seine mehr als heldenmäßige Tapferkeit; darvon der Ruf die Ohren des gantzen Filisterlandes albereit kützelte.

(142) Hierzu kahm auch der abscheuliche Strobelstern / welcher in eben der Nacht / da Simson des Tages zuvor sein Ehverlöbnis zu Timnat gehalten /über dieser Stadt zum ersten erschienen / und daselbst in den folgenden fünf Nächten war stehen geblieben. Ja man hatte ihn auch straks darnach über Asklon /über Lehi / und endlich über Gaza / da er / überDagons Götzenhause / zweimahl erschröklicher /als über den vorigen Oertern / gefeuert / und wieder verschwunden / mit großer Bestürtzung erblikket. Er stund oder hing vielmehr in der Luft / mit einem solchen feurigen Schwantze / den er nach dem Filisterlande zu ausbreitete / daß er allen / die ihn sahen / ein überausgroßes Schrökken einjagte.

(143) Weil nun diese Abergleubische Heiden gemeldten Strobelstern für ihren Unglüksstern / und für ein Vorzeichen ihrer Niederlage / ja selbst für einen Glüksstern des Simsons / von dem sie ihnen nichts guhtes einbildeten / zu halten schienen; [55] so war das Mistrauen zwischen ihnen / und dem Simson üm so viel grösser: zuvoraus weil dieser ihr Unglüks-und Simsons Glüks-stern eben in der Zeit / da er sich mit einer aus ihren Töchtern verlobet / über ihrem Lande zu erscheinen begonnen.

(144) Es ist auch gewislich nicht ohne Grund der Wahrheit / daß bisweilen dergleichen geschwäntzte Sterne zugleich Glüks- und Unglüks-sterne wollen genennet werden: weil sie dem einen Volke das Aufnehmen / dem andern den Untergang / jenem den Sieg /diesem die Niederlage vielmahls zugleich / allemahl aber große Veränderungen entweder zum Bösen /oder zum Guhten / nach ihrem unterschiedlichen Stande / zu verkündigen scheinen.

(145) Aus diesen Uhrsachen tähte man ihnen in Wahrheit ch unrecht / wan man sie / mit dem gemeinen Völklein / allezeit und allein für Unglükssterne auszuschreien kein Bedenken trüge. Diese Wahrheit könte mit tausend Lehrbildern / und Beispielen aus den Geschichten gar leichtlich behauptet werden /wan die Zeit und diese Schrift es zulaßen wolten sich in dergleichen Abschweiffungen was weitleuftiger zu vertieffen.

(146) Aber wie argwähnisch die Filister auch immermehr sein mochten / so durften sie sich doch dessen keines weges verlauten laßen. Ja wie verdächtig ihnen Simson war / so wenig durften sie sich unterfangen seine Heurraht zu verhindern. Von dieser Verhinderung verhinderte sie nichts anders / als die bloße Furcht für seiner so mächtigen Stärke. Und darüm stelleten sie sich auch / als wan es ihnen von Hertzen lieb were / daß Simson mit ihnen sich befreundete. Ja sie begegneten ihm anders nicht / als freundlich; und wünschten ihm / wiewohl nur mit dem Munde / das allererfreulichst-gedeilichste Glük zu seiner instehenden Hochzeit.

[56] [59]Das zweite Buch.

Die (1) Einteilung.


Die Nacht schikte sich algemach zum Aufbruche. Sie begunte dem Tage die Oberfläche des Erdbodems / so weit sich ihr Gesichtskreus erstrekkete / wieder einzureumen. Ihre Fünsternis verzog sich und wich nach der Unterfläche zu / die Gegenfüßer zum Stilstande der Arbeit anzumahnen. Ihren dunkelen Schatten zertrieb das aufgehende Licht der Sonne: die nunmehr /mit ihren Morgenstrahlen / die Spitzen des Gebürges üm Timnat herüm gleichsam vergüldete.

(2) Simson hatte schier die gantze Nacht schlafloß verschlossen. Seine Liebesgedanken ließen ihn nicht ruhen. Ihr Uhrwerk stund nimmer stille. Das Verlangen den Tag seiner Hochzeit zu sehen / hielt Hertz und Augen wakker. Nur in der Morgenstunde fing er an ein wenig zu schlummern. Aber er hatte die Augen kaum geschlossen / als ihn / mitten in einem süßen Traume / ein plötzliches Getümmel im Brauthause schon wieder erwekte.

(3) Alhier ward iederman wach. Alles ward munter und rege. Die Tühren gingen auf und zu. Das Gesinde lief hin und wieder. Die Knechte spalteten Holtz zur Küche: da der Feuerherd schon rauchete. Die Zofen oder Mägde der Braut waren mit den Brautkleidern geschäftig. Die Brautmutter reichte sie ihnen zu. Der Vater machte die Anstalt zum Brautmahle. Ja die Braut selbst war schon bei der hand / den Brautschmuk anzulegen.

(4) Da hatte das Waschen / das Salben / das Schmieren / das Zieren / das Putzen / das Schmükken / das Pflükken / das Zükken / das Rükken / das Spiegeln / das Schniegeln schier kein Ende. Das Haar ward auf eine sonderliche Weise / wie dazumahl unter den Breuten gewöhnlich / geflochten und gezieret. Ja man war / der Schönheit / die ihr angebohren / [59] einen höheren Glantz zu geben / so überaus geschäftig / daß es schien / als wolte man / gar einen Engel / aus ihr machen.

(5) Unterdessen kleidete sich Simson auch an: wiewohl er lange so viel Zeit und Mühe sich zu schmükken nicht bedurfte. Auch hatte er hierzu keines Kammerdieners nöhtig. Er selbst verrichtete alles allein. In einem oder zween Zügen schob er seinen Breutgamsrok üm den Leib. Da stund er schon in seinem Hochzeitschmukke. An stat der vielen manchfärbigen seidenen und güldenen Bänder / damit die heutige Welt sich behänget / war ihm eine schlechte Binde genug: die er üm den Leib schlug den Rok fest zu binden.

(6) Sein Haar / darinnen doch seine Macht gleichsam bestund / krüllete / noch zierete er keines Weges. Er bestreuete es auch nicht mit einigem Haarstaube: den die itzige junge Manschaft aus wohlrüchenden Wurtzeln und andern Dingen / das Haar vor der Zeit grau zu machen / gewohnet ist zuzurichten. Er kämmete es nur / und lies es unverschnitten / mit langen Lokken / über die Schultern hinhängen. Viel weniger waren ihm die Französischen Haarstulpen bekant: welche man itzund vielmahls auch selbst über das schönste selbgewachsene Haar hin zu stülpen pfleget / und also lieber ein Falsches / oft gar von einem Feldglokkenklöppel geborgetes / als sein Eigenes / zu tragen begehret.

(7) Mehr Zierde ward man an diesem Breutigam nicht gewahr. Es war auch unnöhtig einen solchen Leib / der von innen so herlich gezieret / mit vielem auswendigen Zierrahte zu behängen. Die Tugend / die in Simsons Herzen wohnete / war ihm Schmukkes und Zierrahtes genug. Die Tapferkeit / damit man sein Gemüht begabet sahe / gab ihm einen weit grösseren Glantz / als aller Kleiderschmuk.

(8) Es geziemet keinen Man / auch keinen Jüngling sich zu putzen / sich zu schmükken / sich zu schmünken / wie die Weibsbilder. Viel weniger stehet es Helden zu; auf derer Rolle Simson eine von den vornähmsten Stellen besaß. Ein Ehrenkleid ist ihnen genug. Ein neuer / doch schlechter / wiewohl zierlich und gebührlich gemachter Rok vergnügte den tapffern Simson vielmehr / als eine mit Perlen und Golde gestikte [60] Kappe. Damit stutzte er / auf seiner Hochzeit / den dreissig Jungferstutzern zu trutze.

(9) Gegen den Mittag ging das Hochzeitmahl an. Die Hochzeitgäste versamleten sich. Die Schüsseln mit den Speisen warden herbei getragen. Simson und seine Braut / samt ihren dreissig Aufwärtern / ließen sich nieder. Die andern alle folgeten. Die Speisen warden vorgedienet: doch nur schlechthin / nach der damahligen Einfalt. Die Kunst vorzuschneiden / die Ahrtigkeit zu zerlegen war noch unbekant. Gleichwohl erzeigte sich iederman lustig. Einieder war guhter Dinge. Es ging alles mehr fröhlich / als prächtig / mehr lustig / als köstlich zu.

(10) Die Köstligkeit des vielerlei Getränkes / die Pracht der mancherlei Speisen / die Eitelkeit der betrüglichen Schauessen hatte die Verschwändung noch nicht eingeführet. Ein guhter Landwein war ihnen an stat alles fremden Getränkes. Ein Lams- und Kalbs-brahten / ein Gerichte von gekochtem Rind- oder Schafs-Fleische / vom einheimischen Gevögel und Fischwerke war ihr Wildbrät / ihre Lekkerspeise. Und diese Speisen zuzurichten hatte man keinen Koch aus der Fremde gehohlet. Mit der gemeinen Landweise war man zu frieden.

(11) Unter währendem Brautmahle gingen auch mancherley lustige Reden vor. Der eine schwatzete dieses / der andere das; wie bei dergleichen Gastereien gebreuchlich: da vielleicht auch den Fischen / wan sie also zusammen kähmen / ihre sonst ewigstumme Zunge würde gelöset werden. Simson wolte der Schweiger alleine nicht sein. Er wolte das Freudengelaak alleine nicht brächen. Er gab das seinige mit darzu.

(12) Aber alle diese Lustgespräche konten ihn gleichwohl lange so lustig nicht machen / als ihn seine Gedanken vom unlängst erlegten Leuen erlustigten. Ja alle diese vorgesetzte Speisen schmäkten ihm lange so lieblich nicht / als die süße Honigspeise / die er aus eben desselben Leuens Rachen genommen. Diese lag ihm noch immer im Sinne. Ja er lies sich bedünken / als zerflösse der Honig ihm noch immer auf der Zunge.

(13) Wessen das Hertz vol ist / davon gehet der Mund über. Simsons Geheimnis vom Honige muste nunmehr heraus. [61] Es muste nun über die Zunge springen. Was er bisnochzu verborgen gehalten / das muste nunmehr / doch nur rähtselsweise / geoffenbahret sein. »Wohlan!« sprach er / »ihr dreissig Jungferstutzer! Ich wil euch ein Rähtsel aufgeben. Es gilt dreissig Sontagskleider / und dreissig Sontagshemden. Treft ihr es / so wil ich euch verfallen sein: wo nicht / so solt ihr mir den aufgesetzten Preis geben. Und hierzu sollen euch unsere sieben Hochzeit Tage zur Bedenkzeit vergönnet sein.«

(14) Die dreissig Timnattischen Junkern wolten sich in Wahrheit nicht hohnekken laßen. Sie wolten so tum und tutzig nicht angesehen sein / als könten sie dieses Rähtsels Knohten nicht auflösen. So feig und albern lies sich keiner blikken. Und darüm nahmen sie den Vortrag an: indem sie ihnen einbildeten /es würde ja einer unter so vielen das Rähtsel errahten. Und eben daher durften sie sich auch gewis versichern / als hetten sie den aufgesezten Gewin schon gewonnen.

(15) Aber es schlug gleichwohl gantz anders hinaus. Sobald sie nur das Rähtsel höreten / da verfluchten sie bei sich selbst ihre so eilfärtige Vermässenheit: indem sie zur stunde vermerkten / daß ihr Vorwitz sie betrogen. Ja sie hetten ihr Wort gern wieder in den Mund gezogen: weil sie wohl sahen / daß sie / neben dem Verluste / nur Spot und Schande darvon tragen würden. Und also entfiel ihnen der gantze Muht / den sie kurtz zuvor so trotzig erhoben.

(16) Das aufgegebene Rähtsel lautete ohngefähr also: Speise ging vom Fresser / und Süßigkeit vom Starken. Hierdurch war zwar die Verborgenheit vom Uhrsprunge des Honiges nahebei entdekket. Aber diese Entdekkung kahm gleichwohl wieder unter einer andern Dekke der Verborgenheit zu liegen. Sie lag in einem künstlich zusammengeknöhteltem Zweifelsknohten verborgen. Sie war in einen klüglich geknüpften Knopf eingeknüpfet / oder vielmehr versperret. Sie befand sich mitten in einem spitzfindig gekünsteltem Irgarten eingeschlossen.

(17) Wiewohl sie nun zweifelten diesen Zweifelsknohten zu entknöhtelen / diesen verknüpften Knopf aufzuknüpfen / dieses verwürreten Irgartens Ausgang zu finden: so trieb sie [62] [64]doch die Befahrung der Schande / die Furcht des Spottes und Hohnes so weit / daß sie die sämtliche Macht und Kraft ihrer Sinnen anspanneten / die Auflösung / die Ausfindigkeit zu suchen. Aber ie mehr sie sucheten und grübelten / ie weniger fanden sie. Ie länger sie forscheten / ie tieffer verwikkelten sich ihre Gedanken. Ja sie verirreten / verwürreten und verstrükten sich selbsten dermaßen / daß sie kein Mittel erblikten sich von solchem verworrenen Irwesen loß zu würken.

(18) Weil / ihrem Bedünken nach / mit dem WorteFresser nichts anders / als etwan ein Tier / oder Vogel / oder Fisch / konte verstanden werden; so betrachteten sie diese Geschöpfe / so viel derselben ihnen bekant waren / alle miteinander gantz eigendlich. Gleichwohl fanden sie so straks keines / von dem etwas ginge / das den andern zur Speise dienete / viel weniger das einige Süßigkeit hette.

(19) Als sie sich nun noch eine guhte Weile dar über besonnen / stund einer unter ihnen / welcher der Klügeste sein wolte / plötzlich auf. Seine Gebährden zeigeten an / daß er was sonderliches vorzubringen hette. »Freuet euch! Freuet euch!« rief er überlaut. »Ich habe des Rähtsels Auflösung gefunden. Nun istSimson unser Schuldner worden. Nun ist er selbst / durch mein Zutuhn / in die Grube / die er uns gegraben / gefallen. Nun wird er uns zahlen müssen / was wir ihm zu zahlen von ihm bestimt waren. Seind wir nicht Narren / daß wir uns so lange bedacht / und dasselbe / das so leichtlich auszudenken ist / nicht ausdenken können? wir sehen es alle Tage. Wir gehen alle Tage damit üm. Wir essen und trinken es täglich. Ja es flüßet uns selbst / sobald wir gebohren / in den Mund.«

(20) Für großen Freuden fragten die andern nicht einmahl / was es sei. So viel Zeit wolten sie nicht verlieren. Straks lieffen sie sämtlich in das Brauthaus. Sonder anklopffen rissen sie zum Simson hinein: dessen Braut über dieses so unvermuhtetes Ungetühme nicht wenig erschrak. So froh waren diese Brautjunkern über ihren eingebildeten Gewin / den ihnen Simson nunmehr zu erlegen schuldig / daß sie aller Höfligkeit / und aller Ehrerbietigkeit vergaßen.

[64] (21) Simson saß eben und schertzete mit seiner Liebsten. Und in diesem schertzen hatten sich seine Gedanken so vertieffet / daß er ihrer nicht eher gewahr ward / als bis sie vor ihm stunden. Im ersten Anblikke schien er zwar / ihrer / ich weis nicht ob ich sagen sol / Kühnheit / oder Grobheit wegen / was ungehalten zu sein. Gleichwohl stund er auf / und fragte: ›Was sie bewogen ihn und seine Braut bei so früher Zeit zu besuchen?‹ Daß sie ihm die Auflösung seines vorgegebenen Rähtsels zu bringen anlangeten / waren seine wenigste Gedanken.

(22) Gleichwohl befand er es war zu sein / als der eine / der das Wort führete / ihn dessen versicherte. Er lächelte straks. Doch fing er zugleich an ihre Färtigkeit im errahten zu preisen. Nach einem zimlich langen Umschweiffe der Prunkworte / lief es endlich bloß auf eine Kuh hinaus. Eben also schlüpfete vorzeiten / aus den immer gebährenden Bergen / eine lächerliche Maus hervor.

(23) »Was ist Speisehaftiger / und zugleich süßer /als die Milch / die von der Kuh gehet?« sagte und fragte der Wortführer. »Ist dan die Kuh« / fragteSimson straks dargegen / »so freshaftig / und so stark / daß meines Rähtsels Fresser / und Starker dadurch könte verstanden werden? Ist dan nichts speisehaftiger / ist dan nichts süßer / als die Milch? Besinnet euch recht« / fuhr er fort / »ob nicht viel andere Dinge / die uns auch zur Speise dienen / weit süßer seind. Schier eben so wenig habet ihr die Speise meines Rähtsels errahten / als ein ander / der vielleicht sagen möchte / es werde dardurch das Ei / welches von einer Henne gehet / verstanden.«

(24) Hiermit musten die eingebildeten Rähtselauflöser recht kahl und beschähmt abziehen. Der Preis / den sie meinten gewonnen zu haben / war im Milcheimer ertrunken. Gleichwohl liessen sie nicht nach der Sache weiter nachzusinnen. Und weil Simson ihnen andeuten wollen / die Milch sei nicht süße genug / sie müsten auf was süßeres rahten: so gerieten sie endlich auf den Honig. Dieser dünkte sie zwar die allerüßeste Speise zu sein. Aber die Bienen / von denen er kahm / [65] waren weder stark /noch freshaftig. Sie waren nur schwache Tierlein / die mit einer gar wenigen Speise vergnügt. Und darüm konten sie sich zum Fresser und Starken gantz nicht schikken.

(25) Mitten in diesem Rahtshandel Sprung abermahl einer auf. Dieser bildete ihm gar gewis ein / des Rähtsels Ausfund gefunden zu haben. Ja er durfte wohl gar darzu schwöhren. »Ei!« sagte er / »seind wir nicht tumme Menschen / daß wir nicht an uns selbst gedenken? Von uns selbst gehet die Speise / die vielen Tieren so süße schmäkket / daß sie mit großer Begierde darnach happen. Zudeme seind viele von uns so freshaftig / daß sie kaum zu sättigen. Auch seind etliche so stark / daß sie keinem Tiere weichen. So ist dan der Fresser und Starke nichts anders / als ein Riese: und die Speise des Rähtsels eben dieselbe / die sein Leib / zur Speise der Tiere / von sich giebet /oder vielmehr von sich würfet.«

(26) Weil es nun schien / als wan die ungeschliffene Bauerteben / mit den plumpen und unflähtigen Schweinen / alhier zu rahte gesessen / und nur nach ihrem groben Gehirne / des Rähtsels Deutung zu errahten getrachtet: so kan man leichtlich gedenken /wie lächerlich sie dem Rähtselaufgeber sei vorgekommen. Auch gab er / mit schmuhtzerlachen / zur Antwort: ›daß sein Rähtsel mit der Menschen / und nicht der Schweine Speise zu tuhn hette. Es handelte nur allein von solcher / die den Menschen / und nicht den garstigen Seuen / oder geitzigen Hunden am süßesten schmäkte. Ja er meinet / keine unnähtige / stünkende /sondern eine recht reine und liebliche Speise / die auch von keinem Menschen ginge.‹

(27) Also lief es mit diesen Rähtselrahtern zum andern mahle kahl ab. Ja noch viel kahler musten sie abziehen / als vorhin. Vielmehr musten sie sich itzund schähmen / da sie eine so seuische Deutung / in Gegenwart der Braut / die sich ihrer Landsleute selbst schähmete vorzubringen sich nicht gescheuet. Nun war es mit den elenden Tropfen gantz auf die Neuge gekommen. Ihr Witz wuste nichts mehr. Ihr Verstand verstund nichts mehr. Ihre Vernunft vernahm nichts mehr / was zu ihrem Rahtshandel dienen möchte.

[66] (28) Drei Tage lang hatten sie solcher gestalt geschwitzet / als sie einmühtiglich zusammenstimmeten: es sei ihrer Unwissenheit unmüglich des Rähtsels Auflösung zu treffen. Und also lief es endlich auf diesen Schlus hinaus: man solte lieber die Sache gar angeben / als sich damit noch länger so vergebens ängstigen und peinigen. Es sei besser die Kräfte des Verstandes in solchen Dingen / die über ihren Verstand gingen / zu spahten / als / durch weiteres Kopfbrächen / gar zu veröden. Es sei ihren Sinnen ersprüßlicher / weil es doch anders nicht sein könte /dem Simson bei Zeiten gewonnen zu geben / als / durch längere Sinnenfolterung / anders nichts zu gewinnen / dan Zeitverlust / mit einem verlohrnen Witze.

(29) In solcher algemeinen Verzweifelung / da gantz kein Raht mehr vor handen zu sein schien / fand gleichwohl der verschmitzteste dieser Brautjunkern zum allerletzten noch ein Rahtsmittel. Sein Anschlag war: weil auf geradem Wege für sie nichts zu finden /solte man die Krümme wehlen. Weil die Aufrichtigkeit ihnen nur verhinderlich / solte man den Betrug ergreiffen. Man solte bei der Arglistigkeit Zuflucht suchen. Ein listiger Rank sei das beste Mittel Simsons Trotz zu fällen. Und hierinnen könte die Junge Frau ihnen zum Werkzeuge dienen. Dieser müste man liebkosen. Man müste sie trachten zu gewinnen / und auf ihre Seite zu bringen: weil man durch sie allein des Rähtsels Bedeutung erfahren könte.

(30) So gesagt / so getahn. Diese dreissig Jünkerlein wehleten von Stunden an / aus ihrem Mittel /einen solchen / welcher der allerberedsamste / verschlagneste / schmeuchelhafrigste / und freundlichste war. Ja er muste darbei auch schön und hübsch von Leibesgestalt / und recht anmuhtiger beweglicher Gebährden sein: weil diese zwei Stükke zur Beredung des Frauenzimmers das meiste vermöchten.

(31) Diesen rüsteten sie aus mit mancherlei zu ihrem Zwekke dienlichen Einschlägen. Sie gaben ihm in den Mund / was er reden solte. Sie unterrichteten ihn / wie er sich gebährden und anstellen solte. Sie unterwiesen ihn in allem / was er tuhn und laßen solte / ja was sie vermeinten / das zu Erlangung ihres [67] Verlangens dienen möchte. Und also schikten sie ihn ie eher / ie lieber fort.

(32) Der ausgeschikte junge Stutzer nahm eben der Zeit war / da Simson mit seinem Vater vor der Stadt einen Lustwandel täht. Unter währender dieser Zeit verfügte er sich behändiglich in die Kammer; da das junge Weiblein allein saß / und ihren Gedanken nachhing. Bei dem ersten Eintritte täht er nichts / als beugen und neugen. Hierauf traht er algemach näher hinzu. Und weil er sie in so tieffen Gedanken erblikte / fing er an seinen so kühnen Eintrit zu so ungelegener Zeit selbst zu bestrafen. Auch stellete er sich / als wan er wieder abträhten wolte / sie in ihren Gedanken nicht zu stöhren.

(33) Diese des jungen Stutzers Ehrerbietigkeit stund der Jungen Fraue wohl an. Diese Höfligkeit /mit der tiefsten Demuht begleitet / gefiel ihr über die maße. Ja seine so ausbündige Schönheit / mit so ahrtigen Gebährden verschönert bewegte sie solcher gestalt / daß sie / ihm hold zu sein / sich nicht entbrächen konte. Auch euserte sich diese Hulde zur Stunde so gar / daß sie ihn / mit den allerliebsäligsten Blikken / nöhtigte zu verziehen / und sich neben ihr niederzulaßen. Und hiermit war sein Augenmärk schon mehr / als halb / erreichet.

(34) Kein Vierteilstündlein hatten sie also beieinander gesessen / da täht er schon den ersten Versuch /mit den aller lieblichsten Worten sie zu seinem Vorhaben zu gewinnen. Erst fragte er sie: ›ob dan ihr Ehgatte die Erklährung seines aufgegebenen Rähtsels ihr nicht entdekket?‹ Darnach / als sie diese Frage mit Nein beantwortete / fragte er ferner: ›wie es müglich sein könte / daß ein Ehgatte dem andern / eine so kleine Sache zu offenbahren / durch die Liebe nicht solte bewogen werden? Wan Simson sie rechtschaffen liebete / warüm er dan nicht getahn / was eine solche Liebe mit sich führete; indem er vor ihr verhehlet /was er ihr / der Liebe wegen / zu entdekken schuldig?‹

(35) Endlich / nachdem er ihr solcher Fragen mehr vorgehalten / geriet er auch auf diese: ›ob sie dan solches / wan sie ihrem Ehherrn mit allerhand Liebkosungen / und schmeichlenden [68] Worten begegnete / zu erfahren sich nicht getrauete? Ob dan sein Hertz alsdan noch so gar erhärtet gegen sie bleiben würde? Er könte nimmermehr gleuben‹ / fügte er hinzu / ›daßSimson nicht würde bewogen werden / ihr / als einer solchen / die er / wie man wohl wüste / gantz inbrünstig liebete / eine so geringe Sache zu entdekken‹.

(36) Nach vielen dergleichen andern Reden / und Wiederreden / lies sich das Junge Weiblein endlich bewegen zur Ausforschung des Simsons ihren besten Fleis anzuwenden. Auch sagte sie dem jungen Abgeschikten mit Hand und Munde zu / sobald sie etwas ausgefischet / ihm dasselbe zur Stunde zu eröfnen. Und also schied dieser junge Läkker / mit großer Vergnügung / von ihr: indem er ihm einbildete die verlangte Erklährung des Rähtsels albereit in Händen zu haben.

(37) Doch dieser Anschlag wolte sobald nicht gelingen. Simsons Ehliebste beklagte sich zwar gegen ihren Ehgatten: er sei ihr gram; er habe sie nicht lieb: er habe den Söhnen ihres Volks ein Rähtsel aufgegeben / und ihr desselben Erklährung nicht entdekket. Aber Simson hatte Schultzenohren. Er hörete / und hörete auch nicht. Ja er stellete sich an /als wan er taub were: als wan ihm das Gehöhr / zusamt der Sprache / vergangen.

(38) Gleichwohl / als sie noch weiter auf ihn drang / solches zu wissen / gab er ihr / aus halben Unwillen / zur Antwort: »siehe da! du begehrest dasselbe zu wissen / das ich noch niemand in der Welt geoffenbahret. Ich hab' es meinem Vater und meiner Mutter nicht entdekket / und solte dir es entdekken. Laß nur ab dasselbe zu erforschen / das nicht zu erforschen ist. Daß du es wissest / ist mir schädlich / und dir nichts nütze.«

(39) Weil nun Simsons Fraue / bei diesem ersten Versuche / nichts erfahren / auch ihren Landsleuten / zu ihrer Vergnügung / nichts anmelden konte; so kahm man von den Schmeichelworten zu den Bedreuungen: dadurch ein blödes Weibesbild leicht zu überteuben war. Hatte man bisher mit gelinden Seiten gespielet / so begunte man itzund mit gantz scharfen /und schnarrenden / ja selbst brummenden sich hören zu laßen. Hatte die Gelindigkeit nichts verfangen wollen / so geriet man [69] itzund auf die Schärfe. Ja man drang auf sie mit schnarchen und pochen.

(40) Man zeigete ihr an / sofern sie / zur Gnugtuhung ihres Verlangens / nicht alsobald Raht schaffete / einen rohten Wetterhahn auf ihr Haus zu setzen. Mord und Brand solten die geringste Rache sein. Sie /und ihr gantzes Väterliche Haus solten es entgelten /daß man sie nur zu dem Ende zur Hochzeit geladen /sie arm zu machen. So machte die Halsstarrigkeit des eigenen Willens alhier aus bescheidenen Brautdienern gantz unvernünftige Bökke. So warden diese Brautstutzer unhöfliche Brauttrutzer.

(41) Aber es war nur ein Uberflus so zu schnauben und zu schnarchen / so zu pochen und zu trotzen. Es ist ohne dis / wan man einige Verrähterei wider einen Man vorhat / mehr als genug mit seinem leichtsinnigen Weibe zu handeln. Dieses wird darzu unschweer zu bewegen sein; so oft es entweder in der Liebe nicht gantz eifrig / oder in der Treue gantz unbeständig ist: wie Simsons seines sich erwiesen. Ein Weib / das leichtfärtig ist / pfleget darbei gemeiniglich auch verrähterisch zu sein. Ja es scheinet ihm die Verrähterei als angebohren / und so eigen zu sein /daß man nicht nöhtig hat es bei den Haaren zu diesem Laster zu ziehen.

(42) Doch diese Stutzer wolten alles überflüßig versuchen: weil sie wohl wusten / daß die Furcht / die den Weibsbildern mit der Muttermilch eingeflößet zu sein scheinet / sie zu einer solchen Treuloßheit üm so viel eher zu reitzen vermag / wan sie / durch ein grimmiges Gesicht / oder zorniges Schrökwort / rege gemacht wird. Ein Gemüht / das die Furcht beherschet /ist seiner selbst nicht mächtig. Dieser Gemühtstrieb /sobald er sich des Treibens allein angemaßet / ist so stark / daß er Urteil und Verstand zu Bodem wirfet.

(43) Hierauf begunte das schöne Hertzklämmerlein den zweiten Versuch: der in Wahrheit den Nahmen eines algemeinen Sturmes wohl führen mochte. Eine Schaar unzehliger Liebesblikke war der Vortrab. Denen folgete die Mänge vieler tausend Küsse. Diese warden begleitet durch den Schwarm erbärmlicher Klagen: die man durch eine große [70] Macht der Trähnen entsetzt sahe. Nach allen diesen Hertzklammern und Liebeshaken kahm das gantze Heer ihrer erdichteten Ränke / und künstlichen Listgriffe mit voller Gewalt auf ihn zugedrungen.

(44) In diesem Augenblikke war es / da sie die Einbildung bekahm / sie hette nunmehr / durch so viel Anfälle / seine Gemühtsneugungen in voller Macht sie zu drehen / wohin sie wolte: ja sie hette seines Hertzens Härtigkeit dermaßen enthärtet / daß es / sich vor ihr zu eröfhen / nicht länger zu widerstehen vermöchte. Und darüm wischte sie mit der Frage dessen /was sie zu wissen begehrte / plötzlich hervor. Plötzlich vermeinte sie ihn zu überraschen / und den Abgrund seines Hertzens auszuforschen / eh es die vorige Härte wieder bekähme.

(45) Aber es war abermahl vergebens. Sie klopfete wieder vor eines Tauben Tühre. Es fand sich niemand / der ihr auftähte. Simson schien taub und stum zugleich. Er hörete nichts. Er redete nichts. Er schwieg stokstille. Nicht ein einiges Wort ging aus seinem Munde: ja nicht ein einiger Kusch / auch nicht ein einiger Seufzer. Seine Sinne schienen als entzükt / seine Gedanken als entfernet. Kaum rührete / kaum bewegete sich ein Glied an seinem Leibe. Nährlich flos /nährlich schos ein Bliklein aus seinen Augen.

(46) Weil sie nun wähnete / daß er / aus ihren alzuüberflüßigen Liebkosungen / in eine so gar tieffe Verzükkung gerahten; so entschlos sie sich des Spieles Aufzug zu ändern. Sie wolte die Ergetzligkeiten /dadurch er das Gehöhr / samt der Sprache / verlohren zu haben schien / ihm auf einem Ruk entrükken. Si wolte / mit einem Zuge / ihm alle diese so übermäßige Wohllust entziehen. Und darum sprang sie / aus seinem Schöße / plötzlich auf. Plötzlich ris sie sich aus seinen Armen loß. Plötzlich schmis sie seine Hand /gleich als ergrimmet hinweg.

(47) Hierauf fuhr sie ihn mit zornigen Worten an. An stat der kläglichen Seufzer / erhub sich ein greuliches Unwetter auf ihrer Zunge. An stat der Hertzentzükkenden Küsse / brachen Hertzerschrökkende Donnerschläge aus ihrem Munde. An stat der erfreulichen Liebesblikke / schossen abscheuliche [71] Donnerstrahlen aus ihren Augen. An stat der Hertzverwundenden Liebespfeile / flogen Hertzzerschmetrende Donnerkeule aus ihrem Gesichte. An stat der heitern Klahrheit / war der Himmel ihrer Stirn mit düsteren Wolken verfünstert; und an stat der hellgläntzenden Spiegelglätte / mit dunkelen Schruntzeln überruntzelt.

(48) Simson bekahm einen harten Verweis. Sie gab ihm einen greulichen Ausputzer. Sie zog ihn erbärmlicher Weise durch die Hächel. Sie bezüchtigte ihn einer groben Unhöfligkeit. Sie beschuldigte ihn mit der höchsten Treuloßheit. Ja sie trachtete ihn zu überweisen / daß er Eid- wo nicht gar Ehbrüchig sich erwiesen: indem er ihr dasjenige / was die Ehpflicht erheischete / verweigert: indem er ihre Frage nicht einer Antwort gewürdiget: indem er sie nicht wissen laßen / was sie zu wissen verlanget.

(49) Bei dieser des Spieles gäntzlichen Verkehrung / stellete sich Simson zwar anfänglich / als widerstünde er ihrem Verlangen bloß aus Schertze. Es gab guhte Worte. Er suchete sie mit allerhand Entschuldigungen zu besänftigen: indem er zugleich vorwendete / die Beschaffenheit der Sache wolte / sie zu vergnügen / noch nicht leiden. Sie solte nur Geduld haben /bis die Zeit kähme: die auch schon im Ankommen begriffen. Dan würde sie alles erfahren / was sie zu er fahren so hertzlich / ja so schmertzlich verlangte.

(50) Aber mit diesen so leeren Vertröstungen war sie keines weges zu frieden. Dieses Aufschüben von einer Zeit zur andern war nur Oehl ins Feuer. Das Feuer des Verlangens brante hierdurch nur heftiger. Es ward nur kräftiger. Es flammete nur heller und heller. Es flakkerte nur ungestühmer. Ja es schlug endlich gar in eine gleich als tolsinnige Wuht aus.

(51) Als nun Simson / nach verschwundener Nahrung seiner Lüste / vermärkte / daß sie in ihrem gefassetem Unwillen und Zorne verharrete; da fing er wieder an den Verliebten zu spielen. Er bekleidete seine Reden mit gantz seidenen Worten. Und diese begleiteten die allerverliebtesten Gebährden / die aliersüßesten Schmeichelungen / die allerersinlichsten Liebkosungen. Ja er unterlies nichts / ja gar nichts /was zu ihrer Befriedigung / [72] und zu seiner Ergetzligkeit Wiederbringung dienen mochte. Hiermit erreichte er zwar sein Ziel so weit / daß endlich seine Umhälsungen zugelaßen / und seine Küsse mit Gegenküssen etlicher maßen erwiedert warden.

(52) Gleichwohl blieb sie noch immer karg in Liebesblikken / ernstlich im Wesen / kalt in Liebesbezeugungen. Ja die Liebe schien in ihr beinah in den letzten Zügen zu liegen; wo sie nicht schon gantz erkaltet / oder wohl gar erstorben. Und darüm küssete sie nur / wan sie küssete / mit kalten Küssen; denen die warme Hertzensluft mangelte.

(53) Simson fand auch in Wahrheit hierinen keinen Schmak: indem die vorige Belüstigung ihnen gantz entgangen. Ja es fehlte nicht viel / daß seine Liebe / die eine so kalte / so erfrohrne / wo nicht gar verlohrne Gegenliebe verspührete / nicht laulicht zu werden begonnen. Sie ward es auch in der Taht: aber aus dem Hertzen / da sie so tieffe Wurtzeln geschlagen / gantz vertilget zu werden war unmüglich.

(54) Indem nun dieses arglistige Weib verspührete / daß sie ihren Man nur fruchtloß erzürnet; da veränderte sie das Spiel aufs neue. Sie kahm wieder mit den vorigen Aufzügen angezogen. Sie spannete gar gelinde kleinlautende Seiten auf. Diese stimmete sie gantz nach seinem gefallen. Ja sie spielete / vor seinen Ohren so leise / so süße / so lieblich / so anmuhtig /daß sie seine schier eingeschlummerte Liebesneugung volkömlich wieder erwekte.

(55) Klippern gehöret zum Handwerke. Wer zu erhalten verlangt / darf nichts verweigern. Wer etwas zu erhaschen gedenkt / mus gantz leise Tritte tuhn. Wer einen Flüchtling zu ertapfen vorhat / mus hinter ihm her kein Gepulter machen. / Diese Tausendkünstlerin hatte ihr Handwerk sowohl gelernet / daß sie die Liebe / da sie kaum zu klippern und zu klimpern angefangen / schon wieder in Simsons Hertz eingeklimpert.

(56) Nach versaltzenen Speisen schmäkket das Süße viel lieblicher. Auf einen herben Trunk befindet man den Most am allersüßesten. Honig ist nie angenehmer / als auf Wärmuht genossen. Ein Mund mit Essige gespühlet findet den Zukker am alleranmuhtigsten. Einen Seeman ergetzet die [73] Windstille niemahls mehr / als kurtz nach ausgebrausetem Höllensturme. Ein Sonnenschein ist niemahls erfreulicher / als eben in der Zeit / da das Regen- und Hagel-wetter sich verziehet.

(57) Eben also war unsrem Simson dieses Weib niemahls lieblicher / niemahls süßer / niemahls angenehmer / niemahls anmuhtiger / niemahls ergetzlicher / niemahls erfreulicher vorgekommen / als in diesen Liebkosungen / nach eben überstandenem Sturme. Er hatte diesen Mund niemahls soholdsälig / diese Zunge nie so liebreich / diese Augen nie so liebreitzend befunden / als in diesen Schmeichelungen / da die Donnerschläge / die Donnerkeule / die Donnerpfeile ihn zu bestürmen erst aufgehöret.

(58) Aber dieser Liebesturm / wie heftig er war /vermochte gleichwohl eben so wenig / als der vorige Zorn- oder Höllensturm / die Standhaftigkeit Simsons über einen hauffen zu werfen. Seine Liebste erhielt nichts mehr / als die bloße Zusage / daß ihr straks nach den sieben Tagen ihrer Hochzeit / da zugleich die bestimte Bedenkzeit das Rähtsel aufzulösen vorüber sein würde / in allem / was sie verlangete /volle Vergnügung geschehen solte. ›Hierauf‹ / fügte er hinzu / ›beruhete seine gantze Ehre / daß er die Auflösung des Rähtsels so lange verschwiege / bis er seiner Feinde Laßdünkel zu schänden gemacht: indem er wohl wüste / daß ihr Verstand / diesen Zweifelsknohten / ohne seinen Vorbericht / zu entknöhtelen / lange nicht fähig genug wäre.‹

(59) Bei diesem so runten und letztem Abschlage /schlug ihr der Schlag dermaßen ins Hertz / daß sie in Ohnmacht zu bodem sank. Dan hierbei euserte sichSimsons gantzes Hertz. Er bekante gerade zu /warüm er bisnochzu / ihr des Rähtsels Erklährung zu eröfnen / so gar unerbitlich gewesen. Ja er gab ihr deutlich genug zu verstehen / daß er festiglich beschlossen ihr nicht eher damit zu wilfahren / als nach verflossener Bedenkfrist. Und darüm verzweifelte sie nunmehr gantz und gar; indem sie alle Tühren ihrer Hofnung verschlossen fand. Auch lag sie / in solcher Verzweifelung / gantz kraft- und muht- ja selbst schier bluht-loß / indem der Purpur ihrer Lippen verblichen / [74] die Zukkerrosen ihrer Wangen erblasset / und ihr gantzes Angesicht eine düstere Tohtenfarbe bekommen.

(60) Sobald sie sich ein wenig wieder erhohlet / begunte sich zuerst der Trähnenbach ihrer Augen zu öfnen. Mit kleinen Tröpflein fing er an: die als runte Perlen über die Bakken algemach hin kullerten. Denen folgete das Riselen. Endlich brach eine gantze Trähnenfluht durch die Tämme der Augen hin / und überschwemmete das Angesicht so gar / daß auch ein Strohm darvon selbst in den schneeweissen Busem geschossen kahm; da er sein herbes Salzwasser mit der süßen Milchsee, vermischete. Ja es schien / als wolte dieses gewaltige Gewisser ihren gantzen Leib überströhmen / wo nicht gar erseuffen.

(61) Weinen / und Wehklagen seind die zwo fürnehmsten Rüstungen der Weibsbilder. Hierinnen bestehet ihre meiste Macht / ihr euserster Nachdruk /ihre höchste Zuflucht. Weiberträhnen seind Waffen /die alles entwafnen / auch zuweilen die Grimmigkeit selbst. Es scheinet / daß darüm die Trähnen zugleich Zehren genennet werden; weil sie dasselbe / das dem Willen der Weinenden widerstehet / gleichsam verzehren / und aus dem Wege reumen. Ja es scheinet /daß sie darüm ihren Springbrun zuoberst in unsrem Leibe bekommen; damit sie als Giesbäche sein möchten; die von der obersten Höhe der Berggüpfel sich herab stürtzen / und alles / was ihnen im Wege / mit sich fortreissen. Sie reissen auch gewislich / so oft sie flüßen / den Willen dessen / der dem Willen des Weinenden widerstehet / gemeiniglich darnieder / und führen seine Bewilligung / als eine Beute / mit sich darvon. Und dieses tuhn sie nicht nur dem Menschlichen Willen / sondern auch dem Willen Gottes selbst / so oft dessen Algewalt / durch ihre Gewalt sich überwältigen zu laßen / ihnen verhänget.

(62) Die Gewalt aber dieses Trähnengewissers ist niemals gewaltiger / als wan es aus den Augen einer Geliebten schüßet: indem es die Sinne des Verliebten gleich als in einem Würbel herümtreibet / und seine Gemühtsneugungen bald hier- bald dort-hin durcheinander wirfet. Niemahls wird Menschlicher Anblik mehr zum Mitleiden bewogen / als wan er zwei Augen / [75] die er als zwo lebendige Sonnen verehret /verfünstert / und in Trähnen gleichsam zerronnen erblikket.

(63) Es siehet alzuerbärmlich aus / wan ein Wolkenbruch der Trähnen die Lilien und Rosen eines wunderschönen Antlitzes verwüstet. Es jammert Menschliche Seelen alzusehr / wan ein Platzregen der Augen die Schönheit eines so lieblichen Angesichtes /das man gleichsam anbähtet / vertilget. Es tauret einen Liebhaber / und tuht ihm im Hertzen weh / wan er den leibhaften Himmel seiner Wohllust in eine so gewaltige Wasserfluht gleichsam zerschmoltzen schauet: wan er schauet / daß seiner irdischen Göttin ein solches Glüksfällige Wassergrab / durch ihre selbst eigene Trähnen / zubereitet wird. Es pfleget auch gewislich auf einen solchen so anhaltenden Trähnenflus gemeiniglich eine See zu folgen; darinnen menschliche Schönheit nohtwendig ihr Grab /oder aber den Hafen des Erbarmens erreichen mus.

(64) In diesen Hafen der Erbarmnis trachtete auch in Wahrheit Simson Ehliebste / durch einen so heuffigen Trähnengus / anzuländen. Sie gedachte /durch einen solchen Trähnenseesturm / indem auch endlich die Winde tiefgehohlter Hertzensseufzer mit unterstürmeten / Simsons Hertz zu erstürmen. Sie verhoffete sich bei dem / der sie liebenswürdig geachtet / auch mitleidenswürdig zu machen. Ja sie vertrauete hierdurch die Wilfahrung ihres so sehnlichen Verlangens endlich einmahl zu erlangen.

(65) Wie behertzt sich Simson sonsten erwiesen; wie großmühtig und unbeweglich er vor diesem gewesen: so unbehertzt / so kleinmühtig / so bewegbahr schien er itzund zu sein. Ja es schien / als wan er mit aller seiner mächtigen Stärke so stark nicht sein könte / der Macht dieses Sturmes länger zu widerstehen. Kurtz / das Mitleiden brach ihm sein Hertz. Das Erbarmen schlich sich in seine Seele. Der Schmertz senkte sich in seine Sinnen. Sein Mund erstummete. Sein Gehöhr verlohr sich. Sein Gesicht erstarrete. Seine Gedanken wanketen von einer seite zur andern. Ja es fehlete nicht viel / sie hetten ihn gezwungen seine Zunge / der Trübsäligen zu wilfahren / in diesem Augenblikke zu lösen.

[76] (66) Unter solcher so stillen Verwürrung / oder vielmehr Entzükkung / welche sie / weil er kein Wort redete / für eine Würkung der Halsstarrigkeit aufnahm / rief sie endlich / aus Ungeduld / alle ihre Seufzer zusammen. Diese stürmeten zu erst inwendig so gewaltig / daß ihre Brusthügel zitterten / ja der gantze Busem / in überaus heftiger Bewegung / bald auf-bald niedersprang; nicht anders / als wan ein heftiges Erdböben vorhanden.

(67) Auf diesen inwendigen Seufzersturm / folgete der Ausbruch / mit so vielem Knallen und Krachen /als Seufzer heraus flogen. Er geschahe durch die zwo Rubinenmauren des Mundes: welche man anfänglich erschüttern / darnach gar voneinander gespaltet sahe. Der meiste Seufzersturm war / durch diese Spalte /kaum verflogen / als ein gantzer Schwarm Jammerworte / mit noch etlichen Seufzern vermänget / hinter ihm herdrung.

(68) »Ach! ich Elende!« fing sie an zu klagen. »Ach! ich Unglüksälige! Ach! ich Trostlose vor allen Frauen! Ach! wie bin ich dem Himmel so gar verhasset / daß mir / auf sein Verhängnis / die ersten Ehtage zu Wehtagen / die ersten Freudentage zu Leidtagen /ja meine Traue zur Trauer werden müssen! Mus dan selbst im Mittage meiner Hochzeit die Nacht der Traurigkeit mich überfallen? Mus dan mein Brautbette / darein ich nährlich gestiegen / mir so bald zum Trauerbette / ja aller meiner eingebildeten Wohllust zum Grabe werden? Ach! weh mir! Ach! weh mir! Ach! weh und immer weh!

(69) Ach! ich armsälige / ich drangsälige Braut! Mus ich dan itzund / da meine Brauttage noch nicht gar vergangen / meine Trauertage schon angehen sehen? Mus dan itzund / da ich Braut zu heissen noch nicht aufgehöret / die Liebe meines Breutigams schon aufhören? Ach! wie bald ist mir die hertzerfreuliche Rose der Lust zum abscheulichen schmertzerregenden Kreutzdorne geworden? Ach! wie bald hat sich die süße Blühte der Liebe in eine bittere Leidensbluhme verwandelt?

(70) O weh mir / daß mich mein Ehstand in diesen Wehstand so gar früh versetzet! daß mir nur alzufrüh mein Traubette [77] zum Trauerbette geworden? daß ich das Band der Ehe kaum gebunden / den Knopf der Traue kaum geknüpfet / und meines Ehgattens Zuneugung und Treue schon entbunden / und aufgelöset sehe! daß ich mit allen meinen ihm angetahnen Ergetzungen nichts / als nur lauter Widersetzungen / verdienet! ja daß er meiner für alle meine Liebesbezeugungen / indem er sie erst zu schmäkken begonnen /nur spottet / und sie nicht einmahl der Rede währt achtet!

(71) O weh mir / die ich so leichtgleubig gewesen! indem ich einem Manne gegleubet / der mich / in meiner Blühte / selbst anzubähten / ja zu vergötlichen schien / und nunmehr / nach kaum abgepflükter Bluhme / schon so gar verschmähet / und beschimpfet /daß er mich schier weniger achtet / als einen verlegenen Küchenhader / als einen Scheuerwisch / ja weniger / als einen Auskehricht.

(72) An mir / ach weh! finden dieselben / die sich rühmen / durch ihre Schönheit / Leibeigene gemacht zu haben / gleichwie ich leider! ehmals so unvorsichtig getahn / einen lebendigen Spiegel. Hierinnen können sie schauen / wie die Liebe desselben / der mich so inbrünstig zu lieben schien / ihre Brunst so plötzlich ausgebrunstet / daß nichts / ja gar nichts mehr darvon zu spühren ist. Ja hier erblikken sie die Treue der Männer / die ein schönes Weibesbild nur darüm lieben / oder vielmehr zu lieben sich stellen / damit sie es üm so viel eher betrügen möchten / nach dem Leben abgemahlet.

(73) Man bezüchtiget gemeiniglich die Weiber /daß sie die Unbeständigkeit und Treuloßheit / mit ihrem Leben und Leibe zugleich / auf die Welt gebracht / oder doch mit der Muttermilch eingesogen. Und diese Bezüchtigung schwebet / in allen Weingelaaken / auf aller Männer Zunge. Da doch niemand Treuloser / niemand Unbeständiger erfunden wird /als eben dieselben.

(74) Wan es wahr ist / daß die Weiber insgemein so gar Unbeständig / so gar Treuloß gebohren / wie man sie mit unrechte beschuldiget; so verwundert sich mein Gemüht billich / daß eben ich darvon ausgeschlossen sein mus: indem ich auch dem Allertreulosesten meine Treue / dem Allerunbeständisten [78] meine Beständigkeit keines Weges entziehen kan; wie ich wohl itzund gerne wolte.

(75) Es tuht mir im Hertzen weh / daß ich von demselben / in dessen höchster Gunst und Liebe zu stehen ich mir so gewis / als hertzinbrünstig er mich zu lieben schien / einbildete / nunmehr die allergeringste Gunst nicht auszubetteln vermag. Wan ihm etwan einiger Nachteil hieraus zuwachsen könte / so wolte ich nicht klagen. Vielmehr wolte ich seinen Abschlag selbst guht heissen.

(76) Aber ich sehe wohl / was es ist. Er ist meiner überdrüßig. Ich bin ihm ein Scheusal worden. Er hat an mir / aus meinen alzuübermäßigen Liebesbezeugungen einen Ekel bekommen. Er träget scheu und abkehr vor allem / was ich tuhe. Und eben darüm wil er mich nicht hören / viel weniger erhören. Ja darüm ist derselbe / der kaum angefangen mein Breutigam zu sein / der erst neulich für großer Liebe schier bärsten wolte / mir in einen Grausamen verwandelt. Ich erzittere / ja erschrökke / wan ich daran gedenke.

(77) Ich habe zwar / durch langes Anhalten / oder vielmehr Bätteln / ihm endlich noch so viel abgebättelt / daß ich eine leere / wo nicht schimpfliche Zusage zur Erhaltung meines Anhaltens erhalten: indem ich so lange warten sol / bis ein ieder / auch seine Feinde selbst / ja die Vogel auf den Tächern wissen werden / was ich zu wissen so hertzlich verlange. Aber diese Zusage / die so leer / und von der Gewährung so weit entfernet ist / kan ich für keine Gunstbezeigung im geringsten nicht aufnehmen: weil sie mir bloß allein zur Verkleinerung dienet; als eine solche / dadurch ein Breutigam seiner Braut auch das geringeste selbst abgescheumete Gassenvölklein vorziehet.

(78) O mehr als unglüksälige Braut! die aus einem so gar widerwärtigem Anfange nichts anders / als einen unglüklichen Fortgang ihrer Ehe zu weissagen vermag. O unbarmhertziger / ja selbst treuloser Breutigam! der dieselbe / die ihn so höchlich liebet / mit dem allerhäslichsten Undanke belohnet. O weh mir! daß ich hinfort mein Leben bei einem solchen Betrüger / bei einem solchen Wühtriche / bei einem solchen Gott- und heil-losem Manne zu schlüßen bestirnt bin!«

[79] (79) Mit diesen letzten Worten / da sie in Ohnmacht zu fallen sich stellete / ris sie / in einem Risse /den Busem auf / und entblöste ihre schneeweisse Brüste. Hierdurch gedachte sie Simsons Hertz vollend zu überrumpeln. Durch dieses Mittel vermeinte sie seine Hartnäkkigkeit zu erweichen. Durch diesen Listrank verhofte sie endlich einmahl seinen Willen zu erobern.

(80) Wer eine starke Festung einzunehmen gedenkt / der beängstiget sie zuerst mit unterschiedlichen harten Stürmen: Sobald er / mit unaufhöhrlichem loßbrennen der Geschütze / die Heuser zerschmettert /die Wälle durchpohret / und die Belägerten macht-und muht-loß gemacht; alsdan führet er seine Völker /unter dem noch anhaltenden Donner der Geschütze /mit dem bloßen Degen in der Faust / gegen den durchpohrten Wal an. Auch schikt er unterdessen einen gewaltigen Schwarm der Feuerkugeln / durch die Luft / auf die Bestürmeten zu. Also lesset er einen Sturm dem andern folgen. Endlich / imfal alle diese Stürme / ja selbst der Hauptsturm fruchtloß abgelauffen / doch die Bestürmeten darbei auch mat und müde geworden / kömt man zur gühtlichen Handlung.

(81) Auf eben dieselbe Weise trachtete dieses Weib ihres Simsons Hertzfestung zur Ubergabe zu bringen. Sie versuchte zuerst ihr Heil auch mit unterschiedlichen Stürmen. Auf den nassen Sturm ihrer Trähnengüsse / folgete der gewaltige Feuersturm ihrer Seufzer. Sobald dieser vorüber war / begunte sie auch den allerhärtesten Hauptsturm ihrer Worte selbst: die in Simsons Hertzen / als eitel spitzige mit Widerhaken gewafnete Pfeile / sitzen blieben. Endlich / als sie mit dem entblößeten Degen in der Faust nichts sonderliches ausrichtete / als die Schärfe der Worte nicht allerdinge verfangen wolte / grif sie gleichesfals zur gühtigen Handlung. Sie suchete die Liebe / welche sie / durch ihre letzte so gar stachelichte / ja gantz ehrenrührige Worte / aus Simsons Hertzen verjaget zu haben wähnete / darinnen wieder in ihren vorigen Stand zu bringen. Und hierdurch bildete sie ihr ein / seinen bereits waklenden Willen vollend zu übermeistern.

(82) Aber sie erreichte gleichwohl / durch dieses Listmittel / [80] [82]ihr rechtes Augenmärk noch nicht. Simson ward hierdurch nicht weiter beweget / als daß er / durch eine große Mänge seiner Liebesbezeugungen /sie zu beruhigen suchte. Ja er trachtete zugleich sie damit zu überzeugen / wie fälschlich sie seine Liebe /ja seine Treue beschuldiget. Und also waren alle ihre Listgriffe vereitelt. Alle ihre Anschläge schlugen fehl. Alle ihre Hofnung fiel in den Brunnen.

(83) Inzwischen brach der siebende Tag an. Der letzte Tag ihrer Hochzeit rükte herbei: mit welchem die bestimte Frist das Rähtsel aufzulösen solte zu Ende lauffen. Die dreissig Timnatische Jünkerchen kahmen am bestirnten Orte des Brauthauses zusammen den letzten Bescheid von der Braut einzuhohlen. Diese / die das Getümmel zur stunde vernahm / lies den schlafenden Simson liegen. Sie schlich gantz heimlich und leise zur Kammer hinaus / und begab sich vol Schrökkens zu ihnen. Es war gewislich hohe Zeit / daß sie erschien. Sonst hette die rasende Rotte das Brauthaus mit Morden und Brennen erfüllet.

(84) Kaum war sie zu ihnen hineingeträhten / da ging das Mord- und Brand-Dreuen schon wieder an. Sie lieffen als unsinnig um sie herüm. Der eine rupfte und zupfte sie hier / der andere da; nicht anders / als ein Stoßvogel eine gefangene Taube. Straks solte sie raht schaffen. Von stunden an solte sie ihr Verlangen erfüllen. Wo nicht: so solte ihr letztes Broht gebakken sein: so wolten sie die Armsälige zerreissen.

(85) Guhter Raht war alhier teuer. Die Gefahr stund vor der Tühre. Keine Rettung / noch Hülfe war zu finden. Die Drangsalen ümgaben sie auf allen Seiten. Sie zitterte für Angst. Alle Glieder böbeten. Die Sprache wolte nicht fort. Sie konte kein einiges Wort zu ihrer Entschuldigung vorbringen. Gleichwohl erhohlete sie sich endlich. Endlich fassete sie wieder Muht. Sie baht / mit flehender Zunge / mit seufzendem Munde / mit weinenden Augen / üm schönes Wetter. Sie vertröstete die erboßten Mordgurgeln / in den noch übrigen wenigen Stunden / ihr bestes zu tuhn. Sie wolte / zu ihrer Vergnügung / ihr euserstes versuchen. Könte sie ihnen alsdan / nach Wunsche /[82] nicht wilfahren; so wolte sie / die nun ihre Barmhertzigkeit anflehete / ihres Grimmes erwarten.

(86) Mit diesen kläglichen Worten schied sie von ihnen. Mit dieser letzten Vertröstung machte sie sich aus ihren Händen loß; doch nur auf eine kleine Galgenfrist. Und also ging sie wieder in ihre Schlafkammer. Alda begab sie sich straks vor das Bette / ihrenSimson / der noch immer fortschlief / zu wekken. Sie nahm ihn bei der Hand. Sie strich und strählete seine Wangen. Sie küssete seinen Mund / mit einem solchen Kusse / daß sich seine Lebensgeister darüber ermunterten.

(87) Simson ward zwar über diesem Kusse gantz wakker. Gleichwohl konte sein so höchlich erfreueter Geist nicht gleuben / daß er wachete. Er bildete ihm gäntzlich ein / daß er treumete: daß ihm / im Traume / der Himmel / mit aller seiner Wohllust erschienen. »Ach!« sprach er / »mein Engel! mein Freudenbild! meine Wonne! ja meine Sonne / die mich / nach so vielen erlittenen Stürmen / wieder ümleuchtet! Wo bin ich? Was seh' ich? was fühl' ich? was geniesset meine Seele für Lust? Ist dieser Kus /den ich fühle / wahrhaftig ein Kus? Oder dünkt es mich nur / daß ich ihn fühle?«

(88) In solchen schlafirrenden Gedanken wolte er weiter reden. Aber seine Liebste fing ihm das Wort auf / und sagte: »Mein Simson! mein Liebster! mein Trauter! Es ist wahrhaftig ein Kus / den du fühlest. Deine Liebste / deine eigene Liebste küsset dich wahrhaftig. Es ist warhaftig ihr Mund / der deinen Mund drükket. Es sind ihre selbst eigene Lippen / die deine Lippen befeuchten. Ich selbst bin es / die so hertzlich dich küsset / die so treulich dich liebet / daß sie auch ihre Liebe dir allein gewiedmet.«

(89) Hierauf erhub sich Simson / und ümarmete sie. Da erkante er erst recht aus was für einem Brunnen diese Laabnis seiner Seele gekwollen. Die Gegenküsse / die er gab / waren unzehlbar. Unzehlbar waren die Seufzer / mit denen er sein Hertz seiner Liebsten zuschikkete. Unzehlbar waren auch seine Liebesblikke / mit denen er den ihrigen so liebreich begegnete. Ja die Lust selbsten / die er empfand / war unbeschreiblich.

[83] (90) Aber diese seine Lust tauerte nicht lange. Mitten in diesen Ergetzlichkeiten kehrete sich das Blat üm. Die erfreulichen Blikke seiner Liebsten warden mit trüben Wolken plötzlich überzogen / und diese mit unzehlbaren Trähnen geschwängert. Auch schien es / als wan die Macht zu küssen ihrem Munde entwichen / und an ihre stat ein ewiges Seufzerleben darinnen entstünde. Auf die Gewalt der Seufzer / mit denen die Seele schier gar auszufahren schien / folgete wiederüm ein gewaltiger Trähnengus. Diesen beschlos sie mit der allerkläglichsten und allererbärmlichsten Rede.

(91) »Mich wundert« / sagte sie / »daß ich etliche Tage nacheinander in Seufzer gleichsam zerflogen / ja in Trähnen schier zerflossen bin / und gleichwohl Dich zu dem geringsten Mitleiden nicht bewegen können. Ist dan deine Hartnäkkigkeit so gar verhärtet /daß sie durch so vieles Bitten und Flehen keines weges zu erweichen gewesen? Ist dan dein Hertz härter / als ein Stein / den die trüpfende Regentropfen ermürben / ja endlich gar durchlöchern; indem es die Trauffe selbst meiner Trähnen nicht zu enthärten / und zum Brächen zu bringen vermag? Ist dan vor meinen erbärmlichen Klagen die Tühre deiner Barmherzigkeit so fest verrügelt / daß ihnen aller Eingang verweigert wird?

(92) Wan ich dieses wahr zu sein / aus der Erfahrung / nicht wüste; so würden meine Gedanken mich leichtlich überreden / daß ich treumete. Ich würde nimmermehr gläuben können / daß ein Breutigam seiner Braut / ein Ehgatte seiner Ehliebsten in einer solchen geringen Sache zu wilfahren so gar verstokt und so gar halsstarrig sein könte? Ja ich darf wohl sagen /daß ich solches zu gleuben / oder nur zu denken vor Sünde halten würde.

(93) Meine so oft wiederhohlete / und eben so oft ach leider! abgeschlagene Bitte wiederhohlet itzund diese meine gantz ohnmächtige Zunge zum letzten mahle. Zum letzten mahle flehet deine Liebste / deine Braut / dein selbst eigenes Hertz Dich wehmütiglich an. Ja sie flehet demühtiglich / mit gebogenen Kniehen / nur ihr allein dasselbe / das du in wenig stunden allen entdekken must / eine so kleine Zeit vorher zu[84] entdekken. Wan du ihr bloß so viel voraus zu geben geruhen wirst; alsdan wird sie erst recht gleuben können / daß Du / wie du sagest / sie liebest.

(94) Das Ehliche Band / damit wir so unlängst in treuer Liebe verbunden worden / wirst du ja so bald nimmermehr entbinden / daß du mir eine solche geringe Gunst zu erweisen verweigern wollest. Imfal du etwan vor mir / wie es scheinet / einen so frühen Ekel bekommen; weil du meine Schönheit / die Dich ehmahls zur Liebe bewogen / nun nicht wenig gemindert siehest: ach! so gedenke doch / daß dieses verfallene /vermagerte / betrübte / ja gantz erbärmliche Wesen /das du an mir erblikkest / nirgend anders herrühret /als von den übermäßigen Schmertzen / damit Du selbst eine Zeit lang mein Hertz so gar unbarmhertzig und ungnädig biß zum Tode zu gleichsam gefoltert.

(95) Du selbsten trägst die Schuld / daß deine Liebste so unlieblich / so häslich aussiehet. Du selbsten bist die Uhrsache / meiner verschwundenen Schönheit / meiner verschlundenen Liebligkeit. Die Unbarmhertzigkeit / die Grausamkeit / die aus der Asche deiner ausgebranten Liebe / mich zu peinigen /gebohren worden / hat sie vertilget.

(96) Ach! mein Liebster! denke doch nur ein wenig zurük auf deine vorige so inbrünstige Liebe. Denke doch an dein und mein Ehband / das noch so neu / so frisch ist / und das niemand / als der Tod / zu entbinden vermag. Denke doch an unsere unterlichgeschwohrene Treue. Wan Du dieses tuhst; so bin ich vergewissert / Du werdest so häslich / so ungebunden /so treuloß an mir nimmermehr handeln / eine so kleine Wilfahrung mir / im letzten Augenblikke meines Lebens / zu versagen.

(97) Ich erwarte dan dieser allergeringsten Wilfahrung endlich einmahl gewürdigt zu werden: indem ich keines weges müglich zu sein gleuben kan / daß Du /nach so langem flehen und bitten / unerbitlich zu sein verharren werdest. Entschleus dan denselben Mund /der mich deiner Liebe so vielmahls versichert. Entbinde dieselbe Zunge / die / durch stähtige Liebkosungen / in meiner Seelen eine so reine Liebesbrunst [85] angeflammet / mir dasselbe zu offenbahren / das mein Vorwitz zu wissen so ängstiglich verlanget.

(98) Eher wil ich nicht aufhören Dich anzuflehen /Du erhörest mich dan. Eher wil ich von diesem Fußfalle / den ich mit gebogenen Kniehen tuhe / nicht aufstehen / Du vergnügest mich dan. Eher wil ich von deinem Angesichte nicht weggehen / ich trage dan das Zeichen deiner völligen Liebe darvon. Ach! ich bilde mir schon ein / daß sich meine Arme üm deinen Hals schwingen / daß ich meinen Mund auf deinen Mund drükke / Dir für die so lange verlangte / und nunmehr erlangte Gnade zu danken.«

(99) Mit diesen letzten Worten / denen sie / mit den allererbärmlichsten und gantz hertzentzükkenden Gebährden / den kräftigsten Nachdruk gab / drung sie dermaßen durch / daß Simsons Stärke / wie stark und unüberwindlich sie sonsten immermehr sein mochte / gleichwohl alhier / solchen so harten Stürmen zu widerstehen / lange nicht stark genug sein konte. Auch fiel sein Gemüht / das ehmahls keiner Macht / wie mächtig sie war / gewichen / nunmehr gantz machtloß darnieder. Ja sein Hertz / das vor diesem / als ein harter Fels / gantz unbeweglich und unüberwindlich gestanden / ward itzund / durch solche so hertzentzükkende Machtworte / nicht anders / als ein wankendes Rohr / bald hier- bald dort-hin so lange beweget / bis es endlich gar brächen / ja wohl gar / als Wachs / zerschmältzen muste.

(100) Und also ward Simsons Hertz / nach vielen ausgestandenen Stürmen / endlich erobert. Endlich ward derselbe Großmächtige Muht / der so manches Helden Muhte die Spitze zu bieten vermochte / durch ein schwaches kleinmühtiges Weibichen / mit nichts anders / als mit bloßen Worten / entmuhtiget / und plötzlich darnieder geschlagen. Eine solche durchdringende Macht haben die Worte des Frauenzimmers / zuvoraus eines Geliebten / wan sie aus einem seuftzenden Munde / mit wehmühtigen Gebährden begleitet / hervorbrächen.

(101) Simson erzählete zuerst seiner Liebsten die gantze Begäbnis mit dem Leuen. Darnach zeigete er an / woher er [86] sein aufgegebenes Rähtsel genommen / und wie dasselbe zu errahten sei. Nähmlich durchden Fresser / darvon die Speise / und durch den Starken / von dem die Süßigkeit gegangen / würde das Fressende /und zugleich Starke Tier / der Leue / verstanden; in dessen Aases Rachen er die süße Honigspeise / welche die Bienen alda zubereitet / gefunden.

(102) Die Zuhörerin spitzte / bei dieser Erzehl- und Erklährung / die Ohren nicht anders / als ein Windspiel / das irgend hinter einem rauschenden Strauche /einen Hasen wittert. Sie märkte fleissig auf. Sie gab acht auf alle Worte: damit ihr ja keines entschlüpfen möchte. War sie vorhin traurig und betrübt gewesen; so war sie itzund / da sie / mit ihren listigen Ränken /des Rähtsels Erklährung so glüklich ausgefischet / üm so viel freudiger. Ja es sprang ihr das Hertz in ihrem Leibe für übermäßiger Freude; weil ihr Anschlag endlich einmahl den gewünschten Ausschlag gewonnen.

(103) Erstlich dankte sie bei sich selbst ihrem Abgotte Dagon / daß er sie nunmehr ihrer Bekümmernis abgeholfen / und aus ihrer vor Augen schwebenden Gefahr errettet. Darnach fiel sie ihrem Simson / mit beiden Armen / üm den Hals. Das Küssen / das Liebkosen / das Schmeucheln hatte kein Ende. Ja sie lies ihm / durch tausenderlei Liebespiele / die Ubermäßigkeit ihrer Vergnügung gantz überflüßig blikken: indem sie sich solcher gestalt anstellete / gleich als tähte sie der Pflicht einer aufrichtigen Dankbarkeit genug.

(104) Bei so plötzlicher Veränderung des Spieles /wuste Simson selbst nicht / wie ihm geschahe. Er stund gleich als entzükt. Er lies sich bedünken / als lebete er leibhaftig im Himmel der Liebe; als stünde er mitten im Paradiese: da seine Glücksäligkeit sich nimmermehr endigen würde. Und in solcher so lieblichen Entzükkung / schienen ihm seine Sinnen vorzuwerfen / daß er sie der Geniessung dieser so süßen Ergetzligkeiten so lange beraubet; indem er dem Willen seiner Liebsten nicht eher gewilfahret.

(105) Aber diese des Simsons Einbildung / die ihm solche seine Glüksäligkeit so gar langwierig vormahlete / spielete [87] das Spiel einer Betrügerin nicht weniger / als seine Liebste. Es ist zwar nicht zu leugnen / daß die weiblichen Ergetzligkeiten zum öftern dermaßen belustigen / daß sie derselbe / der ihrer geniesset / gar für Wohllüste des Ewigen säligen Lebens zu halten sich nicht entziehet. Aber durch ihre so flüchtige Kürtze lügenstrafen sie gleichwohl des Geniessers Wahn solcher gestalt / daß er gar bald gestehen mus /sie weren nicht anders / als ein bloßes Eigentuhm dieses vergänglichen Lebens.

(106) Die Süßigkeit des Kusses empfindet man länger nicht / als Mund auf Mund gedrükt den Kus giebet: wiewohl die Einbildung den Nachschmak darvon zuweilen was länger behält. Die Anmuhtigkeit der Hertzentzükkenden Liebkosungen ergetzet unsere Sinligkeit länger nicht / als so lange der Stimme Schal in unsern Ohren klinget: wiewohl ein Nachklang darvon unsrem Gedächtnisse zu zeiten so fest eingebildet bleibet / daß er noch lange genug in den Gedanken hallet.

(107) Eben also belustigen auch die Liebesblikke das Auge nur so lange / als sie es anblikken. Schüßen sie aber hierauf seitwärtshin / auf etwas anders / oder drehen sich / mit den Augen / welche sie auslaßen /gar üm; so bleibet uns von ihnen nichts mehr / als nur das bloße Gedächtnis ihrer Ergetzung noch eine Zeit lang / übrig. Und solches geschiehet üm so viel weniger / wan der Leib / dessen Augenlichter sie von sich geben / aus unsrem Gesichte sich entfernet / oder gar dem Tode zu teile wird. Nicht mehr Tauerhaftigkeiten befinden sich bei allen andern zeitlichen Ergetzungen: welche / daß sie kein ewiges Lust- und Liebe-leben hägen / das Wahrzeichen der Flüchtigkeit bezeichnet.

(108) Kaum hatte Simson diese so eitele Scheinliebelungen seiner Liebsten recht zu kosten an gefangen / da warden sie ihm schon wieder entrükt. Plötzlich hörete sie auf zu liebeln. Plötzlich hatte das umhälsen / das küssen / das hertzen / das schnäbeln ein Ende. Plötzlich verlies sie ihn; und lief dahin / da sich ihre Begierde zu entladen gedachte. Das ausgefischete Geheimnis des Rähtsels konte sie nicht länger verschweigen. Das Verlangen solches zu entdekken /beflügelte ihre Füße. [88] Sie lief / sie Sprung / sie flog nach dem Orte zu / dahin sie diejenigen / die auf dessen Entdekkung so ängstiglich / so schmertzlich warteten / beschieden.

(109) Ein Frauenbild / das wenig / oder wohl gar nicht liebet / ist eben so wenig verschwiegen. Es ist als ein Sieb / welches das eingefüllete Wasser straks wieder durchsiepern lesset. Es ist anders nicht / als ein Sandleuffer / dessen eingefülleter Sand im obersten Glase nicht eher zu lauffen aufhöret / als bis es ledig gelauffen. Kaum hat es das anvertraute Geheimnis mit den Ohren empfangen / als es schon wieder zum Munde hinaus eilet. Kurtz / ein solches Weib krieget mit Betruge / und sieget mit Verrähterei.

(110) Dessen giebet uns alhier Simsons Frau ein lebendiges Lehrbild. Ihre Liebe / welche sie euserlich vorgab / ging nicht von Hertzen. Sie war eine bloße Scheinliebe / ein bloßes Spiegelfechten / und in der Taht nichts / als Betrügerei. Und also war sie eine Betrügerin / damit sie eine Verrähterin würde. Sie betrog auch das getreue Hertz Simsons rechtschaffen / und verriet desselben so meisterlich abbetrogenes Geheimnis / mit der allerschänd- und schädlichsten Treuloßheit. Hier hies es wohl recht: Männerlist behände / Weiberlist ohne Ende.

(111) Nachdem die dreissig Stadtjünkerchen / am bestirnten Orte / lange genug auf ihre Zukunft gewartet / und nunmehr / aus Verzweifelung / schier rasendtol zu werden begunten; da brachte sie ihnen endlich die fröhliche Zeitung / daß Simson ihr sein gantzes Hertz geoffenbahret / und mit demselben auch die Deutung des Rähtsels. Diese nun empfingen sie von ihr / mit unaussprächlichen Freuden. Ja sie konten mit Jauchzen / mit Frohlokken / mit Händeklatschen kaum so lange warten / bis die Verrähterin ihre Verrähterei volzogen.

(112) Diese war nunmehr das beste Huhn im Korbe. Sie allein trug das Lob der Retterin ihrer Ehre / ja der Ehre des gantzen Vaterlandes darvon. Ihr allein dankte man. Sie allein rühmete man / als eine solche / die / durch ihre Weisheit / der Feinde Frohlokken vereitelt. Ja man kröhnete sie nicht allein / als eine Uberwinderin / mit unendlichen Lobsprüchen; sondern verehrete sie auch gar / als eine Göttin oder vielmehr Abgöttin [89] des Sieges: weil / durch ihre so kluge Listränke / der Sieg auf derer Seite gefallen /die sich schon überwunden zu sein geachtet. Und also ward diese betrügerische / verrähterische / Treu- und Gott-lose Frau / die nicht einmahl so viel währt war /daß sie den Erdboden beträhten solte / gar bis in den Himmel erhoben.

(113) Nach volendeten diesen Dank- und Lob-sprüchen / die nur mit der Flucht geschahen / lief die gantze Rotte vol Hochmuhts hin / den Simson zu suchen. Kein Kriegesschif / das mit vollem Vorwinde die See durchsegelt / kan so aufgeblasen einher lauffen / als diese sonst alberne Tropfen angelauffen kahmen. Ihr Ehrgeitz stieg so hoch / daß sie auch nicht einmahl so lange warten konten / bis die angesetzte Bedenkzeit vorüber. Die Ungeduld des Rähtsels Auflösung länger bei sich zu behalten / trieb sie über Hals über Kopf in Simsons Zimmer.

(114) Sobald sie ihn erblikten / fingen sie straks an / ihm / ohne einigen Grus / ohne einige Ehrenbezeigung / auf eine recht herrische oder vielmehr närrische Weise / zu gebieten: er solte den aufgesetzten Preis /den sie abzuhohlen kähmen / unverzüglich herschaffen. Simson / der über diese frefelhafte Tol- und Tum-kühnheit ihres Anmuhtens nur lachte / gab zur Antwort: sie solten zuvor / durch Auflösung des Rähtsels / den Preis gewinnen. Alsdan sei er bereit / sie /nach Gemäßheit seiner Worte / zu vergnügen.

(115) Hierauf sagten oder fragten sie / ohne weiteren Verzug: »welche Speise schmäkket süßer / als Honig / und was ist Fressichter und Stärker / als der Leue?« »Aber was ist Listiger« / fing ihnen Simson alsobald das Wort auf / »ja was ist betrüglicher und verrähterischer / als eine Fraue? Hettet ihr nicht mit meinem Kalbe / mit meinem kälberhaftigen Weibe gepflüget; so würde der Akker eures Verstandes diese Früchte so hoher Wissenschaft nicht getragen haben: des Rähtsels Geheimnis würde vor euch wohl unerrahten geblieben sein.«

(116) Wohl recht vergleichet Simson alhier sein Weib einem albernen Kalbe / das ohne Verstand und gantz unbedachtsam zu bläken pfleget. Ehweiber sollen nicht aus der Schuhle schwatzen. Ihres Mannes Heimligkeit sollen sie nicht auf den [90] Fischmarkt austragen. Es ist besser / daß sie bei ihnen vermodere / ja gar verwese / als so unverständig zu ihrer eigenen Schande / geoffenbahret werde. Von verfaulter Heimligkeit wird ihr Athem nicht stinken / und eben so wenig ihr Hertz bärsten. Hingegen machet die geoffenbahrte so tieffe Wunden / die übel zu heilen. Ja sie zerschneidet die Ehliche Liebe / die Ehliche Treue dermaßen / daß sie schwerlich wieder zu häften.

(117) Simson trauete seiner Braut. Er sahe sie für so getreu und verschwiegen an / daß er ihr das Innerste seines Hertzens entdekte. Aber sie verschwieg es nicht länger / als so lang sie bei ihm war. Der erste junge Tantzgeselle / den sie erblikte / muste das Geheimnis wissen. Und hiermit bekahm ihr Ehband einen so großen Ris / daß es nachmahls nicht wieder zusammen wolte. Auch schied Simson in Wahrheit gantz Unmuhts und vol Unwillens plötzlich von ihr.

(118) Er were zwar nicht schuldig gewesen den angesetzten Preis zu erlegen: weil er nicht aufrichtig / ja anders nicht / als durch Betrug und Verrähterei / gewonnen war. Aber mit Eseln sich zu überwerfen / und lange zu zanken kahm ihm ungelegen. Es stritte wider seine Großmühtigkeit. Zudem wolte er keines weges angesehen sein / als wan er so viel nicht vermöchte /ihnen den Gewin / ob er schon unrechtmäßig gewonnen / zu entrichten. Und darüm ging er straks hin /vom Geiste Gottes getrieben / nach Asklon / alda zur Zahlung seiner Schuld ie eher / ie lieber raht zu schaffen.

(119) Weil die Filister mit unsrem Simson so unredlich und betrüglich gehandelt / daß sie ihm seine Braut zur Untreue verleitet; indem sie seine Heimligkeit ausforschen / und ihnen / wider geleisteten Eid / und wider die Ehpflicht / verrahten müssen: so ergrimmete er billich / und schlug dreissig wohlgekleideten Filistern / bei der Stadt Asklon / den Hals in zwei: damit er von der Ausbeute ihrer Kleider zahlen möchte / was er schuldig worden.

(120) Es war eben ein schönes heiteres Wetter: welches die Bürger von Asklon hauffenweise vor das Tohr lokte / sich im Felde mit lustwandeln zu ergetzen. Dieser Gelegenheit nahm [91] Simson wahr. Er schlich anfänglich / als ein Fuchs / auf sie zu / darnach fiel er sie plötzlich an / als ein Leue: dessen Grimme niemand zu widerstehen vermag. Der erste /der ihme begegnete / muste das Gelaak / das er zuTimnat verschmauset / bezahlen helfen. Er ergrif ihn unverhuhts bei dem Halse / und knüp ihm so feste die Gurgel zu / daß er in einem nuh / ohne einiges Zappeln / oder Hülferufen / den Geist / in seiner Faust / aufgeben muste.

(121) Den andern / die in der nähe solches sahen /und zulieffen / ihren Mitbürger zu retten / war eben ein solcher Glüksfal bescheeret. Ihrer Neune lagen / in so viel Schlägen / straks zu bodem geschlagen. Noch andere Neune wurf er / in so viel Würfen / dermaßen wider die Steinfelsen / daß aus ihren Zerschmetterten Köpfen Gehirn und Bluht das Erdreich besprützten. Nun fehleten ihm / die Zahl vol zu machen / nicht mehr / als noch Eilfe: die er endlich auch bekahm.

(122) Unterdessen erschol das Geheule der Weiber / das Gewinsele der Kinder weit und breit. Jene bejammerten den Todt ihrer Männer. Diese beweineten ihre so plötzlich erschlagene Väter. Ja das Wimmerleichen / das Wehklagen / das Jammergeschrei dieser Witwen und Waisen währete so lange / bis das Land-und Stadt-volk in der nächsten Gegend herüm / nicht so wohl das vergossene Bluht zu rächen / als zu seiner eigenen Gegenwehre / zusammenzulauffen begunte.

(123) Einieder wafhete sich. Einieder rüstete sich so guht / als er konte. Einieder machte sich auf dem Verderber bei Zeiten zu steuren. Niemand wolte der Letzte sein. Auch die allerverzagtesten / die allerkleinmühtigsten lieffen herzu: welche gleichwohl die Muhtigsten und Kekkesten zu sein sich stelleten / sobald sie nur einen einigen / und darzu gantz ungewafheten Man ihres Anfalles erwarten sahen.

(124) Simson hielt stand. Sein Heldenmuht war ungewohnet zu erschrökken. Viel weniger waren seine Füße gewohnet zu flühen. Er wich der ankommenden Mänge nicht einen Fuß breit. Er achtete sie eben so wenig / ja wohl weniger / als einen Mükkenschwarm. Der Blitz seiner Tapferkeit / und die Donnerkeule seines Grimmes schossen ihm aus den Augen. Wo die [92] Strahlen seines Gesichtes sich hindreheten / da schienen sie ein unvermeidliches weit üm sich fressendes Zornfeuer auszustreuen.

(125) Im ersten Anblikke hielt ihn diese schwermende Rotte gar für unsinnig: weil er so verwegen sein dürfte vor einer so großen Mänge stand zu halten. Einieder war verwundert / daß er so gar unbeweglich der gewissen Todesgefahr sich darstellete. Alle waren bestürtzt / daß er auf seinen so nahen Tod so gantz unerschrokken wartete. Ja etliche sahen ihn endlich gar für ein Gespänst an: indem sie wähneten / der Geist ihres algemeinen Feindes des Josua / sei irgend aus dem Abgrunde herauf gekommen / sie vollend zu vertilgen. Andere / die ihn weder für einen Menschen / noch ein Spühknis hielten / urteileten: er sei etwan ein Engel / oder eine Gotheit der Israeler / die aus dem Himmel selbst angelanget / diese Fremdlinge / durch Göttliche Kraft / in das übrige Land einzusetzen.

(126) Bei diesem letzten Wahne begunte der Muht ihnen straks zu wakkeln. Auch zitterten etliche / durch Schrökken überfallen / dermaßen / daß ihnen das Gewehr schier aus den Händen fiel. Ja sie warden zuletzt so feig / daß sie nicht wusten / ob es rahtsam / oder unrahtsam sei den Angrif zu wagen. Gleichwohl wagten sie es / und rükten plötzlich auf Simson zu: indem es die meisten für Schande hielten / daß eine so große Mänge bewehrter Männer einem einigen Unbewehrten nicht unter Augen ziehen dürfte. Und hiermit erhub sich das algemeine Feldgeschrei: schlage toht! schlage toht! fälle nieder! fälle nieder!

(127) Aber es ging ihnen besser nicht / als den vorigen Neunzehen. Der erste / der noch so kek und kühne war den Simson anzutasten / muste von stunden an Leben und Spies in seiner Faust lassen. Mit diesem Spiesse sprang er / als ein erboßeter Leue / da der Schwarm am dikkesten war / auf die andern zu. Einieder Schlag / einieder Stich / ein ieder Streich gab einen Tohten. Ja er jagte den Spies zuweilen gar durch zweene hin: und schleiderte sie / als ein Riese die Zwärge / mit solcher Gewalt auf die noch stehenden zu / daß diese solcher gestalt [93] [95]niedergeschleidert /eben so wohl / als jene / des Aufstehens vergaßen.

(128) Als die Askloner seine so übermenschliche Stärke sahen / warden sie in ihrem letzten Wahne / daß es irgend eine Gotheit Israels sein müste / mehr und mehr gestärket. Und eben darüm wichen sie plötzlich zurük. Plötzlich machten sie sich aus dem Staube: indem sie meineten / es sei besser mit der Flucht das Leben zu retten / als solches / auf Hofnung eines Ungewissen Sieges / einzubüßen.

(129) Aber Simson wolte seine Zahl vol haben. Noch etliche mangelten seiner Rechnung. Dieser Mangel muste vollend ersetzt sein. Und darüm lief er den Lauffenden nach. Er verfolgete die Flüchtigen. Er jagte / wie ein gezörgeter Leue / hinter ihnen her. Etliche schlug er auf der Straße nieder. Andere / die schon in ihre Heuser geflohen / seiner so grimmigen Wuht zu entrinnen / erfuhren gleichwohl eben dasselbe.

(130) Es war seinem Arme keine Tühre zu stark /kein Schlos zu feste. Ein einiger Stoß sprängete sie auf. Etliche waren mit ungeheuren Höbebeumen verstöbelt. Aber diese zerknikte Simson / als einen broschen Stabelstok. Nichts / ja gar nichts vermochte seiner Stärke zu widerstehen. Er drung durch alles hin. Auch selbst die Mauren musten seiner Macht weichen.

(131) Nachdem er nun vermeinte / daß er zu seiner Rechnung genug hette; da lies er den übrigen das Leben. Er hörete zu schlachten auf. Spies und Faust lies er ruhen. Gleichwohl zog er den Erschlagenen die Rökke / samt den Hemden / aus. Mit diesen begab er sich zur Stunde wieder nach Timnat / diejenigen zu vergnügen / welche den bestimten Preis / der vielmehr verrahtenen / als errahtenen Deutung des Rähtsels wegen / gefordert.

(132) Also entrichtete Simson denselben Gewin / der ihm / samt seinem Geheimnisse / so listiglich /so betrüglich abgeraubet war / mit geraubetem Guhte. Ja er bezahlete die Filister mit der Ausbeute / die er von ihren eigenen Landsleuten genommen. Da hies es wohl recht: Untreue schlägt ihren eigenen Herrn.Der Filister eigene Köpfe musten es [95] entgelten /daß sie zu Timnat mit Simson / in Errahtung seines Rähtsels / so untreulich / so betrüglich / ja so verrähterisch gehandelt.

(133) Hier ging es dem großen Helden Simson /wie der großen Glokke. Diese / wan sie einmahl an das Brummen komt / kan so bald nicht wieder aufhören; ob sie schon niemand mehr ziehet. Er grollete und schmollete noch immerzu. Er konte des Zornes /den er auf sein so schönes Liebichen geworfen / nicht so bald vergessen. Er sahe die Verrähterin schähl an. Er sprach ihr kein Wort zu. Er konte bei ihr nicht tauren. Ihr Haus selbst schien ihm eine Wohnung der Nattern und Basilisken zu sein. Ja die gantze StadtTimnat war ihm / als ein Schlangen- und Drachen-nest / verhasset. Er vermochte daselbst kaum so lange zu bleiben / daß er seine Schuld abstatten konte.

(134) Zuweilen riet ihm der Zorn sich an derselben / die ihn so schändlich geteuschet / auf das euserste zu rächen. Aber die Heftigkeit seiner Liebe stritte darwider. Sie redete der Verrähterin das Wort / und entschuldigte sie. Gleichwohl muste diese Liebe zuletzt dem Zorne so weit weichen / daß Simson sich entschlos sein so ungetreues Liebichen zu verlaßen.

(135) Dieses urteilte er genug zu sein: weil ein Weibesbild nie höher beleidiget wird / als durch Verschmähungen. Es lesset auch in Wahrheit den Pfauenschwantz der Hofahrt / mit dem es / so bald es sich übermäßig geliebet zu sein verspühret / gantz aufgeblasen einher trit / von stunden an sinken / wan es / an stat geliebet zu werden / sich verachtet siehet.

(136) Wie schweer es ihm zuerst einen solchen Schlus zu nehmen fiel / ist nicht auszusprächen. Seine Liebesneugung wolte / noch konte es nicht zulaßen. Sie blies ihm stähts die Ohren vol. Sie führte ihm stähts zu gemühte / daß eine solche Beleidigung ihm selbst zum höchsten nachteilig: indem er sich dadurch vilmehr beleidigte / als seine Liebste. Diese könte er keines Weges verlaßen / er wolle dan zugleich mit alle die Ergetzligkeiten verlaßen / die er / aus ihrem so angenehmen ümgange / zu gewarten.

(137) Er solte behertzigen / was für Süßigkeiten /aus ihrer [96] so süßen Geselschaft: er genossen. Er solte bedencken / was hingegen für Bitterkeiten / durch Vermeidung so süßer Geselschaft / er ihm selbst veruhrsachen würde. Ja / was mehr ist / er solte wohl erwägen / was er tähte; indem er dieselbe verliesse / die sein Wohl und Weh / sein Leben und Sterben in ihrer Hand hette.

(138) Auf einen solchen so kützlenden Einspruch seiner Liebe geriet Simson in tausenterlei Angst. Lange blieb er zweifelschlüssig. Eine geraume Zeit lagen ihm diese Bedenkreden im Sinne. Er wuste nicht / wessen er sich entschlüßen solte: indem dasselbe / was die Liebe riet / das Urteil sowohl / als der Zorn / zur stunde widerriet. Endlich aber drung das Urteil durch; indem desselben schier verloschenes Licht der rechtfärtige Zorn / durch seine Flamme /volkömlich wieder anzündete.

(139) Dieses hielt ihm vor: die Untreue seiner Fraue müste gestraft werden. Ihre Falschheit und Betrügerei müste man unvergolten nicht laßen. Ihre Verrähterei müste er rächen. Wan er solches nicht tähte / würde sie in ihrer Boßheit nur erhärten. Er selbst würde sie darinnen stärken; indem er / durch seine Gelindigkeit und Achtloßheit / veruhrsachte /daß sie ihr einbildete / sie hette kein Ubels getahn. Ja wan er diese Verrähterei seines Geheimnisses gleich als unvermärkt hingehen liesse / so möchte sie dadurch leichtlich zu einer höheren veranlaßet werden. Sie möchte zuletzt wohl gar sein Leben verrahten.

(140) Hunde lernen / durch knauffeln an kleinen Riemichen / Leder fressen. Hette Simson / auf dieses Knauffeln seiner Hündin / ihr seinen Unwillen nicht blikken laßen; so würde sie in Wahrheit ihn endlich wohl gar gefressen haben. Sie hette ihn ohnezweifel seinen Feinden überantwortet. Zum wenigsten würde der Ubermuht bei ihr so hoch gestiegen sein /daß sie ihres Gehorsams / den sie ihm / als ihrem Manne / ja Heupte / zu leisten schuldig / vergessen /und über ihn / als ihren Knecht / geherschet.

(141) Der Kramtsvogel mistet / durch seinen eigenen Mist / den Ort / da sein Verderben wächset. Hette Simson der Eingebung [97] seiner Liebe gefolget / so würde seine Guhtwilligkeit den Ort / da sein Verderben schon zu wachsen begonnen / gleicher gestalt selbsten gemistet haben. Er selbst würde der Beförderer seines eigenen Unglüks gewesen sein. Er selbst würde seiner Liebsten Anlaß und Mittel / ihm den schädlichen Leim seines Verderbens zu kochen / gegeben haben. Ja er würde mit der Zeit so tief dahinein gesunken sein / daß er nachmahls unfähig gewesen were sich von so gefährlichen Lagen und Strükken loß zu machen.

(142) Alzuguhtwillig macht muhtwillig. Alzustränge komt zu keiner länge. Das Mittelmaß ist alzeit das beste. Simson wolte / durch alzugroße Guhtwilligkeit / den Muhtwillen seiner Liebsten nicht billigen. Auch trug er Bedenken ihr Verbrächen /durch alzuscharfes Verfahren zu rächen. Darüm begab er sich / zwischen diesen zwo Eusersten hin / auf die Mittelstraße. Er wehlete den Heerweg des Urteils; da er den Verstand und die Vernunft zu Geleitsleuten hatte. Und auf diesem wanderte er von ihr. Er gedachte sie auf eine Zeit zu verlaßen: damit sie / durch eine so gelinde Rache / gelinder und schmeidiger würde /und den Zaum des Ehstandes kennen lernete.

(143) Ein muhtiges Ros / sobald es märket / daß man sich für ihm fürchtet / lesset sich schweerlich zeumen. Ie mehr man ihm nachgiebet / ie unbändiger wird es. Und in solcher Unbändigkeit wil es weder Bereiter / noch Reitzaum leiden. Wan es aber siehet /daß sein Bereiter ein Man ist; dan lesset es seinen Hochmuht sinken: dan gehorchet es seiner Bohtmäßigkeit / und lesset sich zeumen und zähmen /als ein Lam.

(144) Eben so wenig wil eine muhtige Frau / den Zaum des Mannes / der ihr zuviel nachgiebet / vertragen. Ja wan sie märket / daß er sich für ihr scheuet /reisset sie ihm den Zaum zuletzt wohl gar aus der Faust / und zeumet ihn damit selbsten / als einen Maulesel. Da führet dan dieselbe / die untertähnig sein solte / das volle Gebiet. Da herschet dan dieselbe / die gehohrsam sein solte / mit voller Gewalt. Da höret der Man auf ein Man zu sein. Da ist es mit seiner Herschaft getahn. Da hat seine Knechtschaft / ja gar Leibeigenschaft kein Ende.

[98] (145) Aber unser Simson verfuhr mit seiner Fraue behuhtsamer. Derselben Knecht oder wohl gar Leibeigner zu werden stund ihm nicht an. Unter derselben Gehohrsam sich zu begeben / die ihm gehohrsam sein solte / war nicht seines tuhns. Er gedachte / weit darvon / ist guht für den Schus. Er wolte das Obergebiet / das ihm zukahm / ihr / durch alzuvieles Verhängen /nicht einreumen. Er wolte sie wissen laßen / daß sie ihn erzürnet. Er stellere sich / als hette sie seine Liebe / weil sie derselben / ihm zum Nachteile / so schändlich gemisbrauchet / gar vertilget. Und darüm beschlos er ihr auf ein weilichen seine Gegenwart zu entziehen. Ja darüm schied er auch aus ihrer Behausung / und kehrete wieder zu seinen Eltern.

(146) Diesen meldete er gleichwohl die Uhrsache seiner Wiederkunft nicht an. Er stellete sich / als ob er sie nur besuchen wollen: als täht er / was er tähte /bloß aus kindlicher Liebe; die ihm nicht gestatten wolte so lange von seinen Eltern zu bleiben. Die Unlust / die ihm zu Timnat begegnet / berührete er nicht mit einem Worte. Von seinem empfangenen Schimpfe schwieg er stokstille.

(147) Er fürchtete sich / wan er seine Begäbnis erzehlete / man möchte dadurch Anlaß nehmen ihm seine Eigenwilligkeit aufzurükken. Er befahrete sich /man möchte ihm vorhalten / daß er nunmehr in der Taht erfahren / was ihm sein Ungehohrsam / indem er dem Willen und Rahte seiner Eltern widerstrebet / für Früchte getragen. Ja er vermuhtete nichts anders / als eines harten Verweises / daß er sie / in seine so unglükliche Heurraht zu willigen gleichsam gezwungen.

(148) Der Mensch wil schweerlich gestehen / daß er geirret. Viel weniger lesset er sich überreden / daß seine Widerwärtigkeiten aus eigener Schuld / oder sein Unglük aus eigener Verwahrlosung seines Glükkes entsprossen. Widerfähret ihm irgend etwas Böses; begegnet ihm irgend ein Unheil: so schreibet er solches dem Glüksfalle zu; indem er ihm einbildet / es sei ihm etwan von ohngefähr zugefallen. Alles schübet er auf das Verhängnis. Alles / was Strafe genennet wird / mus zufälliger Weise geschehen zu sein heissen. So hofärtig ist er / daß er durchaus nicht bekennen / noch erkennen wil / er habe [99] gesündiget. So hartnäkkig ist er / daß er nicht sehen wil / ob er es schon siehet / daß er dafür büssen mus.

(149) Die Bekäntnis eigener Mishandlung ist menschlichen Gemühtern so gar zuwider / daß sie urteilen / es gereiche ihrer aus den allerhöchsten Selbständigkeiten entstandenen Hoheit zur Erniedrigung oder Verkleinerung / wan sie sich nur märken liessen /daß sie / durch Eigenwilligkeit / etwan einen Fehltrit getahn. Und darüm suchen sie / den Vorwurf / samt den Schältworten / zu vermeiden / ihr Ubelthun / wo sie es nicht verbärgen können / dannoch so listig zu beschönen / daß es wohlgetahn zu sein scheine. Ja sie fahren selbst darinnen so eigensinnig fort; damit sie das Ansehen einen Misschlag begangen zu haben üm so viel weniger bekähmen. Und dieses tuhn sie nirgend mehr / als im Beisein derer / welche sie für Schaden gewarnet / ihrer Warnung dadurch einen Fehler aufzubürden.

(150) Mit eben denselben falschen Stahtsgriffen gedachte Simson / wie es schien / den Staht seines Gemühtstriebes zu befestigen. Hiermit suchte er seiner Eigenwilligkeit ein ahrtiges Scheinfärblein anzustreichen. Ja hiermit vermeinte er dem Laster seiner Halsstarrigkeit den Mantel der Tugend ümgehüllet zu haben. Aber er betrog hierdurch niemand mehr / als sich selbsten; indem er ihm den steilen Abhang zum Verderben selbst schlüpferig machte / von der Höhe seiner Wohlfahrt üm so viel plötzlicher herunter gestürtzet zu werden. So urteilet menschliche Vernunft von diesem großen Helden: wiewohl es gantz scheinbarlich / wo es nicht vielmehr wahr ist / daß das Uhrwerk der Göttlichen Schikkung / in diesem Spiele /mit untergespielet.

[100] Das dritte Buch.

Die (1) Einteilung.


Indem Simson sich bemühete die Unlust seines Hertzens zu vertuschen / vertuschete / ja verminderte sich zugleich sein Grol. Indem die Flamme seines Zornes sich dämpfete / begunte das Feuer der Liebe wieder zu flakkern. Bei dem Scheine desselben erschien ihm diejenige / derer Schönheit sein Hertz verstrükket. Sie schien ihm bald traurig / bald fröhlich zu sein. Ja es klung ohn Unterlaß in seinen Ohren / als sagte sie: ›Wo bist du / Simson? Wo bleibest du? wohin hat dein Zorn dich getrieben?‹

(2) Auf diesen Klang schlug die Lohe seiner Liebe wieder durch den gantzen Simson hin. Er ward vol Unruhe. Er fand keine bleibende Stätte. Alles war ihm zu änge. Er konte im Hause nicht tauren. Bald ging er auf das Feld. Bald begab er sich in das Läger. Bald stieg er auf einen Hügel des Gebürges / da er seinTimnat von ferne beaugen konte. Bald kahm er wieder nach Hause. Aber er fand nirgend / was er suchte. Nirgend fand er / was ihn beruhigen konte.

(3) Gleichwohl stellete er sich soviel / als er konte /fröhlich. Seine Eltern solten nichts an ihm märken. Er befahrete sich / wan sie ihn etwan unruhig erblikten /sie möchten die Uhrsache solcher Unruhe von ihm auszuforschen suchen. Und eben darüm trachtete er seine Sinnen auf andere Gedanken zu lenken. Ja darüm ging er abermahl aus. Er besuchete die nächsten Nachbahren; und unter diesen einen alten Man /der üm die Zeit seiner Gebuhrt bei seinen Eltern gedienet. Eben den baht er / ihm einige Begäbnisse seiner jungen Zeit zu erzehlen. Sonderlich aber begehrte er alles / was sich vor seiner Gebuhrt / auch üm dieselbe / was seinen Selbstand anging / märkwürdig zugetragen / ausfürlich zu wissen.

(4) Dieser guhte Greus / der in seinem Leben viel erfahren / [101] trug ein sonderliches Belieben dem Sohne seines ehmahligen Herrn hierinnen zu wilfahren. Er war froh / daß er ihm dasselbe / dessen sein Hertz vol war / erzehlen solte. Und zu dem Ende fing er seine Erzehlung alsobald folgender gestalt an.

(5) »Mit deiner Gebuhrt« / sagte der Alte / »ging es gantz wunderlich zu. Ein Wunder war es / daß sie ein Engel verkündigte. Ein Wunder war es / daß Du von einer Unfruchtbaren / und darzu zimlich Betagten soltest empfangen werden. Ein Wunder war es / daß eine solche / die noch nie empfangen / oder gebohren hatte / Dich gebähren solte. Und darüm urteilete man nicht ohne Grund / daß Du / in deinem Leben / selbst Wunderbar sein soltest. Ja daher erwuchs die Hofnung /die man hatte / Du würdest ein Wunderman werden: Du würdest / als ein Wunderheld / mit wunderwürdigen Tahten / Dich wunderbar machen; wie du auch schon zu tuhn angefangen. Ich wil mehr sagen: wan es deiner Mutter nicht were zuvor verkündiget worden /daß du Israel erlösen soltest; so hette man doch /aus solchen so vielen Wundern / unschweer urteilen können / der Höchste habe Dich darzu ersehen.

(6) Diese deine Mutter hatte mit deinem Vater schon eine geraume Zeit im Ehstand gelebet / und gleichwohl kein Kind weder gebohren noch empfangen. Es fehlete beiden an der Liebe nicht. Deine Mutter liebete deinen Vater hertzlich. Sie war allezeit wilfärtig ihm die schuldige Ehpflicht zu leisten. Auch lies es dein Vater hierinnen nicht mangeln. Ja er brante gleichsam für Liebe. Beide waren begierig die süßen Früchte des Ehstandes zu erlangen. Aber deine Mutter war unfruchtbar. Sie empfing nichts. Sie gebahr nichts / als lauter Schmertzen / so wohl für sich selbst / als für deinen Vater: der deswegen nicht wenig bekümmert war.

(7) Sie trachtete zwar diesen ihren lieben Ehgatten von solcher seiner Bekümmernis / die ihr weit mehr /als ihre eigene Unfruchtbarkeit / zu Hertzen ging / mit den allerkräftigsten Trostworten so wohl / als den allerersinlichsten Liebesbezeigungen / abzulenken. Aber es war alles vergebens. Aller Trost war ümsonst. Und ie mehr Liebe sie ihm blikken lies / ie trauriger ward er. Ja die allersüßesten Ergetzlichkeiten / die [102] sie ihm anzutuhn suchte / schienen ihm nur bitter und herbe zu sein.

(8) Bei so unglüklicher Liebe rief sie auch ohn unterlaß zu GOtt. Sie seufzete / sie flehete / mit Weinen / und Bähten / den HErren an. Sie baht Ihn: Er möchte doch diese Schmaach der Unfruchtbarkeit von ihr nehmen: Er möchte sie doch endlich einmahl mit Leibesfrüchten segnen: und wan Er sie ja unfruchtbar sterben zu laßen belieben trüge; so möchte Er ihr so wohl / als ihrem deswegen betrübtem Ehgatten / Geduld verleihen / undihre Schmertzenlindern. Dieses Mittel / indem sie ihre Zuflucht zum HErren nahm /war auch in Wahrheit das allerkräftigste. Der HErr erhörete sie / und gab ihr / was ihr Hertz wünschte.

(9) Als sie sich einesmahls / ihrer Gewohnheit nach / allein im Felde befand / und die Angst ihres Hertzens vor GOtt ausschüttete; da erschien ihr / üm den Mittag / unversehens ein Engel. Auf den ersten Anblik erschrak sie. Sie zitterte für Furcht. Er aber sprach zu ihr: Fürchte dich nicht: ich komme von GOtt: ich bin ausgesant dir eine fröhliche Bohtschaft zu bringen. Dein Gebäht ist erhöret. Bisher bist du unfruchtbar gewesen. Bisher hast du nichts gebohren. Aber von nun an wirst du befruchtet werden. Du wirst einen Knaben gebähren. Ja du wirst Schwanger / und von dir wird ein Sohn gebohren werden; ein solcher Sohn / dem kein Scheermesser auf das Heupt kommen sol. Darüm hüte dich hinfort für aller unreinen Speise / die deinem Sohne wird verbohten sein. Enthalte dich auch / gleichwie er tuhn sol / des Weines / und anderen starcken Getränckes. Dan der Knabe wird sein gantzes Leben lang ein Verlobter GOttes sein. Und unter diesem Ehrennahmen / wird GOtt ihn in das Handbuch seiner Liebsten einverleiben. Ja Er wird /durch ihn / Israel aus der Filister Hand zu erlösen anfangen.

(10) Deine Mutter ward hierüber so vol Freude /daß sie zur stunde hinlief / und deinem Vater alles /was ihr begegnet / erzehlete. Sie gedachte / durch diese so fröhliche Zeitung / ihm den Unmuht zu benehmen. Aber weil sie denselben / der ihr erschienen /als einen überaus schönen und holdsäligen [103] Jüngling beschrieben / argwähnete dein Vater zuerst / es möchte vielleicht ein wohllüstiger Jüngling gewesen sein /den die Schönheit deiner Mutter / die dazumahl überaus schon war / irgend betöhret. Ja er zog sie selbst in Verdacht / als hette sie sich etwan in ihn verliebet. Und darüm heuffete sich bei ihm / aus Liebeseifer /durch die Unruhe / die daher entstund / der Unmuht noch vielmehr.

(11) Die guhte Frau / die des Vaters Angebohrenheit in diesem Stükke wohl wuste / märkte solches von stunden an. Daher geriet sie / im fortreden / mit Vorbedacht wieder auf die Erscheinung des Engels. Den nennete sie nunmehr einen Man GOttes / dessen Gestalt ihr angeschienen / wie eines Engels / fast erschröklich; also daß sie ihn nicht fragen dürfen /woher er kähme / oder wohin er gedächte. Auch hette er ihr seinen Nahmen nicht offenbahret.

(12) Durch diese nähere Erklährung wolte sie ihrem Ehherrn die argwähnischen Schwahnsfedern /die er aus ihren vorigen Worten bekommen / wieder ausrupfen. Sie wolte ihn auf bessere Gedanken bringen. Und solches ging auch dermaßen wohl an / daß er seinen gefasten Argwahn zur stunde sinken lies /und deine fromme Mutter aus andern Augen anzusehen begunte.

(13) Gleichwohl verlangte er dessen / was er vernommen / eine gewissere Versicherung zu haben. Und darüm baht er den HERRN: Er möchte geruhen denselben / der seiner Frauen erschienen / noch einmahl erscheinen zu laßen. Er selbst wolte von ihm vernehmen / wie sein Sohn / dessen Gebuhrt er verkündiget / solte erzogen werden: damit er / in dessen Erziehung / alles / was dem Willen GOttes gefällig /auf das genaueste beobachten könte. Dieses war der Anhang seiner Bitte: der zu dem Ende geschahe /damit es scheinen möchte / er sei nirgend anders üm bekümmert / als die vorgeschriebene Lebensweise seines Sohnes selbsten / aus dem Munde des Engels / zu erfahren.

(14) Er stund im Zweifel / ob deine Mutter / als ein Weibesbild / das gemeiniglich unachtsamer / als die Mansbilder / zu sein pfleget / die Worte des Engels auch eigendlich genug eingenommen. [104] Ja er hatte die Einbildung / sie möchte sich in Beschauung der so schönen Englischen Gestalt vielleicht dermaßen vertieffet haben / daß sie mehr auf dessen jugendliche Schönheit / als den Verstand seiner Reden / achtung gegeben. Und also beredeten ihn seine Gedanken so weit / daß er Weiblichen Worten allein nicht trauen durfte: zuvoraus in solchen Dingen / welche die Verordnung GOttes / darinnen fast ieder Buchstab wil beobachtet sein / betrafen.

(15) Nicht lange darnach erhörete GOtt dieses Gebäht. Gegen den Abend erschien der Engel deiner Mutter zum zweiten mahle. Und dieses geschahe wieder auf dem Felde / in Abwesenheit deines Vaters. Aber sie lief eilend nach Hause. Sie rief deinen Vater / selbst mit dem Engel / der so lange verzog / zu reden. Da vernahm er eben dasselbe / was er von deiner Mutter vernommen. Da erfuhr er in der Taht / daß ihre Erzehlung mit den Worten des Engels eintraf.

(16) Dieser berichtete deinen Vater / auf dessen Nachfrage / was des Knabens Tuhn / und Lebensweise sein solte. Er wiederhohlete den Göttlichen Befehl. Er zeigete noch einmahl an: daß der Knabe nicht essen / noch trinken solte / was aus dem Weinstokke kähme. Er solte keinen Wein / noch anderes starke Getränke trinken; dadurch die Vernunft des Menschen ertränkt / und die Hoheit seines Gemühtes erseufet würde. Er solte nichts Unreines essen. Ja er solte für allem / was er seiner künftigen Mutter gesagt / sich hühten. Alles / was er ihr gebohten / solte er halten.

(17) Dein Vater wuste noch nicht / daß dieser Man GOttes ein Engel des HERREN sei. Er hielt ihn für einen Priester / oder Weissager. Darüm baht er ihn auf eine Schlachtgabe zu gaste. Er wolte nicht undankbar sein. Er wolte seine Dankbarkeit zu erweisen / ein Ziegenböklein schlachten. Aber der Engel entschuldigte sich. Er gab ihm zu verstehen / daß seine Speise nicht Menschenspeise sei. Er werde vom Ziegenböklein nicht essen. Wolte er aber demHERRN / mit einer Brandgabe danken; so wolte er bleiben. Er wolte die Hand selbsten mit anschlagen.

[105] [107](18) Hierauf begehrte dein Vater des Engels Nahmen zu wissen; eben wie Moses ehmahls des HErren. Und solches täht er darüm: damit er ihn preisen möchte / wan die Zeit der Erfüllung seiner Reden herbei kähme. Aber es schien fast / als sei der Engel nicht wohl zu frieden / daß dein Vater so tief und vorwitzig fragte. Gleichwohl gab er ihm seinen Nahmen verdekter Weise zu verstehen. Und ob er sich schon stellete / Er wolle denselben nicht sagen; so sagte er ihn doch / indem er sagte: Er heisse Wundersam.

(19) Er ging auch in Wahrheit mit der Brandgabe /die dein Vater auf einen Fels gelegt hatte / recht wunderlich üm. Ja er täht alles viel wunderlicher / als die Priester. Dan er lies Feuer aus dem Felsen springen; wie zur Zeit Gideons: welches deinen Eltern / die zusahen / und bähteten / auf die angehörete so tröstliche Verheissung / ein sichtbarliches Gnadenzeichen war / das ihren Glauben kräftiglich stärkete. Auch fuhr er selbst / in und mit der Lohe des Feuers / nach dem Himmel zu.

(20) Indem er sich nun hierdurch wesendlich als einen Englischen Geist zeigete / beglaubigte er zugleich dasselbe / was er geweissaget. Und also verschwand er vor ihren Augen / und lies sie vol verwunderns zurük. Aber wie die Lohe / samt dem Engel /nach dem Himmel zu aufstieg; so stieg auch zugleich ihr Gebäht mit hinauf / und GOttes Segen dagegen herunter.

(21) Hieraus ward dan dein Vater gewahr / daß es ein Engel gewesen. Und darüm entsatzte sich sein Hertz. Furcht und Zittern überfiel ihn. Auch sank er /mit deiner Mutter / zur Erden nieder. Ja er war Furchtsamer / und in seinen Gedanken verwirreter /als sie: weil er denselben / den doch sein Sin für einen Engel hielt / GOTT nennete: weil er ihm einbildete / nun müste er sterben / nachdem er GOtt gesehen.

(22) Er erinnerte sich / bei dieser Begäbnis dessen /was GOtt ehmahls selbsten zu unsrem GesetzgeberMoses gesagt: ›Kein Mensch könte GOtt sehen /und leben.‹ Und eben daher rührete seine Furcht. Eben daher entspros in ihm die Einbildung / er sei nunmehr gewislich des Todes. Es ist auch in Wahrheit GOtt und Mensch ein sehr ungleicher Zeug. Alle Menschen seind Sünder. GOtt aber ist der Sünder Feind. [107] Alle Menschen seind gantz unheilig. GOtt dagegen ist die Heiligkeit selbst.

(23) Weiber seind sonsten gemeiniglich blöder und verzagter von Ahrt / als die Männer. Aber deine Mutter erwiese / bei hiesiger Begäbnis / das Gegenspiel. Sie war ungleich muhtiger und behertzter / als dein Vater. Und dieses würkte vermuhtlich in ihr die übermäßige Freude / welche sie aus der Englischen Verkündigung empfangen. Sie war vielleicht darüm so muhtig; weil sie / eine fröhliche Kindermutter zu werden so gewisse Versicherung bekommen. Und in Betrachtung dessen / sprach sie ihrem schier halb entlebtem Ehgatten / zusamt dem Muhte / das Leben wieder ein. Sie führte ihm zu Gemühte: wan GOtt Lust gehabt hette sie zu töhten / so hette Er / wie Er getahn /ihr Gebet nicht erhöret / noch ihnen solche Wunderfreude verkündigen laßen: ja Er würde dieses alles /mit so märklichen Gnadenzeichen / nicht bekräftiget haben.

(24) Was GOtt zusagt / das hält Er gewis. Er kan nicht trügen. Seinen Worten folget die Taht. Deine Mutter ward Schwanger. Die Unfruchtbarkeit befand sich befruchtet: und als die Zeit der Gebuhrt herbei gekommen / traht die Frucht glüklich zu lichte. Da wardest Du gebohren. Da brachstdu aus derselben Höhle / darinnen Gottes Almacht Dich gebildet / hervor. Da erblikte Dich dieselbe Sonne / die künftig deiner herlichen Heldentahten Zuschauerin sein solte. Da erschienestdu / mit weinenden Augen / vor den Augen der Welt; derer Ohren Du künftig / durch das Gerüchte deiner siegenden Tapferkeit / erfüllen soltest.

(25) So warest Du wunderbar auch selbst in deiner Gebuhrt. Ja du warest ein rechtes Wunderkind: dessen Gebuhrtstag / weil deine Heldentahten Ausgebuhrten der Almacht sein solten / der Almächtige selbst bestimmet. Straks in deiner Kindheit liessestdu / über Menschliche Gewohnheit / ein Mänliches Alter blikken. Es war nichts / was Kindisch ist / in alle deinem Tuhn / in alle deinem Wesen.

(26) Die Großmühtigkeit sahe Dir aus den Augen. Die Tapferkeit erblikte man in deinen Gebährden. Die Kühnheit / die Unverzagtheit / die Geschikligkeit leuchtete aus alle deinem [108] Tuhn. Du erschrakest vor nichts. Du fürchtetest Dich vor nichts. Die Stärke deiner Arme nahm von Tage zu Tage mehr und mehr zu. Es schien / als weren die Siegsgepränge mit Dir gebohren: indem Du unerschroken allen / die Dich nur ansahen / ein unvermeidliches Schrökken einjagtest.

(27) Nun segne Dich der Gott Israels / der Dich bisher gesegnet / noch ferner. Er erhalte Dich. Er stärke Dich. Er erleuchte Dich. Ja Er befestige Dich endlich / wie Er verheissen / zu unsrem Erlöser. Dieses wünschet / darüm flehet / darnach seufzet und verlanget sein bedrängtes Volk / mit wehmühtigem Hertzen.«

(28) Mit diesem Wunsche schlos der Alte seine Reden. Mit diesem Anhange versiegelte er gleichsam seine Worte. Auch war er wilfärtig noch mehr zu erzehlen. Er wolte dem Simson zugleich seines Stamvaters / des Dans / Begäbnisse / die ihm ausführlich bekant waren / eröfnen. Aber Simson konte noch mochte sich von seinen / wiewohl unruhigen / Gedanken / die auf seine Liebste noch immerzu gerichtet blieben / so lange nicht abmüßigen. Und darüm nahm er Uhrlaub von seinem Freunde. Darüm begab er sich an einen gantz einsamen Ort im Gebürge / solchen seinen Gedanken üm so viel unverhinderter nachzuhängen.

(29) Menschliche Gemühter / die aus unglüklicher Liebe unruhig / trachten ins gemein nach ruhigen Oertern. Sie seind gern in der Stille. Sie suchen die Einsamkeit. In Einöden zu leben ist ihr Wohlleben. Und indem sie also von aussen nach Ruhe trachten / scheinen sie gleich als lüstern zu sein die Unruhe von innen zu mehren: indem sie begehren auswendig in Stille zu leben / wollen sie gleichsam das Getümmel von innen ergrössern. Ich wil sagen: sie suchen gleichsam mit vorbedachte / durch euserliche Ruhe /durch auswendige Stille / die innerliche Unruhe / die inwendigen Stürme / nicht anders / als weren es die allersüssesten Ergetzungen / nur heftiger / nur geschäftiger zu machen / oder doch zum wenigsten zu unterhalten.

(30) Simson suchte / in solcher seiner Gemühtsunruhe / einen ruhigen / stillen / einsamen /öden / und gantz unbewohnten [109] Ort. Er begab sich in eine Gegend des Gebürges / da kein Mensch hinkahm / zum wenigsten kein Getümmel der Menschen gehöret ward: damit er von seiner Unruhe / die er ihm /weil sie von der Liebe herrührete / gleich als mit Zukker überzogen zu sein einbildete / nicht verhindert /noch in seinen Liebesgedanken gestöhret würde.

(31) Alhier war es / da ihm die Liebe seine Liebste wohl gar in tausenterlei Gestalten vorbildete. Alhier war es / da sie sein Hertz auf eben so vielerlei Ahrt ümbildete. So lang und so stark ist die Kette der aufrichtigen Liebe / damit sie zwei Hertzen zusammengefesselt / daß sie auch selbst über Berg und Tahl /über See und über alles hinlanget / und durch keine Zwischenweite voneinander gerissen zu werden vermag. So behände / ja so durchdringend ist der Geist einer geliebten Schönheit / daß ihn keine leibliche Verhinderung aufhält mit seinen Strahlen selbst dahin zu schüssen / da dem Auge / durch die Entlegenheit /sein Absehen entzogen wird.

(32) Simson hatte sich hierher / einig und allein zu leben / begeben. Aber er war eben so wenig allein und einig / als er kurtz zuvor bei dem guhten Alten gewesen. Er hatte ihm eingebildet / an diesem öden und einsamen Orte die rechte Einsamkeit zu finden. Er hatte verhoffet alhier von allen Menschen entfernet zu sein. Er hatte gedacht nirgend ruhiger und stiller /als alhier / seinen Gedanken nachzuhängen. Aber er befand sich / in allen diesen Gedanken / in allen diesen Einbildungen / nicht wenig betrogen.

(33) Ie verborgener und einsamer er nunmehr / in diesem Schlaufwinkel / zu sein vermeinete / ie mehr und eher erschien ihm der verfolgende Geist seiner Liebsten. Ie weiter er von ihr entfernet war / ie näher und öfter stund eben derselbe vor seinen Augen. Ja sie selbst spielete fort und fort in seinen Gedanken. Uberal / wo er sich hin begab / war sie bei ihm. Nirgend verlies sie ihn; ungeachtet dessen / daß er sie verlaßen. Nirgend gestattete sie seinem Hertzen einige Ruhe. Ihrer Augen Pfeile verfolgeten ihn überal. Uberal erneuerten sie seine Wunden; die kurtz zuvor schier aufgehöret zu bluhten. Ja sie ritzten alle die Alten /welche sich zu schlüßen schienen / wieder auf.

[110] (34) Aus diesen neuen Wunden keumete und scheumete die Reue / die ihm seinen Vorsatz / als unbesonnen und zum höchsten schädlich / aufrükte /endlich hervor. Endlich reuete es ihn / daß er sich von seiner Liebsten gesondert: es war ihm leid / daß er sie verlaßen. Ja es verdros ihn / daß er sich dadurch aller Ergetzligkeiten / die ihn ehmals würklich / itzt aber nur scheinbarlich / erfreueten / verlustig gemacht. Diese Scheinbilder / diese Traumerscheinungen /diese Schattengemälde / welche die Einbildung ihm itzund nur vormahlete / hatten das Wesen / hoch das Vermögen der bei ihr selbsten wahrhaftig genossenen Lust keines weges. Darüm rieten ihm seine Gemühtsneugungen das Gedächtnis der empfangenen Beleidigung aus seinem Hertzen gantz zuvertilgen /und das Märkmahl einer ewigen Undacht darinnen aufzurichten.

(35) Dem Rahte folgete die Taht. Wie ein Vater sein Kind hähtschelt / so hähtschelte / so zährtelteSimson nunmehr auch mit seiner Liebe. Er gab ihr so viel Raumes / daß sie sich in sein Hertz gantz wieder einnistelte. Alles vorgegangene war vergessen. Er gedachte nun an nichts / als diese seine aus der Loderasche der Alten / wie der Sonnenvogel / wieder jung gewordene Liebe zu streicheln. Und also muste die sonst unüberwindliche Rachbegierde der Liebesbegierde gewonnen geben. Also muste derselbe / der sich beleidiget befand / seine Beleidigerin / die nunmehr unter dem Schirme der Liebe stund / selbst / als eine Göttin ehren.

(36) Ein Beleidigter / der seine Ehre verletzt siehet / wird sonst schweerlich versühnet. Wan aber die Beleidigung von Frauen / als so schwachen Werkzeugen / herrühret / zuvoraus von einer Geliebten; alsdan ist niemand so unbescheiden / daß er nicht durch die Finger sehe. Eine Leue / dem die Grimmigkeit doch angebohren / lesset seinen Grim auf ein zahrtes und schmächtiges Spielhündlein / das ihn etwan anklaffet / nimmermehr aus. Wan aber ein starker und gewaltiger Jagthund ihn anlauffet / dan ergrimmet er / ie grösser der Hund ist / ie heftiger. Schier eben also güßet sich unser Zorn zwar auf einen Man aus / der unsere Ehre verletzet. Aber der Schwächligkeit [111] eines Frauenbildes / ob es uns schon noch so sehr beleidiget / begegnet er solcher gestalt / daß man ihn kaum märket.

(37) Dieses Vorrecht scheinet dem Weiblichen Geschlächte / sonderlich wan es unter der Schirmdekke der Liebe lauert / gleichsam angeerbet zu sein. Diese Freiheit hat es unter allen vernünftigen Völkern / auch wohl den Wilden selbst / voraus / daß man seinen Fehltritten mit Bescheidenheit und gar gelinde begegnet. Ja es leget uns / so oft die Strahlen der Schönheit mit unterspielen / selbst einen solchen Gewaltzwang auf / daß wir Freigebohrne zu sein gar vergessen müssen.

(38) Nachdem nun Simsons Hertz solcher gestalt vorbereitet war / daß es allen Grol hatte fallen laßen; da überredete ihn die Liebe / die nun wiederüm seine Gesetzgeberin war / seinen vorigen Schlus zu widerrufen. Ja sie zwang ihn denselben / durch einen Neuen und Gegenschlus / gantz zu vernichtigen. Und also entschlos sich Simson zu seiner bisher verlaßenen Liebsten wiederzukehren. Auch seumete er solches zu tuhn nicht lange. Die Liebe trieb ihn zu eilen. Sie hielt ihm vor: imfal er länger verzöge / die Verlaßene möchte diesen Schimpf rächen. Sie möchte sich irgend mit einem andern verehligen. Hierzu könte sie leichtlich einen finden. Hierzu könte sich leichtlich einer aus den dreissig Brautjunkern verstehen.

(39) Weil er nun wohl wuste / daß sie ihm seine Entfernung / als eine von ihm empfangene Schmach /hoch genug aufmutzen würde; so entschlos er sich zugleich vor ihr mit einer Versühngabe zu erscheinen. Und zu dem Ende nahm er ein Ziklein mit sich. Dieses solte den Unwillen / den sie irgend auf ihn geworfen / wieder versühnen. Dieses solte bei derselben /die sich durch ihn beleidigt zu sein beklagte / verhoffentlich zu viel würken / daß er ihre vorige Gnade wiedererlangte.

(40) Hierdurch gab Simson ein unfehlbares Zeichen der Aufrichtigkeit seiner Liebe von sich: indem er dieselbe / die ihn so hoch beleidiget / gleichwohl noch liebete: indem er sie so hertzlich liebete / daß er solcher seiner von ihr empfangenen Beleidigung nicht allein vergaß / sondern auch sie selbst durch sich beleidiget zu sein gleichsam bekante; weil er sie itzund /durch eine Versühngabe / zu befriedigen suchte.

[112] (41) In dergleichen Verstande wird dieser Entschlus vom Ziklein / das Simson seiner Liebsten mitzubringen gedachte / gemeiniglich erklähret: wiewohl es / nach meinem Urteile / eher das Ansehen hat / als hette das Ziklein eine Versühngabe nicht sowohl für seinen / als ihren Misschlag sein sollen. Ja es scheinet / als hette Simson sie / als eine Verbrächerin / die sich nicht so sehr an ihm / als an seinem Gotte / versündiget / indem sie sein Gebot / das er den Ehleuten vorgeschrieben / gebrochen / hierdurch aussühnen wollen.

(42) Und also war diese des Simsons Liebe ein rechtes Vorspiel der Liebe des eingebohrnen Sohnes GOttes: der auch dieselbe Erlösung / die Simson /der eingebohrne Sohn des Manoah / den Kindern Israels zu guhte / begonnen / in der Fülle der Zeit an uns allen volzogen. Ja sie war ein rechtes Vorbild der Liebe des Heilandes der Welt: zu dessen VorbildeSimson selbsten erkohren zu sein schien. Sie war ein recht ähnlicher lebendiger Vorris oder Entwurf der Göttlichen Wunderliebe; die sich ie und ie / mit vollen Ströhmen / über das gantze Menschliche Geschlecht ausgegossen.

(43) Simsons Hertz hing nach einer Braut: die wolte / solte / und muste er haben / es kostete / was es wolte. Diese suchte er in der Frembde / bei den Heiden; die nicht seines gleichen / noch seines Glaubens waren. Sein Vater stund diese ungleiche Heurraht zu. Er war selbsten der Freuwärber. Aber die Braut lies sich verleiten. Sie ward ihm Untreu. Sie schwatzte sein Geheimnis aus. Was er ihr / aus Liebe / vertrauet / verriet sie. Hierdurch entstund bei ihm ein Grol /doch mehr gegen die Verführer der Braut / als gegen sie selbst. Jene musten / durch die Haut ihrer Landsleute / das Gelaak bezahlen. Diese ging frei aus. Nur ein Zeit lang verlies er sie. Zu so gelinder Rache bewog ihn die Liebe: die auch endlich seinen Grol so gar vertilgete / daß er ihr Verbrächen verziehe: daß er das Leid / das er ihr deswegen angetahn / bereuete: daß er eilete sich wieder zu ihr zu nahen. Ja er trachtete sie selbst / als eine Uberträhterin des Götlichen Gesetzes / bei GOtt auszusühnen.

(44) Gleicher gestalt hing unsrem Heilande das Hertz nach einer Braut: die wolte / solte / und muste ihm werden / wan [113] er auch schon Guht / Muht / und Bluht / ja Leib und Leben darbei aufsetzen müste. Diese suchte Er nicht im Himmel / sondern auf Erden: nicht unter den Eingebohrnen / sondere unter den Fremden: nicht unter den Engeln / sondern unter den Menschen: nicht unter den Heiligen / sondern unter den Sündern. Eine Ausländerin / eine mit Sünden beflekte wolte Er haben. Wir waren die Ausländische Liebichen / die seinen Augen / wie häslich / wie unflähtig / wie unrein wir waren / gefielen. In eine so gar ungleiche Heurraht bewilligte sein Himlischer Vater. Ja Er lies selbst üm die Braut wärben. Und was mehr ist / Ihn / seinen einigen Sohn / selbst schikte Er nach der Braut zu; die ihm die HöllischenFilister schon im Paradiese zur Untreue verreitzet: die der Teufel ihm schon dazumahl abspänstig gemacht. Und darüm schien es auch / als hette Er sie angegeben / als hette Er sie verlaßen. Aber seine liebe war so brünstig / daß Er seinen Gnadenentzuk bereuete; daß Er ihr alles vergab / und seine Rache nur über ihre Verführer ausgos. Er liebete die Abtrünnige gleichwohl. Ja Er liebte sie so hertzlich / daß Er sie heimzuhohlen selbst den Himmel verließ: daß Er sie selbst auf Erden besuchte / und was mehr ist / ihre gantze Schuld auf sich nahm / ja sich selbst seinem Himmlischen Vater zur Versühngabe für ihre Mishandlungen / in seinem bitteren Leiden am Kreutze darstellete.

(45) Aber wie wenig Simsons Ehliebste sich üm die Liebe ihres Ehgatten bekümmerte / so wenig bekümmern wir uns üm die Liebe Desselben / der die Liebe selbsten ist: den wir doch / als unsern Himlischen Breutigam / unendlich lieben solten. Wan wir GOttes wunderbare Menschenliebe bedenken / müssen wir in Wahrheit erröhten / daß unsere Gegen- und GOttesliebe / ob wir schon mit allen unsern Kräften /uns darzu schikken / gleichwohl so klein ist / daß sie /in Vergleichung mit jener / nicht einmahl als ein Sandkörnlein gegen den grössesten Berg / zu sein scheinet. Wie vielmehr solten dan dieselben erröhten /derer Liebe gegen Gott so gar lau / und so gar schläferig ist / daß sie nicht das geringste Zeichen darvon blikken laßen.

[114] (46) Ach! wie selig würde der Mensch sein / wan er mit solcher Liebesbrunst zu seinem Schöpfer sich nahete / als ein Verliebter einem nichtigen Geschöpfe nacheilet! Ach! wie sälig und übersälig würde derselbe sein / der in GOttes Nachfolge gleich so eifrig / als in Nachtrachtung der irdischen Schätze / sich finden liesse! Ach! wie sälig und mehr als sälig würden wir sein / wan wir unserem Himlischen Seelenbreutigam nur mit der helfte der Liebe / die Er uns erwiesen / begegneten! Aber wir seind gantz undankbare Liebichen. Wir seind nur ungetreue Breute. Wir schlachtenSimsons Braut.

(47) Diese war wandelbahrer als der Mohn / unbeständiger als das Wetter / veränderlicher als die Rattenheidexe: die alle Farben annimt / ohne die zwo Farben / der Aufrichtigkeit / und der Schaam. Von der Aufrichtigkeit in der Liebe wuste sie nicht. Auch schähmete sie sich nicht Treuloß zu werden. Die Kreutlein der Liebe / Vergismeinnicht /und Ielängerielieber / welche sie ihrer Ehpflicht erinnern sollen / waren aus ihrem Hertzen und Brautkrantze zugleich verbannet. Einen lies sie wandern / und buhlete mit dem andern.

(48) Kaum hatte Simson den Rükken gewant /da gedachte sie schon auf eine frische Hochzeit. Itzund / da er üm ihrentwillen vol Angst war / küssete sie / in voller Ergetzligkeit / einen neuen Breutigam. Itzund / da auch die tiefsten Schlaufwinkel seines verliebten Hertzens ihres süßen Andenkens vol waren /gedachte sie nicht einmahl an seinen Nahmen / ich schweige an seinen Selbstand.

(49) Eben so wetterwendisch / eben so betrüglich /eben so treuloß und unverschähmt seind auch wir gegen unsern Himlischen Breutigam. Der zugespitzte kaum scheinbare Mohn blinket auch in unsrem Brautwapen. Unser Liebeszeichen ist auch die Rattenheidexe. Das Kreutlein oder Blühmlein Vergismeinnicht / das unser Breutigam so vielmahls selbst in unser Hertz gepflantzet / haben wir darinnen / ach leider! allezeit verwelken laßen. Vom andern / Ielängerielieber wissen wir gar nichts. Ja wir seind gantz Abtrünnig worden. Und hierzu hat uns verführet der Teufel / die Welt / und unser [115] eigenes Fleisch. An stat dessen / daß JESUS unser Breutigam sein solte / seind wir / ach weh! des Teufels Braut worden.

(50) Diesem neuen Breutigam lauffen wir nach; indem wir den Fleischlichen Lüsten folgen. Mit diesem tantzen wir; indem wir uns / mit der Welt / in den zeitlichen Ergetzligkeiten vertieffen. Dazumahl / da unser Himlischer Breutigam üm unsert willen in der heftigsten Leidens- und Todes-angst war / ümhälseten wir / durch allerlei Wohllüste / den Höllischen: da Er für uns den allerschmählichsten Tod / darzu wir ihn selbst verrahten / ja den wir Ihm selbsten antähten /am verfluchten Holtze des Kreutzes ausstund / ehreten wir / indem wir seiner spotteten / den Teufel: da Er unserer bei seinem Himlischen Vater / mit einer so hertzlichen Vorbitte / gedachte / kahm uns nicht einmahl seine große Liebe / damit Er uns bis in den Tod liebete / ja sein so liebreicher Nahme JESUS kaum anders / als Ihn zu lästern / in die Gedanken.

(51) Hieraus siehet man / wie eigendlich wir / dieder Himlische Simson / JESUS / des Großen GOttes Sohn / zu seiner Braut auserkohren /der treubrüchigen Braut des Irdischen Simsons uns ähnlichen. Ich hette schier gesagt / desNärrischen Simsons: weil er / in dieser seiner Liebe / den närrischen Lichtflügen nachzuäffen schien; welche das Licht dermaßen lieben / daß sie /ob sie schon keiner Gegenliebe geniessen / dannoch üm dessen Flamme so lange herüm flattern / bis sie /von derselben ergriffen / jämmerlich verbrant werden.

(52) Ihm selbst ein Schmertzenmeer der Trähnen /mit einem gewaltigen Seufzersturme / zu erregen / als wolte man sein Hertz dadurch seiner Liebsten / die fremder Trähnen und Seufzer nur spottet / zuschiffen laßen / ist eben so viel / als wolte man sich in einen vor Augen schwebenden Schifbruch begeben. Zuviel verderbt das Spiel: zuvoraus in einer solchen Liebe /die mit keiner Gegenliebe vergolten wird.

(53) Wan es der Großen Zeugemutter aller Dinge schon müglich sein könte alle Schönheiten des Frauenzimmers der gantzen Welt in ein einiges Frauenbild / wie es jenem Mahler müglich war die selben aller Krotonischen Jungfrauen [116] in sein Götzenbild der Liebe / zusammen zu bringen; so were es doch eine große Tohrheit in der Liebe desselben so gar volkömlich schönen / zuvoraus wan es / an Gegenliebe stat / des Verliebten nur spottete / elendiglich verschmachten /oder wol gar verzweifeln wollen.

(54) Ich wil mehr sagen: weil ein solcher Aus- und Zusammen-Zug so vieler der ausbündigsten Schönheiten / der überdas auch eben so eitel und eben so flüchtig / als eine Einzele / sein würde / nirgend zu finden; so tuht ein Verliebter noch viel töhrichter /wan er der gemeinen Einzelen Schönheit einer widerspänstigen Liebsten / mit euserstem Verluste seiner Gemühtsruhe / so gantz vergeblich nacheilet; indem er dasselbe / was er an der einigen so hoch schätzet und liebet / bei tausend andern eben so guht / ja oftmahls wohl besser zu finden vermag.

(55) In diesem Liebespiele solten wir billich den Weibsbildern / die in der Kunst zu lieben gemeiniglich viel schlauer seind / als wir / ihre Liebesränke /damit sie andern begegnen / zuvor ablernen / ehe wir uns selbst mit ihnen einliessen: weil es in alwege viel besser ist / mit fremder Schaden klug / als mit eigenem zugleich arm zu werden. Weibesbilder vergaffen sich meistenteils niemahls an einem allein. Ihr Auge fället allezeit auf viele. Sie haben derer / welche sie lieben / die Mänge. Ja sie werfen allen / alle verpflichtet zu machen / ihre Liebesblikke zu. So werden ihnen alle geneugt; wo nicht alle ihre Liebhaber bleiben müssen.

(56) Daher achten sie es nicht viel / wan sie etwan einen / den sie zum Liebsten erwählet / darvon verlieren. Diesen Verlust ersetzen sie bald mit einem andern / aus denen so vielen / die sie schon in Bestallung gebracht. Reisset sich dan auch dieser aus ihrem Liebesnetze loß / so komt an den dritten die Reihe. Ja sie gehen mit ihrem Jägergarne so lange fort / bis sie denselben / der sich zu ihrem Leibeignen willig ergiebet / auf allen Seiten bestrükket.

(57) Weil nun die Weiber im Liebeshandel so verschlagen seind / so ist es fürwahr ein Wunder / daß die Männer / durch die Liebe / sich dermaßen betöhren laßen / daß sie einem widersinnischen[117] Weibsbilde / das sie lieben / ohne Genos einiger Gegenliebe / mit Gefahr Witz und Verstand zu verlieren / so beständig / bis zur Halsstarrigkeit zu / nachlauffen. Ja es ist ein Wunder / daß sie nicht auch / wie jene / nur achtloß und überhin lieben: daß sie ihre Liebe / wan die eine Liebste widerwillig bleibet / oder ihnen die Schüppe giebet / nicht straks auf eine willigere und beständigere lenken. Aber es scheinet / wo es nicht vielmehr die lautere Wahrheit selbsten ist /daß die Großmühtigkeit und Beständigkeit dem Mänlichen Geschlächte mehr / als dem Weiblichen angebohren; und daß dieses dagegen / wie es kleinmühtiger ist / indem es sich von etwas leichtlicher abschrökken lesset / also auch / wo nicht gemeiniglich /doch meisten teils unbeständiger und leichtsinniger sei.

(58) Ein Weibesmensch / ein weiches Mensch. Es ist auch auf das höchste weich und zahrt in allem /was in und an ihm ist. Haut und Fleisch hat es gemeiniglich viel weichlicher / und das Gebeine zährter /als wir. So ist auch zährtlicher und behänder / mit allen seinen Gliedern / der gantze Leib. Zuvoraus hat es ein weiches und weichendes Gemüht: welches so weichlich und zahrt ist / daß es zur Ab- und Er-weichung viel eher / als das Mänliche / zu bringen. Dieses weichet / mit allem / was in ihm sich reget und beweget / gar leichtlich bald hier- bald dort-hin. Daher komt es / daß die lieblichste Gemühtsneugung / die Liebe / bei ihm so weich und zahrt ist / daß sie eben so bald ab- als zu-weichet; daß sie sich zerren und ziehen lesset / wohin und wie oft es der Sinligkeit beliebet.

(59) Eben so weich und zahrt ist auch der Sin selbsten / mit alle seinem Anhange: indem er von einem Dinge so plötzlich auf das andere weichet / daß er oftmahls keinen Augenblik festen Stand hält. Ja die Sprache selbst ist weichlich und zahrt. So ist auch aller Klang und Laut / den der Mund giebet. Weich und zart sein auch alle Verrichtungen / die von Weibsbildern herrühren.

(60) Weil nun diese Weichligkeit / oder vielmehr Schwächligkeit der Weibsbilder / als der schwächsten Werkzeuge des Schöpfers / sie gegen die Mansbilder zu rechnen / Simson [118] ohnezweifel wohl erkante; so schien es / als wolte er darüm seiner Ehliebsten die Ehre geben der wenigste zu sein / und sein Haupt in ihren Schoß zu legen. Aber der gute Simson wuste vielleicht noch zur Zeit nicht / daß er nit nur mit einem Weichlichen / sondern auch gar mit einem Ehrlosen leichtfertigen Schandweibe zu thun hatte; die albereit / mitten in der Hochzeit / ja vielleicht da sie im Brautbette noch nicht warm geworden / den geulen Blik ihrer unkeuschen Augen auf einen neuen Breutigam schüßen laßen. Ihm war noch nicht bekant / daß sie sich an einem seiner Hochzeitknechte vernarret /und ihm / in seinem Abwesen / schon beigeleget worden.

(61) Unzüchtigen Weibern / derer Keuschheit auf Steltzen gehet / ist dieses Laster gemein / daß ihnen anderer Geschikligkeit und Leibesgestalt allezeit mehr gefället / als ihres Ehgatten. Mit einem allein wird ihre Begierde nie gesättiget. Allezeit suchen sie einen andern / so bald sie den ersten ins Netze gebracht: indem sie ihnen einbilden / es sei unnöhtig denselben / den sie / durch betrügliche Liebe / schon fest gemacht / noch weiter zu lokasen. Lesset er dan hierüber seinen Unwillen märken / und kehret eine Zeit lang den rükken; so werden sie froh / daß sie zu dem Ekel /den sie auf ihn geworfen / auch Gelegenheit bekommen ihre neue Buhlschaft / Liebe darf ich sie bei solchen Frauen / weil alhier das Zeichen der Tugend mangelt / nicht nennen / unverhindert und mit scheinbarem Fuge fortzusetzen.

(62) Die himlische Sonne hatte kaum drei Stunden geschienen / als unser Sonneman gantz ermüdet zu Timnat ankahm / auf Hofhung in den Armen seiner Haussonne wieder auszuruhen. Die Schnitter waren eben in voller Arbeit den Weitzen abzuärnten /als er vor dasselbe Haus gelangte / da er bei seiner Ehliebsten einer reichen Aernte der süßen Früchte des Ehstandes zu geniessen gedachte. Diese hatte / schon auf der Reise / die Einbildung ihm dermaßen lieblich vorgemahlet / daß er / als von einem Liebesteine gezogen / mit flüchtigen Füßen darnachzu eilete. Seine Gedanken waren auch auf nichts anders gerichtet / als auf die Schönheit seiner lieben Braut: derer Bildnis /durch oft wiederhohlte Betrachtung / so tief in sein[119] Hertz eingedrükt stund / daß es einen andern Eindruk anzunehmen nicht vermochte.

(63) Nunmehr gedachte sein Hertz sich mit dem Hertzen derselben / von welcher er sich eine Zeit lang entfernet / aber nicht gäntzlich geschieden / wieder aufs neue zu verknüpfen. Nunmehr gedachte er das Band der Liebe / welches durch den Zornsturm erschlappet und aufgegangen / durch eine gantz erneuerte Liebe wieder zu befestigen. Ja er war froh / daß durch diese neue Hochzeit der Ehfriede / den die erste gestöhret / wieder aufs neue solte gebohren / und alle seine bisher verlohrene Lust / durch tausend Küsse /wieder ersetzet werden.

(64) In solchen freudigen Gedanken / bauete er ihm selbst einen Himmel vol Geigen; eine Schauburg vol ergetzlicher Aufzüge; einen Siegeswagen vol prächtiger Siegeszeichen. Ja sein Hertz / das sich nunmehr aller Unlust und aller Pein entsetzet sahe / tantzete für Freuden / und hüpfete für Wonne: und indem er in das Haus traht / bildete es die allerlieblichsten anmuhtigsten Worte / mit denen der Mund / seine Liebste zu grüßen / sich schon in die schönsten und zierlichsten Falten setzte. Kurtz / er war so vol Freude / so vol Wonne / daß die Zeichen darvon sich in allen seinen Gebährden / ja selbst an seiner gantzen Leibesgestalt scheinbarlich euserten.

(65) Aber alle diese Freudenzeichen veränderten sich bald in Trauerzeichen. Sein eingebildeter Sieg verschwand in einem nuh. Das Verhängnis hatte ihn dermaßen verdrehet / daß er einen andern damit prangen sahe. Einander lag in denen Armen / darinnen er zu ruhen gedachte. Einander genos derselben Ergetzligkeiten / die ihm seine Hofnung zu geniessen versprochen. Ach! wie geschwinde verschwanden dieselben Glüksäligkeiten / die er aus lauteren Sinbildern zusammengefüget! Ach! wie plötzlich entzogen sich dieselben Freudenaufzüge / die in bloßen Schatten bestunden! Ach! wie so gar eilend warden vereitelt die prächtigen Schaubühnen / die auf so eiteln Stützen sich stützten!

(66) Sobald er in das Vorhaus gelanget / begab er sich straks nach demselbigen Orte zu / da er sein irdisches Paradies zu [120] finden vermeinte. Von stunden an eilete er nach der Schlafkammer zu / da er seine Liebste selbst im Bette zu überraschen gedachte. Flugs sprang / ja flog er fort. Er klopfte nicht einmahl an. Aus Erleubnis der Ehlichen Freiheit / grif er alsobald an die Klinke der Tühre / mit dem Vorsatze sie unverhuhts aufzuklinken. Aber er fand sie verrügelt. Ein vorgeschobener Schützel verboht ihm den Eingang. Hierzu kahm auch endlich der Schwiegervater /der ihn gar darvon abzog.

(67) Hieraus vermärkte Simson unraht. Er sahe wohl / was die Glokke geschlagen. Nun erkante er erst / daß ihn das Uhrwerk seiner Sinne betrogen. Darüm zog er es anders auf. Er stellete den Lauf seiner Gemühtsneugungen nach einem andern Triebe. Er veränderte seinen Schlus. Und das muste sein. Noht brach Eisen. Nohtwendig muste er ümsatteln; weil ihm dieser Rit mislungen. Nohtdrünglich muste er andere Gedanken fassen / als er vernahm / daß man ihn /als einen Fremdling / ja schier als einen Dieb anzuschnautzen begunte.

(68) Es kahm ihm seltsam vor / daß derselbe / der ihm selbst seine Tochter zum Weibe gegeben / ihn fragete: ›Was er alda suchete? Was er begehrete? ja was vor einer er were?‹ Zuerst beantwortete er zwar diese Fragen nur mit Lachen: indem er sie für Schertzfragen aufnahm. Aber als er den Ernst sahe /und hören muste / ›daß er alda nichts verlohren; daß er sich wegpakken solte; daß man seiner nicht nöhtig hette‹: da ward er so bestürtzt / daß er eine guhte Weile verstummete; daß er zur Widerrede kein Wort zu machen vermochte.

(69) Endlich erhohlte er sich gleichwohl. »Ich suche« / sagte er / »was mein ist. Ich begehre / was mir zugehöret. Ich bin deiner Tochter Man. Ich bin es / dem das Recht zukomt sein Ehweib zu suchen.« Und ob er schon dreuete dieses sein Ehrecht mit Gewalt zu behaupten; so muste er doch erfahren / daß seine Dreuung nur fruchtloß ablief. Dan der Alte versetzte zur stunde: ›er habe sein Recht selbst verschertzet: er sei selbst schuld daran / daß seine Tochter nun nicht mehr sein Ehweib sein könte. Sie sei schon einem andern verheurrahtet. Er habe sie einem seiner Spielgenossen gegeben: weil er aus seinem verstohlenen und so plötzlichem Abreisen / da er [121] [123]sie nicht einmahl des geziemten Abschiedes gewürdiget / anders nicht vermuhten können / als daß er sie / aus Gramschaft /gäntzlich verlaßen.‹

(70) Auf diese so böse Zeitung erboßete sichSimson der maßen / daß in einem Augenblikke sein gantzes Wesen entstellet ward. Bald erblaßete er / wie eine Leiche. Bald ward er feuerroht / wie ein Kalekutischer Hahn. Feurige Strahlen schossen ihm aus den Augen. Aus den aufgeblasenen Naselöchern fuhr ein hitziger Dampf. Aus dem Munde brach ein erschrökliches Unwetter hervor. Ein iedes Wort / das er auslies / klung als ein Donner / prasselte wie ein Donnerschlag / zerschmetterte schier wie ein Donnerkeul / die Hertzen aller / die es höreten.

(71) Seine Augenbrähmen übersich ausgespannet /seine Stirne himmelwärts aufgeruntzelt / schienen zur Rache den Himmel aufzufordern. Die Füße stampfeten gegen den Erdbodem / als wolten sie dessen Einwohnern / die ihn beleidiget / den Krieg ankündigen. Ja es schien / als were nunmehr Zorn und Grim /Wuht und Grausamkeit bei ihm allein eingekehret; als hetten sie ihn zu ihrer eigenen Wohnung erkohren.

(72) Und also sahe man in Simsons Hertzen /darinnen kurtz zuvor die Esse der Liebe feuerte / den Gluhtofen des Zornes hitzen. Also stund in derselben Schmiede / da kurtz zuvor die Pfeile der Liebe geschmiedet warden / der Amboß des Grimmes / desselben Rüstung zu schmieden / aufgerichtet. Ja ich darf wohl sagen / daß die Göttliche Vorsehung selbst hierinnen / zur Schmiedung ihrer wider den Ubermuhtder Filister bestimten Waffen / den Blasebalk zu bewegen / und den Hammer zu führen eben itzund begonnen. Itzund schien die Zeit gebohren zu sein /da Simson das Werkzeug sein solte das bedrängte Volk Gottes aus der Heiden Dienstbarkeit zu erlösen.

(73) Der armsälige Greus / so bald er ein so grimmiges Antlitz erblikte / zitterte für Furcht / und böbete für Schrökken. Kein einiges Glied an seinem Leibe stund stil. Alle bewegten sich / wie Espenblätter. Das Hertz selbsten bukte für Angst. Es schien / als wan ihn der Schlag gerühret; da er den Donner [123] seines Mundes / das Sturmblasen und Zornschnauben seiner Nase / mit dem Blitze seiner Augen / vernahm: aus denen gantz erschrökliche Wetterstrahlen / gantz abscheuliche Feuerflammen / als aus zwo Feuerspeienden Bergöfnungen / auf ihn zu geflogen kahmen; nicht anders / als wolten sie ihn zur Stunde verschlingen. Er entsetzte sich für den grausamen Dreuungen / welche den Filistern ihren endlichen Untergang ankündigten. Er erschrak für so heftigen Zornworten / vor denen die Grundfeste des Filisterlandes selbst gleichsam erschütterte.

(74) Weil er nun sich besorgete / Simson möchte die Flammen seiner Wuht am allerersten über ihn /und sein Haus selbsten ausstürtzen; so fing er an mit gantz gelinden kleinlautenden Seiten sich hören zu laßen. Er veränderte den vorigen rauen und harten Tohn in einen gantz sanften und leisen. An stat der vorigen scharfen und hulprigen Worte gab er nunmehr gantz weiche / gantz glatte / ja gantz samtene. Er wolte den erzürneten / den ergrimmeten / den schon halb wühtenden Simson / den er kurtz zuvor lieber gar aus dem Hause geschlagen / itzund in eine weiche Sänfte setzen. Ja er wolte denselben / den er / durch Unbescheidenheit / erboßet / nun wieder / durch einen Friedensvorschlag / begühtigen. Und also vermeinte er das Ungewitter / das er wider sich aufgezogen zu sein befahrete / eh es mit Zorngüssen über ihm auszubrächen anfinge / von seinen Grentzen abzuleinen.

(75) Zu dem Ende schlug er ihm auch seine jüngere Tochter zur Ehe vor. Die solte des wiedergetroffenen Friedens Unterpfand sein. Die wolte er zur Bürgin setzen / daß der Friedensvergleich unverletzt solte gehalten werden. Ja damit er sein Augenmärk üm so viel eher erreichen möchte / geriet er auch auf diesen Fund. Er fügte hinzu: daß sie viel schöner sei / als die ältere.

(76) Eine so ausbündige Schönheit / vermeinte er /würde die Mitlerin sein den Streit zu schlichten. Sie würde / vertraute er / das Zornfeuer / das in Simsons Busem flakkerte / blüschen. Auch were dieses Artzneimittel gewislich das kräftigste gewesen seines Eidams so heftigen Gemühtstrieb zu hintertreiben /wan aus ihm die Liebesseele nicht schon so gar verflogen [124] gewesen / daß der gantze Simson eine Behausung der Zorngeister geworden.

(77) Diese reitzeten ihn unaufhörlich zur Rache. Alle gühtige Handlungen rieten sie ab. Sie verstopften seine Ohren dermaßen / daß kein Friedensanbot hinein konte. Hingegen löseten sie seine Zunge zu lauter trotzigen Rachworten. Und also ging nichts / als Krieg / als Rache / mit einem erschröklichen Waffengeschrei / aus seinem Munde. »Meine Waffen« / rief er überlaut / »seind schon geschärfet zum Kriege. Mein Arm ist schon ausgerekket der Filister Ubermuht zu rächen. Meine Faust rühret sich schon /durch meine Tapferkeit beseelet / mit ihnen das Garaus zu spielen. Die gerechte Sache / die ich nunmehr wider sie habe / macht mich behertzt. Ich wil ihr Land mit gantzen Schaaren der Erschlagenen besäen / und mit gantzen Ströhmen ihres Bluhtes tüngen. Ich wil eine Verwüstung unter ihnen weit und breit anrichten. Dieses wil ich tuhn / und nichts anders.«

(78) Als er hierauf ein wenig geschwiegen / fing er / mit etwas eingezogener Stimme / wieder an. »Sie dürfen sich« / sagte er / »über kein Unrecht beschweeren. Sie dürfen mir die Schuld ihres Verderbens nicht zumässen. Sie selbst haben es / durch ihren Frefel / ihnen über den Hals gezogen: indem sie mich derselben beraubet / mit der ich / durch Liebe / verknüpfet war / und üm derentwillen ich dieses Volk /weil sie daraus entsprossen / bisher geehret / ja selbst geliebet / und ihm nichts Böses / ob ich schon gern gewolt hette / zufügen konte. Weil mir aber solche meine Wohlneugung / mit dem eusersten Undanke /vergolten worden; so ist es billich / daß ich zürne /daß ich mich und mein Volk zu rächen trachte.

(79) In diese Rache schlüße ich mein Volk mit ein: weil ich dessen Schmaach / die ihm dieses heilloseFilistervolk von so vielen Jahren her antuht / zu rächen schon vor meiner Gebuhrt vom Himmel versehen / und nachmahls auch hierzu mit einer ungemeinen Stärke begabt bin. Und also wil ich / bei dieser Gelegenheit / nicht so wohl meine sonderbare / als meines Volks algemeine Schmaach zu rächen suchen. Ich wil euren Hochmuht dämpfen. Ich wil eure Hofahrt stürtzen. [125] Ich wil euren Trotz zerträhten. Ich wil lauter Niederlagen / lauter Zerstöhrungen unter euch anrichten. Und dieses wil ich itzund zu tuhn beginnen.«

(80) Den Worten folgete straks die Taht. Eine gantz fremde Weise zu rächen / die ihm sein verworrener Sin am ersten eingab / nahm er vor. Niemahls /gleube ich / ist ein so wunderseltsamer Kriegesrank /des Feindes Land zu veröden / und ihn aller Lebensmittel auf einmahl zu berauben / erdacht worden / als dieser war. Niemahls / so lange die Welt gestanden /hat Menschliche Vernunft dergleichen Verwüstung ersonnen / viel weniger einiges Auge der Menschen erblikket.

(81) Simson begab sich in das nächste Gebürge. Alda machte er Anstalt zur Fuchsjagt. Diese ward ohne Spührhunde / ohne Stöber / ohne Windspiele /ohne Netzen / oder anderes Jägerzeug verrichtet. Simson war Jägermeister und Jägerknecht zugleich. An stat der Jagthunde musten ihm seine Hände zum Fangen dienen. Diese verrichteten alles allein. Die Gegend befand sich rund herüm vol Fuchslöcher /und diese vol Füchse. Aus denen / nachdem er das Erdreich / durch seine große Stärke / weit genug voneinander gerissen / zog er einen nach dem andern hervor. Alle warteten seiner. Keiner / wie listig und rüstig er sonsten war / getrauete sich zu entlauffen. In wenig Stunden täht er eine Fangst von drei hunderten: die er allezusammen / einen nach dem andern / in einer fünsteren Berghöhle versperrete.

(82) Man hette gewis wohl sagen mögen / daß er die Fuchsahrt / durch einen so reichen Fang / in derselben gantzen Gegend gar vertilget. Ja es schien ein Wunder / wo nicht gar ungleublich zu sein / daß er / in einem solchen kleinen Landbegriffe / so eine große Mänge dieser Tiere / bloß mit den Händen /ohne Jägerzeug und Jagthunde / ja noch darzu in so kleiner Zeit fangen können: zuvörderst wan man ihre von Gebuhrt eigene List und Geschwindigkeit betrachtet. Und eben darüm urteilen wir / daß die Almacht GOttes selbst diesem Jäger die Hand gebohten; gleichwie sie sonsten / in allen seinen wüchtigen Verrichtungen / getahn. Auch ist dieses nichts neues: weil man dergleichen schon zu Noah Zeiten [126] erfuhr; dem eben dieselbe Almacht GOttes ie sieben Paar von allen reinen Tieren des gantzen Erdbodems / und ie eines von den Unreinen fangen half / sie / in seinem Kasten / vor dem Verderben der Sündfluht zu bewahren.

(83) Sobald er seine Zahl vol hatte / nahm er einen nach dem andern / und band sie zu paaren bei den Schwäntzen zusammen. Zwischen iedes paar Schwäntze hing er einen feurigen Brand / den er mit einer Schnur fest machte. Mit diesen / so zu reden /Feuerwägen lies er die vorgespanneten Füchse lauffen / daß Feuer in die ümliegenden Felder zu führen. Sie hatten zum fortjagen keines Antreibers / auch keiner Peitsche nöhtig. Die Hitze des Feuers war ihnen Antreibers genug; ja selbst ihre Peitsche: zuvoraus wan sie / mit stähtigem und ängstigem hin und wieder schwänken der Schwäntze / dadurch sie die Gluht von sich wegzuwedeln und abzuwehren gedachten / das Feuer der Bränder immer mehr und mehr anweheten /ja solchergestalt brennen und flammen machten / daß es alles / was es antraf / in den liechten Brand setzte.

(84) Von dieser des Simsons wunderlichen Ahrt die feindlichen Länder durch Feuer zu veröden /darf ich schier sagen / daß die Holländer den Fund ihrer Brandschiffe / dadurch sie die feindlichen Kriegsfluhten anzuzünden und jämmerlich einzuäschern pflegen / zu unserer Väter Zeit abgesehen. Dan wie Simson / vermittelst solcher seiner Feuerwägen / der Filister Kornfelder / und Weinberge weit und breit in den Brand brachte; so bringen diese / durch ihre Feuerschiffe / welche sie unter die Feindlichen Kriegsfluhten lauffen laßen / derselben Schifsmacht / wo sie anstoßen / in vollen Brand. Ja beide führen / jene durch flüchtige Füchse fortgezogen / diese durch den Wind fortgejagt / den Feinden /zu ihrem Verderben / das verschlündende Feuer zu.

(85) Nachdem nun Simson seine sotahnig zu paaren aneinander gefesselte Gefangene loß gelaßen; da gab es ein recht lustiges Schauspiel. Sie vermeinten alle zusammen der Freiheit zu geniessen. Daher lieffen sie auch so flüchtig / als hetten sie die Eigenschaft der flüchtigen Flammen bekommen / und als würden sie von Windspielen gejagt / über strumpf und stiel [127] hin. Aber indem sie also hastig fortlieffen /warden sie garzubald gewahr / daß sie / durch solchen ihren Lauf / mehr nach dem Tode / dan nach dem Leben der Freiheit zueileten: Indem sie das Band märkten / damit zween und zween zusammengebunden sich befanden; da märkten sie zugleich / in was für einen gefährlichen Irgarten sie gerahten: zumahl als sie noch darzu die brennende Hitze des hintersich her schleppenden Feuers fühleten.

(86) Von dieser suchte sich einieder zu befreien. Einieder wolte derselben entfliehen. Alle zusammen trachteten ihr zu entlauffen. Und also wolte der eine der gepaarten hierhin / der andere dorthin. Der eine sprang auf die rechte: der andere lenkte sich auf die linke. Der eine blieb auf geraden Wege: der andere geriet auf den Zwerchweg. Und also stelleten sie sich schier eben an / als ehmahls die Sonnenrosse / welche durch ihren unerfahrnen jungen Fuhrman übel gelenket / die rechte Spuhr verliessen / und bald auf / bald nieder / bald gerade zu / bald in die kwähre fortranten. Aber indem einieder solcher gestalt vom Lauffe seines Gesellens abwich / warden sie alle stutzig. Alle musten stilhalten / indem der eine nicht wolte geschleppet sein / und der andere das Schleppen flohe.

(87) Doch dieses Stilhalten tauerte nicht lange. Der feurige Brand trieb sie / als eine scharfe Spisruhte /bald wieder fort. Ja er vertrieb gar bald / mit so heissen Schmitzen / ihr widerspänstiges Wesen. Und also geriet iedes uneinige Paar wieder in seine vorige Vereinigung. Also lieffen sie allezumahl wieder bei paaren fort. Ja sie ranten oder flogen vielmehr / als die Feuerpfeile / aus Furcht verbrant zu werden / durch das gantze Feld hin: indem ein iedes Paar einen sonderlichen Strich hielt. Ja sie nahmen nicht so viel Weile / nur einmahl nach ihrem so ungestühmen Stachel / der sie so heftig stach / sich ümzusehen: damit sie nicht etwan aufgehalten würden die Zeit ihrer Erlösung von so unerträglicher Angst zu verseumen.

(88) Wan wir hiesige Begäbnis der dreihundert Füchse Simsons bei dem Lichte des Urteils was näher beschauen; so finden wir ein recht ähnliches Vorbild jener dreierlei Geistlichen Schwärmrottender Jüden: nähmlich der Fariseer / Saduzeer /[128] und Esseer. Diese drei Fuchsahrten lies der himlische Simson / JESUS / unser Seelenbreutigam / in das Jüdische Kirchenfeld lauffen / wie der irdische Simson die seinigen in das Feld derFilister / solches zu veröden: weil ihm dieJüden / wie jenem die Filister / seine Braut treuloß / verrähterisch / und abspänstig gemacht / ja selbst einem Fremden gegeben. Sie verödeten es auch / mit ihren Schwärmereien / dermaßen / und brachten es endlich so weit / daß die Hauptstadt Jerusalem / gleichwie der verstoßene Breutigam ihr selbsten gedreuet / im Römischen Feuer / wie Simsons Brauthaus / weil dort eben / als hier / der Fadem zum Verderben gesponnen worden / jämmerlich auffliegen muste.

(89) Ja ich darf wohl sagen / daß durch Simsons Füchse nicht allein die Jüdischen Schwärmfüchse / sondern auch alle diejenigen / damit unser Seelenbreutigam nachmahls die Kristenheit selbsten / so oft sie seine Breutgamsliebe und Breutgamsstimme verschmähet / zu strafen pflegen /vorgebildet worden. Ich meine das listige Rottengeschmeusse / die betrüglichen Kätzer / die falschen Lehrer / die Irgeister / welche durch die Felder der Kristenheit / mit ihren falschen dampfenden Lichtern eben also herümschwärmen / als Simsons Füchse / durch die Felder der Filister / mit ihren Feuerbrändern.

(90) Simsons Füchse hatten lange langhährichte Schwäntze: diese Schwärmfüchse haben einen langen und breiten Anhang. Jene waren alle mit den Schwäntzen / darzwischen feurige Bränder staken /eine Verderbung anzurichten / zusammen gekuppelt und vereiniget; iedoch nicht einig im Lauffen: diese seind gleichesfals uneins im Lauffe der Lehre / in ihren Meinungen / und doch auch einig und zusammengekuppelt; indem sie allesamt einerlei Ziel haben / nähmlich die Menschen zu verführen / und zu verderben. Jene waren listig / betrüglich / und verschlagen: diese seind ebenmäßig also; indem sie ihre Lügen und Betrügereien so arglistig zu bemänteln wissen / daß sie auch die Auserkohrnen / wan es GOtt zuliesse / verführen möchten.

[129] (91) Dieser Geistlichen Schwarmfüchse / dieser betrüglichen Rottengeister ist auch noch itzund die gantze Kristenwelt überal vol. Dan darfür / daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen / damit sie sälig würde / hat ihr GOtt / jenes großen Heidenlehrers Weissagung wahr zu machen / so kräftige Irtühmer / zur Strafe / zugesandt / daß sie der Lügen mehr / als der Wahrheit gleubet. Und diese Strafe schleppet auch zugleich das Angstfeuer ihrer Gewissen / wie Simsons Füchse die feurigen Bränder /mit sich / daß sie verzweiflen müssen / wie Judas /der den Breutigam selbsten verriet. Ja es folget ihr endlich wohl gar das ewige höllische Feuer gleich als auf den Hakken nach.

(92) Weil nun / durch die Sonnenhitze / das Getreidicht der Filister eben so weit gereiffet war /daß es teils schon abgeschnitten lag / teils auch schon in Mandeln / teils noch auf dem dürren Halme stund; so fassete es den Brand / den diese Brandfüchse weit und breit herümschleppeten / gar leichtlich. Und also stund / in wenig Stunden / die gantze Gegend rund herüm in vollem Feuer: indem die Flammen dermaßen geschwinde fortlieffen / daß es schien / als hetten sie mit den Füchsen üm die Wette lauffen wollen. Ja sie kahmen ihnen an etlichen Oertern auch selbsten zuvor; also daß viele diesei armen Tierlein erfahren musten / daß sie sich / ihnen selbst zum Verderben /zu Brandstiftern und Mordbrennern gebrauchen laßen: indem sie mitten in der Gluht / welche sie auf allen Seiten umgab / ihr Leben jämmerlich einzubüßen gezwungen warden. Auch war es den übrigen ein großes Glük / wan sie mit der versängten nakten Haut dem wühtendem Feuer entschnapten.

(93) Es war gantz erschröklich anzusehen / wie das Feuer alles / was es ergrif / so uhrplötzlich auffraß. Noch erschröklicher war es anzuhören / wie die fortschüßende Flammen / eben als eine gewaltige durch irgend einen Tam gebrochene Wassersfluht / auf den Feldern hinkullerten und bullerten. Es rasselte und prasselte nicht anders / als ob ein geharnschtes Kriegesheer im Anzuge begriffen: als hörete man das stampen und trampeln / das puffen und tösen der Rosse. Es brummete [130] und summete nicht anders / als ob man irgend in der ferne ein donnern der Geschütze vernehme. Ja es gaben die grimmige Flammen ein solches abscheuliches Getöhne von sich / daß denen / die es anhöreten / die Haut schauerte / die Haare zu Berge stunden.

(94) In solcher algemeinen erbärmlichen Einäscherung / lies der grausame Rachen dieser heishungrigen Gluht / in der gantzen Gegend keinen Ort unangetastet / als wo er nichts / das ihm dienete / zu verschlingen fand. Ja er weidete seine Begierde selbst in den Weinbergen. Er sog den Saft / als gantz verdurstet /aus den Weinstökken so wohl / als aus den Trauben: davon er nichts mehr übrig lies / als die Asche. Er machte sich endlich auch an die Oehl- Mandel- und Feigen-beume. Diese verzehrte sein Schlund bis auf den ausgedürreten Stam: der nur allein / mit etlichen dikken Aesten / wiewohl gantz erschwartzet / stehen blieb.

(95) Als die benachbarten Filister diese so erschrökliche Feuersbrunst sahen / entsetzten sie sich dermaßen / daß sie nicht wusten / ob sie warten / oder lauffen solten. Etliche / denen der Muht noch nicht gantz entfallen / kahmen herzu das Feuer von ihren Grentzen abzuwehren. Aber sobald sie / in der nähe /die so plötzlich fortlauffenden grimmigen Flammen erblikten / und derselben so abscheuliches greuliches bullern höhreten; da überfiel sie die Furcht dermaßen / daß sie auf nichts anders gedachten / als nur ihr Leben zu retten. Sie vermeinten auch nicht anders /als ob / in selbiger Gegend / die Hölle / durch die Erde hin / einen so großen Ris gemacht / daß aus ihrem Abgrunde selbst das ewige Zornfeuer herauf gestiegen / den Erdkreus zu veröden.

(96) Andere / die den so gar geschwinden Fortlauf der Flamme beobachteten / bildeten ihnen ein / der erzürnete Himmel selbst habe sein leichtes Feuer über das Filisterland / gleichwie er ehmahls überSodoma und Gomorra brennenden Schwefel und Pech regnen laßen / herab gestürtzet / dasselbe zu verderben. Ja es fielen von diesem so unverhuhts entstandenem Brande / weil dessen Anstifter und Uhrhöber noch [131] [133]nicht bekant war / so viel unterschiedliche Meinungen / daß niemand wüste / welcher man gleuben solte.

(97) Simsons Schwiegervater / und treuloß gewordene Ehliebste schaueten dem noch immerzu fortwühtendem Brande / der gar bis an Timnat hinan sich ausstrekkete / selbsten / mit eben so großer / ja wohl weit grösserer Bestürtzung / auch zu. Ja sie märkten zur stunde / was die Glokke geschlagen. Zusehens bekahmen sie Schwahnsfedern. Ihr böses Gewissen plagte sie straks. Sie wusten sehr wohl / was für Böses sie verübet.

(98) Ihnen war noch in frischer Gedächtnis / wessen sich Simson / den sie zum höchsten erzürnet /verlauten laßen. Daher konten sie leichtlich vermuhten / daß / üm ihrer Mishandlung willen / ihr Vaterland in solches Verderben gerahten. Sie konten ihnen die Rechnung leichtlich machen / daß Simson seine gedreuete Rache / durch dieses Rachmittel / zu volziehen begonnen. Und eben darüm reuete sie itzund ihr begangenes Verbrächen. Darüm waren sie in unaussprächlicher Angst. Ja sie befahreten sich ieden Augenblik / diese Rache werde sie auch treffen: der Tod werde bei ihnen zu ärnten nuhn einkehren: nun werde er seine Sense / seine Sichel auf sie zükken.

(99) Es war erbärmlich anzusehen / wie Simsons gewesene Liebste sich so gar kläglich gebährdete. Die härtesten Steinritzen / ich schweige Menschliche Hertzen / hetten über ihr so heftiges Wehleiden zum Mitleiden mögen bewogen werden. Die Angst / welche sie fühlete / war unaussprechlich. Ja sie war so groß / daß sie / als eine / die alle Sinne verlohren / selbsten nicht wuste / was sie täht. Bald schlug sie / mit harten Schlägen / vor ihre Brust. Bald wand und rang sie die Hände. Bald fuhr sie mit denselben in das Haar: welches sie unbarmhertziger Weise zerzausete. Aber indem die Hände solcher gestalt geschäftig waren / stunden Mund und Zunge /gleich als ersteinet / eine guhte Weile / gantz stille. Eine lange Zeit gab sie keinen Laut von sich. Und da sich endlich die gantz erblassete / wo nicht gar erstarrete Lippen zu regen begunten / [133] kahm doch anders nichts heraus / als / mit einer ohnmächtigen halberstorbenen Stimme / nur dieses: »o Simson! Simson!«

(100) Nicht wenig entstellet befand sich auch ihr neuer Ehman / als einer / der an ihrem Verbrächen die meiste Schuld hatte. Er war es / der sie zur Untreue /zur Verrähterei am ersten beredet. Er war es / der sie dem Simson selbsten abspänstig gemacht. Er war es / der ihm das Seinige so tükkisch / so betrüglich /so muhtwillig entwendet. Und hierdurch hatte er sein gantzes Vaterland in ein solches Unheil gestürtzet. Darüm war er auch / indem er ein so schmertzliches Leidwesen seiner begangenen Untaht wegen empfand / in voller Unruhe. Sein Hertz / welches als zwischen zwei Bretern eingeklämmet lag / weissagte ihm selbsten nichts Guhtes. Er fürchtete sich / man würde deswegen ihn zur Strafe ziehen Er befahrete sich / es würde sein Leben kosten. Er besorgete sich / die erzürneten Filister würden ihren erlittenen Schaden / den er veruhrsachet / von ihm fordern.

(101) Bei schon begonnener Rache kömt die Reue zu spähte. Viel zu spähte war es / daß diese Verbrächer ihr so grobes Verbrächen zu bereuen gedachten / da sie das Strafschwert schon an die Gurgel gesetzt sahen. Sie hatten ihr Vaterland / und sich selbst in Jammer und Noht gebracht: und hieraus sich zu retten war nun kein Raht zu finden. Nunmehr half kein härmen / kein kärmen / kein weinen / kein wimmern /noch wimmerleichen. Sie waren einmahl vom Himmel selbst zum endlichen Untergange verurteilet: und wider dieses Urteil vermochten sie nicht zu rechten. Ein Höheres zu hohlen / weil dieses das Höchste war / stund nicht in ihrer Macht. Der Ausspruch des höchsten Gerichtstuhles war schon geschehen: und dieser konte nicht widerrufen werden.

(102) Weil nun der Rauch und Schmauch dieser Feuersbrunst die gantze Luft bis schier an den Himmel erfüllete / konten auch die weitentlegnesten daraus von der grösse derselben / wiewohl ihr Auge sie selbst nicht zu erreichen vermochte / leichtlich urteilen. Diese gerieten Anfangs in die Gedanken / daß etwan das Irdische Feuer sich / mit dem Himlischen zu streiten / auf einmahl und an einem Orte so [134] heuffig versamlet: und daß es zu dem Ende einen so mächtigen Vortrab seiner dikken Dämpfe nach dem Himmel zu voran geschikt / damit jenes verhindert würde die Heersmacht seiner Strahlen herunter zu senden.

(103) Endlich erschol der Ruf dieser traurigen Einäscherung durch alle ümliegende Länder und Städte. Niemand aber wuste / wer sie gestiftet / als der Stifter und Uhrhöber selbst / und die ihn darzu veruhrsachet. Der eine legte die Taht auf diesen / der andere auf jenen. Einieder riet nach seinen eigenen Gedanken. Iedoch erriet keiner sobald den schuldigen Tähter.

(104) Etliche wähneten zugleich / daß dieses Unheil / weil es so gar groß / von keiner Menschlichen Hand herrührete. Sie gaben vor / es sei eine Würkung des Glüksfalles; es sei irgends von ohngefähr geschehen: indem sich etwan die untererdischen Berggewächse / die eine sonderliche Feuerahrt in ihrem Busem hägeten / von selbsten entzündet.

(105) Andere stunden in den Gedanken / es möchten vielleicht die Hürten / eine neue und frische Weide für das Vieh zu bekommen / das alte verdorrete Graß irgendwo angezündet haben: da dan das Feuer zugleich das Getreidicht auf den Feldern ergriffen / und einen so großen Brandschaden angerichtet. Die meisten aber schrieben es / als ein Strafübel / der Hand GOttes zu; der hierdurch den Filistern seinen Zorn blikken laßen.

(106) Bei so ungleichen und irrigen Wahngedanken verlangten sie gleichwohl alle miteinander den rechten Uhrhöber zu erfahren. So vorwitzig oder vielmehr aberwitzig ist das Menschliche Gemüht vielmahls in dergleichen Ausgrüblungen / daß es sich zum öftern eher üm den Anstifter des Ubels / als üm dessen Verhinderung und Abwendung bekümmert. Wir forschen gemeiniglich lieber dem Tähter nach /der uns das Verderben brauet / als daß wir solches /weil es noch Zeit ist / abzuwehren bemühet sein solten. Ja wir wähnen / wan wir nur denselben gefunden / ob das Verderben schon allenthalben die Oberhand genommen / daß wir alsdan / wo nicht zur Rettung /dannoch zum Troste / für uns einen großen Fund getahn.

(107) Die Vermuhtungen gerieten gar stark auf den einigen [135] Simson. Und diesen gleubete man üm so viel eher / als man gewis wuste / daß ihn sein Schwiegervater so unbilliger Weise seiner Ehfraue beraubet /und sie einem andern gegeben: indem man leichtlich gedenken konte / daß er / durch diese Schmach angereitzet / zu solcher Rache sich entschlossen. Aber wie ein einiger Man ein solches so großes Land / das die Wuht vieler tausend Feinde / mit geringerem Verluste / zu sättigen genug gewesen / in so wenigen Stunden zu verheeren vermocht / konten sie nicht begreiffen. Gleichwohl ward es / auf scharfes Nachfragen / kund /daß diese Vermuhtungen den rechten Tähter getroffen.

(108) Nachdem nun die Filister / durch solche Kundschaft / in ihren Vermuhtungen sich vergewissert sahen; da schrieben sie von Stunden an einen algemeinen Landtag aus. Die Landsbohten eileten ihre Befehle zu verrichten. Nicht weniger hasteten sich alle fünf Kreusfürsten am bestirnten Orte zu erscheinen. Dieser war Timnat / der Springbrun /daraus die Feuersfluht / die das Land überschwämmet / ihren ersten Uhrsprung gewonnen. Alhier war es / da sich schier alle des Filisterlandes Einwohner versandeten. Ja selbst die Weiber lieffen dahin / dasselbe Weib zu sehen / das ein so großes Landverderben angerichtet.

(109) Die Sache / die man alhier abhandlen solte /war wüchtig. Sie betraf alle Filister. Sie ging das gantze Filisterland an. Darüm muste freilich auf aller Filister zustimmen / der Schlus gemacht werden. Weil Simson der Tähter war / der ihnen einen so unersetzlichen Schaden zugefüget; so ging ihr gantzer Zorn anfangs nur auf ihn. Auf ihn / stimmeten die meisten / solte man seinen Zorn ausgüßen. An ihm solte man sich rächen. Ihn wolten sie in Stükke zerreissen. Ihn wolten sie mit Feuer verbrennen / ja wohl gar lebendig brahten.

(110) Aber diesen Stimmen des Gemeinen Völkleins / das / seiner Unbesonnenheit und Unvorsichtigkeit nach / gemeiniglich obenaus / und nirgend an denket / widersprachen die Vornehmsten; welche was vorsichtiger waren / und der Sache Beschaffenheit /mit reifferem Urteile / nachdachten. Sie meinten: ›es sei gantz nicht rahtsam sich wider einen solchen / [136] dessen unüberwindliche Tapferkeit / aus dem Gerüchte seiner Heldentahten / man überal kennete / zu streuben: es sei nichts töhrichter / als wider Simsons übermenschliche Stärke / die alles / was ihr aufstiesse / zerschmetterte / die Waffen zu ergreiffen: ja es sei anders nicht / als den endlichen Untergang ihm selbst über den Hals zu ziehen / wan man sich unterfinge die Großmühtigkeit eines solchen Heldens / der mit so vielen Siegen schon prangete / Kampf anzubieten.‹

(111) Hierzu fügten sie noch dieses: ›Simsons bloße Stimme / so oft er sie ergrimmet ausliesse / sei so durchdringend und so mächtig / daß dieselben /welche sie höreten / für Furcht böben / und für Schrökken erzittern müsten. Nur eines seiner Worte /im Zorne gesprochen / hette mehr Kraft seine Widerfechter in die Flucht zu jagen / als ein mächtiges Kriegesheer. Ja der Schal allein seines Nahmens / den man irgendwo nennen hörete / sei nicht weniger erschröklich / als ein Donnerschlag / und nicht weniger kräftig / als ein Donnerkeul. Und eben darüm solte man sich wohl bedenken / ehe man wider einen solchen Wunderman einige Feindsäligkeit ausliesse; ungeachtet dessen / daß er sich zuerst wider sie feindsälig er wiesen.‹

(112) Auf solche der Vornehmsten so einhällige Stimmen stund endlich der Vorsitzer im algemeinen Stahtsrahte selbst auf. Dieser / weil er im Ansehen das meiste galt / und die meiste Macht hatte / drung auch am meisten durch. Er brachte die unbesonnene Gemeine vollend auf die Spuhr eines gesünderen Urteils. ›Es sei schweer‹ / sagte er / ›wider den Stachel zu läkken. Es sei gefährlich wider einen flügenden Donnerkeul / der alles / was er nur anrührete / zerschmetterte / sich zu rüsten. Eben so schweer / und eben so gefährlich sei es / den gezörgeten / und erzürneten Simson / dessen wunderstärke Stachels genug / und er selbsten Donnerkeules genug were /noch mehr zu zörgen. Sie wüsten sehr wohl / was für Hertzeleid / ja was für Schmaach ihm etliche Filister zugefüget: welches ihn dan dermaßen geschmertzet / daß sein rechtfärtiger Grim sich in den Grentzen der Schuldigen nicht halten können / sondern gantz zaumloß über alle zugleich ausgestürtzet.

[137] (113) Vielmehr‹ / fuhr er fort / ›solten sie / durch solche seine Schmertzen / zum billigen Mitleiden / als zu einer so gefährlichen Rache / bewogen werden. Vielmehr solten sie ihn zu begühtigen / als noch heftiger zu erzürnen suchen. Vielmehr solten sie seinen empfangenen Schimpf / als ihre von ihm deswegen empfangene Beleidigung / zu rächen trachten. Viel mehr solten sie dieselben / welche die Beweguhrsache zu solcher Beleidigung gewesen / als den Beleidiger selbst / zur Rache ziehen. Die Wurtzel des Baumes /der giftige Früchte trüge / müste man billich ausrotten. Simsons treuloses Ehweib were derselbe Baum / der den Filistern so giftige Früchte getragen: drüm solte man sie / samt ihrem Anhange / aus diesem Volke nur straks ausrotten. Ja hette sie / wie die Taht selbsten bezeugte / durch ihr Feuriges Gift /die geschehene Feuersbrunst veruhrsachet; so solte /ja müste sie / zur Strafe / samt ihrem gantzen Hause /billich mit Feuer verbrant werden.‹

(114) Alle diese aus einem reiffen Urteile geflossene Bewegreden vermochten so viel / daß der Gemeine Man / mit einhälligem Zurufe / sie alsobald guthies. Einieder rief mit lauter Stimme: man solte das verrähterische Weib verbrennen. Alle schrieen zugleich: »weg! weg mit dieser Verrähterin! Weg! weg mit dem ehrlosen verrähterischen Hauffen! weg! weg zum Feuer mit allen denselben / die unser Vaterland in ein so gar verderbliches Feuer gestürtzet.«

(115) Nicht nur die Männer liessen diese Rachstimmen hören. Die Weiber selbst stimmeten mit ein. Kein einiges war unter der gantzen Mänge / welches das Ehr- und Gott-lose Weib nur mit einem Worte zu entschuldigen / oder zu beklagen sich vernehmen lies. So erbittert war die gantze Gemeine / daß alle Männer / und Weiber / auch die Jungfrauen selbst ihr den allerschmählichsten Tod anzuthun einmühtiglich begehrten. Ja das Rachschreien / das Straferufen war so groß / daß es durch die gantze Stadt Timnat hin klung / und die Luft selbsten bis schier an die Wolken erfüllete.

(116) Und also ward endlich der Schlus gemacht /und vor den Ohren aller Filister / die zugegen waren / öffendlich abgelesen. Dieser lautete ohngefähr also: ›Weil Simsons [138] treuloses Ehweib ihren Ehman verrahten / ja noch darzu / auf guhtheissen ihres Vaters / mit einem andern sich verehliget / und hierdurch den neulich entstandenen Landverderblichen algemeinen Feuerschaden den Filistern über den Hals gezogen; so solte sie / andern zur Abscheu /als eine Verrähterin / Ehbrächerin / und Brandstifterin / samt ihrem Vater / und neuem Ehmanne / Simsons grimmigen Rachzorn zu besänftigen / in ihrem eigenen Hause verbrant werden.‹

(117) Ein solches Urteil bekahm diese Frau: welche / durch die Flucht für dem Feuer / sich selbst ins Feuer stürtzte. Ein solcher Glüks- oder vielmehr Unglüks-fal war ihr bescheeret / daß sie / die kurtz zuvor dem gedreueten Feuer / durch Verrähterei / entflohen /itzund eben darüm zur Feuerstrafe verurteilet ward. Und dieses muste so wohl / als jenes / durch ihre selbst eigene Landsleute geschehen. Wie jene sie mit Feuer gedreuet / imfal sie ihnen / ihres Ehgattens Heimligkeit zu verrahten / nicht würkliehe folge leistete; also verurteilten sie diese / weil sie solches getahn / zum Feuer.

(118) So geriet dan diese drängsälige Tröpffin /durch eben das Mittel / ins Verderben / durch welches sie dasselbe zu vermeiden getrachtet. Wir Sterbliche scheinen im Unglükskreuse dieser Welt dermassen eingesperret zu sein / daß uns das Unglük / eben als ein bällender Hund / ie ämsiger wir bemühet seind ihm zu entlauffen / ie heftiger verfolget. Ja ob wir schon noch so fleissig nach einiger Auskunft suchen /wissen wir doch keine zu finden / als die uns endlich der Todt anweiset.

(119) Dieser / und niemand anders zeiget uns die änge Tühre zum Ausgange / zur Ausflucht aus hiesigem Unglükskreuse; ja er ist dieselbe selbst / die uns /imfal wir / durch Fromsein / darnach streben / in die immerwährende Glüksäligkeit einführet. Dieser weiset uns den Hafen / ja bringet uns selbsten dahin; da wir / aus der ungestühmen Unglükssee dieser Sterbligkeit erlöset / im ewigen Glüksleben endlich anländen. Dieser allein ist es / der uns / aus dem Irgarten dieses zeitlichen Elendes / dieser irdischen Trübsalen / in das Paradies des ewigen Wohllebens / der Himlischen Freuden einleitet.

(120) Nachdem nun gemeldtes Urteil ausgesprochen / und [139] öffentlich abgelesen war; da erhub sich unter der Mänge des Volkes von stunden an ein so großes Getümmel / daß die Fünffürsten solches zu stillen genug zu tuhn fanden. Der gemeine Man wolte straks hinlauffen die Verurteilten zu verbrennen. Ihr Haus wolte man straks anzünden. Straks solte die zuerkante Strafe volbracht werden. Und zu dem Ende kahmen die Weiber / etliche mit Feuerbrändern / andere mit Reisholtze / noch andere mit Strohe / das Feuer anzulegen / schon herzu gelauffen.

(121) Weil sich aber der Stahtsraht besorgete / der angelegte Brand möchte / bei solcher Unordnung / die bestimten Grentzen überschreiten / und die andern Heuser mit angreiffen; so liessen die Fünffürsten dem Volke gebieten / die verurteilten in ihrem Hause / mit starken Wachen / bis auf die Volziehung des Urteils zu bewahren. Dieses Haus stund zwar gantz allein /und von andern abgesondert. Gleichwohl befand es sich schier mitten in der Stadt. Daher hetten die flügende Feuerfunken auf eines oder wohl mehr von den ringst ümherliegenden Gebeuen leichtlich fallen / und sie zugleich anstekken können.

(122) Hierbei ward auch / das tobende Völklein üm so viel eher zu befriedigen / öffendlich ausgerufen: daß der Stahtsraht den folgenden Tag zur Volziehung des Urteils bestimmet; da sich dan einieder / der Amteshalben gegenwärtig sein müste / derselben bei zuwohnen solte gefast halten. Ja man lies auch zugleich den Verurteilten ansagen: daß sie sich gegen künftigen Tag zum Tode bereiten / und alle dieselben / die nicht im Urteile begriffen / von stunden an / vor dem Stahtsrahte zu erscheinen / aus dem Hause schaffen solten.

(123) Unter diesen Armsäligen war des verurteilten Weibes Mutter / und jüngere Schwester / eine Jungfrau von ohngefähr sechszehen Jahren. Jene ward zum allerersten vor den Stahtsraht / sie zu unterfragen / gebracht. Weil sie nun selbsten straks bekante / daß sie die zweite Ehbrächerische Heurraht ihrer verurteilten Tochter mitbewilliget; so lies man sie / bis auf weiteres Bedenken / gefänglich einziehen.

(124) Hierauf führete man gleichesfals die Tochter hinein: welche / weil sie über die maße schön war /aller Augen und [140] Gemühter auf sich zog. Der Leib stund / mit einer mittelmäßigen Länge / gantz gerade /gantz schlank / und mit allen seinen Gliedern / überaus wohlgebildet / in die Höhe geschossen. Die Farbe seiner reinlich-glatten / und zährtlich-weichen Haut befand sich / über die Gewohnheit der daselbigen Landesahrt / gantz weis / wie der erstgefallene reineste Schnee. Nur die Lippen waren mit einer anmuhtigen Rubienfarbe / so auch die Wangen mit einer lieblich-zahrten Röhte recht zierlich überröhtet. Ja diese so ausbündige Leibesschönheit verschönerte das itzige / bei so betrübtem Zustande des Väterlichen Hauses / entstandene trübselige klägliche Wesen noch vielmehr.

(125) Ein solches Wesen / welches ohne das auch überaus züchtig und schamhaftig war / machte sie itzund üm so viel angenehmer; indem es die schönen in so schönem Leibe wohnenden Tugenden augenscheinlich darstellete. Niemand unter allen / welche sie sahen / konte die traurigen / doch auch zugleich lieblichen schwartzbraunen Augen / die unaufhörlich mit Trähnen flössen / ohne sonderliches Mitleiden anschauen. Aus diesen so schönen / so liebsäligen Augen / daraus / als aus zwei Hertzensfenstern / die Unschuld / mit so vielem ihrem Geschwister / leibhaftig hervorblikte / schlos der gantze Stahtsraht zur stunde / daß sie am Verbrächen der Ihrigen kein Anteil hette. Und darüm war niemand / der / sie zu unterfragen / nur die Gedanken bekahm.

(126) Aber sie warden alle zum höchsten bestürtzt / als sie die erste war / die zu reden anfing; indem sie solches mit eben so hertzentzükkenden demühtigen Gebährden / als wehmütiger gantz kläglich-beweglicher Stimme verrichtete. Weil sie vernommen / daß man ihre Mutter gefänglich einziehen lassen; so baht sie gantz inständig / ihr diese Gnade zu erweisen /daß sie derselben / in ihrem Gefängnisse / teils Geselschaft / teils Handreichung tuhn möchte. Solches erheischete / fuhr sie fort / ihre kindliche Liebe. Hierzu verpflichtete sie die Treue / welche sie derselben /unter derer Hertzen sie gelegen / auch bis zum Tode selbst / zu leisten schuldig. Sie begehrte / schlos sie ihre Reden / kein anderes Glük / als dasselbe / darzu der Himmel ihre Mutter bestimmet.

[141] (127) Uber diese so gar große / so gar ungewöhnliche Tugend einer so jungen Bluhme waren alle / die im Stahtsrahte saßen / zum höchsten verwundert. Einieder priese sie überlaut. Einieder rühmete sie über die maße. Einieder erhub sie schier bis in den Himmel / von dannen sie auch / die Sterblichen su besäligen /gekommen. Aber niemand konte / noch wolte zulaßen / daß eine so fürträfliche Schönheit ihren helleuchtenden Glantz in ein fünsteres Gefängnis gleichsam verstekken / und den Augen der Welt entziehen solte. Sie sei würdiger / sagten sie ingesamt / in Fürstlichen Schlössern zu wohnen / als daß man ihr / bei einer alten Mutter zu eralten / und in einem düsteren Loche verdüstert zu werden / gestatten solte.

(128) Der älteste Fünffürst selbsten / der dazumahl Obervorsitzer war / redete mit gantz beweglichen leutsäligen Worten ihr zu. Er bemühete sich die Trübsälige von einem so unziemlichen schädlichem Vorsatze zu einem ziemlichem / und ihrer Schönheit und Tugend mehr anständigem zu bewegen. Ja weil er Kinderloß war / boht er ihr endlich selbsten an / sie an Tochter stat anzunehmen. Weil sie / fuhr er fort /der Himmel so unglüklich gemacht / daß sie ihres Vaters und ihrer Mutter verlustig sein müste: so schien er sie gleichwohl itzund wieder zu beglükken; indem er ihn zu dieser Entschlüßung bewogen / daß er ihr Vater / und seine Gemahlin ihre Mutter sein solte.

(129) Dieses des Fünffürsten so gnädiges Erbieten anzunehmen trachteten zugleich alle die andern sie zu bereden. Einieder hielt ihr vor: sie solte bedenken /was für ein Glük es sei aus einem gemeinen Bürgerlichem in den Fürstenstand erhoben zu werden. Sie solte behertzigen / wie lieb der Himmel sie hette; der sie nur darüm so unglüklich gemacht zu haben schien / damit er sie in ein viel grösseres Glük versetzen möchte. Den solte sie / durch Verweigerung solches Glük anzunehmen / ja nicht erzürnen. Eine Gnade des Himmels zu verschmähen / sei eben so viel / als ihn ungnädig begehren. Seine Gühte zu veiwerfen / sei nicht anders / als ihn ungühtig machen wollen. Und auf solche Widerwilligkeit folgete die gewisse Strafe.

(130) Aber alle diese Bewegreden waren vergebens. Alle [142] Rahtsmittel / alle Vorschläge von ihrem Vorsatze sie abzuziehen schlug sie sämtlich in den Wind. Ihr Gemüht blieb unbeweglich / ihr Vorsatz unveränderlich. ›Sie wolte / noch könte‹ / sagte sie /›ihre Mutter nicht verlaßen; zuvoraus weil ihr Glüksfal in einen so gar elenden Jammerstand sie versetzet. Sie wolte / ja müste mit ihr Guhtes und Böses ausstehen. Im allerfünstersten Gefängnisse würde dannoch ihre Tugend leuchten. Ja sie würde vielmehr leuchten / wan man ihr vergönte diese Treue / diese Liebe / wie sie gäntzlich beschlossen / ihrer Mutter zu erweisen. Der Himmel / der solches befohlen / würde deswegen über sie nicht zürnen. Vielmehr Gnade würde sie / indem sie also seinem Befehle gehorchte /von ihm erlangen. Hingegen müste sie seiner Strafe gewärtig sein; so fern sie / seinem Willen zuwider /ihre Mutter / in ihrer Noht und Trübsal verliesse / und ihrer / bei irgend einem wohllüstigem Leben / vergäße.‹

(131) Der Obervorsitzer fing hierauf wieder an zu reden. Wieder war er bemühet diesen Vorsatz ihr aus dem Sinne zu schwatzen. Unter andern gab er zu vernehmen: man wolte ihr alles / was sie auch immermehr bitten würde / sofern es ihr könte zugestanden werden / unverweigerlich zustehen. Nichts / ja gar nichts / was sie begehrte / wolte man ihr versagen. Nur allein vom Gefängnisse solte sie stil schweigen. Hierein zu gehen würde man ihr nimmermehr gestatten. Er für sein teil sei entschlossen / ihr lieber sein halbes Fürstentuhm / wan sie ihn darüm anlangete /abzuträhten / als in eine solche Bitte zu willigen. Ja sie solte versichert sein vom Stahtsrahte noch vielmehr zu erhalten. Aber daß sie sich des Glüks / oder vielmehr Unglüks ihrer Mutter teilhaftig machte /würde sie nimmermehr erhalten.

(132) Endlich / als man sahe / daß sie so gar fest auf ihrem Vorsatze verharrete / schlug man ihr noch dieses vor: sie solte dan / weil sie ja sonsten üm nichts anders zu bitten gesonnen / üm die Freiheit ihrer Mutter bitten. Auch dieses solte man ihr nicht abschlagen. Ihre große Tugend allein würde solches erhalten. Auf ihr begehren / und ihr zu liebe / ja zum troste / wolte man ihre Mutter von stunden an loß laßen. Von stunden [143] an solte sie ihrer Haft und ihres Gefängnisses entschlagen sein.

(133) Auf diesen so angenehmen / als unvermuhteten Vorschlag / fiel sie vol Freuden vor dem Stahtsrahte zur Erde nieder. Sie dankte Demselben für solche seine so hohe / so übermäßige Gnade; darüm sie Ihn / aus eigenem Antriebe / nicht anlangen dürfen. Weil sie aber / dessen sich zu unterfangen / von Ihm selbst gleichsam angetrieben würde; so könte sie anders nicht tuhn / als seinem so gühtigen Befehle gehohrsamen. Und dieses bezeugte der allerdemühtigste Fußfal / den sie itzund verrichtete: darzu sie zugleich diese gantz untertähnige Bitte fügte / daß man ihr dieselbe Gewährung / die man ihr so mildgühtig selbsten angebohten / widerfahren zu laßen gnädig geruhen wolle. Imfal man solches tähte / und ihre liebe Mutter aus ihrer Verhaftung loß liesse / würde sie nicht allein fröhlicher wieder aufstehen / sondern auch ihr gantzes Leben dem Stahtsrahte zum Eigentuhme wiedmen.

(134) Eben bei Schlüßung dieser Reden / kahm die Mutter selbst / die man hohlen zu laßen unterdessen ausgeschikt / in den Stahtssaal geträhten. Wie froh über diese Ankunft die Tochter war / ist nicht zu beschreiben. Sie sprang eilend auf / und lief ihr entgegen. Selbst im beisein so vieler Fürsten und Herren /fiel sie ihr üm den Hals / und empfing sie mit lauter Freudenküssen: die auf beiden Seiten mit vielen Freudenträhnen vermischt warden. Ja sie gebährdete sich nicht anders / als hetten sie einander in langer Zeit nicht gesehen.

(135) Nach volendeten diesen unterlichen Freudenbezeugungen / bedankte sich die Jungfrau gegen den Stahtsraht abermahl / daß er ihrer Mutter / auf ihr Bitten / die Freiheit wiedergeschenket. Auch baht sie zugleich / ihr nicht zu verargen / daß sie / aus übermäßiger kindlicher Liebe / deß Ansehens / und der Ehre /welche sie ihrer Obrigkeit zu geben schuldig / beinahe vergessen: indem sie / in ihrer Gegenwart / sich nicht entzogen ihrer Mutter mit solchen Liebesbezeugungen / die anderswo sich besser geziemet / so überflüßig zu begegnen.

(136) Weil nun / mit dem Abende / die Zeit herbei kahm / da der Stahtsraht scheiden solte / ward zu berahtschlagen nichts [144] mehr vorgenommen / als wie man diese Jungfrau / samt ihrer Mutter / in Sicherheit bringen möchte. Man besorgete sich / das gemeine Völklein / wan es der Mutter Entschlag erführe / würde darwider murren. Man befahrete sich / es möchte dadurch zum Aufstande bewegt werden. Man befürchtete sich / es möchte sich unterfangen an beiden einige Gewalttähtigkeit zu verüben. Und darüm sahe man für guht an sie heimlich an des Obervorsitzers Hof zu senden: da sie / weit genug von aller Gefahr / in Sicherheit leben / und das traurige Schauspiel / bei Einäscherung ihres Hauses / und Hinrichtung der verurteilten Ihrigen / nicht sehen könten.

(137) Hierzu ward dan die nächstkünftige Nacht bestimmet; weil die Volziehung des Urteils am folgenden Tage geschehen solte. Straks ward des Obervorsitzers Reisewagen / darinnen sie sitzen solten /angespannet. Seine Diener / welche sie zubegleiten befehl bekahmen / musten zur stunde sich färtig machen. Es ging alles gantz hastig zu. Alles muste schleunig geschehen. Und also schieden diese zwo Armsäligen von Timnat. Also verliessen sie / mit dieser Stadt / ihr unglükliches Haus / welches in wenig Stunden / zusamt den ihrigen / verbrant zu werden bestirnt war.

[145] [147]Das vierde Buch.

Die (1) Einteilung.


Nunmehr war der Tag / der des verfluchten Weibes letzter sein solte / schon angebrochen. Die Stunde der Volziehung des Urteils nahete herbei. Das Volk eilete mit Hauffen herzu. Die Heuser lieffen leer / die Gassen vol. Einieder verlangte das Haus der Mistähtigen im Feuer zu sehen. Man besetzte die Zugänge / den Drang der Menschen zu verhühten / mit Wachen. Man reumete rund herüm alles weg / was den Brand fassen konte / dem Fortlauffe desselben zu wehren. Die Streucher und Beume selbst warden abgehauen /und das Holtz darvon / den Schmauch üm so viel grösser und beissender zu machen / mit dürren Scheitern und Reisern / üm dasselbe her geleget.

(2) Nachdem nun alles färtig war / da kahmen die Fünffürsten auch an. Diese begaben sich sümtlich in ein Haus / das gerade gegen demselben der Verbrächer über stund. Von hieraus konten sie alles am füglichsten beschauen. Von hieraus konte die Anstalt am besten gemacht / und ihr Befehl am ersten vernommen werden. Von hieraus war es dan / daß der Obervorsitzer einen Wink gab das Feuer anzuzünden.

(3) Kaum war dieser Wink geschehen / da flakkerte / da rauchete / da schmauchete schon alles ringst üm das Haus her. Unterdessen hatten sich die drei Mistähtige / vielleicht aus Hofnung noch eine Zeit lang für dem Feuer versichert zu sein / oben auf das Dach begeben. Aber sie warden garzubald gewahr / daß sie diese Hofnung betrogen. Es war schier kein Augenblik verlauffen / als die Flamme schon hinauf geklettert kahm die Armsäligen zu ergreiffen. Ja die Lähne brante schon / da die Gottlose Frau / aus Verzweifelung / von oben herab sprang.

(4) Nun war nichts Schünes mehr an ihr. Sie schien die Häsligkeit / die Abscheuligkeit selbsten zu sein. Ja sie sahe [147] [149]nicht anders aus / als ein Höllengespänst /oder vielmehr als eine lebendige Teufelin; die sich etwan aus dem Abgrunde des ewigen Zornfeuers herauf begeben / die Menschen zu erschrökken. Indem sie / der einen Flamme zu entfliehen / sich in die andere gestürtzt / bläkete / ja brüllete sie eben so greulich / als hette sie im Agrigentischen glühendem Ochsen gelegen; den nachmahls Peril aus Ertze / zu seinem eigenen Verderben / erfunden.

(5) Fast eben also muste die unglükliche Kreuse / die der Medee den Jason abspänstig gemacht / in ihrem eigenen Schlosse / verbrennen. Fast eben also ward Alzibiades / in seiner Schlafkammer / mit Feuer hingerichtet. Den Pitagoras selbst / weil er einem Jünglinge seine Schuhle verweigert / überfiel eben ein solcher Glüksfal. Gleichwohl stehet es schweerlich zu gleuben / daß diese drei / mit so euserster Verzweifelung / ihre Seelen ausgespiehen / als jene drei: denen das inwendige Feuer ihrer Gewissen viel unleidlicher war / als dasselbe von aussen.

(6) Man hette sagen sollen / daß der aufsteigende dikke Dampf / welchen das schmauchende grühne Holtz machte / sie zur Stunde solte erstikt haben. Aber es schien / daß die Göttliche Rache sie üm so viel länger / als schweerlicher sie sich am Simson vergriffen / zu peinigen vorhatte: weil sie alle drei schier nicht eher zu leben aufhöreten / als die Flamme zu wühten nachlies. Ja das Gottlose Weib / das am allerlängsten lebete / muste die grösten und meisten Schmertzen ausstehen / als eines / das sich am allermeisten verbrochen. Doch dieses war nur ein kleiner Vorschmak des ewigen peinlichen Zornfeuers / das in der Hölle schon auf sie wartete.

(7) In drei oder vier stunden lag alles nieder. Alles war eingeäschert. Vom gantzen Hause sahe man nun nichts mehr / als einen Schut von Steinen / Kohlen /und Asche / mit welcher sich die Asche seiner Einwohner vermischete. Ein solches Grab bekahmen dieselben / die sich / durch Frevel / am Simson vergriffen. In einem so wüsten Bette muste nun dieselbe /die / durch Verrühterei und Treubrüchigkeit / ihr Ehbette besudelt / zur Strafe liegen.

[149] (8) Man hatte zwar im Anfange beschlossen diesen wüsten Schut zum ewigen Gedächtnisse liegen zu laßen. Weil er aber mitten in der Stadt lag / und sie nicht wenig verunzierte; so lies man ihn dannoch /nachdem er gantz ausgeschmauchet / wegreumen /und den Mistühtern zu mehrer Schande / selbst auf den Schündakker werfen. Auch ward ein immerwährender Schlus gemacht / daß auf den ledigen Platz / da dieses Haus gestanden / zu ewigen Zeiten kein anderes solte gebauet werden. Und damit solches der Nachwelt kund würde / lies man alda eine Gedächtnisseule von weissen Steinen aufrichten / und auf dieselbe das Urteil der verbranten Mistähtigen / mit schwartzer Schrift / schreiben.

(9) Nach Volziehung dieses Urteils fand man am Stahtshofe ein Lied angeschlagen; welches ein Ebräischer Dichter auf das hingerichtete Weib / das man billich die Gotlose / wie desselben Schwester die Tugendhafte Schöne Timnatterin / nennen mochte / verfärtiget. Und dieses lautete ohngefähr also.


1.
Leg' an / Filister / zünd' an / blas' an das Feuer!
Von Dans Gebürge komt dir der Wind zur steuer.
Laß sängen / brennen / laß brahten / daß es fühlt
die mit der Ehe / gleichals mit Bällen / spielt!
2.
Rott' aus den Schandflek / den Vorwurf aller Frauen /
dergleichen keine zu finden wir uns trauen!
Das Ungeziefer / die schnöde Schlangenbruht /
die Frau / vol Arglist / die nichts / als Böses / tuht!
3.
Laß Gluht und Flammen ihr einen Sarg bereiten /
und in den Abgrund den schnöden Geist begleiten:
da er wird fühlen die allerschweerste Pein;
da seine Schmertzen unendlich werden sein.

[150]

[151]
[152]
4.
Laß Eulen heulen / und sie zu Grabe singen /
da / wo die Stimmen der Schünderredden klingen;
da / wo der Rabe sein Kraskras lesset gehn.
Da sol ihr Grabmahl / im Schundgefilde stehn.
5.
Mich deucht / ich höre den Schünderkarn schon knarren /
der zu den Aesern selbst ihren Sarg sol karren.
Mich deucht / ihr Grabmahl sieht schon mein Auge stehn /
wo sonst die Hunde den Wanst zu weiden gehn.
6.
So schnöder Glüksfal mus auf die Schnöde fallen;
die unsren Danssohn getränket hat mit Gallen;
die ihn verrahten / beschimpft / verhöhnt / verschmäht /
dafür sie nunmehr den rechten Lohn empfäht.

(10) Unterdessen war die Schöne Timnatterin / samt ihrer Mutter / am Hofe des Obervorsitzers angelanget. Die Fürstin / welche von ihrer Ankunft / durch einen vorangeschikten Diener / schon Kundschaft erhalten / empfing sie überaus freundlich. Einer ieden ward alsobald ein sonderliches Zimmer eingereumet. Die Mutter bekahm das ihrige im Alten /und die Tochter im Neuen Schlosse; da die Fürstin sich selbsten aufhielt. Gleichwohl waren die Gemächer einander noch so nahe / daß Mutter und Tochter /durch einen Gang / leichtlich konten zusammen kommen.

(11) In diesem / welches an dasselbe der Fürstin sties / hatte das verstorbene Fürstliche Freulein ehmahls seine Wohnung gehabt. Jenes aber / darinnen die alte Hofmeisterin zu wohnen pflegte / befand sich neben dem Frauenzimmer. Die Fürstin / welche die Trauer über den Tod ihrer Fürstlichen Tochter erst vor kurtzer Zeit abgeleget / war froh / daß ihr das Glük / an jener stat / eine andere zugefüget. Und diese Freude lies sie öffendlich märken; indem sie dieSchöne Timnatterin zur [153] stunde so gar hoch begnadigte / daß sie dieselbe stähts üm sich zu haben begehrte. Ja sie befand in ihrer Geselschaft so viel Vergnügung / daß sie ohne sie fast keine Stunde tauren konte.

(12) Die Leutsäligkeit / damit diese löbliche Fürstin beiden begegnete / war nicht auszusprächen. Und hierdurch suchte sie ihr Hertzleid / wo sie es ihnen nicht gantz aus dem Sinne bringen könte / doch zum wenigsten zu lindern. Selbst gegen die Mutter war sie / üm der Tochter willen / so gühtig / daß sie / so oft sie allein war / zu ihr ging sie zu trösten. Auch vermochte dieser Trost so viel / daß die trübsälige Frau sich endlich in etwas zu frieden gab / und ihres unglüklichen Hauses immer mehr und mehr zu vergessen begunte. Und hierzu war sie üm so viel eher zu bewegen / wan sie sich erinnerte / daß ihr Ehgatte so wohl / als ihre ältere Tochter / die nunmehr beide hingerichtet waren / durch ihr widerspänstiges und eigensinniges wunderliches Wesen / sich selbst in solches Unglük gestürtzet.

(13) Die jüngere Tochter selbst schien über den Unfal ihies Vaters und ihrer Schwester / so oft ihr einfiel / wie übel sie beiderseits ihrer frommen Mutter zu ieder Zeit mitgefahren / nicht sonderlich betrübet zu sein. Und solches rührete daher / weil sie der Frömmigkeit ihrer Mutter / wie jene der Unahrt und Frefelhaftigkeit ihres Vaters / gantz nachahrtete. Auch war sie ihr gewislich von Angesicht und Leibesgestalt / ja selbst von Gebährden / wie jene dem Vater / so gar ähnlich / als wan sie etwan ein Bildschnitzer / mit großem Fleisse / nach dem Mütterlichen Wesen gebildet.

(14) Die Mutter / ob sie schon zimlich betaget /und in ihrem Ehstande viel Widerwärtigkeiten ausgestanden / war gleichwohl noch so jugendlich anzusehen / als hette sie kaum das dreissigste Jahr erreichet /und nichts / aus lauter guhte Tage / gehabt. Auch war sie so überaus weis / und so überaus wohl gebildet /daß ihr das Lob einer ausbündigen Schönheit noch itzund mochte gegeben werden. Eben so weis / eben so wohlgebildet / und eben so schön / ja noch viel schöner / weil sie ungleich jünger und zährter war /befand sich auch diese ihre Tochter: der zugleich alle die Tugenden / welche die Mutter besaß / von [154] ihr als angebohren zu sein schienen. Ja sie waren alle beide so guhtahrtig / so sanftmühtig / so leut- und redesälig / daß sie hierinnen einander gantz glichen.

(15) Hingegen war der Vater ein harter / eigenwilliger / arglistiger / wankelmühtiger Wunderkopf / und darbei sohl von Haut / und roht von Haaren. Eben so wunderlich von Gemühte / ja schier wunderlicher befand sich auch die ältere Tochter; die darzu überaus betrüglich / frech / und unbändig war: wiewohl sie eine mehr schwartzbraune / dan sohle Haut / io und ein dunkelrohtes Haar / auch nietliches Angesicht /mit helfunklenden Augen / hatte; daher sie nicht häslich / noch unlieblich zu sein / schien.

(16) Mit diesen Augen / in dem sie den Schalk durch freundliche / doch falsche betrügliche Blikke /gantz meisterlich zu verbärgen wuste / betrog sie auch den guhten Simson so weit / daß er sich einbildete / alles sei Zukker / was an Farbe dem Zukker sich gliche; ob es schon anders nichts / als herber beissender Kalk / war. Ja sie stahl ihm / indem sie / durch ein anmuhtiges für eine Zeit angenommenes Scheinwesen /ihn verliebt machte / das Hertz dermaßen / daß sie nach ihrem Gefallen darmit spielete / und den gantzen Simson schier drehete / wohin sie wolte.

(17) So betrüglich / ja so mächtig zugleich ist der euserliche Schein der Schönheit und Freundligkeit /wan man dem euserlichen Auge / sich daran zu vergaffen / den Zügel allein verhänget. Betrachtet man aber darbei auch das innerliche Gemühtswesen / und lesset sein Gemühtsauge desselben euserliche Kenzeichen / wie sie die Angebohrenheit giebet / recht eigendlich beschauen; so wird man zur Stunde derselben Verstellung märken / und der Gefahr betrogen zu werden entgehen können. Hette Simson auf diese Kenzeichen / damit seine gottlose Frau kenlich genug bezeichnet war / ein schärferes Auge geworfen; so würde sie ihm ihr falsches und betrügliches Hertz so nakkend haben sehen laßen / daß der betrügliche Schein ihrer euserlichen Schönheit und gestelleten Freundligkeit die Macht nimmermehr haben können ihn so gar zu verblenden / [155] und in einen so gefährlichen Irgarten der Liebe zu führen.

(18) Aber hierdurch betrog sie vielmehr sich selbst / als den guhten Simson: indem sie deswegen mit dem zeitlichen und ewigen Feuer gestrafet ward. Ja ihr böses Gewissen peinigte sie selbst nach ihrem Tode dermaßen / daß ihr Gottloser Geist / in eben derselben erschröklichen Gestalt / wie man sie im Feuer gesehen / auf der Feuerstätte ihres Hauses alle Nächte herümschwärmete. Und das war ein gewisses Zeichen ihrer eusersten Unruhe / wo nicht auch zugleich ihrer ewigen Verdamnis.

(19) Dieses Spüken und Irregehen auf der Feuerstätte währete so lange / bis der Schut des eingeäscherten Hauses vor die Stadt / in die Schünderkuhle / geführet war. Alda lies sich dan das Spükenis von neuem sehen. Alda überwarf es sich mit den tohten Aesern. Alda rasselte und klapperte es mit den abgefleischten Gerüppen dermaßen / daß der Schünder in seiner Wohnung nicht bleiben durfte: zumahl weil es alles dieses Unzeug selbst vor seine Tühre geschleppet brachte / gleichals wan es dasselbe bei seinem Grabmahle zu liegen nicht gestatten wolte. Ja die Schünderhunde / die Anfangs abscheulicher Weise geheulet / lieffen zuletzt alle darvon / und gaben die Schünderei dem Gespänste zum besten.

(20) Sobald der Obervorsitzer wieder an seinem Hof gelanget / erzehlte er diese Begäbnis den beiden Trübsäligen; welche darüber nicht wenig bestürtzt warden. Sonderlich zog es ihr die Mutter so heftig zu Sinne / daß sie drei Tage lang zu Bette lag. Sie war betrübet / daß sie eine so ungerahtene verfluchte Tochter gebohren. Ja sie grähmete sich deswegen so sehr / daß sie von Tage zu Tage mehr und mehr ab nahm / und schier nichts / als Haut und Gebein / an ihrem Leibe behielt.

(21) Aber durch guhte Wartung / und heilsame Mittel / welche die Aertzte verordneten / kahm sie gleichwohl bald wieder zu rechte. Hierzu half auch nicht wenig die überschwänglich große Gnade / damit ihr / und ihrer Tochter der Fünffürst so wohl / als seine Gemahlin / anderwärts täglich begegnete: indem sie von beiden / in ihrer Betrübnis / alle bedenkliche[156] Trostmittel empfingen / und die Mutter nunmehr nicht allein sich zur Hofemeisterin über das Fürstliche Frauenzimmer bestellet / sondern auch ihre Tochter selbst in den Fürstenstand erhoben / ja gar zur Fürstlichen Tochter und Erbin volkömlich bestähtiget sahe.

(22) Bei solcher Veränderung von aussen / veränderte sich auch von innen der gantze Zustand ihres Gemühtes. Beide / Mutter und Tochter / vergaßen nunmehr alles ihres Unglüks. Alle Traurigkeit verschwand aus ihrem Hertzen. Sie gedachten nun nicht einmahl an Timnat / vielweniger an ihr unglükliches Haus. Ja sie wolten nicht eins darvon hören. Und eben darüm geboht der Fünffürst seinem gantzen Hofgesinde von allem / was sich zu Timnat begeben /nicht das geringste zu gedenken. Also ward diese Trauergeschicht vom gantzen Hofe verbannet: damit in den Gemühtern derselben / welche sie so nahe betraf / die alte Traurigkeit / durch unvorsichtiges erzehlen eines so verdrüßlichen Handels / nicht etwan erneuert würde.

(23) Unterdessen suchte zugleich der Fünffürst auf allerlei Weise sie bei solcher Undacht zu erhalten. Und zu dem Ende trachtete man ihnen täglich eine neue Freude zu machen. Bald ergetzte man sie mit lustigen Schauspielen. Bald warden ergetzliche Reientäntze gehalten. Bald musten die Meistersänger und Seitenspieler sich hören lassen. Bald begab man sich / wan der Himmel klahr / und das Wetter heiter war / auf das Feld. Bald erlustigte man sich in den Weinbergen. Bald ging man lustwandeln in den Obst-und Bluhmen-Gärten. Ja wan die eine Lust vorbei war / dachte man straks wieder auf eine andere.

(24) Unter allen diesen Ergetzungen ward auch ein Ring- und Fecht-spiel der Riesen angestellet. Fünf paar Riesen rangen zusammen. Ie zween und zween gingen auf einander loß. Und dieses geschahe mit solcher Gewalt und Behändigkeit / daß der eine den andern oftmahls in einem Augenblikke zu Bodem warf. Das eine Paar hielt gleichwohl / indem sie einander /eben wie Bitus und Bachius / nichts zuvor gaben / schier eine Stunde stand / ehe der eine den andern übermochte. Wan jener den hiesigen bei der Hüfte zu fassen bekahm / wüste sich [157] dieser aus dessen Armen straks wieder loßzuschwänken / und zwar mit solcher Behändigkeit / daß er ihn selbst bei dem Mittel ergrif / doch eben so bald wieder loßzulaßen gezwungen ward. Dieses Ringen währete so lange /bis der eine den andern so müde gemacht / und so feste hielt / ja so gewaltig schwänkte / daß er sich keines Weges loßzumachen vermochte.

(25) Hierauf gingen sie auch mit großen Höbebeumen zusammen. Und iedes Paar fochte wieder absonderlich. War das vorige Faustgefechte heftig gewesen / so war dieses noch viel heftiger: indem der eine seinen zwischen des andern Beine gebrachten Höbebaum mit aller Gewalt und Geschwindigkeit schwönken muste / wan er ihn wolte zu Bodem werfen: da inmittelst dieser mit dem seinigen nicht weniger feierte. Wernun niedergeworfen lag / oder sich seinen Höbebaum aus der Faust winden lies / der muste dem andern gewonnen geben.

(26) Dieses Riesengeschlächt war vom alten so genentea Arba entsprossen: welcher solchen seinen Nahmen nicht daher / daß er nur vier Ellen oderEllenbogen lang / wie etliche / doch vergeblich /meinen / solte gewesen sein / bekommen; sondern von den berufenen vier Riesen / davon er den einen selbst / nähmlich den Enak oder Anak / und dieser sein Sohn die andern drei / den Achiman /Sesai / und Telmai / gezeuget: wiewohl man ihm alle vier / als seine Kinder / zugeschrieben.

(27) Von gemeldtem Arba oder vielmehr Abi- Arba / wie sein völliger Nahme gewesen zu sein scheinet / führete die Stadt Hebron / die sonst auch Mamre hies / weil er / mit diesen vier Riesen / seinen Sitz alda gehabt / und wo er sie nicht selbst gestiftet / doch zum wenigsten zur Festung und Kriegesstadt / darinnen der Riesen Zeug- und Rüst-haus stund / gemacht / den Zunahmen Kirjat-Arba /das ist des Arba Stadt: gleichwie die StadtDebir / die ebenmäßig den Enaks Kindern oder Föniziern zukahm / da auch ihre Hohe Schuhle war / sonsten Kirjat- Arche / das ist der Uhikunden Stadt / nach des Kaldäers Tahlmetschung / und Kirjat-Sefer / die Bücherstadt / als auch / Kirjat-Sanna / dieStadt der Satzungen und Lehre zubenahmet ward.

[158] [160](28) Aber obschon dieser Arba der Urhöber und Ertz- oder Stam-Vater des Kanaanischen Riesengeschlächts war / so führeten doch diese Riesenvölker ihren Nahmen nicht von ihm / sondern von seinem Sohne dem Enak oder Anak / der von seiner Halskette / die er zur Pracht trug / wo es nicht vielmehr ein Halsring oder Kragen gewesen / also benahmet ward; und nenneten sichBene-Anak / das ist Enakskinder oderEnaker: aus welchem Geschlächtsnahmen nachmahls der Föniker oder Fönizier / oder auch Pöner / und Puniker Nahme / darunter man nicht allein die Riesen von Kanaan / sondern auch alle die andern Kanaaner / die mit ihnen eine Völkerschaft machten / verstund / in andern Sprachen gebildet worden.

(29) Achiman / der älteste Sohn des Enaks / war ein überaus großer und starker Riese: daher er sich auch Achiman / das ist Wer ist mein Bruder? als wolt er sagen / Wer ist mir gleich? oder Wer ist so stark und mächtig / als ich? nennete. Diesen Nahmen scheinet der erste Persische König / den die GriechenAchemenes nennen / von gemeldtem Enakssohne entlehnet zu haben. Auch ist er in Wahrheit ein solcher / welcher der Königlichen Pracht / und dem Persischen Hochmuhte wunderwohl anstehet.

(30) Sesai / der zweite Sohn des Enaks /scheinet / diesem Nahmen nach / der so viel / als ein Sechser / oder Sechsling / heisset / sechs Ellen oder Ellenbogen lang / wie Goliat / gewesen zu sein. Der Dritte / Telmai oder Talmai / welches Wort eine Furche bedeutet / giebet uns /durch diesen Nahmen / seine so ungeheure Länge /daß sie einer Furche / die man in die Länge gezogen / nicht ungleich / ebener gestalt zu verstehen.

(31) Von itzterwähnten vier Riesen oder Riesenkindern hat das Kanaanische Riesengeschlächt sich mit der Zeit solcher gestalt ausgebreitet / daß es eine gantze zimlich große Landschaft in Kanaan schier allein beschlug. Und von diesem Geschlächte waren eben dieselben Riesen / vor derer ungeheuren Grösse die ausgeschikten Kundschaffer des gelobten Landes dermaßen erschraken / daß ihnen / bei ihrer Wiederkehr zu [160] den Israelern / der Mund darvon so vol war / daß sie der andern Kanaaner kaum einmahl gedachten. »Des Landes Einwohner« / sagten sie /»seind überaus große und starke Leute / und die Städte sehr feste. Auch sahen wir alda Enakskinder. Sie seind uns zu stark.« Ja sie konten nährlich aufhören solches zu wiederholen. »Alles Volk« / rieffen sie fast immerzu / »seind Leute von großer Länge. Wir sahen auch Riesen daselbst / Enakskinder von den Riesen: und wir waren gegen sie als die Heuschrökken.«

(32) Daher entstund im Läger der Kinder Israels ein solches Schrökken und Murren widerMosen / daß sie immerzu rieffen: »Wer kan stehen für den Enakskindern?« Gleichwohl überwand sieJosua / und trieb alle dieselben / die er nicht vertilgete / aus ihrem Lande / zu den Filistern: da die übrigen zu Gat / als auch zu Azot / und Gaza /in welchen drei Städten der Filister sie auch nur allein gewohnet / bis auf die Zeit Davids geblieben zu sein scheinen. Dan daß der Riese Goliat / den David selbst mit einem Schleidersteine zu tode warf / wie auch desselben Bruder Lahemi oderLachmi / dessen Spiesstange wie ein Weberbaum war / den Elhanan fällete / Sibai oder Sippai / den Sibeachi erschlug / Isbi zu Nob oder vielmehr Isbibenob / den Abisai töhtete / und dan derselbe / der an ieder Faust sechs Finger / und an iedem Fuße sechs Zeen hatte / den Jonatan / Davids Bruders Sohn / erlegte / sämtlich Enakskinder gewesen / schlüßen die Ebräische Schriftgelehrten daher; weil sie alle von Gat bürtig waren.

(33) Ob aber der so genente Egiptische Riese von fünf Ellen / an welchen sich Benaja /der auch einer von den Helden Davids war / und drei Leuen erlegte / nur mit einem Stokke wagen dürfen / und ihn mit seinem abgerungenen eigenem Spiesse / dessen Schaft wie ein Weberbaum anzusehen / gleichwohl erwürget / mit unter hiesige desEnaks Nachkommen / weil er sich in der Gegend ihres Vaterlandes / oder nicht weit darvon / dazumahl aufgehalten zu haben scheinet / zu rechnen sei; darvon mögen andere urteilen.

(34) Ausser diesen vom Enak / oder Arba entsprossenen Riesen / [161] hat man auch / in etlichen ihnen benachbahrten Ländern / vor der Zeit noch andere gefunden; welche die Enakskinder in Kanaan nicht angingen / auch allesamt absonderliche Zunahmen führeten: wiewohl sie / der Grösse / Länge / und Stärke nach / ihnen gleich waren. Derer Länder gedenket die heilige Schrift fürnähmlich viere. Das erste war Basan / welches auch alda ausdrüklich dasRiesenland genennet wird: dessen König Og /den die Kinder Israels vertilgeten / von den alten Riesen desselben nur allein noch übrig geblieben. Von dieses Königes ungeheurer Grösse kan aus seinem eisernen Spanbette / das / nach eines Mannes Ellenbogen / neun Ellen lang / und viere breit war / und zu Rabbat der Kinder Ammons in Verwahrung stund / leichtlich geurteilet werden.

(35) Die andere zwei Riesenländer waren dieselben / welche den Kindern Ammons / undMoabs / weil sie beiderseits aus des frommenLots Nachkommen entsprossen / zu besitzen gegeben worden. In dem einen dieser beiden Länder wohneten vor Zeiten diejenigen Riesen / welche / von ihrer erschröklichen Leibesgestalt und Grösse / die Emer / oder eigendlich / nach der Grundsprache dis Wort auszusprächen / die Emim / das ist Erschrökliche / genennet / und von den Moabskindern verjagt warden: im andern aber die so genenten Sammesumer oder Sammesumim /das ist Boßhaftige; denen die Ammonskinder selbst / welche sie ausrotteten / weil sie so überaus hochmühtig / trotzig / und wühte risch waren / daß sie als solche / die sich auf ihre mächtige Stärke verliessen / nur lauter Boßheit verübeten / diesen Beinahmen gegeben.

(36) Das vierde gemeldter Riesenländer befand sich auf und neben dem Gebürge Seir: da vor diesem die Horische / das ist Herrische / Riesen / oder die Horer / oder wie das Wort in seiner eigenen Sprache lautet / die Horim / das ist dieHerlichen / Fürtreflichen / wohneten; welche die Kinder Esaus oder Edoms / auf GOttes Verhängnis / weil sie von dem frommen ErtzvaterIsaak herstammeten / vertrieben / und sich alda an ihre stat gesetzet. Aus diesem so prächtigen und hochmühtigem Nahmen / der wohl allen Riesen und [162] Helden algemeiner Nahme sein möchte / scheinet es / daß diese Seirische Riesen den Kanaanischen oder Enakischen an Pracht und Herligkeit nichts zuvor geben wollen. Auch stehet hieraus zu vermuhten / daß sie eben ein solches prächtiges Riesen- oder Helden-Zeichen / das man vermeinet gemeiniglich von Golde gewesen zu sein / wie die Enaks Kinder / am Halse getragen.

(37) Dergleichen Riesen- oder Helden-Zeichen trug auch jener Frantzösische Riese / der auf einer Brükke des Anienflusses / zum Streite die Röhmer eben so trotzig / als Goliat die HeldenIsraels / ausforderte; doch durch die tapfere Faust des Titus Manlius erleget ward: welcher auch nachmahls / weil er diesem Riesen seines Riesenzeichens beraubet / Torkwatus / das ist der Riesenzeichenträger / oder Halsschmukträger / genennet ward.

(38) Weil nun dieser Hals- und Helden-schmuk /welcher ein Zeichen sein solte der Gewalt und Obermacht / damit sich die Riesen / wo nicht alle / doch die stärkesten und mächtigsten / über andere Menschen erhuben / und gleichsam über sie herscheten /oder zu herschen trachteten / von den Riesen / zuvoraus vom Enak / welcher der allererste Halsschmukträger / wie sein Nahme lautbarlich anzeiget / gewesen zu sein scheinet / seinen Uhrsprung gewonnen; so darf man wohl sagen / daß er zugleich das erste Zeichen des Adels / ja die Riesen selbst dieselben gewesen / von denen der Adel- und Ritter-stand in der Welt zum allerersten geführet worden.

(39) Auch ist es erweislich / daß der Adelstand von den Riesen / und die Riesen selbst schon vor der Sündfluht / ja diese zugleich / üm ihrer Boßheit willen / entstanden: daher dan der Adelstand eben so alt ist / als die Ahrt der Riesen. Dan als die Kuhrkinder GOttes / nähmlich des Gottsfürchtigen Sets und Enochs Nachkommen / die Schönheit der Töchter der Menschen / die vom Gotlosen Kain herstammeten / sich dermaßen betöhren ließen / daß sie lüstern warden sich mit ihnen / auf eine bloßfleischliche / ja gantz geule viehische Weise / zu vermischen; da zeugeten sie / aus solchem so unkeuschen / unzüchtigen / und ungeziemten Beischlafe / gantz ungeheure / [163] gantz erschrökliche / ja gantz boßahrtige Kindet / nähmlich die allererste Riesenahrt: daraus die Gewaltigen / die Wühteriche / die berufenen Leute der Welt entstunden; welche die Erde so lange mit Boßheit und Frefel / indem sie sich auf ihre Macht und Stärke verliessen / und alles zu überherschen trachteten / erfüllet / bis sie GOtt / durch die Sündfluht / vertilgete.

(40) Eben eine solche Riesengebuhrt wird auch dem Nimrod / der aus dem unsäligen Stamme des verfluchten Hams entsprossen / und in der heiligen Schrift / ein gewalliger Jäger vor dem HErrn genennet wird / zugeschrieben. Dan wie er /nach der Sündfluht / der erste Riese / der die kurtz zuvor vertilgete Riesenahrt wieder angefangen / gewesen zu sein scheinet; so war er auch / nach eben derselben Sündfluht / der erste / der ein gewaltiger Herr auf Erden zu sein begunte; indem von ihm der Adel- und Herren-stand einen neuen Uhrsprung gewonnen / und bis auf diese Zeit / wiewohl nach und nach mit besserem Fuge / fortgepflantzet worden.

(41) In währender dieser Fortpflantzung / ist auch der Adel mit der Zeit gewislich immer edeler und edeler worden / das ist dem rechten Adlichen Tugendglantze näher und näher gelanget. Und dieses geschahe fürnähmlich üm die Zeit / da die Riesische Wühterei / zusamt ihrem Hochmuhte / durch anderer rechtschaffener redlicher Menschen Tapferkeit / gedämpfet / und die ungeheure Riesenahrt selbst / die dem Menschlichen Geschlächte zur Plage / seiner überheuften Sünden wegen / entsprossen zu sein schien / vom Erdboden vertilget zu werden begunte.

(42) Daher ist es dan kommen / daß sich zwischen dem damahligen ersten unredlichem und gantz unrechtmäßigem Riesen-Adel / und dem nachmahligen anderem unter andern Tapferen redlichen Menschen entsprossenem rechtmäßigem Adel freilich ein großer Unterscheid befunden.

(43) Jener ward mit bloßem Gewaltzwange / durch keine sonderliche Weisheit / viel weniger durch Frömmigkeit / und Tugendhaftes Leben / behauptet. Dan wer dazumahl andern Menschen an Macht /Tumkühnheit / und Stärke solcher Gestalt [164] überlägen war / daß er sie / mit unredlicher wühterischer Gewalt bezwingen / berauben / ja gar ermorden konte / der wolte vor allen der Ansehnlichste / Fürnähmste / und Edleste gerühmet sein: ob er schon / in allen seinen Tahten / weder Tapferkeit / noch einigen andern Tugendadel / ja nicht einmahl die geringste Scheintugend erwiesen.

(44) Dieser aber / der nachmahlige rechtmäßige Adel / weil er / wo nicht allezeit von Gottsgleubigen /doch gleichwohl sonst Frommen / Tugendhaften / und Tapferen redlichen Menschen / die man Helden genennet / oder zum wenigsten von denen / welche /dem euserlichen Ansehen nach / solche zu sein schienen / gehandhabet worden / war jenem schnuhrstraks zuwider: indem er vom Riesischen Gewaltzwange so weit abgewichen / daß er allein die Tugend / es sei würklich / oder nur scheinbarlich / zum Ziele bekahm.

(45) Und also erscheinet hieraus / daß der erste oder Riesische Adel / weil ihm die Menschliche Tugend gemangelt / bei nahe nichts anders gewesen / als ein Tierischer / ja viehischer Adel; der sonst einem Elefanten / Nasenhörninge / Stiere / Leuen / Tieger /und anderem starken Tiere / das sich auch oftmahls viel Redlicher und Edeler / als solche Unmenschen /erweiset / kan zugeschrieben werden. Daß aber von solchem tierischen Riesenadel der nachmahlige Menschliche seinen Uhrsprung gewonnen / erscheinet unter andern auch hieraus: weil schier die meisten /sonderlich die uhralten Adlichen Geschlächter / in ihren Wapen und Schilden / nichts anders / als greuliche / wühtende / und reissende Tiere / ja Raub- und andere grimmige beissende Vögel / welche sie vielleicht von den Schilden der Riesen entlehnet / noch itzund zu führen pflegen.

(46) Ich wil mehr sagen: selbst den NahmenEnak oder Anak haben die alten so wohl Geschicht- als Gedicht-schreiber / und andere so heilig und hochgehalten / daß sie ihn von den Riesen inKanaan entlehnet / und gemeiniglich den Königen / und Helden / die anderen an Macht und Herligkeit vorgingen / als einen herlichen / prächtigen und fürträflichen Nahmen / zugeeignet. So seind Tritopatreus / Eubuleus / [165] Dionisus / und die Ziprischen Könige / samt ihren Söhnen und Brüdern /wie auch die Zwillingssöhne der Lede / Kastor / und Pollux / weil sie / wo nicht allezeit an Leibeslänge / doch an Gestalt / und Herligkeit des Nahmens / andere Menschen übertrafen / Anaker oderAnakskinder / ja selbst der zween letzten ihr Heiligtuhm zu Atehn das Anakische genennet worden.

(47) Hierher gehöret auch / was vom Vater des berühmten Heldens Asterius / dessen Leichnam man auf einer Insel / die von ihm den Nahmen bekommen /zehen Ellebogen lang gefunden / gemeldet wird: nähmlich daß er Anak oder Anax geheissen. Eben denselben Ehrennahmen führete gleichesfals der Riese Abkamazi / dessen Ribbe / neun Spannen lang /und zwo breit / im Damaskischen Schlosse zur Schaue war aufgehänget; weil er über die gantze Welt / vielleicht in seinen übermühtigen Gedanken / solte geherschet haben.

(48) Was sonsten die Griechischen / und / denen zur Folge / die Lateinischen Dichtmeister / ja etliche Geschichtschreiber selbst vom Fünitzischen RiesenAntäus / daß er sechszig / oder / wie etliche wollen / vier und sechszig Ellebogen lang gewesen / und von anderer dergleichen ungleublicher Grösse so wohl /als Stärke gemeldet / dasselbe haben schon vorlängst / als eitele Mährlein und Dichteleien / unterschiedliche Gelehrte Leute verworfen: wiewohl es nicht zu leugnen / daß solche Mährlein und Dichtwerke /durch ihre Meister / aus wahrhaftigen Geschichten gekünstelt worden.

(49) So scheinet es / daß sie dem Leibe des Antäus daher eine Länge von sechszig oder vier und sechszig Ellebogen zugeschrieben; weil vielleicht sein Raubschif / damit er die See unsicher machte / so viel Ellebogen lang / oder aber seine Schifsfluht mit so viel Raubschiffen versehen gewesen. Auch waren die güldnen Aepfel / in den Hesperischen Gärten / die ein Drache bewahrete / nichts anders / als der Schatz von vielem Golde; den Antäus / durch seine Raubschiffe / die gleich den Drachen oder Schlangen / in der Libischen See / herümschwammen / und andere reichbeladene Schiffe gleichsam verschlangen / [166] nicht allein beschirmet / sondern auch selbst zu wege gebracht.

(50) Von diesen Raubschiffen / mit welchen die Enakskinder oder Fönizier / nachdem sieJosua / und nach ihm David vollend / aus ihrem Vaterlande vertrieben / auf der See herümschwärmeten / und andere Seefahrende beraubeten / haben die alten Heidnischen Dichter / wie es scheinet / zugleich Anlaß genommen / die Riesen selbsten ohne Unterscheid / ob sie schon vom Enak nicht herstammeten /Nattern- oder Schlangen-füßer / als wan sie / an stat der Füße / Schlangen- oder Drachen-schwäntze gehabt / ja selbst Schlangen- oderDrachen-gebuhrten / und Natterngezüchte / das ist Schlangenkinder / zu nennen: wiewohl sie etliche aus der Erde / die aus desHimmels Schaam oder Gebuhrtsgliede / nachdem es sein Sohn Saturn abgeschnitten / das Bluht empfangen / andere / ohne dasselbe / nur allein aus der Erde / gebohren zu sein dichten.

(51) Dieselben / welche sie aus der Erde /nachdem sie das Himlische Bluht empfangen /entsprossen zu sein dichteten / hatten ohne Zweifel aus der Heiligen Schrift / durch hörensagen / vernommen: daß die ersten Riesen vor der Sündfluht vonden Kindern Gottes / da sie sich mit den Töchtern der Menschen vermischet / wie droben schon gemeldet / gezeuget; wie auch / daßNoah / der Uhrhöber des Menschlichen Geschlächtes nach der Sündfluht / und dem zur Folge zugleich der Riesen / von seinem Sohne dem Harn / aus dem sie ihren wühterischen Saturn / wie aus jenem ihren gühtigen Himmelsgötzen / gemacht / als er des schlafenden Vaters entblößete Schaam gesehen / verspottet worden. Hieraus haben sie dan ihr Dichtwerk / wie sie pflegen / geschmiedet /und beide wahrhaftige Begäbnisse / wiewohl die erste sich vor / die andere nach der Sündfluht zugetragen /in eine einige bloß ja kaum wahrscheinliche zusammengeflikket.

(52) Die andern / welche die Riesen nur allein /und nicht durch Hülfe des Saturns / aus der Erde gebohren zu sein fürgeben / scheinen ihr Absehen vom Riesischen Seereuber Antäus / und seinem Anhange genommen zu haben. [167] Dieser / wan er etwan auf der See vom Herkules geschlagen worden /pflegte sich auf dem Libischen Lande / da er gebohren war / wieder zu stärken. Daher hat man dan gedichtet / daß Antäus / so oft er / im Ringen mit demHerkules / seine Mutter / die Erde / berühret /allezeit neue / und so starke Kräfte bekommen / daß ihm sein Widerfechter nichts abhaben können; bis er ihn in die Luft gezogen / das ist auf der Höhe des Meeres / ihm den Weg zum Libischen Lande gantz abgeschnitten.

(53) Aber weil die Götliche Schrift fürnähmlich von zweierlei Riesen redet / nähmlich von den ersten vor / und von den andern nach der Sündfluht; so ist vermuhtlich / daß die Heidnischen Dichter die ersten /welche GOtt durch die Sündfluht vertilgete / Titaner / die andern aber Wiganten / das ist Riesen oder Heunen / beide Riesenahrten voneinander zu unterscheiden / mit sonderlichen Nahmen nennen / ja jene vor Kinder des Himmels und der Erde / diese aber allein vor Erdenkinder eigendlich ausgeben wollen. Und solches erscheinet daraus / wan sie dichten / daß die Erde den Göltern zur Rache / von denen sie sich beleidigt befunden / weil sie die Titaner / welche sich wider sie aufgelehnet / vom Eidboden vertilget / die Wiganten gebohren.

(54) Durch dieses Auflehnen und Entpöhren der Titaner wider den so genennten Jupiter / dessen Herschaft sie nicht vertragen wollen / wie auch wider die andern Götter / die ihm beistunden / kan nichts anders verstanden werden / als die euserste Boßheit der ersten Riesen vor der Sündfluht: welche dem Gebohte des allerhöchsten GOttes / und den Ermahnungen seiner drei getreuesten Nachfolger zu der Zeit solcher Gestalt widerstrebeten / daß sie dieselben selbsten gleich als mit Kriege verfolgeten. Diese drei waren Set / der erste Bußprediger in der Welt /Enoch / der auch so ein Götliches Leben führete / daß ihn GOtt den boßhaftigen Weltkindern entzog / und gar zu sich nahm / und dan Noah / der nicht weniger from und ohne Wandel / ja eben so Götlich lebete.

(55) Wan gemeldte Dichteler weiter dichten / daßJupiter mit den andern Göttern einen Bund gemacht / und sie über [168] einer aufgerichteten Reucherhöhe / die nachmahls zum ewigen Gedächtnisse solches Bundes unter das Gestirne gesetzt worden / schwöhren laßen / daß sie ihm / im Kriege wider die Titaner getreulich beistehen wolten; dasselbe haben sie aus der Geschicht des Noah entlehnet: welcher dem HErrn / zur Dankbarkeit für die Errettung aus der Sündfluht eine Höhe bauete / und auf derselben seinen Gottesdienst / durch eine Brandgabe von allerlei reinem Vieh / und Gevögel / verrichtete: da dan der HErr den lieblichen Geruch gerochen / und einen ewigen Bund mit Noah gemacht / daß Er hinfort keine. Sündfluht mehr / welche die Erde / samt den Menschen / verderbete / wolte kommen laßen; ja zum ewigen Zeichen solches Bundes den Regenbogen in die Wolken gesetzet / damit Er ihn ansehen / und seines ewigen Bundes / den Er zwischen Ihm / und allem Fleische gemacht / gedenken möchte.

(56) Hier wird unserer Meinung nichts benommen /obschon diese Mährleinkünstler die Zeit der Begäbnis / samt ihren Umständen / verkehret: indem sie / nach ihrer alten Leier / dasselbe / was nach dem Kriegeder Titaner / und ihrer Vertilgung / darbei wir die Sündfluht verstehen / wahrhaftig sich zugetragen /vor solcher Vertilgung geschehen zu sein dichten. Auch hindert es nichts / daß sie / an stat des Regenbogens / die Reucherhöhe hinauf in die Wolken / oder unter die Sterne gesetzt / und den wahren Gebrauch derselben in einen gantz andern verdrehet und ümgekehret.

(57) Nicht weniger gehöret es mit unter die Begäbnisse der Sündfluht / wan sie gedichtet / daß aus dem Bluhte der Titaner / welches bei währender Schlacht / die Jupiter mit ihnen gehalten / aus ihren empfangenen Wunden auf die Erde geflossen /allerlei Ahrten des Ungeziefers / als Schlangen / Drachen / Nattern / Blindschleichen / und dergleichen giftige Würme gezeuget worden. Dan freilich stehet es zu vermuhten / daß nach abgelauffenem Wasser der Sündfluht / da die ersoffenen Leiber der Riesen im Schlamme vermodert und halb verfaulet gelegen / zumahl als dieser Schlam durch die Wärme der Sonne sich erhitzet / aus ihrem verfauletem nicht allein Bluhte / sondern auch Fleische zugleich ein solches giftiges Ungeziefer [169] gewachsen. Und dieses ist der Wahrheit nicht unähnlich; weil uns die Naturkündiger / aus der Erfahrung / selbst berichten wollen / daß auch aus dem Gehirne der Tohtenköpfe zuweilen Schlangen entsprössen.

(58) Was nun eben dieselben von den Wigan ten oder Riesen nach der Sündfluht in der Folge dichten / nähmlich daß sie / den Himmel zu stürmen /und die Götter herunter zu stürtzen / auf den BergPelion den Olimp und Ossa / die alle Tessalische Berge waren / zu tragen sich unterwunden; wie auch große brennende Beume / und ungeheure Steinfelsen / aus denen dieselben / die auf die See gefallen /zu Inseln / die aber auf die Erde zu liegen kommen /zu Bergen geworden sein sollen / nach dem Himmel zu geschleidert: das haben sie aus der Geschieht der Nachkömlinge des Noah genommen; welche nach der Sündfluht die Stadt Babel / mit einem ungeheuren Turne / dessen Spitze bis an den Himmel reichen solte / von Steinen zu bauen sich unterstanden. Und hierzu wird Nimrod / der auch / wie er der erste König in der Welt / nähmlich zu Babel selbsten /war / also vor den ersten und ältesten Riesen nach der Sündfluht gehalten wird / freilich der Anstifter und Uhrhöber gewesen sein.

(59) Auch ist es aus eben derselben Geschieht entsprossen / wan man gedichtet / daß etliche ungeheure Riesen unterschiedliche große Berge selbst / als Enzeladus den Pindus / Tiföus den Ossa / Porfier den Pangäischen / undAdamaster den Rodope / nach den Wolken zu geschleidert / als sie den Himmel zu stürmen und einzunehmen sich unterstanden. Hierbei stehet es zu verwundern / daß man den Asträus mit unter diese Himmelsstürmer und Götterfeinde gezehlet / da er doch aus der Aurora / neben den Winden / welche / wie es scheinet / zugleich mit haben stürmen sollen /die Asträe / der man / ihres rechtfärtigen Wandels wegen / den Nahmen der Gerechtigkeit zugeeignet / ja sie selbst unter das Gestirne gesetzet / sol gezeuget haben.

(60) Es scheinet zwar lächerlich / und gantz ungereimt / wan sie von diesen Wiganten ferner vorgeben dürfen / als hetten sie die Götter / durch ihre ungeheure Grösse / dermassen erschrökket / [170] daß sie die Flucht nehmen / ja gleichsam in eine andere Haut kriechen / und also / unter mancherlei Tiere Gestalt /sich in Egipten verbärgen müssen; wie auch / daß sie endlich dieselben gar vom Erdboden vertrieben. Gleichwohl hat dieses lächerliche Mährlein seinen Grund in der Geschicht der frommen Ertzväter des Volks GOttes / Abrahams und Jakobs: von denen man lieset / daß sich beide / zuvoraus Jakob oder Israel mit allen seinen Kindern und Kindeskindern / eine Zeit lang in Egipten aufgehalten. Zudem bezeugen auch die Geschichte / daß die Egipter ihre Götter unter mancherlei Tiere Gestalt geehret. Ja es scheinet aus vielen Umständen / daß sie den Josef / des Jakobs Sohn / selbsten / unter der Gestalt eines Ochsen / nach seinem Tode vergtlichet. Daher haben dan diese Gedichtkünstler zugleich Anlaß genommen / ihr Mährlein üm so viel wunderlicher zu künsteln.

(61) Im übrigen haben eben dieselbe Riesen die Götter freilich vom Erdboden vertrieben / oder vielmehr zu vertreiben sich unterwunden: indem sie den wahren Gottesdienst / der ihrem Unwesen schnuhrstraks zu wider / und desselben Ergebene zum eusersten verfolget / ja gar auszurotten getrachtet; damit sie Luft bekommen möchten ihren boßhaftigen Frefel und Ubermuht / der dadurch mörklich gehindert ward / üm so viel freier fortzusetzen.

(62) Daß man aber gemeldte Riesen / auf Einrahten der Pallas / aus der Gegend / da sie gebohren worden / verjaget zu sein dichtet; weil sie / so lange sie darinnen bleiben würden / unüberwindlich und unsterblich sein solten: dasselbe gehöret zur Geschieht der Kinder Israels / welche sie / als solche /die in ihrem Vaterlande sich so stark befestiget / freilich eher nicht zu überwältigen vermochten / als bis sie / nach dem Rahte / oder vielmehr Befehle der höchsten Weisheit GOttes / die alhier unter dem Nahmen Pallas verstanden wird / dieselben aller ihrer Festungen / mit gewaltiger Hand entsetzet: da sie dan nirgend keinen festen Fuß mehr hatten sich vor ihrem endlichen Untergange zu befreien.

(63) Hier möchte man nicht unbillich fragen /woher des nimmer nüchternen Silenus Esel / der durch sein abscheuliches [171] ungeheures Geschrei / wiePan mit seinem Schnekkenhorne / die Riesen dermaßen sol erschrökket haben / daß sie / als solche / die ein ungeheures Wundertier wider sich angekommen zu sein gewähnet / sämtlich die Flucht genommen /der auch daher / zum ewigen Andenken / unter das Gestirn erhoben zu sein gedichtet wird / mit in hießges Mährlein vom Riesenkriege / ja selbst unter die Kriegsbereitschaft des Bachus gerahten sei? Dem Silenus wird zwar / seines versoffenen Verstandes und taumlenden lassen Ganges wegen / dis tumme und träge Tier / der Esel / allezeit angedichtet, gleichwohl scheinen es die Heidnischen Dichter aus der wunderbahren Geschieht von Bileams redendem Esel genommen / und in diese vom Riesenkriege gemischet zu haben / ihr Mährlein üm so viel märkwürdiger zu machen.

(64) Daß endlich mehrerwähnte Riesen / nachdem die Götter sie überwunden / und mit Donnerkeulen erschlagen / in den höllischen Abgrund / zur ewigen Peinigung / solten hinunter gestürtzet sein / das ist das allerwahrscheinlichste / das die Heiden von ihnen gedichtet. Dan freilich werden sie / nach ihrer Vermässenheit Verdienste / nicht allein die zeitliche /sondern auch die ewige Strafe haben ausstehen müssen. Was sie aber vom ungeheuren Riesen Enzela dus dichten / daß er unter dem Berge Etna längsthin ausgestrekket / mit dem ewigen Straffeuer gepeiniget würde; wie auch vom Tiföus / dessen Leib so erschröklich groß sol gewesen sein / daß das gantzeSizilien / ihn zu bedekken / seinen weiten Begrif darreichen müssen: dasselbe haben sie bloß allein aus ihrem mit Mährlein geschwüngertem Gehirne genommen.

(65) Eben daher scheinet auch entsprossen zu sein /daß etliche Riesen wohl hundert Hände sollen gehabt / und in einem Wurfe gleich so viel Felsensteine aufJupitern zu geworfen haben. Unter denen wirdEgäon genennet / den der Heidnische SeegötzeNeptuhn / zur Strafe solches Frefels / an die Klippen des Egäischen Meeres fest gebunden: wekhes ausser Zweifel dahin zu deuten / daß sein Schif auf einer Klippe daselbst zu sitzen kommen. Gleich also urteilen wir von dem ungeheuren Riesenschienbeine / das man in einer Tessalischen [172] Schwefelhöhle gefunden /und sechszig Ochsen / seiner Schweere wegen / auf einen Wagen geladen / kaum fortziehen können.

(66) Nicht weniger ungereimt scheinet es im ersten Anblikke / wan man dem Mohrischen Riesen und Könige / dem Atlas / der auch daher unter allen Riesen der grösseste sol gewesen sein / eine solche so gar übermäßige Länge und Stärke / daß er den Himmel selbst mit seinen Schultern unterstützet / zuschreibet; ja ihn wohl gar in den ungeheuern sehr hohen Mohrenberg / der auch von ihm den Nahmen Atlas bekommen / verwandelt zu sein dichtet.

(67) Wan man aber betrachtet / daß dieser Berg einem aufgerichtetem Manne nicht unähnlich / und so überaushoch ist / daß desselben höchster Güpfel / der Wolken wegen / die ihn fort und fort ümgeben / niemahls gesehen wird; daher ihn dan die ümherwohnende Mohren auch für des Himmels Stütze zu halten pflegen: ja wan man betrachtet / daß der Mohrenkönig Atlas die Sternschaukunst / wie man meinet /erfunden / und sich vielleicht den Lauf und Stand der Sterne recht eigendlich zu beschauen / oftmahls auf einen sonderlichen Hügel dieses Berges begeben; da er dan freilich mit seinen Gedanken sowohl / als mit dem Gesichte / bis an das Gestirne gereichet: so wird man leichtlich sehen / woher dieses gantze Mährlein entsprossen.

(68) Hiermit wollen wir die Riesen / welchen man eine gantz ungleubliche Stärke so wohl / als Länge zugedichtet / fahren laßen / und uns wieder zu denen wenden / derer wahre Beschaffenheit in den Geschichten beschrieben wird. Hierunter finden sich / nachDavids Zeiten / bei den Geschichtschreibern / fürnähmlich dreie; welche / durch ihre wahrhaftige Riesenlünge / die andern ihres gleichen ingesamt / wie die meisten meinen / übertroffen. Der erste und allerlängeste heisset Gemagog / der zwölf Ellebogen lang gewesen: der andere Ganges / ein König der Mohren / von dem der Flus Ganges diesen Nahmen bekommen / dessen Länge sich auf zehen Ellebogen belief: und dan der dritte Hartbeen / aus[173] Heisingen / der alten Gohten Lande / bürtig /der über die maße frefelhaftig / und neun Ellebogen lang war.

(69) Nach diesen drei Riesen seind berühmt Arantas ein Bebrizier aus Asien / von acht Ellebogen; Orestes / König Agamemnons Sohn /der Griechen Heerführer vor Trojen / von sieben Ellebogen; Ein Sirer / zu des Keisers Teodosius Zeiten / von fünf Ellebogen / und einer Handbreite;Eleazar / ein Jüde / zu des Keisers Tiberius Zeiten / von fünf Ellebogen; ein Märkischer Bauer von Zak / einem Dorfe bei Witstok / Markgraf Jochims des Kuhrfürstens von Brandenburg Trabante / den man den kleinen Michel genennet / auch von fünf Ellenbogen; Artachäes / ein Perser / der zu des Königs Xerxes Zeiten gelebet / von eben so viel Ellebogen / weniger vier kwehrfinger; der Indische König Porus / den der Grosse Alexander überwand / von vier Ellebogen / und einer Handbreite.

(70) Hierbei seind auch zu rechnen Pusio undSekundille / die zu des Keisers Augusts Zeiten gelebet / und über zehen Schuhe lang waren; daher man auch ihre Gebeine zum Wunder im Salustischen Lustgarten und Begräbnisse / verwahre: wie auch Gabbaras / den etliche Karbaras nennen / ein Araber / welcher zu des Plinius Zeiten nach Rohm gebracht worden / und neun Schuhe / mit eben so viel Zollen lang war: und dan Agato / ein Jüngling von Atehn / der zu Keiser Adrians Zeiten gelebet / von acht Schuhen.

(71) Nicht weniger gehöret mit unter diese Riesenzahl der Keiser Julius Maximinus / der ältere / welcher bei neundehalben Schuch lang / und so stark vom Leibe gewesen / daß ihm seiner Gemahlin Armband / an stat eines Daumenringes / gerecht war; auch ein solcher Fresser / und Seuffer / daß er sechszig Pfund Fleisches auf einmal verschlingen / und darbei vier und zwanzig Kannen Weines aussauffen konte. Seiner schier ungleublichen Stärke wegen / ward er /aus einem Schäferknechte / zuerst des Keisers Aurelius Alexanders Severus Trabante /darnach unter den Keisern Karakalla / und Heliogabalus / einer der fürnähmsten Kriegshelden / da man ihn bald Herkules / bald Achilles / baldAjax zu [174] nennen pflegte / bis er endlich / durch seine Wühterei / sich gar zum Keiser aufwarf / und die sechste Verfolgung der Kristen anstiftete.

(72) Diesem Keiser war der so genente Firmius / der üm das 275 Heiljahr sich / in Egipten wider den Keiser Aurelian empöhrete / an Leibesstärke nicht ungleich; auch darbei ein solcher Seuffer / daß er zween Eimer vol Weines in einem Zuge hin aussauffen mochte. Seine Riesenstärke kan man unter andern hieraus abnehmen; weil er einen Amboß / indem er sich bloß mit den Armen und Beinen gegen die Erde gestbelt / auf die Brust setzen durfte / und andere darauf schmieden und schlagen lies / wie hart sie wolten.

(73) Daß nun alle Riesen ins gemein der Boßheit und Wühterei zum höchsten ergeben gewesen / ist kein Wunder; indem sie alle so grobe / ungeschliffene / füllige / doch derbe / und starke Leiber gehabt / daß weder Verstand / noch guhter Raht / noch Mäßigkeit /noch einige andere Tugend darinnen haften oder hausen können. Dan es ist gewis / und die Erfahrung bezeugt es genugsam / daß dieselben / die aus einem so groben / und dikkem Zeuge bestehen / ie gröber und dichter der Zeug ist / üm so viel unverständiger / unredlicher / unbescheidener / verwägener / tolkühner /übermühtiger / boßhaftiger / zorniger / grausamer /rachgieriger / halsstarriger / geuler / unmässiger / und geneugter zu bösen Lüsten / ja ungeschikter zu guhten Künsten und Wissenschaften zu sein pflegen.

(74) Hingegen befindet sich bei den kleineren / mageren / dürren / zahrten / und trukkenen Leibern / als dem eigenen Sitze des Rahtes und der Weisheit / gemeiniglich das Widerspiel. Dan diese / wie sie behänder von Gliedern seind / seind auch behänder von Sinnen; wie sie mäßiger an Grösse / so seind sie auch mäßiger in Volbringung der Lüste. Ja sie seind ungleich verständiger / klüger / scharfsinniger / bedachtsamer / redlicher / bescheidener / guhtahrtiger / gemäßigter / handelbare / und geschikter zu allem Guhten /als jene.

(75) Darüm ist es in Wahrheit kein Wunder / daß dieselben kleine Menschen / die gemeiniglichZwärglein / sonst auch Ellenbogener undDreispänlinge / oder Ellenbogige [175] [177]undDreispännige Mänlein / weil sie selten über drei Spannen oder einen Ellebogen lang wachsen sollen / genennet werden / einen überaus scharfsinnigen Verstand / wie die Geschichte bezeugen / zu haben pflegen. Ein solches Mänlein / welches Sisifus hies / und noch nicht zween Schuhe lang / doch eines fürtreflichen Verstandes war / hatte Markus Antohn / der berühmte Röhmische Feldherr / bei sich. Ein anderes befand sich / zu des Keisers Teodosius Zeiten / in Egipten: welches zwanzig Jahr alt / doch kaum so groß / als ein Räphuhn / geworden. Gleichwohl war es überaus klugsinnig / und eines recht ehrbaren tapferen Gemühtes; darzu auch mit einer sehr anmuhtigen Stimme zu singen / und einer schönen Aussprache begabt.

(76) Ob aber diese zwei Mänlein unter die rechte Zwärgahrt / die man vor Zeiten in Trazien / und an der Egiptischen See / durch welche der Niel ströhmet / wie auch üm ein Indisches Gebürge sol gefunden haben / zu rechnen sei / kan ich für gewis nicht sagen: weil von den Alten gemeldet wird / daß diese ihr Haar hinten / und den Bahrt vornen / ihren gantzen Leib / an Kleiderstat / damit zu bedekken /bis gar auf die Füße wachsen laßen / auch mit den Kranchen / derer Jungen und Eier sie verderbet / zu streiten / und auf Widern und Ziegen / mit Bogen und Pfeilen gewafnet / zu reiten pflegen.

(77) Eben so wenig weis ich zu urteilen von denen Riesengerippen / die man so übermäßig / ja zuweilen wohl gar ungleublich groß und lang zu unserer Väter Zeiten in Sizilien / Frankreich / und anderwärts gefunden zu haben bekräftiget. Ja ich bekenne frei heraus /daß mir die Wahrheit derselben Geschichtschreiber /die den aufgegrabenen Riesengerippen eine so ungleubliche Länge zuschreiben / nicht wenig verdächtig vorkommet; und zwar darüm / weil sie keines /oder ja kaum eines lebendigen Riesens / welcher dergleichen ungeheure Länge gehabt / gedenken. Von der erdichteten / damit die Heidnischen Dichtmeister sich belustiget / wil ich nicht sagen. Ich meine die wahrhaftige / wie sie von bewährten Geschichtverfassern uns etwan abgebildet wird.

(78) Das Gerippe des Orestes von sieben Ellebogen / [177] welches ein Schmid zu Tegea / in seinem Hofe / da er einen Brun graben wollen / entdekket; und dasselbe von zwei und zwanzig Schuhen / das man in Frankreich bei der Rohne gefunden; wie auch des Pallas / den Turnus erleget / welches im 1054 Jahre zu Rohm aufgegraben worden /und so lang gewesen / daß es über die Stadtmauer / da man es zur Schaue wundershalben aufgerichtet / hinreichete; und dergleichen andere mehr von zehen / bis zwölf Ellebogen / auch wohl etwas drüber / lesset man billich in ihren Würden.

(79) Was man aber von Kandien oder Krete /wie auch von Tinge meldet / daß dort ein Riesengerippe von drei und dreissig Ellebogen / durch das Wasser / und noch ein andere in seinem Grabe stehendes von sechs und vierzig Ellebogen / durch das Erdbeben entblüßet / hier aber / im Mohrenlande / des droben erwöhnten Riesen Antäus von sechszig Ellebogen aufgegraben worden; darvon kan ich anders nicht sagen / wo man ihnen eine solche Länge nicht etwan angedichtet / als daß es Riesische Wundergebuhrten gewesen. Und hierunter gehören noch andere Riesengerippe von funfzehen / zwe und zwanzig / und dreissig Ellebogen / derer gleichesfals die Geschichtschreiber erwähnen. Das von funfzehen Ellebogen ward / im 1456 Jahre / bei Valentz / im Safojer Gebürgt. / entdekket. Ein Zahn darvon / der einen Schuch lang / und vier Finger breit war / wug acht Pfund.

(80) Noch vielmehr könte man denselben Sizilischen Riesen / dessen Leichnam / in einer großen Berghöhle vor der Stadt Drepan / sitzend gefunden worden / unter die Riesischen Wundergebuhrten rechnen: weil einer von seinen Zähnen sechs Pfund und ein Vierteil gewogen / und das vörderteil seiner Hirnschahle so weit gewesen / daß man etliche Scheffel Kornes hinein schütten können / auch aus der ungeheuren Grösse seines Schienbeines geschlossen worden / daß seine Länge sich bei zweihundert Ellebogen ausgestrekket. Nicht weniger konte von seiner gehabten Riesenstärke aus dem ungeheuren Stabe /den er in der linken Faust hatte / geurteilet werden. Dan dieser war so stark und dikke / als der stärkeste Mast oder Segelbaum; und das Blei / welches unten hinein gegossen / und ihm bis [178] unter die Achsel reichete / wug tausend und fünfhundert Pfund.

(81) Dem sei nun / wie ihm wolle / so wil ich doch dieses von den Riesengerippen lieber annehmen / als gleuben / daß dasselbe Meusegerippe / welches man /in einem Frantzösischen Kloster / gar heilig eingewikkelt gefunden / von einem derselben Meuslein gewesen / welche der heiligen Gertrauten / König Pipiens Tochter / indem sie an einem heiligen Abende gesponnen / den Wokken hinaufgeklettert /sie von solcher Arbeit abzumahnen: daher man sie auch nachmahls / als eine Heilige / welche die Meuse zu vertreiben gegleubet worden / sol angerufen haben.

(82) Und also wird dasselbe / was wir / aus der Riesengeschicht / alhier mit eingeführet / zugleich genug sein diejenigen zu überzeugen / welche / daß iemahls Riesen / oder Menschen von so ungeheurer Grösse gewesen / gantz nicht gestehen / sondern alles / was von ihnen / durch so viel vortrefliche Geister /geuhrkundet worden / nur für Mährlein halten wollen: indem sie / zum Beweise solches Wahnes / vorschützen / daß man etliche hundert Jahre nacheinander keine dergleichen Riesen von so starker und ungeheurer Länge / wie man dieselben der ersten Welt beschriebe / nirgend mehr gesehen.

(83) Doch wir setzen / auf diesen ihren Einwurf /das Maß ihnen recht vol zu mässen / zum Gegenwurfe noch dieses: wan aus itztberührtem ihrem Beweise folgen solte / daß die gantze Rieseageschicht nur ein eiteles Dichtwerk sei; so müste dan auch folgen /indem man in den nächsten / so manchen hundert- ja wohl tausend-jährigen Zeiten nacheinander keine Menschen gefunden / derer Alter sich auf etliche hundert Jahre / ja schier bis an das tausende hinan erstrekket / daß darüm die Menschen üm die Zeit der er sten Riesen so viel Jahre nicht erreichet: zumahl weil es zur Zeit des Königs Davids schon geheissen /unser Leben währet siebenzig Jahre /und waneshoch komt / so seind es achtzig.

(84) Diese Widerfechter bedenken nicht / daß alle geschaffene Dinge die Kraft ihrer blühenden Jugend schon vorlängst so [179] gar verlohren / daß sie nunmehr von Zeit zu Zeit gleichsam veralten / und immer schwächer und schwächer werden. Die gantze Welt hat albereit vor etlichen tausend Jahren ihre Jugendschuhe verträhten. Darüm ist es kein Wunder / daß sie bisher von Jahren zu Jahren an Kräften allenthalben mehr und mehr abgenommen. Ja sie nimmet noch täglich ab. Itzund gehu sie schon auf Steltzen. Itzund neuget sie sich zum Ende. Nunmehr ist es mit ihr gantz auf die Neuge gekommen.

(85) Was nun dem Ende sich nähert / das mus nohtwendig schwächer und unkräftiger / nohtwendig geringer und untüchtiger werden. Und eben darüm ist es kein Wunder / daß die bisher so gekränkte / und mit den Jahren so schwach und Machtloß gewordene /ja nunmehr fast gar in den letzten Zügen liegende Zeugemutter aller Dinge die Lust / samt der Kraft /welche sie ehmals / in ihrer Jugend Jahren / zu haben pflegte / neben den Menschen gemeiner und mittelmäßiger Lünge / zugleich Große und Kleine / ja gar ungeheure vierschröhtige Riesen- und gar kleinliche Spannenkurtze behände Zwärg-ahrten zu zielen / so weit verlohren / daß sie weder Zwärglein / noch Riesen / noch auch andere sonderbarlich große Menschen mehr / welche die gemeinen / der Länge nach / überträffen / zu zeugen vermag.

(86) Hieraus sehen wir dan klahr genug / woher es rühret / daß schon vor etlichen hundert / ja wohl tausend Jahren / unter den Menschen / die ungeheure Riesenahrt an Länge so wohl / als Stärke / dermaßen abzunehmen begonnen / daß sich ihre wundergroße Riesengestalt nach und nach / ja so lange vermindert /bis sie endlich vom Erdboden gleich als gar verschwunden. Eben daher ist es auch kommen / daß sich die ansähnliche Leibeslänge / dadurch ehmals etliche gemeine Menschen / ja wohl gantze Völkerschaften /unter denen fürnähmlich die Gohten Keiser Justinian deswegen zu preisen pflegte / vor andern berufen waren / almählich etwas kleiner und schmächtiger zu werden / ja mit der Zeit dergestalt gemindert befunden / daß man itzund durch das gantze Europe kein Land mehr findet / dessen Eingebohrne /so sonderbahrer Grösse nach / andern Völkern überlägen.

[180] (87) Ich wil mehr sagen: was für ein Wunder ist es dan / daß itzterwähnte Ziel- und Zeuge-mutter nunmehr / in ihrem abgelebten schwächlich-gebrächlich em Alter / weder so vermögeade / noch auch so lüstern sein kan solche so treflieh starke / so treflieh gesunde Menschen zu zeugen / derer Lebenslänge sich schier bis an die tausend Jahre hinan aussträkket; wie sie wohl ehmals / in ihrem blühenden und grühnendem Alter / getahn?

(88) Mit einem Worte: alles / was die große weite Welt / ja die Himlische so wohl / als die Irdische / an Geschaffenen Dingen begreiffet / die Engel allein ausgenommen / ist der nichtigen Eitelkeit und Vergängligkeit so gar unterworfen / daß nichts beständiges /noch tauerhaftiges weder an Kraft / noch an Stärke /weder an Grösse / noch an Gesundheit / noch anderen dergleichen Fürtrefligkeiten darinnen zu finden. Ja die Welt selbsten bekennet und bezeuget es mit so vielen ihren Geschaffenen Dingen / die albereit zerstoben und vergangen / daß sie mit der Zeit gleich also vergehen und zerstüben müsse.

(89) Wer hette sagen sollen / daß dergleichen wunderstarke / ja wundergroße ungeheure Menschen / als diese waren / welche der schönen Timnatterin dazumahl / mit Ringen und Fechten / die Zeit verkürtzen / und den Unmuht vertreiben musten / in der Folgezeit auf dem gantzen Erdbodem nicht mehr würden gefunden werden? Ja wer hette gedacht / daß diese Riesenahrt / die kurtz zuvor gantze Länder erfüllete / aus dem menschlichen Geschlächte nach und nach sich so gar verlieren solte / daß schon vor etlichen hundert Jahren nichts mehr darvon irgendwo zu sehen gewesen / als etwan ein Bildnis / oder aber /doch sehr selten / ein abgefleischtes Gerippe?

(90) Neben der Kraft und Vermögenheit dieselben zu erzielen / scheinet die algemeine Zielmutter zugleich die Lust solches zu tuhn nach und nach verlohren zu haben: weil sie für solchen Ungeheuern und Bösewichtern / die ihren andern Kindern nur überlästig fielen / und ihr selbst / an stat der Kurtzweile /welche sie ehmahls an ihnen hatte / nichts als lauter Verdrus zuzogen / endlich einen Ekel und Abscheu bekommen. [181] Ja GOtt selbsten / der Schöpfer aller Dinge / hat sie / ihrer übermäßigen und übermühtigen Boßheit wegen / ohne Zweifel in die Länge nicht mehr vertragen / noch dulden wollen / und sie daher als ein schädliches Unkraut unter den Menschen / ausgerottet / ja vom gantzen Erdboden vertilget.

(91) Und ob schon GOTT / die Grösse seiner Almacht uns auch hierinnen sehen zu laßen / noch heutiges Tages zuweilen irgend einen Menschen was grösser / länger / und stärker / als andere / wachsen lesset; und die Zeugemutter selbst gleichsam einen Versuch tuht / ob ihr noch Kräfte genug übrig geblieben dergleichen große Leiber zu zeugen: so seind doch solche nichts anders / als ungemeine Menschengebuhrten /und verdienen den Nahmen der alten Riesen / derer ungeheure Länge / noch Stärke sie bei weitem nicht erreichen / keines Weges.

(92) Aber wir wollen die schöne Timnatterin bei ihrer Ergetzung laßen / welche sie hatte den Riesen zuzuschauen / und uns wieder nach Timnat begeben; da unterdessen der noch immer fortgrollende Simson angelanget. Alhier war es / da ihm dieFilister die Wahrzeichen ihrer Rache / welche sie / ihm zu gefallen / und ihn zu besänftigen / so gar scharf ausgeübet / sehen liessen. Alhier war es / da sie ihm den ausgebranten verödeten Ort zeigeten / da kurtz zuvor seines ungetreuen Weibes Behausung gestanden. Alhier war es / da sie ihn auf den Schündanger führeten / die Asche seiner verbranten Beleidiger / die man alda unter dem Brandschutte begraben / zu besichtigen.

(93) Hierdurch vermeinten sie das Zornfeuer / welches in Simsons Busem / sie zu vertilgen / flammete / zu dämpfen. Hierdurch gedachten sie den Grim / den er wider sie gefasset / zu überwinden. Ja hierdurch trachteten sie die Verheerungen / die er ihnen gedreuet / abzuwenden. Dieses war ein Stahtsstrich vol Verstellungen / dadurch sie dem Willen desselben / in dessen Hand sie ihr Wohl und Weh zu stehen spühreten / gehorchet zu haben scheinen wolten. Dieses war ein listgrif vol Scheinbarheiten / dadurch sieSimsons Gemühtsneugung zu überlistigen / und nach ihrem Wunsche zu neugen trachteten. Ja ein Rank war es ihn zu überreden / daß er alles / was sie[182] getahn / für Zeichen ihrer gehohrsamen Wohlneugung gegen ihn aufnehmen möchte.

(94) Darbei waren auch alle ihre Reden mit Honige bestrichen / alle ihre Worte mit Zukker bestreuet. Alles / was sie sprachen / war glat und geschmieret. Gleichwohl konten sie ihn nicht berükken. Simson blieb gleichwohl / wer er war. Sein Sin blieb unverändert. Seine Gedanken gingen ihren Gang. Er gedachte dem Rahtschlusse des Himmels mehr / als ihren Eingebungen / ihren Scheinliebelungen / zu folgen. Mehr war er bedacht seinen Muht noch weiter zu kühlen /als ihren Schmeucheleien Gehöhr zu geben. Mehr war er gesonnen sie zu vertilgen / als von diesem Sinne sich ablenken zu laßen. Und dieser Vorsatz saß seinem Hertzen so fest eingewurtzelt / daß alles ihn zu verrükken ümsonst war.

(95) »Mein Zorn« / sprach er / »ist noch nicht gesättiget. Mein Grim ist noch nicht gestillet. Meine Grausamkeit hat sich noch nicht geleget. Ob ihr schon mein verrähterisches / mein treuloses Weib / samt ihrem heillosen Anhange verbrant habet; so bin ich doch hierdurch noch nicht vergnüget. Ob ihr schon meine Schmaach an ihnen gerochen / so ist es doch mich zu befriedigen viel zu wenig. Ob ihr schon dieses alles getahn habet / so mus ich mich doch an euch selbst rächen. Ja ich selbst an euch selbst mus mich rächen. Zweier oder dreier Leiber vergossenes Bluht war nicht genug den Durst meiner so billigen Rachbegierde zu leschen. Eine gantze Bluhtsee kan es allein tuhn. Und darüm wil ich nicht eher aufhören das Bluht aus euren Leibern zu zapfen / als bis es über eure Felder ströhmlings hinschüßet / und das Wasser eurer Flüsse zu färben beginnet.«

(96) Großmühtige Seelen seind langsam zum Zorne. Sie werden langsam ergrimmet / doch auch langsam versühnet. Mit langsamen Tritte schreitet auch ihre Rachbegierde fort: doch diese Langsamheit ersetzet sie endlich mit einem gewaltigen Nachdrukke. Eine kleine Beleidigung achten sie wenig. Es mus was großes sein / das sie entrüstet. Eine zugefügte Schmaach können sie nicht leiden. Diese bewegt sie dermaßen / daß sie nicht bald wieder zu stillen. Die Stiche / welche sie [183] ihnen giebet / seind unheilbar / ja so scharf / und schmertzen so lange / daß ihre Rachgierigkeit nicht eher einschlummert / als bis sie sich auf das heftigste gerochen.

(97) Simson hatte bisher gleich als durch die Finger gelauschet. Er hatte den Ubermuht der Filister lange genug übersehen. Lange genug hatte er ihren Frefel vertragen. Du Anfang seiner Rache war zwar gemacht: indem er ihre Kornfelder und Weinberge verwüstet / und Kost und Trank ihnen aus dem Munde gerükket. Aber diese Rache war zu wenig. Sie ging nur auf die Lebensmittel. Sie musten was härtet und näher angegriffen sein. Es solte nunmehr das Leben selbst gelten. Er wolte sie selbst antasten. Selbst ihre Leiber solten herhalten. Er wolte sie so hart schlagen / daß sie es alle fühleten. Er wolte sie schlagen / beides an Schultern / und Lenden Ober-und Unter-man / Adel und Unadel / Bürger und Bauer / wie sie ihm vorkähmen / solten das Gelahk bezahlen.

(98) Er hatte seine Rache schritlings und algemach angefangen. Nun solte der Sprung und der Plotz selbst folgen. Nun solte der Sprung / den er bis hierher verschoben / mit ihnen getahn werden. Und hierzu war ein innerlicher Antrieb schon vor handen. Der Geist des HErren / der itzund der Filister Hochmuht zu stürtzen beschlossen / trieb ihn selbst. Er wafnete ihn mit Muht und Stärke. Ja er zündete ein solches Rachfeuer in seinem Busen an / daß ihm die Flamme darvon aus den Augen / und der Dampf aus dem Munde schlug. Selbst das Angesicht feuerte. Ein ieder Blik war ein Blitz / ein iedes Wort ein Donner. Und also bekahm Simson ein solches erschrökliches Ansehen / daß er dadurch / eh er den Arm zur Schlacht aufhub / die Filister schon erstarret und erstoraen vor ihm stehen sahe.

(99) Diese Drangsäligen schienen erschlagen / ehe sie den Schlag fühleten. Sie schienen toht zu sein /ehe sie getöhtet warden. Sie schienen entseelete Leichen zu sein / ehe die Stele sich aus dem Leibe verlohren. Ja sie waren gantz Macht- Muht- und Sin-loß. Kein Glied an ihnen bewägete sich. Alle Bewägligkeit / alle Empfindligkeit war aus ihnen gewichen. Nur das Hertz pukte und pufte von innen: welches das einige Zeichen [184] war / daß sie noch lebeten. In ein solches Schrökken jagte sie bloß allein der Anblik dieses mächtigen Feindes. Eine solche Furcht überfiel sie /sobald Simson nur allein seinen gewaltigen Arm zu schwänken begunte.

(100) In dieser eusersten Bestürtzung hatten sie alle Sinligke it so gar verlohren / daß sie kein Mittel ersinnen konten seiner übermenschlichen Stürke zu widerstehen. Zum wenigsten waren ihre Sinne so verwürret / daß sie weder zu den geringsten heilsamen Gedanken / noch zu irgend einer Entschlüßung / ihr so nahes Verderben zu hintertreiben / gelangen mochten. Ja sie waren so entsetzt und aus sich selbsten /daß sie nicht einmahl getrauten sich zu versamlen /einem so wühtenden Ansprunge die Spitze zu bieten /und sich selbsten aus dem grimmigen Rachen des Todes zu retten.

(101) Wie ein Schaf / das in den Hürden eingesperret erstummet / und sich zur Schlachtbank geführet zu werden willig fangen lesset / seinem Schlächter die Gurgel gleich als von sich selbst darbietet und übergiebet: also übergaben sich auch die Filister selbsten dem Simson sie zu schlachten. Sie stelleten sich seinem Zorne zur Versühngabe selbsten dar / als solche / die den Ekel und Widerwillen zu sterben / der sonst allen Menschen gemein ist / verlohren. Nicht einmahl gedachten / viel weniger versuchten sie seiner tapferen Faust / die das Filisterland mit Leichen zu besäen / und mit Bluhte zu befeuchten / schon ausgesträkket war / zu entfliehen; welches sie doch freilich tuhn sollen; weil sie das Hertz / noch den Muht / seine Todesstreiche mit fechtender Hand auszuschlagen / nicht hatten.

(102) Bei so beschaffenen Sachen / stund dandem Simson nichts im Wege die Städte der Filister leer / und ihre Gräber vol an Einwohnern zu machen. Sich mit Tohtschlägen zu sättigen war ihm überflüßig vergönnet. Nichts verhinderte ihn seinen Bluhtdurst zu leschen / und dem Tode selbst eine reiche Leichenärnte zu verschaffen. Auch war er in der Taht geschäftig diese unempfindliche Bildseulen über einen Hauffen zu werfen. Er brach ihnen die Hälse. Er zerknikte ihnen das Genikke. Er [185] zerschlug ihnen die Aerme. Er lähmete ihnen die Beine. Ja er handelte mit ihnen / nach eigenem Belieben / und sahe niemand an / wer oder was er war.

(103) Wiewohl sein Zorn zuweilen / wan er / von so heftiger Bewägung abgemattet / gleich als Ahtem schöpfete / ganz von Kräften gekommen zu sein schien; so erhohlte er sich doch bald wieder. Bald ging die Wuht wieder an. Die Zeit / da er nachlies /war den Armsäligen nur eine kleine Galgenfrist. Plötzlich fiel er wieder auf sie zu. Unverhuhts schlug er wieder auf sie loß / und noch viel heftiger / als zuvor iemahls. Er ward des Reissens / des Schmeissens / des Bluhtvergiessens des Tohtschlagens endlich so gewohnet / daß er kaum wieder aufhören konte. Wo die Filister am dikkesten stunden / da sprang er / eben als ein wühtender Wolf / mitten unter den Hauffen. Ie grösser und stärker die Mänge war / üm so viel mehr Niederlagen erfolgeten.

(104) Ward Totila der Gohten König /weil er schier das gantze Wälschland verheerete /GOttes Peitsche genennet; verdienete diesen Nahmen der Ungrische König Attila welcher Hochdeutschland verwüstete / da er unter andern / bei Eroberung der Stadt Köln / eilftausend Jungfrauen erwürgete: vielmehr kahm dan alhier ein solcher Nahme dem Simson zu dessen Arm die Almacht GOttes selbst stärkete die Filister zu geisseln / und seine Gerechtigkeit nunmehr / durch ihn / solche Geisselung schon begonnen.

(105) Wan GOtt seine Feinde zu geisseln beschlossen / müssen sie selbst der Geissel entgegen lauffen. Sie müssen den Rükken von sich selbst darbieten. Sie müssen sich selbst auf die Geisseibank legen / oder an den Geisselstok stellen / die Schmitze zu empfangen. Und darüm war es kein Wunder / daß die Filister alhier / straks im ersten Anblikke dieser gewaltigen Geissel / ein solcher algemeiner Schrik überfiel /daß sie weder zu fliehen / noch sich zu wehren keines weges vermochten.

(106) Also schlug sie dan dieser tapfere Held dermaßen / sie bei tausenden fielen. Ja er erfüllete den Ort / da die Schlags [186] geschahe / mit so viel Tohten /daß die übrigen Filister / welche der Glüksfal daselbsten gespahret / nicht mächtig genug waren eine so große Mänge zu begraben. Hatte Samgar etliche Jahre zuvor nur mit einer Ochsenkeule sechshundertFilister erleget; so lagen sie itzund / durch Simsons Faust / bei tausenden gefället.

[187] [189]Das fünfte Buch.

Die (1) Einteilung.


Nach dieser tapferen Heldentaht seumete sich Simson unter den Filistern nicht lange. Er begab sich bald aus dem Staube. Es war kein Raht in einem solchen Lande / dessen mächtigen Einwohnern er eine so bluhtige Schnappe zugefüget / noch viel Federlesens zu machen. Es war bei denen / derer Gemühter er wider sich aufgereitzet / nunmehr nicht sicher zu verharren. Er muste sich befahren / sie möchten ihres erlittenen Schadens wegen / an ihm / mit gesamter und gewaltiger Faust / sich zu erhohlen trachten. Und eben darüm war es besser alhier vorsichtig / als verwägen / zu handeln: zumahl weil die Gätliche Almacht ihm seine Wunderstärke / sie zur Unzeit / oder verwägener Weise zu gebrauchen / nicht verliehen.

(2) Es ist auch in Wahrheit gefährlich einen starken / und darzu gezörgeten Feind / wan seine gantze Macht in unzehlbarer Mänge / zuvoraus in einer vorteilhaftigen Gegend seines eigenen Landes / beieinander stehet / anzugreiffen / oder auch seines Angrifs zu erwarten. Vielleicht begunten sich die Filister /nachdem Simson ein guhtes Teil der Ihrigen so unverhuhts / und so tapfer gezauset / in übergroßer Mänge zu versamlen / solchen ihren Verlust / mit algemeiner Hülfe / zu rächen. Und daher handelteSimson sehr klüglich / daß er / bei so gestalten Sachen / weder ihres Anfals erwarten / noch auch selbst einen ferneren Anfal wagen wolte. Ein ehrlicher Abzug ist allezeit besser / als ein gewagter Streit / mit einer schändlichen Niederlage.

(3) So nahm er dan seine Zuflucht zum Stammedes Juda. Alda schlug er seine Wohnung auf in der Steinkluft zu Etan: welches die vornähmste Festung des Landes war. Und dieses / daß er sich eben hierher / unter das Gebiet der Kinder des Juda / und nicht lieber zu seinen eigenen Landesleuten begab /[189] geschahe fürnähmlich aus zweierlei Uhrsachen. Erstlich schien ihn hierzu der Geist GOttes selbst anzutreiben; weil er alhier so wohl / als sonsten ein Vorbild des verheissenen Heilandes der Welt zu werden bestimt war. Darnach wolte er auch dem Stammedes Dans / aus dem er entsprossen / indem er leichtlich gedenken konte / daß ihn die Filister /als einen vermeinten Flüchtigen / verfolgen würden /keine Ungelegenheit über den Hals ziehen.

(4) Also urteilen wir von dieser des Simsons Entfernung: wiewohl man vielleicht wahrscheinlicher sagen könte / daß hierunter zugleich eine sonderliche Kriegeslist verborgen gewesen. Vielleicht verliesSimson das Filisterland aus Vorbedacht /und nur darüm / damit die Filister wähnen möchten / der Muht sei ihm entfallen. Vielleicht wolte er sie / durch eine Scheinflucht / sicher machen sie üm so viel füglicher und unvermuhtlicher zu überraschen. Vielleicht war sein Augenmärk dieselben / die sonsten / durch Furcht und Schrökken schüchtern gemacht /aus ihren Vorteilen niemahls zu bringen / durch dieses Mittel zu bewegen einen starken Ausfal zu tuhn; damit er über sie / mit wiederhohlten Siegen / üm so viel herlicher prangen / und sein Volk aus der unerträglichen so wohl / als schmählichen Dienstbahrkeit üm so viel eher und rühmlicher erlösen möchte.

(5) Und hierdurch ahmete Simson den witzigen Kriegshelden nach. Diese pflegen ihren Feind / so bald sie märken / daß er / aus etwan einer eingejagten Furcht / in seinen Schlauflöchern / da man ihm nichts abzuhaben vermag / sich fort und fort einzuhalten beschlossen / durch einen klugen Kriegesrank in das freie Feld zu lokken. Sie stellen sich zu weichen. Sie brächen als unverhuhts auf. Sie stekken ihr Lager in den Brand. Sie eilen gleich als über Hals über Kopf /mit stiller Trummel / darvon. Und solches tuhn sie darüm / damit der schüchterne Feind Muht schöpfen /und / als flöhen sie entweder aus Mangel der Kriegsmittel / oder aus Verzweifelung / indem sie das Hertz nicht hetten einen Anfal zu wagen / in die Gedanken gerahten / ja in solchen Gedanken den Flüchtigen /mit starker Macht / nachzueilen sich erkekken / und also an [190] denen / die seiner an irgend einem vorteilhaftigen Orte warteten / den Kopf stoßen möchte.

(6) Auf diese und dergleichen Weise wissen kluge Feldherren / damit sie Meister im Felde sein möchten / die Macht des Feindes zu trennen / und mit einem zu schwächen. Aber ich wil nicht für gewis sagen / daßSimson eben ihnen diesen seinen Listgrif abgesehen. Vielmehr darf ich bejahen / daß er ihn etwan von einem seiner Gefangenen dreihundert Füchse gelernet. Diese / weil sie wissen / daß andere Tiere / zuvoraus die Vogel sich für ihnen scheuen / seind so schlau / so verschlagen / und so listig / daß sie sich / ihnen diese Scheu zu benehmen / irgend an einen offenen Ort hinzustrekken / und als weren sie toht anzustellen pflegen. Wan dan die Raben oder andere Raubvogel herzu geflogen kommen / in Hofnung ein Aas zu finden; da erschnappet sie das betrügliche Füchslein /mit einem behänden Sprunge / zusehens / und sättiget sich mit denen / die mit ihm sich zu sättigen gedachten.

(7) Eben so listig scheinet alhier Simson / seinen schüchternen Feind zu betrügen / sich erwiesen zu haben. Eben so schlau und eben so verschlagen war er den furchtsamen Filistern eine blaue Dunst vor die Augen zu mahlen. Ja schier auf eben dieselbe Weise trachtete dieser tapfere Held sie zu überlistigen: indem er / ihnen die Furcht zu benehmen / und zugleich ihre Macht teils zu trennen / teils aus ihren Vorteilen in eine andere Gegend / die ihm gelegener kahm / als ihnen / herauszulokken / sich auf die Flucht begab / oder sich nur also stellete.

(8) Im übrigen darf ich auch noch wohl sagen / daß Simson zugleich darüm sich aus dem Filisterlande wegbegeben; weil es der Großmühtigkeit eines solchen tapferen Heldens / der seine Siege teurer zu kauffen begehrte / nachteilig sein wolte seine siegende Faust an ein Teil solcher feigen Mämmen und Schröklinge / die entweder niemahls zum Stande zu bringen / oder doch solcher gestalt Stand hielten /daß sie sich ungewehret toht schlagen liessen / noch ferner zu legen: indem er / durch einen solchen so gar wohlfeil erkauften Sieg / zwar einen Ruf / aber weder Ruhm / noch Ehre zu erlangen / noch [191] auch zur Herligkeit der Siegesgepränge erhoben zu werden vermochte.

(9) Und also war diese des Simsons Scheinflucht eine Würkung seiner Groß- und Edel-mühtigkeit; die den Filistern dadurch Raumes und Gelegenheit geben wolte / an stat der Furcht und Verzagtheit / der Angst und Bangigkeit / Muht so wohl /als Luft zu schöpfen / und aus enthertzten verzagten Feiglingen zu behertzten muhtigen Kärlen zu werden: damit der künftige Streit zu beiden Teilen preislich /sein Sieg ehrlich / und seine Siegespracht über die Filister herlich sein möchte.

(10) Nachdem nun unser Simson zu Etan angelanget / hielt er sich eine guhte Weile sehr eingezogen. Von der Filister Niederlage / die er ihnen angetahn / schwieg er gantz stille. Die Einwohner musten nichts darvon wissen. Er vertuschete den gantzen Handel. Sein erhaltener Sieg blieb im Hertzen begraben. Seine Zunge war eben so karg in Ausspendung der Worte / als seine Faust milde gewesen in Austeilung der Schläge. Eben so arm war er an Prahlerei /als reich er war an Verdiensten. Es schien seiner Großmühtigkeit zuwider zu sein die Ehre / die er so leichtlich / durch tapfere Tahten / zu erwerben wuste /mit eitelen Worten zu kauffen. Das Selblob stunk ihn an. Der Eigenruhm war ihm verhasset. Und darüm enthielt er sich aller Uppigkeit im Reden / den Verdacht Ruhm- und Ehr-geitzig zu sein zu vermeiden.

(11) Also verhielt sich Simson alhier bei nahe nicht anders / als etwan ein Lehrling in des Pitagoras Schuhle. Selten kahm ein Laut aus seinem Munde. Er redete wenig. Doch wie ungern er selbst redete / so gern hörete er andere reden. Auch war sein meister Zeitvertreib sich am Gesange der Vogel zu ergetzen. Derer gab es üm diese Steinkluft herüm eine große Mänge: daher auch der Ort den Nahmen Etan bekommen zu haben scheinet. Diesen hörete er oftmahls / in Einsamkeit / gantze halbe Tage zu / eben als hette er ihre Stimmen / wie irgend ein Melamp / verstanden. Wiewohl er sonst auf kein Vogelgeschrei achtete / so kahm ihm doch dasselbe / das sich an einem Morgen zutrug / bedenklich vor.

[192] (12) Erstlich kahm ein Steinadler / ich weis nicht woher / nach ihm zu geflogen. Dieser schien so ermüdet / gleich als hette er mit andern Vogeln gefochten. Auch verbarg er sich / als etwan ein Flüchtling oder Verfolgter / in einer Steinritze. Ohngefähr drei Stunden darnach liessen sich nicht weit von Etan zwo besondere Vogelschaaren in der Luft sehen. Die vörderste bestund eben auch aus lauter Adlern / aber von einer andern Gattung; die hinterste dagegen aus unbekanten / doch auch einerlei Raubvogeln. Jene kahm endlich nach der Steinritze zu / darinnen der Steinadler saß; indem diese zurük blieb / und sich in der Luft herüm drehete.

(13) Simson sahe dieser Vogelbegäbnis bestürtzt zu. Er muhtmaßete von Stunden an / daß es ein Vorspiel seines eigenen künftigen Glüksfalles sein solte. Ja er ward noch bestürtzter / als er vernahm /daß die Adler ihren Verwanten / den Steinadler /gleichsam mit Gewalt aus der Steinritze hohleten /und / als einen Gefangenen / nach der zurükgeblieben unbekanten Vogelschaar zuführeten. Diese empfing ihn zwar / mit einem großen Freudengeschrei. Aber es währete nicht lange. Der Steinadler fassete Muht. Er ris sich loß. Er täht einen gewaltigen Schwung / und fiel die gantze Schaar der unbekanten Raubvogel dermaßen grimmig an / ja er pflükte sie solcher Gestalt /daß die herümflügende Federn die Luft schier verdunkelten / und die Vogel selbst bei tausenden / teils an Flügeln und Füßen gelähmet / teils gar toht / auf die Erde herunter fielen.

(14) Dieses Lufttreffen oder Schauspiel der Vogel schaueten auch die Etanner selbsten / bei Hauffen versamlet / mit an. Einieder war verwundert. Einieder begehrte zu wissen / was es bedeuten würde. Es fielen mancherlei Deutungen. Es ereigten sich vielerlei Meinungen. Der eine fällete dieses Urteil / der andere jenes. Der eine riet hier- der andere dort-hin. Jener deutete so / dieser anders. Gleichwohl traf keiner die rechte Deutung. Niemand gedachte / daßSimson der Steinadler / die unbekante Vogelschaar das Volk der Filister / ja die Adlerschaar selbsten das eigene Volk der Kinder des Juda sein solte.

[193] (15) Unter währenden diesen Urteilen schlich sichSimson auch mit unter die Mänge des Volkes. Er lauerte / wie ein lauschender Fuchs. Er horchete dem Geflister zu. Er hette gern gewust / ob auch irgend einer diese Wunderbegäbnis auf ihn deuten möchte. Aber er fand keinen. Keiner zielete mit seinen Gedanken so gerade zu. Keiner / auch nicht einer traf das rechte Ziel / ja nicht einmahl die Zielscheibe. Alle schossen so weit darvon weg / daß niemand das Geheimnis erreichte.

(16) Etliche spanneten auch den Simson mit an. Weil er in ihre Zeche gekommen / solte er sein Gelahk mit auflegen. Er selbst solte seine Meinung eröfnen. Von ihm wolte man die Deutung erfahren. Aber sie gerieten vor eines Harthörigen / wo nicht gar Stummen Tühre. Der sich selbst nicht verrahten wolte / war Simson. Sein eigener Verrähter zu sein kahm ihn ungelegen. Und darüm stellete er sich gantz fremde. Er lies sich nicht des geringsten verlauten. Er gebährdete sich eben als einer / der nichts wüste /noch auf dasselbe / was vorgegangen / acht geschlagen.

(17) Unterdessen ward den Filistern angesagt:Simson sei landflüchtig geworden: er dürfe sich bei ihnen länger nicht trauen: er habe sich / aus Furcht / sich möchten den Verlust / den er ihnen zugefüget /mit gesamter Macht rächen / aus ihren Grentzen gemacht. Ja man fügte noch dieses hinzu: er sei in eine Festung des Jüdischen Landes gewichen / sich alda für dem Anfalle seiner Feinde zu versichern.

(18) Nichts war ihnen lieber zu hören / als dieses. Keine Zeitung war ihnen erfreulicher / als die ihnen des Simsons Flucht verkündigte. Dieses war das rechte Wundkraut / die rechte Waffensalbe / die ihre vom Simson zugefügte Wunden heilen konte. Dieses war ein Artzneimittel / das ihr geschwächtes Hertz wieder zu stärken / und ihnen ihren verlohrnen Muht wieder zu bringen vermochte. Nunmehr gaben sie der Furcht den Scheidebrief. Nunmehr verbanneten sie die Verzagtheit. Nunmehr wolten sie Schröklinge /Schöchterlinge / ja Feiglinge genennet zu werden aufhören / und den Nahmen der Tapferen / der Muhtigen / der Unerschrokkenen zu führen beginnen.

[194] [196](19) So war dan dem Simson sein listiger Fund / sein behänder Krigesrank so wohl / wie er selbst wünschte / gelungen. So hatte er diejenigen /die / in seiner Gegenwart / vor Schrökken gleichsam erstarret und erstorben / ja auf ihte Rache nicht einst bedacht waren / durch seine Scheinfrucht so weit gebracht / daß sie an ihm alle zu Rittern werden wolten. So schrieben sie dan in aller Hast / weil ihr wiedergeschöpfter Muht / noch in seiner ersten Hitze war /einen Kreustag aus. Die fünf Kreusfürsten des Filisterlandes kahmen eilend zusammen. Man berahtschlagte sich / in unterschiedlichen Versandungen / wie man den flüchtigen Simson verfolgen / und zum Stande bringen solte. Man war auf Mittel bedacht / wan etwan die offenbahre Macht wider ihn selbst / seiner mächtig zu werden / nicht angehen wolte / durch einen sonderlichen Rank ihn zu überlistigen / und dermaßen zu verstrükken / daß er tantzen müste / wie man ihm vorpfiffe.

(20) Die meiste Stimmen gingen zwar dahin / daß man von Stunden an mit einer mächtigen Heerskraft ihm nacheilen solte. Man solte straks vor Etan rükken. Zauderte man / und verzöge länger / so möchte der Flüchtling seine Flucht anders wohin nehmen. Der Verzug sei alhier schädlich. Durch das lange Zaudern möchte man veruhrsachen / daß er sich weiter von ihnen entfernete. Er sei ein verschmitzter / durchtriebener / schlauer Fuchs / der seinen Balg zu bewahren listig genug were. Itzund hette man ihn noch in der Nähe. Itzund sei er in der Falle: da man nichts anders tuhn dürfte / als sie zu versperren / und über ihm die Schlünge zuzuziehen. Wan er ihnen von dar entwischete / würde man ihm vergebens nachtrachten.

(21) Etliche fügten hinzu: Simson were ja ein Mensch so wohl / als andere. Er sei nur ein einiger Man / und darzu ein solcher / der nunmehr seine Manhaftigkeit / zusamt dem Muhte / verlohren. Er habe nur ein einiges Hertz / und darzu ein solches / dem nunmehr seine Hertzhaftigkeit entfallen. Er sei nur ein einiger Fremdling / der im Filisterlande sonst nichts zu sagen / als wessen er sich / durch seine so tolkühne / so frefelhaftige Wühterei / Selbsten angemaßet. Warüm man dan / diesen einigen Fremdling /diesen einigen Kärl / dessen [196] Hochmuht und Grausamkeit bisher so hoch gestiegen / daß er nicht nur ihr Herr / sondern auch gar ihr Hänker zu sein so verwägener Weise sich unterstanden / bei so gewünschter Gelegenheit / aus dem Wege zu reumen / sich noch lange bedenken wolte? Eine Zeit lang hetten zwar dieFilister sein Joch abzuschütteln verseumen müssen / weil es ihnen so schweer auf den Hälsen gelegen / daß ihnen keine Muße nur Ahtem zu schöpfen / viel weniger Widerstand zu tuhn vergönnet worden. Doch nunmehr sei die Zeit gebohren / da man / die vorige schändliche Tumheit / die einen solchen einigen Landleuffer / sie mit gantzen Mängen auf die Schlachtbank zu schleppen / veranlaßet / abzulegen /und gescheider zu werden Gelegenheit genug bekähme.

(22) Aber einer von den Fünffürsten fing hierauf folgender Gestalt an: man müste behuhtsam in dieser Sache verfahren. Man müste vorsichtig handeln. Man müste solcher Gestalt nicht zuplumpen / daß man Verlust und Schimpf / Schaden und Schande darvon trüge. Es sei zwar alles wahr / was sie sagten: doch sei es auch wahr / daß Simson ein solcher Man were / den man / selbst mit eisernen Handschuhen /nicht antasten dürfte. Die Erfahrung bezeugte genug /was seine übermenschliche Stärke vermöchte. Und darüm müste man auf andere sichrere Mittel bedacht sein. So plumplings ihn anzufallen were nicht rahtsam. Man müste sich bemühen die Heupter des Jüdischen Volkes / unter derer Gebiet er sich begeben /entweder mit guhten / oder mit Dreuworten zu bereden / daß sie ihn ihren Händen gebunden überantworteten. Auf solche Weise weren sie vergewissert / daß er ihnen keinen Schaden mehr zuzufügen vermöchte. Und alsdan könten sie mit diesem ihrem Wühtriche /ja mit diesem mehr als verteufeltem Menschen / seinen Ubermuht zu stürtzen / nach eigenem Belieben das Garaus spielen.

(23) Hiermit war der Endschlus getroffen. Hiermit nahm das Rahtschlagen ein Ende. Ja hiermit war die Glokke / die dem Simson zu Grabe leuten solte /gegossen. Iederman stimmete mit zu. Iederman freuete sich über diesen so großmühtigen Anschlag. Ja sie frohlokketen dermaßen / als hetten sie den [197] gebundenen Simson schon in ihren Händen. Etliche waren zugleich auf Strükke bedacht / die stark genug sein möchten ihren algemeinen Feind zu binden. Andere bekümmerten sich schon / was für einen Tod man ihm antuhn solte. Die gewöhnliche Weise Menschen hinzurichten / sagten sie / were für einen solchen greulichen Wühterich alzuguht / alzugnädig / alzuehrlich. Eine gantz ungewöhnliche / gantz grausame / gantz schänd- und schmähliche müste von neuem erfunden werden.

(24) Also bekümmerten sie sich üm die unausgebrühteten Küchlein / ja selbst üm die ungelegten Eier / eben als jener Meisterkoch / wie man sie zurichten solte. Also berieten sie sich / wie die Herren von Schilde / was man dem Kräbse / den sie noch nicht gefangen / für einen Tod antuhn solte. Also hielten sie Raht / eben als die Rahtsherren von Witzenburg über jene vor ihrer Festung liegende Roche / wie sie aus dem Wege zu reumen; da sie doch niemand / als einen so stachlichten Feind / antasten durfte. Ja ihre Gedanken waren mit so vielerlei Anschlägen geschwängert /und so aufgeblasen / wie jener aufgeblöhete trächtige Berg / der endlich nichts / als ein einiges lächerliches Meuslein gebahr. Es ward / in ein Wort den gantzen Handel zu fassen / aus allen ihren aufgeschwollenen Rahtschlägen zuletzt nichts / als ein schimpflichesPfudichan.

(25) Solchen großmühtigen Rahtschlus nun auszuführen brachte man in der Eil ein Heer von etlichen tausend Kriegsleuten zusammen. Hierzu warden die kühnesten / die tapfersten / die ansehnlichsten der Eingebohrnen erkohren. Nichts / als lauter versuchte Helden / die ihrem Feinde die Spitze zu bieten / ja selbst abzubeissen gewohnet / wolte man haben. Nichts / als eitel Muhtlinge / als eitel Tapferlinge / als eitel Wagehälse / warden zu diesem Kriegszuge genommen. Ja man stellete selbst vor iede Heerschaar /ihr Ansehen üm so viel erschröklicher zu machen / allezeit ein Glied Enakskinder. Diese solten ohne Zweifel / durch ihre so ungeheure Grösse / so ungemeine Stärke / den Filistern zu Schutzwehren dienen.

(26) Mit dieser Heersmacht brach man plötzlich auf. Man zog trotziglich fort. Man rükte gantz unvermuhtlich / ohne einigen vorangeschikten Heerold / auf das Jüdische Land zu. [198] Alda schlug man / in den Grentzen / das Läger auf. Man stellete sich / als hette man vor einen feindlichen Einbruch zu tuhn; und hierzu ward auch die Anstalt schon gemacht. Die Heupter des Jüdischen Volkes erschraken hierüber nicht wenig. Es kahm ihnen dieses Beginnen gantz unverhoft. Daher wusten sie nicht / weder was sie tuhn /noch was sie sagen solten. Sie konten nicht begreiffen / aus was für einem Einflusse diese Kriegesfluht auf sie zugeströhmet kähme.

(27) Weil nun keine Zeit da war sich lange zu bedenken / so schikten sie zur Stunde Gesanten zu den Filistern / die Uhrsache eines so unversehenen /als unverschuldeten Uberfalles zu erfahren. Denen ward geantwortet: man hette diesen Kriegeszug nicht unversehens / noch ohne gegebene Uhrsache begonnen. Schon vorlängst hette sie Simson / durch seinen übermachten Frefel / gleich als bei den Haaren darzu gezogen. Bisher hetten sie zwar durch die Finger sehen / und sich erbärmlicher Weise zausen laßen müssen; weil ihnen Gelegenheit und Macht gemangelt sich zu rächen. Ja sie hetten schier alzulange stille gesessen. Schier alzulange hetten sie diesen Muhtwillen / diesen Unfug / diese Wühterei erduldet. Aber nunmehr sei die Zeit ihrer Rache gebohren. Nunmehr hetten sie beschlossen / sich / ihres Schadens wegen / an ihnen zu erhohlen; weil derselbe / der sie beschädiget / nicht allein aus ihren Bluhts- und Bundes-verwanden entsprossen / sondern auch bei ihnen selbst seinen Unterschleuf hette.

(28) Die Gesanten des Jüdischen Stahts trachteten zwar ihre Heupter auf das beste zu entschuldigen: indem sie vorwendeten / sie hetten von allem / wasSimson bei den Filistern irgend möchte verübet haben / nicht die geringste Wissenschaft. Viel weniger weren sie / noch iemand anders aus dem gantzen Stamme des Juda zu bezüchtigen / daß er von daraus zu solchem Muhtwillen angereitzet worden / oder einigen Vorschub empfangen. Zudem hette man den Filistern / als Oberherren / die aufgelegten Schatzungen iederzeit willig entrichtet. Auch were man ihnen in keinem Dinge zuwider / sondern vielmehr in allem zu willen gewesen. Daß nun Simson sich mit der Flucht unter ihre Bohtmäßigkeit begeben / da [199] könte man nicht vor. Die Stahtsheupter wüsten auch darvon noch zur Zeit nichts. Und also hetten die Filister gantz keine rechtmäßige Uhrsache / die so gar Unschuldigen mit Kriege zu über ziehen.

(29) Aber mit allen diesen Entschuldigungen / mit allen diesen auf die lautere Wahrheit gegründeten Gegenwürfen richteten sie gleichwohl nichts aus. Es half alles gantz nichts / was sie / den Krieg abzuwenden /vorwendeten. Die Filister blieben gleichwohl noch immerzu fest und steif auf ihrem Vorsatze stehen. Das Haus des Juda / sagten sie / hette sich /dieses allerrechtfärtigsten Krieges wegen / über niemand anders zu beschweren / als über den einigenSimson: der itzund / nachdem er sie so gar hoch beleidiget / daß seine Beleidigungen kein Ziel / noch Maße gehabt / unter desselben Beschirmung sich aufhielte. Der einige Simson sei es / den man suchte. Er allein were das einige Ziel / das man zu erreichen /ja gar zu vertilgen trachtete. Weil nun dieses Ziel itzund nirgend anders zu finden / als im Jüdischen Lande; so würde freilich dasselbe mit dem Simson / als die Zielscheibe mit dem Ziele / zugleich herhalten / und den angedreueten Schus ausstehen müssen.

(30) Hierzu fügten sie noch dieses. Die Filister könten anders nicht tuhn / wan sie das unerträgliche Joch des Simson einmahl abstreiffen / und dieses vierschröhtigen verteufelten Unmenschen / in den alle Geister aus der Hölle gefahren zu sein schienen / loß sein wolten. Ja sie würden gezwungen diesen ihren algemeinen Feind / durch des Jüdischen Volkes algemeine Niederlage / zu erlegen: weil man ihm sonst / seiner so gar gewaltigen ungeheuren Stärke wegen / dadurch er ein mächtiges Riesenheer selbst trotzen dürfte / in einem absonderlichen Streite / keines Weges obzusiegen vermöchte.

(31) Durch diese und dergleichen Scheindreuungen trachteten sie das Jüdische Volk zu überpochen / und in ein solches Schrökken zu jagen / daß sie ihnenden Simson üm so viel williger / ja von sich selbst / und zwar gebunden ausantworteten. Dahin allein zieleten auch alle ihre Gedanken. Dahin gingen alle ihre Anschläge. Dieses war ihr einiges Begehren:[200] wiewohl sie es öffendlich nicht sagen durften; weil sie sich ohne Zweifel ausgelachet zu werden befahreten /daß sie mit einer so mächtigen Krieges-rüstung /nichts anders auszurichten / als bloß allein einen Gebundenen abzuhohlen / angezogen kähmen.

(32) Niemand trotzet und pochet mehr / als ein Verzagter / wan er märket / daß man sich für ihm fürchtet. Niemand ist übermühtiger / als ein Feiger /wan er siehet / daß er mit einem Schüchternen zu tuhn hat. Ein solcher ist eben / als ein klaffender Bauerhund / der es nicht eher wagen darf einen Bätler zu verfolgen / viel weniger anzufallen / als wan er siehet / daß er / aus Furcht / für ihm lauffet. Alsdan eilet er erst / mit großen Sprüngen / hinter ihm her / nicht an ders / als wolte er ihn straks zerreissen. Kehret aber der Bätler sich wieder nach ihm zu / ob er schon stehen bleibet / und ihm seinen Bättelstab nur weiset; dan nimt er / mit noch viel grösseren Sprüngen /gleich als flügende die Flucht / ja schreiet zugleich für großer Angst / als hette der Schlag oder Wurf ihn schon getroffen.

(33) Solche tapfere Leute waren auch die Filister. Weil sie sahen / daß die Jüdische Völkerschaft sich für ihnen scheuete / daß sie / aus Furcht üm schönes Wetter baht; da war niemand / der mehr schnauben / schnarchen / pochen / und trotzen konte / dan eben sie. Und hierdurch gelangten sie auch vollend /und so leichtlich / als sie selbsten wünschten / zu ihrem verlangten Zwekke. Die Heupter des Jüdischen Stahts / samt allen Einwohnern / erschraken nicht wenig / als ihnen die Dreuworte eines solchen Volkes / dessen wühterische Herschaft sie seine Grausamkeit eine lange Zeit her genugsam fürchten gelehret / so uhrplötzlich zu Ohren kahmen. Der Muht / der bei währender ihrer Leibeigenschaft schon zu erschlappen gewohnet / entfiel ihnen vollend so gar / daß sie wider dieselben / unter derer Gewaltzwange sie zappelten /zum Schwerte nicht greiffen durften.

(34) So hatten die Filister gewonnenes Spiel. Die Oberheupter des Jüdischen Stahts krochen zum Kreutze. Sie begingen eine schändliche Tohrheit. Auf das höchste warden sie undankbahr / untreu / und ehrvergessen. An stat / daß sie ihren [201] von GOtt bestimten Richter / ja Erlöser und Heiland mit gewafneter Hand hetten beschirmen sollen / erbohten sie sich selbst ihn zu verrahten / ihn zu verkauffen / ihn in der Filister Gewalt zu schaffen. Sie selbst wolten hinziehen ihn zu greiffen / ihn zu binden / und in ihr Läger zu führen. Sie / die Filister / solten anders nicht eine Hand anschlagen / als ihn aus ihrer Hand zu empfangen. Der Jüdische Staht solte / durch seine Völker / alles allein tuhn.

(35) Niemand war froher / als die Filister /denen ihr Anschlag so wohl gelungen; denen ihr Trotz einen so gewünschten Ausschlag erworben. Sie versicherten zugleich die Unterhändler aus dem Stammedes Juda / sofern sie ihr Anerbieten erfülleten /und ihnen den Simson gebunden aushändigten /daß sie alsdan nicht allein friedlich abziehen / sondern auch mit den Eingesässenen des Jüdischen Stahts einen ewigen Bund / zu unterlicher unzerbrüchlicher Freundschaft / aufrichten wolten. Ja sie weren gesonnen / zur Bestätigung solches Bundes / durch das Bluht des Simsons dieselbe Feuersbrunst / die zu ihrem algemeinen Verderben albereit zu flammen begonnen / gäntzlich zu dämpfen. So warden danHerodes und Pilatus Freunde.

(36) Imfal sie aber / setzten sie hinzu / ihr Anbot zu volziehen verseumeten / und den Simson etwan / aus Verweilung oder Achtloßheit / entschnappen liessen; alsdan solte Schwert und Feuer ihre geringste Strafe sein. Alsdan wolte man den Jüdischen Staht mit lauter Niederlagen / mit lauter Verheerungen erfüllen. Eher wolte man nicht aufhören /als bis man alles / Volk und Städte / Männer und Frauen / zu grunde vertilget. Selbst die Kinder solten in der Wiege getöhtet werden. Selbst die Seuglinge solten an der Mutter Brüsten durch die Schärfe des Schwertes fallen. Niemand solte frei ausgehen / auch nicht einer.

(37) Hierauf warden dan aus dem Stamme des Juda von Stunden an drei tausend bewehrter Männer versamlet. Von Stunden an brach man auf. Eilend rükte man fort / und begab sich nach der Etannischen Steinkluft zu. Alda belustigte sich Simson / seiner Gewohnheit nach / eben mit dem Gesange [202] der Vogel /als er dieses Heer im Anzuge begriffen sahe. Straks ahnete ihn / daß es auf seine Haut angesehen. Zur Stunde fiel ihm ein / was sich unlängst in der Luft mit den Vogeln begeben; was sich mit dem Steinadler zugetragen. Und darüm ging er dem Heerszuge selbst entgegen. Er wolte sich gleichsam selbst darstellen: damit man der Mühe / nach ihm zu suchen / nicht nöhtig hette.

(38) Nachdem des Jüdischen Stahts Heerführer den Judaskus und Grus abgeleget / da fing er / ohne weitere Vorsprache / zum Simson straks an. »Wir seind ausgezogen« / sagte er / »dich zu suchen. Wir kommen dich zu greiffen. Unser Befehl ist dich zu binden. Darüm gib dich nur straks gefangen. Sperre dich nicht lange. Du bist in unserer Gewalt. Du bist schon so guht / als gefangen. Hier seind auch schon die Strükke dich zu binden. Du must mit. Da hilft nichts für.«

(39) Weil nun Simson die Uhrsache zu wissen begehrte / fuhr der Heerführer weiter fort. »Du bist ein Friedenstöhrer. Du machest uns Ungelegenheit. Du tuhst nicht was dir / als einem Eingebohrnen des algemeinen Israelischen Stahts / geziemet. Deine Verwägenheit / deine Tolkühnheit / dein Frefel / dadurch du / aus unzeitiger Rache / die Filister uns auf den Hals hetzest / zerstöhret unseren Frieden / unsere Ruhe / unsere Wohlfahrt. Du weist sehr wohl / daßdie Filister über uns herschen; daß wir ihre Gefangene / ja Leibeigene seind. Doch gleichwohl zörgest und erzürnest du sie täglich. Bedenkest du dan nicht / daß wir / als Gebundene / nicht mächtig sein würden uns zu wehren / wan sie uns etwan / deiner Frefelstükke wegen / überfielen / wie sie dan schon beinahe begonnen?«

(40) »Ich gestehe zwar« / fiel ihm Simson in die Rede / »daß ich die Filister zimlich hart und mit scharfen Kämmen gestriegelt. Aber daher haben sie keine Uhrsache den Stam des Juda feindlich anzufallen. Wollen sie sich / als rechtschaffene Leute / an iemand rächen / so mögen sie es an mir tuhn: an mir / sage ich / der ihnen anders nicht getahn / als wie sie erstlich mir tähten; indem sie mich zum höchsten beleidigten.«

(41) »Gleichwohl stehen sie in dem Argwahne« /fing ihm der Heerführer das Wort auf / »daß wir dich darzu angereitzet. [203] Und daß sie solches argwähnen ist nicht fremde: weil sie wohl wissen / daß wir ingesamt / gleich als gefangene Räphühner / in ihren Raubklauen elendiglich zappelen / und nach irgend einer Erlösung seufzende verlangen. Ein Wühterich / der sich beleidigt befindet / gleubet gar leichtlich; daß dieselben / die sein Joch widerwillig tragen / die Beleidigung angestiftet: zumahl wan der Beleidiger ihnen verwand / oder bei ihnen seinen Aufenthalt hat.

(42) Wie nun dieses wahr ist / so ist es auch wahr /daß ein Beleidigter / der einen mächtigen Nachdruk hat / seine Rachbegierde / an wem es ihn müglich dünket / zu sättigen suchet. Ja er rächet sich wo und wie er kan / imfal er nicht kan / wo und wie er solte. Weil die Filister dir nichts abzuhaben vermögen / oder vielleicht aus Hochmuhte / oder aber aus Schaamröhte sich an einen einigen Menschen / dessen mächtige Stärke sie kennen / mit etwan einer gewaltigen Kriegsbereitschaft nicht machen wollen / oder auch nicht dürfen; so dreuen sie solches an uns zu tuhn: weil du uns nicht allein mit Bluhtsfreundschaft verwant werest / sondern auch noch darzu deinen Unterschleuf bei uns / als deinen Verhetzern / hettest. Ja sie wollen lieber am gantzen Stamme des Juda ihr Mühtlein kuhlen; indem sie desselben Einwohner /als Aufwügler / auf derer Anstiftung du wider sie aufgestanden / beschuldigen.

(43) Was ich alhier sage / rühret aus keiner bloßen Muhtmaßung her. Wir seind noch itzund erstaunet: noch itzund gällen uns die Ohren von den erschröklichsten Dreuworten / welche sie wider uns ausgelaßen: indem sie uns vorhielten / daß ihr Rachzorn /der sich wider dich entzündet / über uns / als Anstifter und Beschirmer deiner Boßheit / auf das allergrimmigste sich ausstürtzen solte; sofern wir ihnen nicht behülflich sein würden ihn über dich auszugüßen. Darüm kan uns dan niemand verdenken / wan wir unsere algemeine Wohlfahrt der absonderlichen deinigen vorziehen.

(44) Einen einigen Menschen zu erhalten mus ja die Erhaltung eines gantzen Stahts mit nichten verwahrloset werden. Es ist allezeit besser / den Abschnit eines einigen Gliedes erdulden / als üm dessen Willen den gantzen Leib laßen verlohren [204] gehen. Wan es ie scheinen möchte / daß wir wider die Schuldigkeit / damit wir dich zu beschirmen verbunden / gehandelt; so wird die Pflicht / die uns zur Erhaltung des gantzen Stahts noch vielmehr verbindet / unsre Verrähterin sein. Es were gantz unbesonnen gehandelt / wan ein Abgematteter / und darzu Gefesselter / dem es an Macht und Muhte mangelte / mit einem Starken und Mächtigen / der beide Feuste frei hette / zu streiten sich unterfangen wolte. Wir seind / wo nicht an Händen und Füßen / doch an Macht und Muhte gefesselte Leute. Darüm tähten wir töhricht / wan wir der freien Gewalt und dem Befehle der Filister uns widersetzten; und üm deinet willen uns ihre Waffen über den Hals zögen.«

(45) Weil nun Simson / aus Eingebung des Geistes GOttes / wohl wuste / was ihm und den Filistern begegnen solte; so gab er hierauf / mit einem gantz freudigen Muhte / zur Antwort. »Mit eurem Verderben« / sprach er / »ist mir nicht gedienet. Euer Untergang kan mir nichts helfen. Unter einem so gefährlichen Schutze wil ich meine Sicherheit nicht suchen. Unter einem so töhtlichen Schatten wil ich nach meiner Beschirmung nicht trachten. Vielmehr solte mein Tod das Lösegeld sein für eure Freiheit / für eure Wohlfahrt; wan diese hierdurch zu erkauffen stünden. Bedenket euch dan nicht lange dasselbe zu tuhn / was ihr zu tuhn gezwungen werdet. Bekümmert euch nur nicht / daß der Nohtzwang euch treibet mich den Filistern zu übergeben. Ich / weil ich den Willen GOttes / und sein Vorhaben / in dieser Sache /wohl weis / bin hierzu willig.

(46) Wüstet ihr dieses / ja wüstet ihr / was der Himmel über sie beschlossen / ihr würdet euch für den Dreuworten dieses entrüsteten / wiewohl sonst ohnmächtigen Völkleins / das nur ein Schaum / ein Auskehricht von andern Völkern ist / nicht entsetzen. Das Buch der Schlüsse GOttes ist mit dunkelen Buchstaben geschrieben. Das Verzeichnis seiner Vorsehung ist sterblichen Augen unleserlich. Menschlicher Verstand verstehet auch beider Sprache nicht: es sei dan / daß ihn GOTT darzu erleuchtet. Köntet ihr diese zwo GOttes eigenhändige Himmelsschriften /darinnen alles / was so wohl GOtt / als die [205] Menschen untereinander verrichtet / und noch täglich verrichten /verfasset stehet / mit erklährten und von GOtt selbst gleichsam gelehnten Augen und Verstande / durchschauen; so würde gewislich euch unverholen sein /daß die Almacht GOttes diese Bösewichter / als seine und unsere Feinde / spohrenstreichs in ihr eigenes Verderben zu rennen / eben itzund wo nicht selbst antreibet / doch durch ihre Boßheit angetrieben zu werden verhänget.

(47) So fanget mich dan nur immerhin. Bindet mich nur immerhin. Führet mich nur immerhin /wohin ihr mich zu führen versprochen. Aber schwöhret mir zuvor / daß ihr mich nicht töhten /noch mir wehren wollet. Lebendig / wiewohl gebunden / solt ihr mich ihnen aushändigen. Ich weis schon / was ich tuhn wil. Ich wil ihnen solcher Gestalt mitfahren / daß sie in der Taht erfahren sollen / ich habe /mit dem ersten Geisteinhauchen / nur zu dem Ende das Leben empfangen / daß ich eine lebendige Geissel / eine lebendige Striegel dieser losen Völkerschaft sein solte / ja ihnen den Machtstab der Herschaft selbst / deren sie sich über eure Freiheit gewalttähtig angemaßet / aus der Faust rükken. Und eben darüm ist meine Rache / die ich albereit wider sie ausgeübet / ungleich grösser und Schärfer gewesen / als sie /nach dem ebenmaße des Unrechts / welches sie mir zugefüget / sein sollen.

(48) Aber ich wil sie nunmehr / da sie / mit einer so gewaltigen Zurüstung / auf meinen Tod lauern / noch viel härter antasten. Ich wil sie so geisseln / so peitschen / so striegeln / so räffeln / so hecheln / so zerpoken / so zerplauen / so zerstauken / daß sie es fühlen /ja mit Leidwesen gewahr werden sollen / solche ihre Zurüstung sei ihnen selbst / und nicht mir zum Tode gediehen. Dis Ungewitter / das wider euch aufgezogen ist / wil ich / durch meine Stärke / bald zerschlagen /bald verjagen. Ja ich wil die Filister Schlagende schlagen / ich wil sie so schlagen / so wil ich sie klopfen / so wil ich sie zermalmen / daß keiner / wan es mir beliebet / auch nicht einer / es nachzuerzehlen /entrinne.«

(49) Mit diesen letzten Worten / die als ein Donner von seiner Zunge rolleten / und gleich den Donnerkeulen aus seinem [206] Munde brummeten / begunte die Peitsche seiner Rache schon zu klatschen / Ja die Kraft / die in ihm zu streiten pflegte / begunte sich schon zu bewegen. Seine gantze Gestalt entstellete sich. Alle seine Gebährden veränderten sich. Sein gantzes Wesen ward erschröklich. Seine Wangen feuerten. Seine Stirne glühete. Sein Ahtem hitzete. Seine Augen flammeten / wie die Augen eines ergrimmeten Leuens. Er schüttelte die Aerme / wie ein muhtiger Kampfhahn die Flügel / wie ein gezörgeter Leue die Mähne. Alles / was an und in ihm war / rüstete / wo nicht vielmehr entrüstete sich dermaßen / als hette er seine Feinde schon erblikket.

(50) Uber solchen so erschröklichen Anblik entsatzten sich dieselben / die ihn zu binden bestimt waren / so heftig / daß sie nicht herzunahen / viel weniger ihn angreiffen durften. Ja sie entsatzten sich noch vielmehr / und warden zum höchsten bestürtzt /als sie sahen / daß er selbsten / sich binden zu laßen /so vol Muhtes nach ihnen zutraht: daß er selbsten dieselben Heldenhände / die so manchen Feind geschlagen / die Bande zu empfangen / mit solcher Freudigkeit ausstrekte; eben als hetten sie ihm zur Siegespracht dienen sollen. Auch solten sie es in der Wahrheit tuhn. In der Wahrheit solten sie ihm den Sieg /darüber er mit so vielen Zeichen seiner Tapferkeit zu prangen versichert war / zu wege bringen.

(51) Also ward dan ein zweifacher Strük / der erst aus des Seilers Hand gekommen / und noch niemahls genützet worden / üm dieselben Hände / die würdiger waren den herlichsten Reichsstab der Welt zu führen /geschlagen. Also ward dan derselbe / den man auf den Richterstuhl des gantzen Israelischen Stahts setzen sollen / von seinen eigenen Landesleuten / ja eigenen Bluhts-Freunden ihrem algemeinen Feinde selbst verrahten / ja selbst zugeführet. Also ward dan derselbe /der von GOTT selbsten zum Erlöser und Heilande seines Volkes bestimt war / von eben demselben seinen eigenen Wühterichen / den Filistern / zur Schlachtbank / gefänglich und gebunden ausgehändiget.

(52) Hier sehen wir abermahl an diesem Irdischen Simson ein recht ähnliches Vorbild des Himlischen. Beider Begäbnisse [207] gleichen einander / in diesem Stükke / so eigendlich / als schier ein Ei dem andern. Simson wird alhier durch seine eigene Landesleute / die Jüden / ausgespühret /und verrahten. Dreitausend aus dem Stamme des Juda suchen / fangen / und binden ihn / mit zween Strükken. Das lesset er alles williglich zu. Ja er gehet ihnen selbst entgegen. Sie lohnen ihrem Landesbeschützer / ihrem Erlöser / wie die Welt zu lohnen pfleget. Sie überantworten ihn gebunden in die Bluhtdürstigen Hände der Heidnischen Filister.

(53) Eben also ward der Himlische Simson der Heiland und Erlöser der Welt JESUS /von seinen eigenen Landesleuten / von eben denselben Jüden ausgespühret / und verrahten. JaJudas sein eigener Lehrjünger / muste der Rädelsführer in dieser Verrähterei sein. Der Jüdische Hohepriester lies Ihn ausstankern. Darüm hies er auch /wie er in der Taht war / Kaifas / das ist ein Spührhund. Die ausgeschikten Jüden suchten /fingen / und banden Ihn. Ja Er ward mit zween Strükken gebunden: indem Er zweierlei Leiden / eines innerlich an der Seele / das andere von aussen an seinem allerheiligsten Leibe / damit wir so wohl des Leibes / als der Seelen Säligkeit teilhaftig würden / ausstehen muste. Auch gab Er sich guhtwillig in diese Bande; ja er ging ihnen selbst entgegen: damit Er unsere Sündenbande loß- und unsere Seelen in das Bündlein der Lebendigen einbinden / ja uns selbsten /mit ungebundenen Händen und Füßen / zur ewigen Freiheit / Ihm mit ungebundenen Zungen zu danken /einführen mochte. Sein eigenes Volk schleppete Ihn gebunden vor den Heidnischen Landpfleger / den Pilatus. Man überantwortete Ihn in der Röhmer Hände. So musten sich an Ihm Jüden und Heiden /gleichwie am Simson veigreiffen.

(54) Sobald die Filister von Ferne den gebundenen Simson erblikten / fing ihr gantzes Läger an lautbar und rege zu werden. Das jauchzen /das frohlokken / das Händeklopfen / das hüpfen / das springen hatte kein Ende. Sie brachen straks auf. Zur Stunde zogen sie ihm mit einem großen Getümmel /als unsinnige Menschen / entgegen. Einieder wolte der erste sein dieses lebendige Wunder unüberwindlicher Stärke gefangen / [208] gebunden / bestrükket zu sehen. Einieder schärfete seine Zunge / wetzete seine Lippen ihn mit den allerstachlichsten Hohnworten /und allerspitzigsten Schmaachreden zu empfangen. Ja sie waren alle bedacht mit was für einem schmähliehen Tode man ihn hinrichten solte. Alle verlangten mit übermäßiger Begierligkeit in seinem Bluhte die wühterischen Feuste zu waschen.

(55) Aber sie waren ihm kaum etwas näher gekommen / als sie des Simsons erster Anblik schon dermaßen erschrökte / daß sie schier alle zu stutzen /wo nicht gar zu Bodem zu fallen begunten. Das Wetterleuchten seiner Augen / das Schnauben seiner Nase / das Ahtemblasen seines Mundes / das düstere Gewölke seiner Stirne schienen Vorzeichen zu sein eines heftigen Sturmwetters / das über sie bald ausbrächen würde. Das schütteln seiner Schultern / das schlänkern seiner Arme / das bewegen seiner Feuste / ob sie schon gebunden waren / enthertzte die Behertztesten so gar / daß sie nicht wusten / ob sie warten / oder flühen solten.

(56) Endlich / als sie dieses grimmigen Anblikkes gewohnet warden / schöpften sie gleichwohl wieder so viel Muhtes / daß sie mehr und mehr auf ihn zurükken durften. Da dreueten ihm die Muhtigsten / mit entblößeten Schwertern. Andere / welche die Waffen auf ihn zu zükken nicht behertzt genug waren / gaben der Zunge Luft mit spitzigen Spotreden auf ihn loßzustechen. Unterdessen stunden sie / wie großmühtig sie scheinen wolten / dannoch allesamt auf der Kippe. Alle lauscheten und lauerten / wo es hinaus wolte. Bewegte sich etwan Simson nur einmahl was heftig /da stekten sie zur Stunde Schwert und Pfeiffe wieder ein. Einieder gedachte / nun würde der Schlagetantz /darzu man gepfiffen / angehen. Einieder war auf ein guhtes Reisaus / auf einen sicheren Schlaufwinkel bedacht.

(57) Nachdem nun die zwei Heere / das Filistische und Jüdische / zusammengestoßen / und Simson sich durch ein guhtes Teil der Filister ümringet sahe; da hielt er sich gantz eingezogen. Er stellete sich an / als einer / der Hertz und Muht / Macht und Stärke verlohren. Er schwieg / als ein Fisch. [209] Er stund / wie ein Stok. Er bewegte sich nährlich einmahl. Doch die Augen gingen ihm / und dreheten sich / als eines Uhrwerks Unruhe / von einer Seite zur andern. Und dieses täht er nur darüm / damit er eine deszu größere Mänge lokasen / und in seinen Garn-sak bekommen möchte. Eben darauf lauscheten und lauerten auch seine so unstähtige Blikke.

(58) Wie ein geübter Schütze sein angeschlagenes Vogelrohr / mit vielem Schrohte geladen / nicht eher loßdrükket Feuer zu geben / als bis er / seinen Schus üm so viel reicher zu tuhn / eine große Mänge Vogel auf einen Hauffen versamlet siehet: also wolte Simson den mächtigen Nachdruk seiner Wunderkraft auch nicht eher eusern / als bis er die Filister auf einen Hauffen zusammengedrungen sahe.

(59) Wie ferner ein wohlabgerichteter muhtiger Jagthund / mit niedergebogenem Kopfe / mit eingezogenen Schultern / Lenden / und Beinen / sich dükket /und mit unverwanten Augen auf den Wink seines Herrn / der ihm anzufallen gebieten sol / wartet; ja wie er / sobald dieser Wink geschehen / hurtig aufspringet / von seinem Leitriemen / wo er nicht straks aufgelöset wird / sich selbst loßreisset / und mit eben so schnällen Füßen / als Flügeln ein Vogel durch die breite Luftgegend / über die Felder sich hinschwinget das Wild zu erhaschen: also dükte sich gleichsam auch unser Held / mit eingezogenem Halse / mit zusammengezogenen Schultern und Hüften / und wartete mit wakkeren Augen auf den Götlichen Wink / der ihm / durch innerlichen Antrieb / befehlen solte den Anfal zu tuhn; ja er fiel in der Taht / sobald er diesen Wink / diesen Antrieb spührete / nachdem er sich aus seinen Banden loßgerissen / muhtig auf den Feind zu.

(60) Es schien auch in Wahrheit / als hette Simson alhier / durch den Einzug seiner Gliedmaßen /zugleich seine von GOTT eingepflantzte Kraft / üm so viel stärker und mächtiger zu sein / auf einen Hauffen zusammenziehen wollen: weil er straks darnach /da er seine Zeit erwartet / und den Götlichen Antrieb in ihm märkte / von seinen Banden / mit einem einigen und so gewaltigem Risse / sich loß machte / daß die Strükke nicht anders / als schwache Zwirnsfäden /welche die Lohe [210] versänget / oder als verstokte Strohhälmer / an seinen Händen zerbrachen.

(61) Mit diesen von Simsons Händen abfallenden Strükken / entfiel zugleich den Filistern der Muht. Ja die Furcht überfiel sie dagegen dermaßen / daß sie ihres übermühtigen Prahlens zur Stunde vergaßen. Da ward das Lachen teuer. Da hatte das Frohlokken / das Spotten / das Dreuen ein Ende. Da sahe man das Getümmel in einem Augenblikke gestillet. Da kroch ihnen der Schrik durch alle Glieder. Da zitterten / da böbeten sie / ja erstarreten endlich. Da stunden sie / als lebendige Leichen; wo noch einiges Leben vor handen. Sie waren tohtenblas. Sie schienen als erstorben; wo sie nicht schon gar toht waren. Zum wenigsten hatten sie die Sinligkeit / die Empfindligkeit so gar verlohren / daß sie nicht fühleten / wie ihnen geschahe.

(62) Ich rede nicht von den Verzagten und Feigen; die auch ein flatterndes und klatterndes durch das geringste Lüftlein bewegtes Espenlaub erschrökket. Die allermuhtigsten / die allerkekkesten / die allerverwägnesten selbst traf dieser algemeine Schrik. Ob schon drei tausend gewafneter Kriegsgurgeln / den einigen und darzu gantz Wehr- und Waffenlosen Simson zu verschlingen / in Bereitschaft stunden; gleichwohl durfte sich nunmehr keiner von so vielen erkühnen den Streit anzufangen. Ein ieder scheuete sich das Schwert wider ihn zu zükken; damit er das Verhängnis / seinen Tod zu befördern / nicht etwan zörgete. So hatte sie alle der Schrik übermeistert. So hatte sie alle die Furcht bezaubert. So hatten sie alle die Hofnung / ihm obzusiegen / verlohren; indem sie ihn nunmehr frei und von seinen Banden entbunden sahen.

(63) Weil sie nun nicht stehen / noch streiten durften / auch nicht konten; so war kein besserer Raht für sie / als / an stat der Bluhtfahne / das Hasenfähnlein flügen zu laßen. Und dem zur folge warden sie schlüssig mit der Flucht das Leben zu retten. Auch müste dieses von Stunden an geschehen / ehe sichSimson / der noch ungewafnet war / etwan eines von ihren Schwertern bemächtigte: damit er dan gewislich ein großes Bluhtbad unter ihnen anrichten würde.

[211] (64) Aber diese Feiglinge hatten nicht nöhtig sich zu bekümmern / daß ihnen Simson irgend ein Schwert / wan sie zu flühen verweileten / mit Gewalt aus der Hand reissen / und sich dessen zu ihrer Niederlage bedienen möchte. Ein solcher Held / als er war / dessen Arm die Almacht GOttes selbst auf eine gantz sonderliche / ja gantz wunderliche Weise stärkete / solte sich eines solchen Gewehres / das selbst die enthertztesten Hertzen behertzt / und die ohnmächtigsten Feuste mächtig zu machen pfleget / zuvoraus alhier / da sich GOttes Wundertähtigkeit wolte blikken laßen / nicht gebrauchen. GOtt wolte diesen Heiden / diesen Götzendienern / diesen Verächtern seiner Almacht sehen laßen / wer Er sei / und was Er vermöchte: damit sie mit eignem Schaden klug werden / und gestehen müsten / daß ausser Ihm kein GOtt sei. Und eben darüm muste Simson alhier nicht durch gewöhnliche / sondern gantz ungewöhnliche verächtliche nichtige Mittel eine so große Heldentaht verrichten.

(65) Simson erblikte von ohngefähr alda einen faulen verlegenen Eselskinbakken / den die Feulnis schon so brosch und mürbe gemacht / daß er zu keinem Dinge tüchtig. Nichts konte gewislich verächtlicher und nichtiger sein / als ein solcher abgefleischeter und schier halb verweseter Knochen von einem so tummen / so faulen und trägem Viehe. Gleichwohl hub er ihn auf / und gebrauchte sich dessen an Schwertes stat. Hiermit ermante sich unser Sonneman / als ein Held. Hiermit drung und schwung er sich mitten in den Feind / da er am dikkesten stund. Hiermit zertrente er die Glieder in einem Augenblikke dermaßen / daß das gantze Heer in Unordnung geriet. Ja er hieb hiermit / als mit einem Schlachtschwerte /er schlug hiermit / als mit einem Streithammer / gantze Glieder zu beiden Seiten nieder. Die Streiche / die er gab / waren so gewaltig / und geschahen so geschwinde / daß die Gefälleten schier so viel Zeit nicht hatten sie zu fühlen. So gar plötzlich entfuhr ihnen die Seele.

(66) Ein Schnitter zükket / mit geschwinden Zügen / seine Sichel durch die Hälmer hin. Ein Meier schwänket seine Sense / mit langgehohlten Streichen /durch Graß und Kraut hin. Aber [212] Simson zükte seinen Kinbakken weit geschwinder. Er schwänkte ihn mit weit längeren Streichen. Und hiermit lag sein Schwaht in einem Augenblikke volendet. Ruk und Zug / Knal und Fal war eins. Kaum begunte diese Peitsche seines Zornes zu klatschen / da fielen die Filister hauffenweise schon zu Bodem. Er fing kaum an dieses Schlachtzeichen zu geben / da war der Sieg schon in seinen Händen.

(67) Und also schien Simson sowohl ein lebendiges Ebenbild / als Werkzeug des Todes zu sein: indem er mit seinem Kinbakken / eben wie jener mit seiner Sense / das Leben verkürtzte / ja eine so reiche Leichenärnte verschafte. Wo dieser Kinbakke / demSimsons Wunderstärke so einen gewaltigen Nachdruk gab / hintraf / da ward alles zerschmettert / alles zerknürschet / alles zermalmet. Die Knochen zerknakten / die Haut ward zerklobet / das Fleisch zerknöhtschet / ja die Seele selbst / samt dem Bluhte /mit Gewalt aus dem Leibe getrieben. Einieder Streich / einieder Schlag gab einen Tohten / auch wohl zuweilen zween oder drei zugleich. Ja einieder Schatte seines aufgehobenen Armes / wo er hinfiel / war ein gewisser Vorbohte des Todes.

(68) Etliche bekahmen einen solchen Schlag über den Kopf / daß ihnen hören und sehen zur Stunde verging. Andern ward die Hirnschahle mit solcher Gewalt eingeschlagen / daß das Gehirn / samt dem Leben / herausfuhr. Etlichen ward das Angesicht so zerlästert und so übel zugerichtet / daß es keinem Angesichte mehr ähnlich war. Andere / die den Arm / zur Beschirmung desselben / vorschlugen / behielten gleichwohl ihre Menschengestalt nicht ungeschändet: indem vom Kinbakken der Arm / und von diesem das Antlitz zerschellet ward. Etlichen geriet der Schlag vor die Kniescheiben: die dan / mit zerknikten Kniehen / vor unserem Helden einen Fußfal zu tuhn schienen. Andere / die / mit gebüktem Leibe / dem Streiche zu entweichen gedachten / bekahmen ihn so hart auf den Bukkel / daß sie in die Erde zu sinken / ja zugleich erschlagen und begraben zu werden vermeinten.

(69) Unterdessen stund das Heer des Jüdischen Stahts dichte darbei gantz stil / und sähe diesem wunderseltsamen Schauspiele [213] [215]teils mit Lust / teils mit großer Bestürtzung zu. Keiner von allen hatte die geringste Vermuhtung gehabt / daß ihre Verrähtereiden Filistern zu einer so gar großen Niederlage gedeien solte. Doch / weil es so guht für sie sowohl /als den Simson ablief / wünschten sie dem Obsieger / in ihren Gedanken / tausend und tausend mahl Glük. Ob sie es schon öffendlich nicht sagten / so zeigten ihre Gebährden doch an / daß; sie es den Filistern / als ihren Unterdrükkern / von Hertzen gönten.

(70) Diese / die bisher / aus großer Verzagtheit / so stutzig und tutzig / ja selbst so sinloß gewesen / daß sie auch gar ihr Leben mit der Flucht zu retten vergessen / begunten nunmehr die Würkung der Sinligkeit wieder zu spühren. Nunmehr warden sie erst ihrer übermäßig großen Niederlage gewahr. Nunmehr sahen erst die noch Lebenden / welche das Unglük noch nicht betraf / den großen Hauffen ihrer Erschlagenen. Ja sie sahen / daß Simson ihre Spiesgesellen zu schlachten noch immer fortfuhr / daß auch sie die Reihe bald treffen würde. Daher entschlossen sie sich endlich zu flühen.

(71) Aber es war schier zu lange geharret. Sie flohen zwar: doch nicht ohne Gefahr und Furcht in diesem Augenblikke getroffen zu werden. So nahe schwänkte Simson seinen Kinbakken hinter ihnen her! So nahe war er ihnen auf den Hakken / daß sie ihre Füße / für Angst / fast mehr hinter sich / als vorwärts fortzusetzen schienen. Ja es schien / als weren ihnen die Beine / darnachzu / aus Verzagtheit / das Geblühte gesunken / vol Bleies gegossen. So gar schwerlich kahm ihnen die Flucht an! So gar unbehände waren alle Gliedmaßen! Auch verhinderte zugleich der Angstschweis / dadurch ihnen die Hemder am Leibe klebeten / ihren Lauf nicht wenig.

(72) Also hatte dan Simson / der mit weiten / ja darzu schwippen und hastigen Schritten ihnen nachsetzte / gewonnenes Spiel. Also ging ihm kein Streich / kein Schlag / den er doch allezeit mit unaussprechlicher Geschwindigkeit wiederhohlete / ja nicht ein einiges Augenbliklein verlohren. Die drangsäligen Schröklinge / so oft sie ihn seinen Kinbakken so unaufhöhrlich / als ein Drescher den Flegel / ja selbst mit viel [215] geschwinderem Schwange schwänken /schlänkern / schleidern / und die ihrigen damit so gar ungnädig zerdreschen sahen / verfluchten allemahl dieselbe Kraft / die seinen Ahtem verlängerte / die seinen Arm / seine Lenden / und seine Füße so stärkete / daß er niemahls weder mat / noch müde würde.

(73) Zuweilen streichelte sie die Einbildung / dieser Menschendrescher habe Feierabend gemacht. Er habe sie zu dreschen nachgelaßen. Er sei müde sie zu verfolgen. Aber sobald sie / im Zurükblikken / gewahr warden / daß die Einbildung sie teuschete; da bemüheten sie sich noch vielmehr / als zuvor / ihre Flucht zu beschleunigen. Und indem sie die von Angst und Bangigkeit lassen und schweerfälligen Füsse nicht aufzuhöben vermochten / wie sie gerne wolten / strauchelten / stulperten / und fielen manche plötzlich zu Bodem: da sie dan von ihren eigenen nachlauffenden Spiesgesellen jämmerlich zerträhten /und dem Tode zur Beute warden. Also sahe sichSimson der Mühe sie zu schlachten überhoben. Also muste die Flucht selbsten diesem unüberwindlichen Streiter die Anzahl seiner Erschlagenen mehren. Also musten sie selbsten ihm zur schiersten Beförderung seines völligen Sieges dienen.

(74) Unter währendem Schlagen / Schlachten / und Niedermätschen / ruhete seine Zunge gleich so wenig / als der Arm. Er rief ihnen / zu ihrer Beschimpfung /zu ihrer Hohnekkung / die allerstachlichsten / allerspitzigsten / allerschmählichsten Worte zu: welche sie mehr schmertzten / als die Schläge selbsten. Er schrie den Flühenden ohn Unterlaß nach. »Ihr Blödlinge! ihr Feiglinge! ihr Zaglinge! ihr Schröklinge! Wo ist nun euer Trotz? Wo ist nun euer Heldenmuht? Ihr Aufschneider! ihr Prahler! ihr Großsprächer! ihr Schnarchhänse! ihr Windbrächer! ihr / die ihr dreuetet und pochetet / den gantzen Jüdischen Staht / durch Vertilgung seines Volkes / über einen Hauffen zu werfen; warüm flühet ihr nun / mit einer so mächtigen bewehrten Anzahl Volkes / für einem einigen; und darzu gantz unbewehrten Manne? Pfui! pfui! Schähmet euch doch! Kehret euch doch! wartet doch! Haltet doch Stand!«

(75) Aber dieses Lumpengesinde hatte der Weile nicht sich zu erröhten / ja noch viel weniger ümzukehren / zu warten / [216] und Stand zu halten. Ie mehr Simson rief / ie heftiger bemüheten sich die Filister zu flühen. Sie stelleten sich taub / und noch darzu blind. Sie verstopften die Ohren; die Augen selbst hielten sie zu: damit sie sein Hohnsprächen nicht hören / noch ihre so erschrökliche Niederlage sehen möchten. Ja sie waren auch stum zugleich. Allen schien die Zunge / welche sie kurtz zuvor so tapfer auf den gebundenen Simson loßzogen /gleich als were sie vom Schlage gerühret / gantz gelähmet / wo nicht gar angewachsen. Kurtz / es war al hier für sie keine Zeit zu hören / zu sehen / zu reden.

(76) Dessen ungeachtet fing Simson gleichwohl immerzu wieder an. »Ihr Schüchterlinge« / rief er mit hällem Halse / »ihr Flüchtlinge! für wem flühet ihr? Für wem seid ihr so schüchtern? Dürft ihr nicht ümkehren / so sehet euch doch nur üm. Bildet euch etwan die Furcht ein / daß eine grössere Heersmacht /als ihr selbst habet / im Nachjagen begriffen; ei! so sehet doch / daß ich es allein bin / der euch verfolget. Ihr alberne Tropfen! Ich bin es gantz allein. Ich bin derselbe / den ihr fangen und binden zu laßen / ja wan ihr ihn gefangen und gebunden / in eure Hänkersklauen bekommen / selbst zu erwürgen / mit einer so mächtigen Kriegsrüstung / anher gezogen seid. Ich bin derselbe Simson / der euch schon vor diesem so oft und so tapfer geklopfet / daß ihr auch deswegen / euch an ihm auf das grausamste zu rächen / so große Grumpen vorgabet.

(77) Ihr tummen Eselsköpfe« / fuhr er fort / »die ich auch darum mit keinen andern Waffen / als hiesigem faulen Eselskinbakken / zu züchtigen würdig achte; Wähnet ihr dan / daß ich euch / durch diese Schläge / bloß zum Lauffen / wie irgend ein Eseltreiber die faulen Esel / antreiben / und nicht vielmehr eure Tumheit abzulegen ermuntern wil? Ist es nicht lächerlich / daß ihr so verwägen sein durftet dem gantzen Stamme des Juda Krieg anzukündigen / so fern er mich eurer Grausamkeit / mein Bluht zu sauffen / nicht einhändigte; da ihr doch nunmehr das Hertz nicht habet nur mir allein die Spitze zu bieten? Ja schämet ihr euch nicht / daß ihr euch vermaßet so vielen Spiessen und Schwertern die Spitzen abzubeissen / und [217] nun vor einem einigen elenden Eselskinbakken nicht stehen dürfet? O ihr Eselsgezüchte! O ihr tummes / tutziges Lumpengesinde!

(78) Solte wohl ehmahls / so lange die Welt gestanden / ein einiger Kriegesman / ich schweige so viel / als ihr waret / vor einem so stumpfen / so broschen / und darzu schier halb verwesetem Knochen /als dieser ist / den ich an Schwertes stat führe / geflohen sein / gleichwie ihr tuht? O ihr ehrvergessene Lotterbuben / wie trähtet ihr eure Ehre so schändlich mit flühenden Füßen? Flühet nur wakker! Lauffet nur hurtig! Eilet nur tapfer / weil doch eure Tapferkeit nirgend anders in / als hierinnen / bestehet! Also werdet ihr euren Siegeswagen / darauf ihr über mich zu siegesprangen gedachtet / durch lauter Esel gezogen /und mit Schimpf und Schande / ja mit Hohn und Spotte begleitet sehen. Also werden euch / zu eurer Siegespracht / dieselben Ehrenseulen / da man solche Ehrvergessene / wie ihr seid / zur Schaue pflegt anzuknüpfen / aufgerichtet / ja meine Strükke / damit ihr mich binden liesset / üm eure Hälse geschlagen werden.

(79) Wie schön wird es zu eurem Nachruhme klingen / wan die Gassenlieder von der Filister Verzagtheit und Simsons Tapferkeit selbst bis in die späte Nachwelt hinein erschallen werden? Wie mancher wird lachen / und eurer spotten / wan er in den Geschichten lieset / daß der einige Simson mit einem einigen Kinbakken eines tummen Lastviehes /so vielen tausend Filistern so schmähliche / so töhtliche Bakkenstreiche gegeben? Werden nicht eure Kinder und Kindeskinder selbst euch / als so gar furchtsame feige Mämmen / in euren Gräbern verfluchen? Ja ich sage euch / diese schändliche Niederlage / die ihr selbst durch eure Flucht veruhrsachet / wird man im Buche der Schanden / zu eurer ewigen Schande / so lange die Welt stehet / aufgezeichnet / und auf Eselsheute geschrieben finden.«

(80) Unter diesen verzagten Flüchtlingen waren auch selbst die Riesen / selbst die Enakskinder; welche die Filister / ihr Heer üm so viel erschröklicher zu machen / gedinget. Einen von ihnen / der über zwölf Ellen groß / und einen Spies führte /[218] der eben so lang und drei Spannen dikke war / erblikte Simson eben itzund / da er im Nachjagen begriffen. »Und du wilst auch flühen« / rief er ihm nach /»du vierschröhtiger Pengel? Scheuest du dich auch /du erschrökliches Ungeheuer? Getrauest du dich / mit deinem ungeheuren Spiesse / vor meinem Kinbakken auch nicht zu beschirmen? Hierher! hierher gehet der Weg! Du must mir stand halten! Ich muß ein Fechtstüklein mit dir wagen! Mache dich nur färtig! Ich bin schon bereit. Itzt sol der Schlag dich treffen.«

(81) Indem Simson dieses sagte / kahm er dem Riesen so nahe / daß er ihm / weil er sich eben bükte /mit einem einigen Streiche das Genikke zerknikte. »Da liegestdu« / sprach er / »du Ungeheuer! Da liegestdu / du Babelscher Turn / über einen Hauffen geworfen! Da hast du deinen verdienten Sold! Dieneden Filistern nun mehr wider den Simson. Sei ihnen mehr eine Schutzwehre / die sich selbst weder schützen / noch wehren konte. Also wil ich allen deinen Mitgesellen / die ich in der Flucht ertappe / mitfahren.«

(82) Durch diese und dergleichen aufmutzende Stichelworte warden etliche von den Filistern dermaßen aufgereitzet / daß sie demselben / der mit der Zunge sowohl / als mit der Faust sie so unaufhöhrlich verfolgete / Widerstand zu bieten die Gedanken bekahmen. Aber diese Gedanken / weil sie in einem verzagten Hertzen / durch Zutuhn des Zornes / empfangen warden / konten zur Ausgebuhrt / volzogen zu werden / nicht gelangen. Die Verzagtheit hatte so tieffe Wurtzeln geschlagen / und war so mächtig / daß sie dieses Kind des Zornes noch in der Mutter erstikte. So muste dan der Zorn / wie rasend er war / der Verzagtheit die Herschaft allein laßen.

(83) Und also fand unser Siegesheld / in hiesiger Schlacht / gantz keinen Widerstand. Ja ob schon zuweilen einer das Hertz hatte das Schwert wider ihn zu zükken / so täht er es nur darüm / damit er den Streich des Kinbakkens auffangen möchte. Aber dieses Auffangen bekahm ihm so übel / daß er gleichwohl das Leben darbei einbüßen muste: indem sein eigenes Schwert ihm mit solcher Gewalt und so tief in den Leib hinein geschlagen [219] ward / daß das Bluht / mit der Seele / zugleich herausschos.

(84) Wan irgend ein Schlag / aus Ubereilung / oder der Ferne wegen / auf einen zu schwach gefallen / daß er ihn nur zu Bodem / und nicht toht geschlagen; so volendete dasselbe / was der Arm angefangen / der Fuß / mit einem so gewaltigem Tritte wider die Brust des gefallenen / daß das Leben / wie fest und tief es saß / gleichwohl / zusamt dem Bluhte / zum Halse heraus muste. Ja Simson hette noch vielmehr erschlagen / wan die Mänge der Erschlagenen / darzu auch endlich die Ermüdung kahm / seine sonst flüchtigen Füße nicht verhindert den flühenden Filistern mit schnällerem Lauffe nachzueilen.

(85) Gleichwohl blieben auf der Walstat tausend Erschlagene liegen. Gleichwohl stund nunmehr dasselbe Feld / das Simson mit seinem Eselskinbakken / den er an Pflugschaares / an Seches stat führete /durch seine Wunderstärke gepflüget / mit tausendFilistern / mit tausend Leichen besäet. Diese waren die vielen Siegeszeichen / welche den herlichen Sieg unsers unüberwindlichen Siegesheldens verewigen / und ihm selbsten ein ewiges Gedächtnis stiften solten. Hierdurch erwarb er auch in Wahrheit ein solches unvergängliches Siegesgepränge / welches würdig war von den Augen der gantzen Welt / so lange sie stünde / beschauet zu werden.

(86) Als nun die Sonne / fast mehr vom zuschauen eines so rühmlichen / so wunderbahren Heldenstreites / als vom Lauffen / ermüdet / sich zu neugen / und nach ihrem Ruhbette zu eilen begunte; da machteSimson / vom vielen Tohtschlagen ermüdet / seinen Feierabend. Er feierte vom Nachjagen der Filister. Er lies nach / ihnen das Flühen zu verbieten. Er hörete plötzlich auf / dis Unkraut zu dreschen. Er stürtzte seinen Pflug / das Feld zu ihrer Leichensaat zu pflügen. Er verhing seiner Faust / sie zu vertilgen /und seinen Füßen sie zu verfolgen / den endlichen Anstand. Ja er selbst schikte sich gantz zur Ruhe. Und zu dem Ende lies er sich / nahe vor dem Schlachtplahne / neben dem Heerläger des Jüdischen Stahts / das auf die Volziehung seines Sieges gewartet / an einem begraseten Hügel nieder.

[220] (87) Alhier war es / da Simson / des Fechtens sat / und mat / seinen erfochtenen Sieg betrachtete. Alhier war es / da er / durch die Flucht der erschrokkenen und überwundenen Feinde befriediget / die Zeichen seiner unüberwündlichen Tapferkeit überschauete. Alhier war es / da er / durch die Würkungen seiner unvergleichlichen Stärke wohlvergnüget / in guhter Muße / die Mängen der erschlagenen Filister besichtigte. Ja alhier war es / da er / mit überaus freudigem Hertzen / zu denen vom Stamme des Juda sagte: »Sehet! dort liegen sie bei Hauffen. Dort liegen die Mängen der Erschlagenen. Dort liegen dieselben /die mir den Tod dreueten / selbst in den Banden des Todes. Dort liegen eure sowohl / als meine Feinde / ja die Feinde des gantzen Israels / die sich vermaßen euren Staht zu vertilgen / nun selbsten vertilget. Ich habe sie vertilget. Ich habe / mit diesem Eselskinbakken tausend Filister erschlagen.

(88) Hettet ihr wohl« / fuhr er weiter fort / »vor nur wenigen Stunden / als ihr mich gefangen und gebunden den Filistern übergabet / die Einbildung haben können / daß ich ihren Hochmuht dergestalt stürtzen / ihren Trotz dermaßen einknöbeln / ja sie so tapfer zerschlagen / zerschmeissen / zerblauen / zerzausen / und gar / als einen Spielbal / dem Rachen des Todes zuwerfen würde / wie ich itzund wahrhaftig getahn? Hettet ihr wohl gleuben können / daß derselbe Simson / den die jüngstscheinende Mittagssonne gantz waffenloß / und anders nicht / ja wohl mehr / als gefangen / mitten unter seinen so gewaltigen / so bluhtdürstigen Feinden / mit traurigen Augen / erblikte / durch die Abendsonne / so gar kurtz darnach / als ein Uberwältiger ihrer Gewalt / als ein Verheerer ihres gantzen Heeres / als ein herlich prangender Siegesfürst über tausend Erschlagene / und zweitausend Verjagte / ja als ein rechter Sonneman /als ein Held der Helden / als ein Ausbund aller Uberwinder / als ein Auszug aller Hochmächtigkeiten / als ein Vertilger aller Boßheiten / als eine Geissel aller Ubermühtigen / und als ein Schrik und Zierraht zugleich der gantzen Welt / auf das allerruhmherlichste würde gegrüßet werden?

(89) Hat wohl dieses scharfsichtige Himmelsauge /so lange dasselbe den Erdkreus bestrahlet / iemals gesehen / daß ein [221] einiger / und darzu gantz unbewehrter Man eine so herliche Heldentaht / die mehr einer Gotheit / als einiger Menschheit zuzuschreiben / verübet? Hat wohl iemand irgendwo in der gantzen Welt / so lange sie gestanden / iemahls von einem solchen Streiter gehöret / der ihm / gantz allein / und mit keinem andern Kriegszeuge / als mit einem nichtigen verächtlichen Knochen des nichtigsten und verächtlichsten Lastviehes / das Ehrentohr zu so herlichen Siegesgeprängen eröfnet / gleichwie eben itzund ich getahn habe?

(90) Ihr verwundert euch vielleicht / daß ich / zu einer so wüchtigen Unterwindung / diesen sonst auch nirgendzu tüchtigen Eselsknochen erwehlet / und nicht lieber einem Filister sein Schwert / mich dessen zu bedienen / entwältigen wollen. Aber ihr solt wissen / daß Simson ein solcher ist / dessen ungewöhnliche Stärke / die alles / was stark in der Welt ist / zu vertilgen vermag / selbst aus dem Springbrunnen der Almacht entspringet. Und dem zur folge geziemet ihn nicht mit Schwertern / oder dergleichen gewöhnlichen Kriegswerkzeugen / welche die Kunst / Bluht und Leben aus dem Leibe zu jagen / vor schwache Feuste gekünstelt / sich zu behelfen. Simsons streitbare Faust / die allen menschlichen Feusten überlegen / richtet sich nach solcher gewöhnlichen Weise nicht. Auf eine gantz übergewöhnliche / darüber man sich im Zeughause der Almacht selbsten verwundert / werden ihre Siege behauptet.

(91) Mit euren eigenen Augen habet ihr itzund die Meisterstükke meiner Stärke gesehen. Und darüm müsset ihr dasselbe gleuben / was die Einbildung selbsten / mit wie vielen / selbst unzehlbaren wunderlichen Sinbildern / sie sonsten schwanger gehet / als ein solches / das so gar weit über die Grentzen der Mügligkeit hinschreitet / mit nichten zu begreiffen vermag. Ihr seid Augenzeugen alles dessen / was itzund dieser Arm wunderwürdiges verrichtet. Ihr seid Zuschauer gewesen eines solchen Schauspieles / das euch Simsons mehr als menschliche Tapferkeit zu schauen gab / und welches so vol Wunder war / daß es die Nachwelt / als ein Spiegelfechten / als ein Traumgesicht / ja wohl gar als ein Lügengedicht und eiteles Mährlein / [222] das etwan in einem müßigen Gehirne sich entsponnen / aus der Zahl wahrhaftiger Begäbnisse vielleicht verbannen wird.

(92) So wisset ihr dan nun / aus der Erfahrung /daß das Gerüchte / bei künftigem Ausrufe meiner mehr als heldenmäßigen Wundertaht durch den gantzen Erdkreus / nicht treumen / noch lügen wird. Und wan euch irgend dünket / daß ihr selbsten / unter währendem Treffen / getreumet; so sehet noch itzund die Mängen der Erschlagenen / mit wachenden Augen /an. Da liegen sie noch / die meiner gewaltigen Wunderstärke / wiewohl mit verstumten Zungen / das Zeugnis geben / das ihr gebühret. Da liegen sie noch /als unbetrügliche Zeugen und Zeichen meines ruhmherlichen Sieges / vor euren Augen / den Glauben /der etwan in euch wankelen möchte / zu befestigen.

(93) Aber gedenket nicht / bei Betrachtung dieser nichtigen Leichen / daß das Gedächtnis meiner Taht eben so nichtig sei / daß es / mit ihnen / verfaulen /mit ihnen verschwinden / ja mein Ruhm / mit ihnen /verwesen werde. Die Taht selbsten ist zwar schon /als ein Schatten / vorbei: aber ihr Gedächtnis wird ewig tauren. Die Leichen selbsten werden zwar / wie Asche / zerstüben: aber Simsons Ruhm wird ewig bleiben. Ja ich darf selbst sagen / daß Simsons Nahmensgedächtnis erst recht anhöben wird berühmt zu werden / wan dasselbe so mancher berühmter Helden / die iederzeit die Einbildung gehabt durch ihre Tahten verewigt zu sein / sich schon vorlängst aufgehoben und verschwunden gesehen. Ich wil mehr sagen: nur der bloße Nahme Simson / wan man ihn nennen wird / wird denselben dieser Helden dermaßen verdunkeln / dermaßen verkleinern / dermaßen vereiteln / daß er endlich gar aufhören wird gehöret zu werden.

(94) Diesen durch meine Faust berühmten Nahmen werden künftig zu ewigen Zeiten die Zungen der Sterblichen mit Verwunderung nennen / ihre Ohren mit Bestürtzung hören / und ihre Gemühter mit sonderlicher Aufmärkung betrachten. Auch wird dieselben / derer Augen ihn irgend in einer Schrift erblikken / eine heilige Furcht überfallen. Diesen Nahmen werden alle Stämme des Volkes Israels mit immerwährenden [223] Lobgesängen verherlichen / ja gar vergötlichen. Hingegen werden die Feinde / so oft sie ihn nennen hören / darvor erschrökken. Zittern und Zagen wird sie ankommen. Wie ein Donner wird er in ihren Ohren klingen.

(95) Aber was wil ich von sterblichen Menschen sagen. Der unsterbliche / der ewige GOtt selbsten /der durch meine Stärke gepriesen / durch meine Kraft erhoben worden / wird über diesem Nahmen / den er auch schon in das Buch seiner Liebsten geschrieben /ja selbst in seine Hand gezeichnet / ein ewiges Wohlgefallen blikken lassen. Aus dieser Hand / aus diesem Buche wird ihn kein Feind / kein Neider vertilgen. Hierinnen wird sein Gedächtnis / wan es auch schon sonsten / auf dem Erdbodem / mit Langheit der Zeit verginge / dannoch blühen / dannoch grühnen / und mit der Ewigkeit selbsten gleich als üm die Wette tauren.

(96) Wer solte sich nicht verwundern / wan er zugleich vernehmen und sehen wird / daß den NahmenSimson auch alle vier Uhrwesen / daraus alles /was in der Welt ist / seinen Uhrsprung gewonnen /mit ewigen Ehren / mit ewigem Ruhme verherlichen werden? Gewislich wird ihn die Luft / sooft sie desselben Klang auffänget / von des redenden Munde zu des hörenden Ohren tragen. Ja sie wird ihn auf ihren leichten und weichen Flügeln / als in einer Sänfte /tragen / und so hoch / daß er das Gestirne selbst erreichen wird / erhöben. Das Feuer wird ihn gleichsam mit helleuchtenden Siegesflammen feiern / und dermaßen erleuchten / daß er strahlen wird / wie die Sterne /ja selbst wie die Sonne des Himmels. Das Wasser wird seinen Ruhm / durch seine rauschende Stimme /den Völkern verkündigen / die in den Wasserländern /und ferne von uns auf jener Seite der See wohnen. Die Erde / die ich mit so vielen Leichen gedünget / mit so vielem Filisterbluhte befeuchtet / wird diesem Nahmen zu ehren / mit ewigen Siegespalmen grühnen.

(97) Doch was sage ich viel von der Erde? Der Himmel selbst / der itzund ein Zuschauer der nie erhöhrten Meisterstükke irdischer Stärke gewesen /wird diesen Nahmen seinem großen Heldenbuche /zum ewigen Zeugnisse meines heldenmäßigen [224] Verhaltens / meines unüberwindlichen Muhtes / meines so gar sonderlich und wunderlich erhaltenen Sieges / mit unausleschlichen güldenen Buchstaben einverleiben. Ja mir selbst wird er alda eine herliche Bildseule / mit einer Siegeskrohne von lauter flinkernden Sternen / zu meinen unsterblichen Ehren aufrichten.«

(98) Mit diesen und dergleichen ruhmredigen und aufgeblasenen / ja ich darf wohl sagen Gottesvergessenen Worten rühmete sich Simson alhier selbsten vor den Ohren der Völker aus dem Stamme des Juda. Und also stahl er / aus eitelem Ehrgeitze /Demselben die Ehre / dem sie allein / als eigen / zukahm. Er enteignete GOtt / aus alzuübriger Eigenliebe / dessen / das er doch seiner Almacht / als eine Gebuhrt derselben / zuzueignen verpflichtet. Ja er beraubete den Schöpfer / den Ausspender / den Mitteiler seiner Stärke des Ruhmes so gar / daß er Ihm nichts /auch gar nichts darvon übrig lies: indem er Dessen bei dieser Heldentaht kaum einmahl und anders nicht / als zu seinem selbsteigenen Ruhme / gedachte. Kurtz / Simson beging einen Gottesraub. Er ward ein Ehrendieb. Und hierdurch verfiel er / eh er dessen gewahr ward / in eine gröbliche Sünde.

(99) Also lies sich dan alhier ein Mangel / und Uberflus / eine irdische Schwachheit / und überirdische Stärke zugleich blikken; jene des Gemühtes /diese des Leibes. Also stulperte der sonst starkeSimson. Also fiel itzund vor GOtt / aus menschlicher Schwachheit / derselbe / der kurtz zuvor / durch übermenschliche Stärke / vor seinem Feinde gestanden. Es war im starken Simson eine große Schwachheit / daß er / aus eiteler Ruhmsucht / in seinen wundertahten des Uhrhöbers seiner Stärke vergaß; und nicht erkennen / noch bekennen wolte / daß er alhier anders nicht / als ein Werkzeug desselben /gewesen: damit er allein den gantzen Ruhm / der sonst Jenem möchte zugeschrieben werden / darvon trüge.

(100) Ach! wie gern schmükt sich doch der Mensch mit fremden Federn! wie gern sucht er seine Blöße / seine Schwachheit / seine Mängel zu bedekken! Ach! wie hofärtig dünkt er sich im entlehnten Schmukke / den er entlehnet zu haben nicht [225] gestehet! Es scheinet / daß wir der Almacht Gottes in unsern allerwüchtigsten und allermächtigsten Auswürkungen /da man ihrer am meisten gedenken solte / nur darüm vergessen; damit unserer eigenen Macht alles allein zugeschrieben werde.

(101) Wan etwan ein angezündetes Wachs- oder Talk-licht den Schein / dadurch es ein Zimmer erleuchtet / ihm zueignen wolte / würde nicht die Flamme / die ihm den Schein giebet oder nur auf eine Zeit lang leihet / darwider sprechen? Ja würde nicht die Sonne sich an ihrem Ruhme / der ihr / als der Uhrhöberin des Lichtes / gebühret / verletzet befinden / wan der Mohn dasselbe Licht / dadurch er die Dunkelheit der Nacht zertreibet / von ihr geborget zu haben leugnen / und ihm solches / als sein eigenes / den Ruhm zu leuchten allein zu haben / zumässen wolte? Vielmehr ward dan alhier der Schöpfer und Uhrhöber aller Dinge / dem allein Simson seine so unüberwindliche / so sieghafte Stärke zu danken / an seinen Ehren /an seinem Ruhme verletzet; indem Simson seiner Hülfe / seiner Ehren / seines Ruhmes / durch eigenes Ruhmgeplärre / so gar vergaß / daß er alles allein /aus eigener Kraft / verrichtet zu haben angesehen und gerühmet sein wolte.

(102) Große Leute fehlen und fallen am meisten. Auf dem Meere der Wohlfahrt leidet man am ersten Schifbruch. Aus der Verwunderung unerhöreten Glükkes wird meistenteiles die Gottesvergessenheit gebohren. Ein leiser Vorwind / der das Schif in seiner flüssigen und schlüpferigen Kristalbahne / gleich als auf einer glatten Glander / schlafende fortschleuft / erfreuet zwar den Schiffer: doch vergisset er darbei Desselben / der ihm diese Freude schaffet / nur zu gedenken / ich wil nicht sagen / ihm zu danken. Wan aber die erboßeten Gegenwinde sausen / die aufgereitzten Wasserwogen brausen / und das schwache Schiflein bald bis an den Himmel hinan / bald bis in den Abgrund hinunter schmeissen; ja wan noch darzu die Wolken krachen / die Donner brummen / die Luft erschwartzet / und anders kein Licht / als das von den Blitzen herabschiesset / vor handen: da beginnet man erst zu bähten / zu bitten / zu flöhen / zu seuftzen; da erwachet erst die bisher geschlafene Demuht; da wil man erst allen Heiligen die Füße [226] küssen; da ermuntert sich erst das Hertz zur Andacht; da nimt man erst an das Wesen der Heiligkeit; da flügen und flühen erst alle Gedanken nach der Burg der Götlichen Almacht zu; da trachtet man erst / durch tausenterlei Gelübde /Beschirmung und Rettung zu erlangen.

(103) Ach! ich darf / zu unserem Vorwurfe / wohl sagen / daß unsre Gedanken in den Eitelkeiten der zeitlichen Vergnügungen gemeiniglich so tief eingewurtzelt / ja gar eingepicht stekken / daß unsere Kraft / sie loß zu machen / und auf das ewige volkommene Wesen des Almächtigen GOttes zu lenken / aus sich selbst viel zu ohnmächtig befunden wird. Und eben darüm pfleget uns GOtt in die Kreutzschuhle zu führen. Er trachtet uns / durch Kreutz und Leiden / zu unserer Pflicht zu ziehen. Er winket uns / als ein Vater seinen Kindern / mit der Zuchtruhte. Wan das Winken nicht helfen wil / so steupet / so schläget / so schmeisset Er gar auf uns zu. Und also suchet Er in uns /durch schmertzende Schmitze / sein Gedächtnis zu erneuren.

(104) Alsdan lesset es sich ansehen / als hette sein Vaterhertz / dem unser Hertz mit keiner kindlichen Liebe begegnete / von uns sich abgewendet. Alsdan scheinet es / als weren wir bei Demselben / dessen wir / im Glüksstande / vergessen / zur Wiedervergeltung /in ewige Vergessenheit gerahten. Alsdan schläft gleichsam das Auge GOttes / welches wir / als es / in unserer Wohlfahrt / über uns wachete / durch unsere Zuversicht zu erkennen verunachtsameten. Alsdan dünket uns das Ohr des Almächtigen verschlossen; weil wir schwiegen / da es hörete / und keine Zuflucht sucheten / da es uns zu erhören sich öfnete.

(105) Wan ein Geschöpfe des Schöpfers Obermacht / aus eingebildeter eignen Macht / nicht erkennet; so ist es kein Wunder / weil es dadurch derselben Grundfeste / darauf es allein sich gründet / verlustig wird / daß es zum Sturtzfalle sich neuget. Durch solche Pillen pfleget GOtt den Hochmuht aus dem Hertzen desjenigen zu treiben / der die Erkäntnis seiner Mildheit eher nicht bekömt / als wan sich GOTT selbst / durch den Entzug derselben / ihm zu erkennen giebet; indem Er über [227] ihm die Ruhte seiner Züchtigung schwänket / und ihn die Almacht seines Armes /die er in der Gühte nicht ehren wollen / im Zorne fühlen und spühren lesset.

(106) Kaum hatte Simson seine Rede zu denen aus dem Stamme des Juda volendet: kaum hatte seine Zunge von seiner unüberwindlichen Stärke / von seinen unvergleichlichen Tahten / von seinem wunderherlichen Siege zu prahlen aufgehöret; da fühlete sie schon / durch übermäßigen Durst geplaget / die Zuchtruhte GOttes: da muste sie schon dieselbe Wahrheit / welche sie / aus Achtloßheit und übermühtigem Kitzel / bisher verschwiegen / mit kleinlauter Stimme bekennen. Da lies Simson den Pfauenschwantz sinken Da warf er / aus Ungeduld und Wehmuhte / den Eselskinbakken aus der Hand: nach welchem Wurfe der Ort zugleich den NahmenKinbakkenshinwurf bekahm.

(107) Also muste dan alhier dasselbe Glied / das sich eben itzund an GOtte / durch Beraubung seiner Ehre / versündiget / straks darauf die hitzenden Stiche des Gottlichen Racheifers fühlen. Also muste Simson der Götlichen Almacht / als Uhrhöberin seines Sieges / denselben Ruhm / dessen er sich / aus vermässener Ehrsucht / albereit angemaßet / von stunden an zumässen. Also rükte er von dem Güpfel des Ruhmes / auf den er sich / in der Hoheit seiner Stärke / selbst geschwungen / herunter; und überlies ihn Demselben /durch dessen Obermacht er zu solchen Schwunge mächtig gemacht zu sein erst itzund / da er in das Jammertahl Menschlicher Schwachheit gerahten / erkante.

(108) Also muste dieser große Held / der im Felde Menschlicher Schwachheit unüberwindlich war worden / und duich seine Macht / im Stande seiner Hoheit und Herligkeit / ein weniges weniger / als Almächtig /zu sein schien / sobald ihn die gebrächliche Schwachheit überfiel / mit Leidwesen gestehen gröblich geirret zu haben / daß er / was Götlich sei / den Würkungen der Menschligkeit zugeschichtet. Und hierinnen war er jenem treumenden Bätler schier gleich. Diesen dünkte / daß er / als ein mächtiger Weltherr / im herlichsten Schmukke / mit einer großen Mänge Hofdiener umgeben / auf einem güldenen [228] Reichsstuhle / der mit köstlichen Demanten flammete / sich niedergelaßen. Daher ward er so übermühtig / daß er durch die Kniehe der gantzen Welt / mit untertähnigstem Fußfalle / geehtet / ja gar / als ein Gott / durch aller Völker Zungen angebähtet sein wolte. Sobald ihn aber /aus solchem Traume / des Nachtwächters Ruf erwekte; da ward er erst seines Bättelstandes / und der Betrügerei seiner Einbildung gewahr: da muste er ümsatteln / und solche Gedanken fassen / die einen Bätler geziemeten.

(109) Die Glüksäligkeit dieses Lebens wird allezeit mit Unglüksfällen wo nicht unterbrochen / doch ümgewechselt / uns die Einbildung / daß nichts Sterbliches mehr an uns sei / indem wir einen vergänglichen Glüksblik für die ewige Seeligkeit achten / zu benehmen. Die süßesten Wohllüste dieser Zeit sichet man stähts mit einiger Jammergalle vermischet; zum wenigsten folget ihrer Süßigkeit ein bitterer Nachschmak: damit wir uns der Gottheit nicht anmaßeten; indem wir / in dieser eitelen Lust / den Zukker für Götterbroht / und den Most für Himmelstrank / beide Speisen der Ewigkeit halten. Ja der Glantz Menschlicher Herligkeit Selbsten schleppet auf dieser Schaubühne der Welt / allezeit / wo nicht neben / doch nach sich einige Dunkelheit / ja wird zuweilen wohl gar verfünstert: damit wir uns Herren der Herligkeit / zu sein nicht einbildeten; indem wir einen flüchtigen nichtigen Schein für das ewige volkommene Licht anzusehen pflegen.

(110) Diese Unglüksfälle / diese Jammer- und Kummergallen / diese Fünsternisse / ja alle dergleichen Strafübel seind das bittere vergallete Gegengift /in GOttes Artzneiladen wider dasselbe töhtliche Gift zubereitet / welches vom Misbrauche der alzuübermäßigen Süßigkeiten / in unsern Gemühtern entstehet. Ja sie seind das rechte Treibemittel / das den Unflaht des Hochmuhts in unsern Hertzen zum Austreiben triftig macht / und sie zugleich darvon reiniget: damit sie /in wahrer Demuht / beides ihre Schwachheit / und GOttes Almacht / die in ihnen würket / erkennen lerneten.

(111) Ein solches Gegengift wider das Gift der Vermässenheit / und Gottesvergässenheit des Simsons war sein unerträglicher [229] Durst / aus übermässiger Erhitzung im heftigen Bewegen entstanden; der ihn so ängstigte / daß ihm die Seele zur Ausfahrt schon auf der Zunge zu sitzen schien. Ein solches Treibemittel den Ehrgeitz / den Hochmuht / den Laßdünkel aus seinem Hertzen zu vertreiben / war die Ohnmacht / aus übergroßer Ermüdung im gewaltigen Fechten entsprossen; die ihn dermaßen überfiel / daß er / neben den Erschlagenen / die seiner mächtigen Stärke Siegeszeichen sein sollen / ihm aber nunmehr zum Spiegel / seine Sterbligkeit zu beschauen / dienen musten / niederzufallen begunte.

(112) Alhier erkante dan dieser große Held / wie töhrlich / wie unbesonnen er gehandelt / daß er einen solchen Sieg / der über Menschliches Vermögen erhalten worden / derselben Faust zugeeignet / welche die Macht / die sie kurtzzuvor gehabt einer gantzen Heersmacht zu widerstehen / itzund nicht hatte seiner eigenen Ohnmacht Widerstand zu tuhn. Die Ermattung im Streite vereitelte die Einbildung der Unsterbligkeit / darzu ihn die Uberwindung so vieler Feinde gereitzet / so gar / daß er schwach und sterblich zu sein gestehen muste. Ja der Durst / der ie länger ie heftiger ward / und ihn lechzen und ächzen machte /lügenstrafte seine Zunge / die seiner Schwachheit den Preis / den Ruhm / und die Ehre der Almacht GOttes zulegen dürfen.

(113) »O armsäliger Simson!« sprach er mit sich selbst / »der du vom höchsten Güpfel der Glüksäligkeit in den tiefsten Abgrund der Drangsalen heruntergestürtzet bist! Wie ist dein großer Sieg / mit dem du so ruhmherlich prangetest / nunmehr so plötzlich verschwunden? Wo ist dein herlicher Ehrennahme / den dir / als einem Ausbunde der berühmtesten Helden / deine so ausbündige / so unüberwindliche Tapferkeit zueignete / geblieben; weil du / durch deine so gar gebrächliche Schwachheit / dich den allerelendesten unter den Sterblichen zu nennen / nunmehr gezwungen wirst? O alzugrausamer Glükswechsel! O alzuflüchtige Herligkeit! O alzunichtige Ehre!

(114) O elender Simson! der du / auf dem Schauspielsplatze der Welt / für den allerunüberwindlichsten / und allersiegreichesten [230] Streiter berühmt warest / und nunmehr dem ärmesten Bätler / der so arm nicht ist / daß ihm ein Trunk Wassers / seinen Durst zu leschen / gebrächen solte / nicht einmahl gleich geachtet bist! Wie liegestdu itzund / du ehmals unüberwindlicher Simson / du Auszug aller Weltwunder /ja du Wunder der Almacht selbsten / durch einen dürren Durst / dessen unerträglicher Brand / deine Feuchtigkeit schon so weit ausgedörret / daß er dich selbsten bald gar einäschern wird / so lüderlich überwunden? Magstdu dan nun / dieses verzehrende Feuer zu blüschen / nur das geringste Nas nicht haben; der du doch vorhin die köstlichsten Schätze der Herligkeit /sie zu gebrauchen / wie du woltest / in deiner Macht hattest?

(115) Mustdu dan nun sterben / du ehmahls unsterblich geachteter Simson? Mustdu dan nun /durch den Durst gefoltert / so elendiglich ümkommen? Ach! wie glüksälig würdestdu sein / wan dein abgelebtes Alter / da länger zu leben verdrüßlich ist /dich zum Grabe brächte! Aber nun stürbestdu im Lentzen deiner Jugend! da du der Welt manche tapfere Taht / die du im Sommer / wo nicht auch im Herbste deines Alters abstatten können / schuldig bleibest. Ja du stürbest einen alzujämmerlichen Tod /einen Tod / der Bätlern / und keinem Simson geziemet.« Und hiermit neugte sich der Armsälige gantz macht- und sprach-loß zur Erde nieder.

(116) Eben also verschmachtete für Durste der Große Rohland / Keiser Karls des Großen Schwestersohn / auch nach gehaltener Schlacht. Uber dergleichen Durstfolter klagten mehr / als über den Hunger / die Rahtsherren von Glogau / welche der Hertzog von Sagan verhungern / oder vielmehr verdursten lies. Ja der leidende Heiland der Welt klagete / bei seinem gewaltigen Todesstreite / selbsten über dieses Durstleiden. Er hatte sich / am Kreutze / mit unsern algemeinen Feinden so abgemattet / daß ihn darüber ein heftiger Durst überfiel. Und diesen Durst lidte seine Zunge; damit unsere Zunge / wie dort des Reichen Wanstes / die nur mit einem Tröpflein Wassers begehrte gekühlet zu werden / über den Höllischen Durst nicht klagen dürfte.

(117) Hierinnen kahm dan die Begäbnis unsers HErrn [231] und Heilandes mit derselben des Simsons wieder übereim. Simson ward wieder ein Vorbild des Sohnes GOttes. Ja ich darf wohl sagen / daßSimsons verachteter Eselskinbakken die Geschicht vom Einzuge des HErrn JESUS zu Jerusalem auf einem verächtlichen Esel / der sowohl zu seinem Leiden / als kurtz zuvor / geschahe / wie auch das Kreutz selbsten / welches nicht allein verachtet /sondern auch gar verflucht war / gantz eigendlich vorgebildet / ja selbst erklähret.

(118) Simson schlug mit einem verachteten verworfenen Knochen des allerverächtlichsten Lasttieresdie Filister / als Feinde des Volkes GOttes. Eben also hat der Himlische Simson / der HErrJESUS / mit der Kraft seines verächtlichen Kreutzes ausgerüstet / durch die Kraft seines schmählichen Todes am Kreutze / die Geistlichen Filister / das ist die Feinde der Menschlichen Seeligkeit / geschlagen: ja Er schlug mit solcher Gewalt auf sie zu / daß die Grundfesten der Erde böbeten / und der Vorhang im Hause GOttes zerreissen muste. Auch rief Er / sobald diese Schlacht gehalten war / ›es ist volbracht‹; eben wie Simson sagte / ›da liegen sie bei Hauffen‹

(119) So ward dan das vormahls verachtete ja verfluchete Kreutz / durch das Leiden unsers Seeligmachers / der. Verachtung und des Fluches so gar entsetzet / daß es hinfort / als ein allerwährtestes / gesegnetes / ja geheiligtes Holz / uns zum Ruhme / ja selbst zum Zeichen und Werkzeuge der Uberwindung unserer Seelenfeinde dienen möchte. Darüm haben wir uns auch nunmehr nichtes mehr zu rühmen / als dieses Kreutzes. Darüm wafnen wir uns auch mit diesem sonst verächtlichen Eselskinbakken des heiligen Kreutzes / wan irgend der Tod / mit den HöllischenFilistern / auf unsere Seele zudringet: weil wir /sofern es nur im Glauben und festem Vertrauen geschiehet / versichert seind / daß wir hierdurch / als durch die Siegeswaffen unsers Heilandes selbsten /den Sieg darvon tragen werden.

(120) Nachdem sich Simson eine guhte weile so gar Macht- und Ahtem-loß / daß er auch die Zunge nicht rühren konte / befunden; da bekahm er / von einer kühlen und feuchten Luft / die ihm einen frischen Ahtem einzuhauchen schien / [232] seine vorige Bewegung in etwas wieder. Sein Hertz / und seine Lunge / die bisher in seiner Brust / gleich als in einem glühenden Ofen / zusammengekrümpfet gelegen / begunten diese Kühlung märklich zu fühlen: wiewohl sie ihm sonsten kaum anders zu statten kahm / dan daß sie die noch wenige übrige Feuchtigkeit / als die Nahrung des Lebens / in ihren Brunnen erhielt; indem sie der Gewalt des Feuers / ferner zu wühten / widerstund / aber nicht feuchte genug war / die ausgetrüknete Feuchtigkeit wieder zu ersetzen.

(121) Weil nun das Hertz / welches den Lebenssaft / durch die große Gluht / meistenteils verlohren / auch in dieser Erfrischung selbsten noch immer schlap und mat blieb / und seine Zunge noch immer nach einem Schlüklein Wassers lächzete; so märkte er wohl / daß die anhaltende Nohtdrüngligkeit ihn zwingen wolte seine Zuflucht bei der Almacht GOttes / die er bisher /durch Unerkäntnis / gleichsam geflohen / zu suchen. Und darüm entschlos er sich endlich / in dem Augenblikke / da kein menschlicher Beistand mehr zu hoffen war / Denselben anzuflöhen / dessen mächtigen Beistand er aus Undankbarkeit verschertzet. So hub er dan seine zusammengefaltene Hände / mit den Augen zugleich / gen Himmel. So ächzete / so seufzete / so flöhete er dan zu GOtt.

(122) »Ach! HERR« / rief er mit wehmühtiger Stimme / »Du hast deinem Volke / durch die Hand deines Knechtes / ein solches großes Heil gegeben. Du hast mir so manchen herlichen Sieg verliehen. Du hast mich mit so manchem Siegesruhme gekröhnet. Du hast mich mit so manchem Siegesgepränge verherlichet. Die fürtrefliehen Siegeszeichen / die alhier noch itzund vor meinen Augen liegen / seind die wahrhaftige Zeugen deiner neulichsten Freigebigkeit. Aber nun mus ich Durstes sterben. Nun mus ich alle meine Siege mit einem schmähligen Tode schlüßen. Nun mus ich / der ich auf dem Siegeswagen mit Freuden nach der Siegesburg zu fahren verhofte / in einem Sarge mit trauren zu Grabe getragen werden: wiewohl ichs auch so guht noch nicht hoffen darf. Dan nun mus ich / wie es scheinet / in der Unbeschnittenen Hände fallen: die mich des Sarges und Grabes nicht einmahl [233] würdigen werden. Ja sie werden mich lieber /deinem Volke zur Schmaach / an einen Baum aufhängen; damit ich den Vogeln zur Speise / und ihren Augen zur Weide dienen müsse.

(123) Wird sich alsdan der Hochmuht dieser Gottlosen / den ich auf deinen Befehl gedehmühtiget /nicht wieder erhöben? Werden sie sich wider dein Volk nicht vielmehr / als zuvor iemahls / brüsten; wan sie sehen / daß Derselbe selbsten / auf dessen algewaltigen Beistand ich getrotzet / nunmehr eine solche Rache / die ihnen auszuüben unmüglich war / so grimmiglich über mich ausgestürtzet? Ja werden sie nicht wider Dich selbst frohlokken? Werden sie nicht sagen / Du seist ein ohnmächtiger GOtt / der mir / in meinem Durste / mein hinfallendes Leben zu laben /nicht mit einem Trünklein Wassers zu helfen vermocht?

(124) Darüm rette deine selbsteigene Ehre / meinGOTT. Rette sie durch die Wunder deiner Almacht: und laß nicht zu / daß dein herlicher Nahme geschändet werde. Hastdu meinen Arm / durch deine Wunderkraft / im Streite gestärket; ach! so stärke nun auch mein gekränktes Leben aus dem unerschöpflichen Brunnen deiner Gühte. Hastdu mir / tausend Filister zu schlagen / und zwei tausend zu verjagen /geholfen; Ach! so hilf nun auch diesen einigen innerlichen Feind / der mein Hänker ist worden / überwinden. Ach! hilf mir / mein Helfer. Ach! hilf mir / deinem Knechte; der itzt auf der Kippe stehet / seinen Feinden / die er gefället zu haben sich rühmete /selbst in den Rachen zu fallen. Ich flöhe nur üm ein Schlüklein / nur üm ein Tröpflein Wassers / das Du auch deinen Feinden selbst nicht zu versagen pflegest.«

(125) Simson hatte zwar / durch seine Stärke /so manche Menschliche Macht überwunden: aber so bald / und mit so leichter Mühe niemahls / als er itzund / durch das Gebäht / die Göttliche Almacht selbsten überwand. Kaum hatte er den Mund aufgetahn zu bitten / da war sein Gebäht schon erhöhret. Kaum hatte er angefangen zu klopfen / da stund ihm die Tühre zur Barmherzigkeit GOttes schon angelweit offen. So mächtig ist das Gebäht / wan es eifrig und im Glauben geschiehet / daß [234] es selbst durch die Wolken bricht / und / als ein Liebestein / das Hertz GOttes nach uns zuziehet.

(126) Diese liebreiche Macht kömt dem Almächtigen Himmelskönige so anmuhtig vor / daß Er / wie ungebunden in allen seinen andern Würkungen Er ist / eben so gebunden uns zu begünstigen sein wil; indem Er ihm selbst die Begünstigung nohtwendig macht. Ja wan irgend seine Gerechtigkeit durch unser sündliches Wesen gezörgt / Ihn antreibt an seiner Gühte stat / uns seinen Zorneifer blikken zu laßen; so wird Er hertzlich froh / wan Er / durch unser Gebäht /Anlaß bekömt uns wohlzutuhn.

(127) Und eben daher befand sich dieser mild- und lieb-reiche GOTT / durch Simsons flöhendliche Bitte / dermaßen gebunden / daß Er ihm seine Gnade keines weges zu weigern vermochte: zuvoraus weil er Ihm / unter andern Bewegreden zu Gemühte geführet /es würde Seiner Hoheit selbsten / so fern Er ihn verschmachten / und in der Feinde Hand gerahten liesse /zur märklichen Verkleinerung gereichen. Ja Er entschlos sich von stunden an / des Nohtleidenden Verlangen unverzüglich zu erfüllen.

(128) So bohrte dan der höchste Werkmeister / in eben demselben Eselskinbakken / mit welchemSimson eine so große Wundertaht verrichtet / und tausend Filistern das Leben genommen / zu Löschung seines Durstes / einen lebendigen / wo nicht auch lebendigmachenden Wunderbrunnen. Er spaltete einen Zahn des Kinbakkens / mit dem so viel Filisterbluhtes vergossen war. Daraus flos und ergosse sich von stunden an so viel Wassers / daß es überflüßig genug war des lächzenden Simsons Leben zu laben.

(129) Eben einen solchen Wunderbrun lies Er ehmahls aus einem harten und truknen Felsen / sobald ihn Moses / auf sein Geheis / mit seinem Stabe geschlagen / die durstigen Kinder des Israels zu tränken / hervorschiessen. Was für ein neues Wunder war es dan / daß alhier / auf seinen Wink ein dürrer und harter verlegener Knoche von einem so verachtetem Lasttiere / mit klahrem und kühlem Wasser gefüllet / Simsons [235] [237]Trinkbächer / ihm das Leben wieder einzuflößen / werden muste.

(130) Diesen Trinkbächer ergrif dan der Durstige mit unaussprechlichen Freuden. Mit großer Begierde setzt' er ihn an. Mit gantzen Schlükken trunk er das angenehme Nas; welches aus der Kolbe des Brenofens der Almacht GOttes selbsten getreuffelt. Ja er sog und zog diesen Lebenssaft / diese Kraftmilch aus dem Bakkenzahne so begierig heraus / daß er kaum gewahr ward / daß aus demselben Gewehre / damit er tausend Filister getöhtet / seines Todes Tod entstünde.

(131) Nachdem nun Simson seine Dursthitze gelöschet / seine Glieder wieder erfrischet / und seine Lebensgeister erneuert; da nennete er diesen Brunnen / welcher in der Gegend / dahin er den Kinbakken warf / geblieben; zum Gedächtnisse solcher so großen Wohltaht / den Anrufersbrun oder dasBähtwasser. Ein solcher Brun / darnach Davids Hertz dürstete / befand sich auch unter dem Tohre zu Betlehem / in der Gebuhrtsstadt unsers HErrn und Heilandes / des wahrhaftigen Springbrunnens unseres Heiles; der uns / durch sein Verdienst am Stamme des Kreutzes / da aus seiner ausgespaltenen Seite Bluht und Wasser / unser rechtes Lebensnas / wie das Bähtwasser aus Simsons Kinbakken /herausflos / einen kräftigen Heilbrun / einenfreien offenen Brun wider die Unreinigkeit zugerichtet.

(132) Und also war der Anrufersbrun in der Geschicht Simsons ein rechtähnliches Vorbild dieses ewigen Heilbrunnens: doch mit dem Unterscheide / daß jener bloß allein für den DürstendenSimson / dieser aber vom Dürstenden Heilande der Welt für alle dürstende gleubige Seelen eröfnet ward: daraus sie schöpfen mögen des Heilwassers die Fülle / volles Genügen / Leben und Seeligkeit immer und ewiglich.

[237] [239]Das sechste Buch.

Die (1) Einteilung.


Israel lebete bisnochzu zaumloß. Ihm fehlete der Zaum / der es ehmahls zeumete. Ihm gebrach der Halfter / der ihm half; der Zügel / der es zog / der es lenkte / der es beherschete. Ihm mangelte bisnochzu ein algemeines Heupt. Einiedes Geschlächt / ja schier einieder Kopf wandelte für sich / handelte nach eigenem Guhtdünken. Einieder Stam hatte seinen sonderlichen Staht / seine sonderlichen Heupter / seine sonderlichen Rahtschläge. Und in dieser Sonderung war der algemeine Stahtsleib ein rechter verworrener / verdorbener / uneiniger Klump: da immer ein Glied dem andern zuwider / immer ein Stam vom andern gesondert / immer ein Geschlächt vom andern getrennet /und also alles in Uneinigkeit war. Daher kahm es auch / daß bisnochzu aus solcher Unterschiedligkeit /ja Widrigkeit / und Mänge der Rahtschläge kein Schlus hatte können gefasset werden das so schweere Lastjoch der Filister / das diesen Stahtsleib drükte / von ihm abzuwältzen.

(2) Solchen Unheilen zu steuren muste das sämtliche Volk GOttes wieder einen Fürsten haben. Ein algemeines Oberhaupt war ihm zum höchsten nöhtig. Durch dieses allein konte der enteinigte Staht wieder vereiniget / dessen Glieder wieder angegliedert / dessen zwölf Brüderstämme in unzertrenter Brüderschaft erhalten / und sein endlicher Sturtzfal verhühtet werden. Ein solches zu wehlen waren dan die Aeltesten geneugt. Aller Gedanken kahmen itzund auf dieses Ziel zusammen. Alle Stämme des Israels waren hierinnen einträchtig. Alle stimmeten unter der Bohtmäßigkeit eines Richters zu stehen / einhällig zusammen. Ein höheres Heupt / mit höherer Gewalt /lies auch noch zur Zeit ihr Zustand / unter der Filister angemaßten Herschaft nicht zu. Dieses alles würkete GOTT / der sein Volk niemahls gantz verlies / niemahls gantz versties / unangesehen es seinem Willen widerstrebete.

[239] (3) Weil nun Simsons Tapferkeit überal erschollen: weil seine fürtreflichen Siege die Ohren und Gemühter des gantzen Israels erfüllet; so fielen /durch Göttlichen Antrieb / straks alle Stimmen auf ihn. Alle Aeltesten stimmeten einmühtig / einmündig / einhällig / man solte diesen Held erwehlen. Simson allein / der schon so viel herliche Tahten / und ihren algemeinen Feinden einen so märklichen Abbruch getahn / sei würdig den Israelischen Richterstuhl / der so manches Jahr ledig gestanden / zu bekleiden.

(4) Nach volzogener Wahl warden von stunden an etliche Gesanten abgefärtiget dem neuerwehlten Richter solches anzudienen. Dieser war eben zu Zarea. Dahin hatte er sich straks nach gehaltener jüngsten Schlacht / begeben. Dahinwärts ging auch der Gesanten Reise. Niemand war froher / als Simsons Vater / da er diese Zeitung bekahm. Er lag eben krank zu Bette / und befand sich so schwach / daß er in etlichen Tagen nicht aufstehen können. Aber itzund schien er wieder Kraft zu schöpfen. Itzund stund er auf / und hielt mit den Abgefärtigten des Stahts das Mittagsmahl. »Ach!« sprach er / »nun wil ich gerne sterben. Nun begehre ich nicht länger zu leben. Nun habe ich genug gelebet; nachdem ich dasselbe / was mir GOtt von meinem Sohne verkündigen laßen / erfüllet sehe.«

(5) Hierauf traht dan Simson das Richteramt an / darzu er von GOTT selbst schon vor seiner Gebührt bestimmet worden. Er setzte sich auf den Richterstuhl. Er nahm die Stahtsgeschäfte zur Hand. Er hielt das Volk an nach dem Gesetze GOttes zu leben. Dieses war seine Richtschnuhr. Hiernach trachtete er den verfallenen Staht wieder aufzurichten Hiernach suchte er desselben auseinandergewichene Teile wieder in ihre Fugen zu bringen. Hiernach gab er Urteile. Hiernach richteten sich alle seine Stahtsabschiede. Hiernach warden alle Stahtshandlungen geführet / alle Schlüsse geschlossen / ja alles / was die gemeine Wohlfahrt betraf / erörtert.

(6) Bisher hatte er / durch seine Tapferkeit / den Hochmuht der Filister zur eusersten Demuht zu eingeknöbelt. Er hatte ihnen / durch so viel Niederlagen / ein Gebis in den Mund geleget. Er hatte sie dermaßen gezeumet / daß sie sich / aus [240] Furcht gar vertilget zu werden / nicht rühren durften. Und hierdurch schöpfte sein Volk wieder Luft. Hierdurch keumete desselben Glüksäligkeit wieder auf. Hierdurch gewan es neue Kräfte / neuen Muht / neues Vermögen.

(7) Diese Glüksäligkeit nun zu erhalten begab sichSimson zur Ruhe. Er hörete auf die Feinde des Stahts zu befeden. Er vetfolgete die Filister nicht mehr. Er fochte sie weiter nicht an: wiewohl er /aus Gewohnheit zu siegen / niemahls die Unterlage zu leiden versichert zu sein schien. Es war ihm genug /daß er sie so weit gedemühtiget / daß sie nicht wider ihn aufstehen / noch den Staht beleidigen durften. Er hatte Ruhmes genug / daß er den Lauf ihrer Wühterei gehämmet; daß er den Knöbel / damit sie den algemeinen Staht Israels bisher geknöbelt gehalten /ihnen selbst in den Mund geworfen.

(8) Die Glüksäligkeit eines Stahts fußet auf keiner andern Grundfeste / dan der Vorsichtigkeit desselben / der ihn beherschet. Dan wie diese die Mutter ist aller heilsamen Rahtschläge / so ist sie auch die Grundlegerin / die Stützerin / und Erhalterin alles glüklichen Wohlstandes. Darüm erwehlte sie dan dieser neue Stahtsrichter zu seiner Beisitzerin / zu seiner Rahtgeberin: auf derer Raht die Taht folgete. Sie widerriet den Krieg / und riet ihm an den Frieden / als den ersten Grundstein eines durch Waffen zum Glüksstande nunmehr gebrachten Stahts. Simson gab Gehöhr. Er folgete der Rahtgeberin. Er nahm den Raht an. Er täht was sie riet / und trug sich / durch solche Vorsichtigkeit geleitet / gantz friedlich. Auch schienen ihn nunmehr seine vielen Stahtsgeschäfte selbst hierzu anzutreiben.

(9) Wer nicht zu frieden ist / wan er seinen Feind untergedrükt / und denselben gantz zu vertilgen trachtet / der lesset sich die Tohrheit / den Ubermuht / und den Ehrgeitz reiten; die ihm seine verdienten Siegesgepränge vielmahls zu Wasser / und seinen erworbenen Ehrenruhm zur Schande machen. Nach etlichen mit höchsten Ehren erhaltenen Siegen / immer auf neue Siege gleichsam erpicht sein / ist eben so viel /als wan iemand im Glüksspiele / nachdem er etliche mahl einen reichen [241] Gewin getahn / noch immer zu spielen anhält: da et dan oftmahls alles / was er hat /und das gewonnene darzu verspielet. Wie vielmahls hat einem unersätlichen Uberwinder / nach zween oder drei ruhmherlichen Siegen / das gleichsam gezörgete Glük dermaßen den Rükken zugekehret /daß er alles mit Schanden verlohren / oder aber /durch oftwiederhohlete Siege / nichts / als ein geschwächtes Vermögen / erhalten!

(10) Mit einem Worte / Simson wehlete / bei Anträhtung seines Richteramtes / den erstrittenen Frieden lieber / als den ferneren Streit. Er war mit dem vergnügt / daß er / durch seine schon erhaltene Siege / die Filister dermaßen in die Schuhle geführet / daß sie gelernet ihn zu fürchten; daß sie gestehen musten / er sei derselbe / der er in der Taht war. Und darüm schien es unnöhtig ihnen / durch mehr Meisterstükke seiner Stärke / die Macht / die er hatte /blikken zu laßen.

(11) Wer es so weit gebracht / daß seine Feinde /mit tiefster Ehrerbietigkeit / ihn für ihren Meister erkennen / und wan er sich unter ihnen nur sehen lesset / ob er schon sonsten nichts tuht / für seiner Tapferkeit erschrökken / der hat in Wahrheit Ehre genug. Ja ich darf wohl sagen / daß er alsdan mehr Ruhmes darvon träget / als wan er ihnen / durch seine Faust / den gewaltigen Nachdruk seiner Tapferkeit zu kosten giebet / und derselben Wahrzeichen zugleich eindrükket.

(12) Simson hatte / durch seine Tapferkeit /die Filister in ein solches Schrökken gejagt; er hatte sie so weich und schmeidig / ja so bändig und bange gemacht / daß er / in ihrem Lande / gantz sicher / und ohne Befahrung angefallen zu werden / herümging. Ja er täht solches unter ihnen / in ihren Städten selbst / ohne Scheu: indem er wohl wuste / daß sie ihn alle scheueten / daß sie ihn alle fürchteten / und keiner das Hertz hette sich an ihm zu vergreiffen. Es war auch in Wahrheit keiner / der ihm bloß allein nahen /oder nur freimühtig unter die Augen sehen durfte; weil sie alle seinen Anblik meideten.

(13) Und solches tähten sie vielleicht darüm /damit er die Märkzeichen der Furcht / die ihnen seine Gegenwart eindrükte / an ihren Gesichtern nicht märkte: oder aber aus [242] Beisorge / sie möchten ihm /durch die Schaamröhte wegen ihrer so schändlichen Verzagtheit in neulicher Schlacht / die Zeichen seines Sieges üm so viel scheinbahrer machen. Anders konte man auch aus ihren so schüchternen Gebährden nicht urteilen.

(14) Hingegen waren die Weibsbilder üm so viel kühner. Diese trahten ihm behertzt zu Gesichte. Die Strahlen ihrer Augen durften auch den Blitzen der seinigen selbst Kampf anbieten. Sie spieleten / wo nicht frech / doch unerschrokken auf ihn zu; indem sie versichert waren seiner Tapferkeit / wie unüberwindlich sie sonsten war / obzusiegen. Und also verlachten sie gleichsam seine Stärke; derer Kraft die Macht ihrer Schönheit zu entkräften vermochte.

(15) Wan die Schönheit einer Juno zu strahlen beginnet / mus Jupiter zu blitzen aufhören. Seine Donnerkeule seind zu stumpf der Schärfe dieser Liebespfeile zu widerstehen. Kein Herkules vermag sich für den Liebesblikken einer Omfale / einerMalide / einer Melite / einer Pirene / einerJole / einer Hebe / einer Filone / einer Megare / einer Astidamie / einer Astiochie /einer Deianire / noch auch der funfzig Königlichen Töchter des Tespius / die er alle / bis auf eine / in einer Nacht zu erkennen gleichals gezwungen ward / wie stark er auch immermehr ist / zu beschirmen. Seine selbsteiserne Keule fället zu leicht ihren so schweeren Nachdruk zu hintertreiben.

(16) Und darüm war es kein Wunder / daßSimson / der sonsten / durch seinen bloßen Anblikdie Filister überwand / durch die Hertzentzükkenden Blikke der Filisterinnen sich selbst überwunden sahe. Kein Wunder war es /daß sein Hertz / welches sonsten an Standhaftigkeit und Härte keines Hertzen wiche / durch die Sonnen schöner Angesichter zur Liebe beweget / und dermaßen erweichet ward / daß ihm das Bildnis so lieblicher Strahlen eingepräget blieb.

(17) Mit einem Worte: Simsons Eselskinbakken / damit er nicht lange zuvor tausend Filister erschlagen / und zweitausend verjaget / konte nunmehr sein Hertz für dem Einbruche nur einer einigenFilisterin keines weges beschirmen. Diese wohnete zu Gaza / in einer von den damahligen drei[243] Riesenstädten. Sie war eine solche / welche die Kunstgriffe der Mansbilder Hertzen zu fangen meisterlich gelernet. Hiermit nährete sie sich. Dieses war ihr Handwerk. Hierinnen bestund alles / was sie wuste.

(18) Sie war eben / als eine Spinne / die ihr Spingewebe aus tausend Eitelkeiten zu weben / und denjenigen / der mit dem unvorsichtigen Fluge seiner Augen darinnen hängen blieb / so ahrtig und so fest zu verstrükken wuste / daß er nicht eher loß gelaßen ward / sie hette ihn dan zuvor / wie eine Flüge / gantz ausgemärgelt. Und hierbei war sie so beschwatzt / ja pfif so süße / daß sie der albernen Jugend einbildete /sie sei ein leibhafter Himmel vol allerlei Wohllüste; da sie doch in der Taht anders nichts war / als ein lebendiges Grab / als ein beseeltes Aas vol allerlei Unlust und stünkenden Unflahts.

(19) Sie stund dazumahl / als Simson nachGaza kahm / eben in ihrer Haustühre. Da lokasete sie / durch geule Blikke / die Vorübergänger. Da beitzete / da reitzete sie dieselben / mit flinkernden Augen / mit lächlendem Munde / mit munterem Wesen / wie ein Meerweib mit singender schmeuchlender Zunge /sich in das Wohllustmeer ihrer Liebe zu verfügen. Da warf sie ihr Garn / von falschen Schönheiten gestrükket / bald hier- bald dort-hin aus. Da suchte sie /durch den Kloben ihres Schmukkes / bald diesen /bald jenen zu erwischen.

(20) Ihr Haar lag üm die Stirne herum geringelt. Ihre Lokken hingen längst den Wangen gekrüllet hinunter. Und diese hatten ihren Schnee / und ihren Purpur nicht von sich selbst / sondern vom Anstriche solcher Farben entlehnet. Darüm muste derselben Glantz auch alle morgen erneuert werden / die alte häsliche runtzlichte Haut darunter zu verbärgen. Hiermit schmükte ja schmünkte vielmehr ihr Angesicht diese Tausendkünstlerin ihren Buhlern die Bahne zur Unzucht zu glätten / und sie üm so viel eher in den gefährlichen Strudel der geulen Wohllust zu stürtzen.

(21) Also pflegte sie das Bild der Schönheit über die Furchen der Häsligkeit hinzumahlen. Also überfärbete sie alle Oerter ihres Leibes / da das Alter die Straßen zur Verachtung gebahnet. Also trachtete sie ihren Buhlern den Anblik üm so viel [244] anmuhtiger / ja zugleich üm so viel eiteler und geuler zu machen. Und eben darüm hatte sie auch über den Busem nur einen dünnen durchsichtigen Flohr gezogen. Ja eben darüm war dieser Busem voran mit einem lieblichen Bluhmenstrause bestekt; der das Auge lüsterner machte die Zuneugungen in dasselbe Wohllusttahl einzuleiten.

(22) Aber der arme Simson wuste das wenigste von allen diesen Betrügereien. Er wuste nicht / daß unter solcher falschen und nur gekünstelten Schönheit ein so häslicher Schandbalg / ein so garstiger Unflaht verborgen sei. Er gedachte nicht / daß diese gefärbete Spieltokke so ein abscheuliches Gespänst / so ein betrüglicher Irwisch sei; der ihn / ie mehr er mit unverwanten Augen darauf zublikte / ie eher und tieffer in den abwegigen Sumpf / in den schlüpfrigen Mohrast der Unzucht hinein führen würde. Er wähnete / daß alles Gold sei / was dem Golde gleich gleisset. Er hatte die Einbildung / es sei auf der gantzen Welt nichts schöners / nichts lieblichers / nichts anmuhtigers / als dieses dem Scheine nach erfreuliche / doch in der Wahrheit abscheuliche greuliche Weibesbild.

(23) Zu solcher Einbildung trieb ihn der falsche / ja wo nicht gar blinde / doch geule Blik seiner Augen; der zugleich sein gantzes in Liebe neugebohrnes Hertz mit sich schleppete / dasselbe dieser des Todes Leibeignen leibeigen zu machen. Und also wardSimson dermaßen verliebt / daß er mit nichten vermochte vorbeizugehen. Ob schon seine Füße fortschritten / so blieben doch zum wenigsten seine Gedanken zurük. Ja sein Auge blieb an dieser eingebildeten Schönheit gleichsam kleben. Es war eben als ein hartmeulichter Gaul / der keinen Zaum fühlet. Unmüglich war es dasselbe von dar abzulenken / dahin es / seine Weide zu hohlen / unnachläslich gerichtet blieb.

(24) Und darüm drähete Simson sein Angesicht allezeit üm / das Angesicht / das ihm so gar schön /und so gar lieblich vorkahm / zu betrachten. Auch schien es ihm / in dieser Betrachtung / immer schöner und schöner zu werden. Ja er geriet darinnen so weit /daß er ein solches Frauenbild / dem doch die heilige Schrift den allerschändlichsten Nahmen giebet / gar für eine Göttin der Liebe zu halten begunte. Endlich[245] ward er so entzükt / daß er stokstille stehen blieb: indem seine heftige Leidenschaft nicht gestatten wolte sich von einer solchen Sonne / die ihn so liebreich anzuscheinen schien / zu entfernen.

(25) Hier gliche Simson dem Segelsteine. Dieser kehret und drähet sich / ja siehet gleichsam / wie jener nach seiner Geliebten / allezeit nach dem Eisen zu. Und dan stehet er stokstille / gleichals wolte er einen Versuch tuhn das Geliebte zu sich zu ziehen /und mit ihm sich vereinigen. Unser Held konte nicht leben / ohne diese gewähnte Schöne: welche wir billich mit einem häslichen rustigen Eisen / das durch die Kunst geglättet / das Auge beitzet / vergleichen. Ach! wie wenig Joseffe findet man / welche der Lokbeitze solcher Unzüchtigen / die so manchen Jüngling anfallen / und oftmahls üm Seele / Guht /und Bluht bringen / zu entfliehen vermögen!

(26) Der guhte Simson / wie stark er sonst war / so schwach war er itzund dieser Anlokkerin / dieser Tausendkünstlerin zu widerstehen. Er muste mit an den Reihen. Er / der so viel Siege / mit unsterblichen Ehren / erstritten / muste nunmehr eine solche / die nicht währt war / daß sie den Erdbodem betraht / über sich siegen laßen. Er / der mit so vielen Siegesgeprängen verherlichet war / muste nunmehr einem ohnmächtigen verächtlichen Frauenbilde zur Siegespracht dienen. Er muste zurükkehren. Er muste seinem Gemühtstriebe gehorchen. Er muste seinen Begierden folgen. Die Heftigkeit seiner Liebe zwang ihn bei derselben / die ihn verliebt gemacht / ein zukehren.

(27) Etliche meinen / diese Frau / bei welcherSimson alhier einkehrete / sei eine Gastgäberin gewesen. Gasthöfe seind oftmahls Schuhlen der Unzucht. Was für ein Wunder ist es dan / daß sie ein solches unzüchtiges Weib war; daß sie die Künste / die Griffe / die Ränke die Jugend brünstig zu machen so überauswohl gelernet? Der Umgang mit so mancherlei Menschen / die bei ihr zur Herberge gelegen / hatte sie ohne zweifel in dieser falschen Kunst / darvonSimson / der ohne Falsch / ohne Betrug war / noch sehr wenig wuste / zur volkommenen Meisterin gemacht.

(28) Und also ging der Gebeitzete hin / wie ein einfältiges [246] Schaf / zur Schlachtbank; wie eine gekörnete Taube / zum Falstrükke; wie ein geaseter Fisch zur Angel / da er / mit dem Aase / den Tod einschlukket. Die Einbildung / die er hatte / sie würde sein Ansuchen begünstigen / war ihm zu diesem Gange gleich als ein Spohren. Das liebliche Lächlen / die freundlichen Anblikke / die holdsäligen Gebährden / damit sie seinem ersten Anblikke begegnet / überredeten ihn gäntzlich / er würde die Tühre zum Eingange geöfnet / und sie selbsten seine Begierden zu sättigen geneugt antreffen.

(29) Aber der guhte Simson erfuhr es gantz anders. Er ward zum höchsten bestürtzt / als er dieselbe / die ihm kurtz zuvor mit den alleranmuhtigsten Blikken begegnet / itzund so gar verkehret / so gar fremde / so gar hofärtig befand. Sie empfing ihn gantz kaltsinnig. Ihre Gebährden waren ernsthaftig / ja selbst mürrisch und stürrisch. Sie sahe ihn nicht einmahl an. Sie vergaß aller Freundligkeit / aller Ehrerbietigkeit darzu. Sie beobachtete weder das Ansehen / das einem Richter von Israel zukahm / noch die Ehre /die einem solchen weltberufenen Helden / als Simson war / gebührete. Er war ihr nicht so viel währt /daß sie ihn niederzusitzen genöhtiget hette.

(30) Sie sahe / daß sie so einen fetten Buhler bekommen. Sie märkte / daß ein so großer Held sich in sie verliebet. Sie wuste sehr wohl / wer Simson war. Darüm erhub sie sich über diesen Sieg. Darüm ward sie stoltz und aufgeblasen. Darüm nahm sie das Wesen der Eingezogenheit an. Hierdurch vermeinte sie seiner Liebe sich würdig zu machen. Hierdurch gedachte sie in seinen Augen üm so viel ansehnlicher / üm so viel währter zu scheinen. Ja hierdurch verhofte sie ihre Wahren üm so viel teuerer zu verkauffen. Dieses letztere war auch ihr einigstes Augenmärk /das sie / durch solche Verstellungen / zu erreichen vorhatte.

(31) Dergleichen Schandsäkke / die bei den Röhmern von den Verdiensten / bei den Griechen von den Verkaufungen / und bei uns vonden Vermietungen oder Verheurungen ihrer Leiber den Nahmen führen / suchen nichts anders / als mit einem reichen Schandenlohne die Säkke zu [247] spikken. Ie mehr sie / mit ihren Wahren / die sie feil bieten / oder mit ihrem Handwerke / bei ihrem Buhler verdienen oder gewinnen / üm so viel lieber ist er ihnen. Sonsten wissen sie von keiner Liebe: weil die Gewinsucht oder der Geldgeitz ihr Hertz so gar besässen / daß kein Fünklein der rechten Liebe darinnen stat findet.

(32) Und eben darüm verdienet dieselbe / die etwan aus einer reinen inbrünstig-getreuen Menschenliebe / mit ihrem Geliebten das Maß dieser Liebe zu überschreiten bewogen wird / mit nichten den Nahmen einer solchen unzüchtigen ehrlosen Mätze: die bloß allein aus einer schändlichen Geldliebe denen allen / die mit ihr zu buhlen suchen / wilfähret; indem sie ihnen ihren Leib feil bietet / verhandelt / verkauffet / vermietet / verheuret / gemein machet / und ihren schändlichen Wucher darmit treibet.

(33) Der Abschlag des Zimmets / durch das Uberführen desselben aus Ostindien in Europe mit gantzen Schiffen zu unserer Väter Zeiten veruhrsachet / machte die damahligen Verkeuffer / indem sie schier mehr Verlustes / als Gewinnes / daran sahen /so witzig / daß sie ihn in der folgezeit viel spaarsamer / und nur mit wenigen einzelen Pakken überkommen liessen. Ja man lies auch überdas / dieses Gewürtz inOstindien selbsten / üm so viel seltsamer und teurer zu machen / gantze Zimmetbüsche auf Zeilan und anderwärts wegbrennen.

(34) Dieses Stahtsgriffes der Kaufleute wuste sich hiesige Schandmähre / bei Verkauffung ihrer garstigen Wahren / meisterlich zu nütze zu machen. Sie befahrete sich / wan sie den Gewürtzladen ihrer Gunst dem Simson straks auf einmahl öfnete / und im Gunstausspenden gegen ihn zu milde were / daß er hernach ihre Wahren geringe schätzen / und sie / nach ihrem Wunsche / teuer genug nicht kauffen würde. Darüm hielt sie damit hinter dem Berge. Sie boht sie nur kärklich feil Ja sie stellete sich gar / als were sie nicht zu kauffe: oder doch / als achtete sie den Simson nicht Mannes genug sie / nach ihrem Währte / zu bezahlen.

(35) Ich wil mehr sagen: wie die Kaufleute den überflüßigen Zimmet / ihn seltsam und teuer zu ma chen / in Ostindien [248] dem Feuer gleichsam vorwarfen; fast eben also warf sie ein guhtes teil ihrer Freundligkeiten und Gunstblikke / die übrigen zum Aufschlage zu bringen / selbst vor die Hunde. Neben ihr / auf einer Tafel / befand sich eben ein Schoßhündlein. Dieses strählete / streichelte / ja hertzete sie. Damit spielete / zährtelte / schertzete sie. Darauf hatte sie / mit freundlichen Blikken / die Augen gerichtet. Unterdessen warf sie dem armen Simson sehr selten einen Seitenblik zu. Kaum mit einem Worte beantwortete sie seine Reden. Nährlich ein Lach fiel ihm zur Beute.

(36) Das Gold / die Demanten / die Perlen halten wir nur darüm so kostbar / so teuer / und in so hohem währte; weil sie die Schatzmutter so spaarsam / so kärklich mitteilet. Hingegen achten wir das Eisen /das Kupfer / das Blei üm so viel unwährter / wohlfeiler / und geringer / als überflüßiger es die mit Ertze geschwängerte Bergschachten zu geben pflegen: wiewohl das Eisen in etlichen Ländern der Morgenwelt /weil es die Morgensonne von dar / als ein solches /dessen fünstere Nachtfarbe mit ihrem Lichtglantze gleichsam stritte / nach Mitternacht zu verbannet zu haben scheinet / schier in gleichem Währte mit dem Golde gehalten wird.

(37) Die Zintokbeume / derer Rinde einen überauskräftigen Gewürtzschmak von Näglein / Zimmet / und Muskaten zu haben pfleget / seind darüm so teuer / so kostbar / so hochgeachtet / daß auch ihr hartes und schweeres Holtz selbst gegen Gold aufgewogen wird; weil sie so langsam aufwachsen / und so sehr selten /auch an wenig Oertern gefunden werden. Das Wasser / das tröpflings aus seines Brenofens Kolbe komt /wird allein für ungemein / und im hohen Währte gehalten. Dagegen ist gemein und unwährt dasselbe /das sich ströhmlings ergüßet.

(38) Daher lies dan diese verschlagene / durchtriebene / arglistige Tausendkünstlerin dem Simson ihre Gunst nur spaarsam / nur kärglich / nur sehr selten / und algemach / ja kaum tröpflings / kaum bröklings / und gleich als mit einzelen Sonnensteublein blikken; damit sie dieselbe bei ihm in [249] Hochachtung bringen / und als etwas ungemeines üm denselben ungemeinen Preis / den sie zu lösen verlangte / verkauffen möchte. Hingegen maß / ja gos sie dieselbe ihrem Spielhündlein gantz mildiglich / gantz überflüßig /gantz unnachläslich / ja ströhmlings / und hauffenweise / mit gerüttelt- geschüttelt-vollem Maße / gleich als verschwänderisch zu. Und hierdurch trachtete sieden Simson nur lüsterner / nur brünstiger / nur begieriger / und zugleich freigäbiger zu machen.

(39) Auch erreichte sie in Wahrheit ihr Ziel. Dieser Listgrif schlug ihr nicht fehl. Simson / wiewohl er sich verschmähet / und einem Hunde / dessen Glük er beneidete / nachgesetzt sahe / ward dannoch / durch das Liebkosen / damit sie dem Hündlein begegnete /mehr und mehr entzündet. Er ward immer brünstiger /immer verliebter / immer begieriger die Brunst seiner Liebe zu blüschen. Und dieser Liebkosung sahe er mit gedultigen Augen zu: indem er verhofte / die Reihe würde zuletzt auch an ihn kommen. Ja er frohlokte schon in seinem Hertzen / als ihr das Hündlein /mit einem lauten Schrei über den Knip / den sie ihm im Schertzen gegeben / unversehens entwischte. Nun gedachte er nicht weniger geachtet zu werden / als daß er die Vergünstigung / in des Hündleins Stelle zu trähten / erlangen würde. Nun verhiessen ihm seine Gedanken schon den Sieg. Nun lies er sich schon bedünken auf dem Wagen der Liebe sein Siegesgepränge zu halten.

(40) Aber es war noch weit vom Lachen. Dieser verheissene Sieg ging verlohren. An diesem Wagen der Liebe waren die Räder gelähmet / die Felgen zerstükket / die Speichen zerknikket. Die Siegespracht selbsten fiel in den Brunnen. Indem Simson vermeinte / sein geschwängerter kreuschender Hofnungsberg würde nunmehr seine wahre Glüksäligkeit gebähren; da kahm nicht zwar eine lächerliche Maus /sondern ein noch viel lächerlicher Affe hervor. Indem er itzund gedachte zur Liebkosung dieser Fraue gewehlet zu werden / da wehlete sie darzu einen Affen /der eben in ihrem Zimmer angeschlossen lag. Und also zog sie ihm / wie zuvor einen Hund / itzund gar einen Affen vor / ein solches Untier / das der gemeine[250] Man für einen misgebohrnen / oder vielmehr verfluchten Menschen zu halten pfleget.

(41) Hiermit kurtzweilete sie. Hiermit spielete /schertzete sie. Auf dessen kurtzweilige wunderseltsame Possen waren alle ihre Sinnen / und Gedanken /zusamt den Augen / gerichtet. Und bei dieser Kurtzweile schien sie des Simsons so gar vergessen zu haben / daß sie ihn nicht einmal ansahe: ungeachtet daß der Affe vielmahls mit dem Kopfe nach ihm zu nikte / und darbei überlaut kicherte / gleichals spottete er seiner.

(42) Nun begunte die Ungeduld sein Hertz gantz zu übermeistern. Ja die Verzweifelung benahm ihm die Hofnung / die er bisher gehabt die Widerspenstigkeit dieser Frauen endlich zu bändigen / so gar / daß er schier unsinnig zu werden schien. Nichts verdros ihn mehr / als daß er mit guhten Augen ansehen muste /daß sie einem Affen / einem so häslichen / so abscheulichem Viehe / mehr Gunst erwiese / dan ihm. Dieses entrüstete sein Gemüht über die maße: zuvoraus weil beide / sie und der Affe / seiner noch darzu spotteten.

(43) Zuweilen riet ihm der Zorn diesen Schimpf zu rächen. Zuweilen hub er den Arm schon auf den Affen ihr aus der Hand / und in tausend stükke zu reissen. Sobald er aber sie anschauete / stärkte sich seine Liebe dermaßen / daß sie den Zorn überwältigte. Und also ward er zu ohnmächtig dem Rahte des Zornes zu folgen. Zuletzt gab ihm die Vernunft ein / sich gar aus dem Staube zu machen. Dieser Raht war auch der beste. Hierdurch konte der weitere Schimpf vermieden / das Zunehmen seiner Liebe verhühtet / und das Abnehmen derselben befördert / ja er selbsten in Ruhe gebracht werden.

(44) Simson nahm dan seinen Abschied plötzlich. Plötzlich schied er von dannen. Unversehens verlies er dieselbe / die ihm so halsstarrig / so widerspänstig / so grausam begegnet. Seiner Worte waren wenig; doch schier einieder Klang derselben mit vielen spitzigen Stacheln erfüllet. Diese kützelten ihr das Ohr / ritzeten das Hertz / und reitzeten es zu einer genugsamen / doch schier zu spähten Reue. Gleichwohl lies sie sich dessen nichts märken. Sie verbarg ihr Anliegen. Sie fuhr [251] in ihren Verstellungen fort. Nicht ein einiges Zeichen solcher Reue lies sie blikken.

(45) Damit sie aber diesen Vogel noch ferner körnen möchte wieder auf ihren Vogelherd zu kommen; so warf sie ihm / im hinausgehen / nur etliche / doch gantz Hertzentzükkende Bliklein zu. Hiermit lokasete sie den guhten Simson dermaßen / daß er seine Füße schweerlich fortsetzen konte. Wie geschwinde /wie behände seine Tritte gewesen / als er zu ihr ging; so langsam / so unbehände waren sie itzund / da er von ihr schied. Dieselbe / derer Schönheit Bildnis sich so fest in sein Hertz eingedrükket / gantz aus den Augen zu lassen schien ihm unmüglich zu sein. Und darüm schweiffete er auch so langsam und so lange /gleich als verirret / hin und her / und konte das Ende der Gasse / da diese Schönheit sich aufhielt / nährlich finden.

(46) Indem er also / als ein Fisch / der durch den Anbis an der Angel fest hänget / herümschweiffete /riet ihm die Liebe / durch abermahligen Vorübergang / einen Versuch zu tuhn / ob er nicht endlich einmahl zur Erlangung seines Verlangens gelangen könte. Aber diesen Raht widerriet die Vernunft / die ihm zu Gemüht führete: er solte bedenken was für unerträgliche Schmertzen er ihm selbst über den Hals ziehen würde / wan man ihm itzund eben so unhöflich / als vorhin / begegnete. Zudem sei es seiner hohen Amtswürde nachteilig einem solchen leichtfärtigen Balge /gleich als unsinnig / nachzulauffen. Einen Richter von Israel geziemete mit nichten sein Ansehen solcher gestalt geringschätzig zu machen.

(47) Weil nun Simson denselben gantzen Tag verzog wiederzukommen / auch nicht einmahl auf der Gasse sich sehen lies; so befahrete sie sich / sie möchte ihn etwan / durch ihre Verstellungen / verzweifelt /oder wohl gar abkehrig gemacht haben. Darüm richtete sie einen Lokvogel ab / ihn wieder auf den Kloben zu lokken. Sie dingete einen verschlagenen Kupler /dem sie in den Mund gab / was er reden / und in die Ohren flisterte / was er tuhn solte. Diesen schikte sie ihm heimlich nach. Durch diesen verhofte sie den armen Simson wider in ihren Schlagbauer zu bringen.

[252] (48) Unterdessen butzte sie sich auf das schönste. Sie schmükte / ja schmünkte sich auf das zierlichste. Sie zog ihre köstlichsten Kleider an. Die Haarlokken musten gekreuselt / die Zöpfe mit güldenen Bändern bestrükket / der Hals mit Perlen ümhänget / die Aerme mit Spangen ümspannet / die Finger mit Ringen ümringet / ja alles auf das herlichste gezieret sein. Vor allen dingen beobachtete sie / daß ja der Busem seine völlige Blöße bekähme: damit in demselben die zweifache Milchsee üm so viel freier ströhmen / und ihre Wälle / der Buhler Hertzen zu überwältigen / üm so viel ungehinderter auf und nieder wallen könten.

(49) Sobald sie sich solcher gestalt geschniegelt /und auf allen Seiten wohlbespiegelt hatte; da traht sie vor das Fenster. Alda gedachte sie sich dem Simson / wan er irgend vorbei ginge / zu zeigen. Alda wolte sie denselben erwarten / nachdem sie im Hertzen ja so heftig / als er nach ihr / verlangte; wiewohl sie sich dessen nicht euserte. Ja sie verlangte nach ihm / nicht zwar seiner Liebe / sondern seines Geldes zu geniessen. Weil er ein solcher fürtreflicher Held /ein solcher ansehnlicher Man war; so gedachte sie /sein Geschenk zur Belohnung ihrer Gunst würde nicht weniger fürtreflich / nicht weniger ansehnlich sein. Und in diesen Gedanken wendete sie ihren besten Fleis an ein solches zu erlangen.

(50) Ihr abgeschikter Lokvogel hatte nunmehrden Simson angetroffen. Weil sie schon vor diesem zu Timnat miteinander bekant worden / konteSimson aus seiner unvermuhtlichen Ansprache keinen Verdacht schöpfen. So sprach er ihn dan kühnlich an. Und indem er ihn in schweermühtigen Gedanken sahe / fing er an nach der Uhrsache zu fragen.Simson gab eine dunkele Antwort. Er fragte weiter: ob seine Gedanken irgend zu Timnat weren? Ob er etwan an seine gewesene ungetreue Liebste gedächte? Durch diesen Umschweif geriet er endlich auf sein rechtes Ziel. Ei! sprach er / warüm solte man sich üm eine Liebste / die untreu geworden / viel bekümmern / da man leichtlich eine andere / die schöner und fürnehmer ist / zu finden vermag?

(51) Auf diese Worte spitzte Simson die Ohren. Er fragte [253] straks: ob er dan eine solche / die schöner und fürnehmer sei / kennete? Jener sagte / ja. Auch fing er an ihren Ruhm auf das höchste herauszustreichen. Ja er zog sie / ihrer Schönheit / Geschikligkeit /Eingezogenheit / und ihrem Verstande nach / schier allem Frauenzimmer der Filister vor. Simson ward lüstern zu wissen / wo sie wohnete. Jener beschrieb sie noch eigendlicher / und darzu die Gasse / da sie ihre Behausung hette; die nicht weit vom Markte stünde / und mit einer rohten Tühre versehen sei.

(52) Hieraus märkte Simson von Stunden an /daß diese / die jener so hoch gepriesen / eben dieselbe sei / die seiner itzigen Liebe die Wiege gebettet. Er war zum höchsten erfreuet / daß er einen angetroffen /der sie kennete. Und darüm fragte er immer weiter nach. Er war begierig immer mehr und mehr zu wissen. Er forschete fleissig nach ihrem Stande / nach ihrem Leben / nach ihrer Gelegenheit. Jener / der ein abgerichteter Schalk war / gebrauchte sich der Kunststükke seines Handwerkes gantz meisterlich. Er unterlies nichts / was zu ihrem Ruhme dienete / sie üm so viel hochgeachteter / und dem Simson den Mund üm so viel wässerichter zu machen.

(53) Nachdem er ihre Schönheiten und ihren Stand erhoben / kahm er auch auf ihre Tugenden. Diese schrieb er ihr meist alle zu. Nur von der Ehrbarkeit und Keuschheit schwieg er stille. In diesem Stükke konte / noch wolte sie dieser Schalk nicht preisen; damit er nicht lügenhaftig befunden / und Simsons Liebe / die bloß allein auf den eitelen geulen Genos zielete / nicht abkehrig gemacht würde. Er wuste wohl / daß Geulheit und Keuschheit sich nie zusammenstalleten. Darüm maß er ihr / an stat des Lobes der Zucht und Keuschheit / nur allein das Lob der Eingezogenheit zu: indem er sagte / sie liesse niemahls mehr / als einem Buhler / ihrer Liebe geniessen; und dieser müste noch darzu einer von den reichsten und fürnehmsten des Landes sein.

(54) Dieses war so viel gesagt / als daß es in der Danae Schoß / wolte man ihrer Liebe geniessen /an Wassers stat / Gold regnen müste. Verlanget ein Verliebter aus einem köstlichen Trinkbächer den Durst seiner Liebe zu leschen / so mus [254] er mit verguldeten oder mit Golde gefülleten Händen darnachzu langen. Die süße Kost der Liebe wird keinem in güldenen Geschirren vorgetragen / wo er sie nicht auch mit güldenen Scheiben vergült. Selbst der karge Filtz / imfal er alhier seine Vergnügung finden wil / legt die Kargheit ab / und nimt die Freigäbigkeit des Milden an. Wil er den Busem der Wohllust eröfnet schauen / so mus er seinen Geldkasten nicht zuschlüßen.

(55) Simson lies sich hierdurch nicht abschrökken. Er wolte der Reichsten / der Fürnehmsten einer mit sein. Er wolte mit keiner kargen / noch geitzigen lausichten Hand an die rohte Tühre klopfen. Weil ihm verdekter weise zu verstehen gegeben ward / wan man diese Tühre geöfnet zu sehen verlangte / müste man auch mit offenem Geldbeutel darvor erscheinen; so lies er sich hierzu in Wahrheit nicht feig / noch weigerich finden. Er scheuete die Unkosten nicht: indem er ihm einbildete dadurch in einen Himmel vol Wohllust zu gelangen / da er sich doch nur in eine Schündkuhle / ja Mistpfütze vol Wustes und Jammers stürtzete.

(56) Unter währendem Gespräche / brachte der Lokvogel / im Fortwandeln / den Simson unvermärkt vor dieselbe Walstat; da er albereit eine Schlacht verlohren / und diejenige / die sein Hertz gefangen hielt / über ihn gesieget. Gleichwohl lies er sich dessen nicht märken. Er verbarg die Heftigkeit seiner Liebe so viel / als er konte. Auch schwieg er von dem / was ihm alda begegnet / gantz stille. Sobald sie aber dem Fenster / darinnen sie lag / näher kahmen; da war er dannoch so mächtig nicht seinen Augen / mit verliebten Blikken darnachzu zu spielen /wie gern er solches getahn hätte / zu verbieten.

(57) Doch diese Blikke schossen gegen ihren Rükken an / den sie ihm eben zukehrete; und kahmen also vondar gantz leer wieder zurükgeprallet. Es schien /daß diese Tausendlistige dem Simson darüm ihr Gesicht entzog / oder es von ihm abkehrete; weil sie es eben damahls / da sie ihren Verkeuffer oder Kaufschlüßer mit ihm im Handel begriffen zu sein vermuhtete / für zuteilig achtete / sich / durch eine gestellete Ehrbarkeit / in grössere Hochachtung zu bringen.

(58) Weil nun Simson hierüber in die euserste Verzweifelung [255] geriet / so nahm er seine Zuflucht zu seinem Gefährten. Dieser / weil er mit ihr / wie er gesagt / in vertraulicher Kunde lebte / solte ihm ihre Gunst / samt der Vergünstigung eines freien Zutrittes / verschaffen. Und eben hierüm baht er ihn / mit wehmühtigem Hertzen. Auch versprach er / imfal er solches verschafte / mit einer ansehnlichen Verehrung dankbar zu sein.

(59) Eben hierauf zielete dieser Kupler. Eben hierüm war es ihm zu tuhn. Er stund straks bereit. Zu allem war er färtig. Von Stunden an lief er hin / und legte sein Gewärbe so getreulich / als eifrig ab. Inzwischen begab sich Simson an den bestimten Ort / da ihn der Kupler / in der Abenddemmerung / abzuhohlen versprochen. Dan diese Zeit ist eben dieselbe / da dergleichen unzüchtige Ziegen ihren neuen Bökken den Eingang verstatten; zum teile darüm / damit es vor ihren andern Buhlern verschwiegen / zum teile /daß ihre geschmünkte Schönheit / in der Fünsternis /verborgen bleiben möchte.

(60) Alhier war es / da ihm seine Gedanken dieselbe / die ihn selbst abwesend gefesselt hielt / schon in seinen Armen vorstelleten. Alhier war es / da er von weitem den Vorschmak der vermeinten Glüksäligkeit / die ihm über ein kleines mit ihrem gantzen Wesen solte zu teile werden / zu spühren begunte. Alhier war es / da er endlich die fröhliche Bohtschaft bekahm /daß die schöne Gazerin seiner wartete / daß ihm der Zugang zu ihr bereitet / ihre Gunst erworben / die Herberge bei ihr bestellet / ja alles / nach seinem eigenen Begehren / ausgelichtet sei.

(61) Wer war lustiger / als Simson / da ihm diese Worte das Ohr spitzig / das Hertze groß / und das Angesicht freudig machten. Wer war vergnügter /als er / der nunmehr zu seiner völligen Vergnügung eingeleitet werden solte. Ja ich darf schier sagen /oder doch zum wenigsten gedenken / daß ihn der Bringer dieser Zeitung so hoch nicht erfreuet hette /wan er ihm schon die Bohtschaft gebracht / er sei auf den Reichsstuhl eines mächtigen Königreichs erhoben zu werden / erkohren.

(62) Die Himlische Sonne war eben untergegangen / als Simson / mit seinem Geleitsmanne / sich dahin begab / da ihm seine vorgebildete irdische Sonne / selbst in der [256] Abenddemmerung / aufgehen solte. Ja sie ging ihm auch / sobald er in das Haus geträhten / mit freudigen und überausanmuhtigen Gebährden entgegen. Sie empfing ihn mit so süsser liebkosender Stimme; die dem Simson anders nicht /s als eines Engels Stimme / das Ohr kützelte / die Sinnen entrükte / das Hertz entzükte.

(63) Nunmehr waren alle seine Schmertzen ver schwunden. Alle Pein seines Hertzens hatte sich verlohren. Angst und Kummer: lagen begraben. Simson gedachte nun nicht mehr an das vorige Leiden. Er befand sich auf dem höchsten Güpfel der Freuden. Er lebte / wie ihm dünkte / mitten im Paradiese der Wohllust: da er sich doch / mitten in einem gefährlichen Irgarten / in den Strükken des Todes jämmerlich wältzete. Ja er wähnete gar / daß er alhier den Himmel auf Erden / das Himlische Wohlleben unter den Sterblichen / und die Säligkeit unter den Menschen besässe: da er sich doch in einen tieffen Abgrund vol Jammers / vol Elendes / vol allerlei Gefährligkeiten gestürtzet sahe.

(64) Kaum war er in dieses Haus eingekehret / da erfuhr es schon die gantze Stadt. Es war auch kein Wunder: weil iederman auf das Tuhn und Vorhaben eines so großen Heldens / den alle Filister fürchteten / achtung gab. Die Narben ihrer Wunden / welche sie von ihm empfangen / waren noch nicht verschwunden. Die Niederlagen / die ihnen seine Tapferkeit veruhrsachet / lagen ihnen noch stähts im Sinne. Und eben darüm befahreten sie sich fort und fort / er möchte mit neuen Anstalten sie zu überrumpeln schwanger gehen. Ja eben darüm blieben sie wach /dieselben zu vereiteln; oder vielmehr Gelegenheit zu suchen sich an ihm zu rächen.

(65) Weil sie sich dan dessen öffendlich nicht unterstehen durften / so trachteten sie es heimlich und hinterlistig auszurichten. Hierzu vermeinten sie nunmehr die rechte Zeit gefunden zu haben; indem sie ihn / mit den Banden der Geulheit gebunden / in den Armen der Wohllust eingeschlummert sahen: da er dan / ohne Befahrung einiges Unheils / leichtlich könte gegriffen / und mit geringer Mühe gar in den Todesschlaf versetzet werden.

[257] (66) Viel Weiber zu ehligen war dazumahl noch nicht verbohten. Beischläferinnen zu halten gediehe keinem zur Strafe. Selbst der geulen Lust / ausser der Ehe / den Zügel zu verhängen ward durch die Finger gesehen; sonderlich unter den Heiden: ohne Zweifel aus einsicht der Vermehrung Menschlichen Geschlächts / und die Einöden mit Völkern zu besetzen. Darüm rechneten es die Filister dem Simson für keine Schande / viel weniger für ein Laster zu / dadurch er sich etwan wider ihren Staht und desselben Satzungen verbrochen; indem er itzund / in ihrem Gebiete / die Grentzen der Keuschheit überschritte. Sonst würden sie hieraus Uhrsache gesucht haben ihn / unter dem Scheine der Strafe / frei und öffendlich / als darzu berechtiget / anzutasten: zuvoraus weil er sich in einem solchen zustande befand / da es unschweer geschehen konte.

(67) Nach langen Berahtschlagungen und Erwägungen dieser Sache / beschlossen endlich die Fi lister: man solte das Haus / darinnen Simson seiner Lust pflägete / rund herüm mit dem meisten Bürgervolke besetzen / und die Stadttohre mit starken Wachen versehen. Die gantze Nacht durch solte man stil sein / und auf ihn lauren bis an den Morgen. Sobald der Tag angebrochen / und er aufgestanden zu verreisen / solte man ihn mit gesamter Macht anfallen / und das gantze Filisterland / von den Drangsalen / darinnen es sich / so lange Simson lebete /jämmerlich abmärgelte / durch seinen Tod erlösen.

(69) So gesagt / so getahn. Alle Zugänge des gemeldten Hauses warden / in der Stille / mit den stärkesten und tapfersten aus der Bürgerschaft besetzet. In alle Stadttohre legte man genugsame Wachen. Man befahl allen / sonderlich denen in der nähe des ümringten Hauses / gantz kein Getümmel zu machen: damit Simson dadurch nicht etwan in Argwahn gebracht / und veranlaßet würde sich bei Zeiten aus dem Staube zu machen. Dieses alles bestelleten also / auf Befehl des daselbigen Fünffürstens / die Stahtsbedienten selbst: wiewohl sie sich straks darauf wieder nach ihren Häusern / und in ihre Betten begaben / unbesorgt was sich ferner zutragen würde.

(70) Aber wie vorsichtig sie vermeinten ihren Anschlag bestellet zu haben / wie stille sie sich hielten /dem Simson [258] deswegen keine Schwahnsfedern in das Ohr / und in die Gedanken zu stekken; eben so vergeblich hoften sie auf einen gewünschten Ausschlag. Ja es war gantz vergebens / gantz ümsonst /daß sie sich bemüheten demselben nach dem Leben zu stehen / der unter Gottes Beschirmung stund. Gott selbsten gab ihm ein / was man wider ihn vorhette. GOtt selbsten war es / der ihn warnete / der ihm riet sein Leben zu retten. Ja Gott selbsten gab seinen Feinden einen verkehrten Raht ein. Er selbst schlos ihnen die Augen zu / daß sie nicht sehen solten / wie Er den Simson aus ihren Greifsklauen zu führen gesonnen.

(71) Simson gab seiner Liebsten / was ihn ahnete / zu erkennen. Diese trachtete / mit süßen Worten /ihm solches aus dem Sinne zu schwatzen: weil sie sich befahrete / samt ihm / den Genos vielzufrüh zu verlieren. Aber es war ümsonst denselben mit Honige zu lokasen / den die Furcht bereit geflügelt. Es war vergebens denselben / den der Schrik jagte / durch süßes pfeiffen zum stande zu bringen. Es war unmüglich denselben / der seinen Feind auf sich zukommen sahe / wiewohl ihn noch so sehr dürstete / mit einem Labetrünklein aufzuhalten.

(72) Wo die Furcht verfolget zu werden sich einnistelt / da erstikket die Wurtzel aller unreiner Begierden; da verschwindet die Liebe zu allen eitelen Dingen; da vertreibet der Kummer alle Neugungen zu weltlichen Lüsten. Simson war nun nicht mehr be gierig ihres Busems zu geniessen. Er hatte vergessen verliebt zu sein. Er war nicht mehr lüstern nach der vergälleten Süßigkeit eiteler Liebe. Seine Gedanken giengen allein dahin / wie er die Nachstellungen seiner Feinde vereitelen / und sich selbst in Sicherheit versetzen möchte.

(73) Zu dem Ende stund er dan mitten in der Nacht auf / üm eben die Zeit / da es am fünstersten war / und der Schlaf am meisten herschete. Er begab sich / in aller Stille / straks nach dem Tohre zu / nirgend fand er einigen Menschen / der ihn belauerte. Vielleicht hatte sie alle der Schlaf / oder auch wohl die Furcht /daß sich keiner durfte blikken laßen / überfallen. Vielleicht hatten sie gedacht / es würde genug sein /wan sie gegen den morgen wach und wakker werenden Simson zu [259] fangen / sobald er aufgestanden /und wieder von dannen ginge.

(74) Hier möchte man sich nicht unbillig verwundern / daß derselbe / der sonsten seinem Feinde selbst so muhtig unter die Augen traht / itzund das Hertz nicht hatte stand zu halten. Ja wundern möchte man sich / daß Simson / der sich doch nicht lange zuvor wider ein wohlausgerüstetes Heer von dreitausend auserlesenen Filistern in den Streit einlaßen dürfen / und den Sieg darvon getragen / itzund für einer Hand vol Bürger / welche leichter zu überwinden waren / furchtsam die Flucht nahm.

(75) Es scheinet / daß er itzund / da er die Waffen der Geulheit erst abgeleget / sich nicht getrauen durfte der streitenden Tapferkeit anzumaßen. Es scheinet /daß er im Bette der Unzucht / daraus er erst aufstund /den Muht einen Kampf zu wagen verlohren. Es scheinet / weil er sich erst im Kohle der Schanden herümgewältzet / daß er sich so straks darnach nicht erkühnen durfte nach der Krohne der Ehren / nach dem Krantze des Ruhmes zu ringen. Ja es schien /weil er erst aus dem Grabe kahm / mit dem den Schoß einer Unzüchtigen die Heilige Schrift nicht unfüglich vergleichet / daß er sich seiner Kraft und Stärke verlustig / ja zu schwach fühlete mit fechtender Faust sein Leben zu beschirmen.

(76) Vielleicht schikte GOtt es auch selbsten also. Vielleicht wolte Derselbe / der allezeit Sorge trugSimsons Leben zu erhalten / nicht gestatten / daß er / im Stande seiner Schwachheit / sich wagen solte der Macht seiner Feinde den Klopf zu bieten. Vielleicht wolte GOtt / durch seinen Geist / in ihm / als in einem erst itzund verunreinigtem Werkzeuge seiner Macht / zu dem mahle / ja so lange / bis er wieder rein worden / so kräftiglich nicht würken. Und dieses hat Simson / dem seine Schwachheit und Gebrächlichkeit wohl bewust war / ohne. Zweifel gemärket. Daher lies er sich auch durch den Trieb und Willen GOttes williglich leiten. Daher enthielt er sich gehorsamlich dessen / davon ihn GOtt selbsten abhielt. Daher wolte / noch durfte er / nach einer Siegeskrohne zu streben / so verwägen / ja so tolkühne nicht sein. Und dieses war gleichsam [260] seine Strafe / die ihm die Vaterhand Gottes so gnädig auferlegte.

(77) Verliebte durften vor Alters keinen wiewohl nur schlechten Krantz auf dem Heupte tragen: weil ihr Heupt / das ein Sitz des Verstandes sein solte / durch sie zum Sitze des Unverstandes gemacht / dieser sonst gewöhnlichen Haupt- und Ehren-zierde nicht würdig geschätzet ward. Vielmehrmuste sich dan Simson itzund / da er die Tohrheit dermaßen sich reiten laßen / daß er / gar im Kampfe der Geulheit / einem leichtfärtigen Weibe die unflätige Siegeskrohne darreichen müssen / durch einen Heldenkampf nach einer herlichen Siegeskrohne zu trachten enthalten. Mit was für Tapferkeit hette seine Faust auch darüm dingen und ringen können; nachdem sie eben itzund im schändlichem Busen der Geulheit sich dermaßen abgemattet /daß sie einige Taht herlicher Tugend zu verrichten gantz ohnmächtig schien?

(78) Aber wir beschuldigen vielleicht den tapferenSimson / daß er aus Furcht geflohen / zu viel; weil keine Furcht in ihm haftete. Warüm schreiben wir solche Flucht nicht lieber seiner Fürsichtigkeit zu? Diese Tugend blikket auch gewislich aus alle seinem Tuhn /wie unfürsichtig es zuweilen im ersten anblikke scheinet. Ob er schon itzund / als gebrächlich / den Fußstapfen der Wohllust / darinnen großmühtige Helden das Grab ihrer Tugend finden / ein wenig nachwandelte; so blieb er doch / als zugleich fürsichtig / darinnen so lange nicht / daß et die Spuhr der Tugend nicht alsobald wiedergefunden.

(79) Mit einem Worte / Simson gebrauchte sich des Wohllustwassers mehr und anders nicht / als bloß allein nach Nohtdurft seinen Liebedurst zu löschen. Sobald er dessen zur Vergnügung getrunken / flog er /wie eine Taube von der Tränke / frei und loß von aller haft / straks wieder darvon. Also begab er sich von den hulprigen so wohl / als gefährlichen Fahrgelösen der Fleischlichen Lust wieder auf die ebene sichere Bahne der Tugend.

(80) Auf solche Weise sonderte sich dan Simson von den unersätlichen lasterhaftigen Wohllustbeuchen ab. Diese trinken nicht nur / bis ihr Durst gelöschet. Sie sauffen gar mit großen [261] Schlükken. Ja sie stürtzen sich / aus unmäßiger Begierde / wohl selbst in den Wohllustbrunnen / alles Wasser zu verschlüngen / über Hals über Kopf gantz lüderlich hinein. Alda bleiben sie dan mit ihren Hertzen stähts als angefesselt / mit ihren Neugungen fort und fort gefangen / und müssen also / den Pfandschilling zu erlegen /zum öftern wiederkehren.

(81) Wie fürsichtig nun Simson handelte / da er in den Banden unkeuscher Liebe haftete; gleich so fürsichtig war er auch in Erwehlung der Flucht. Ihm stunden zwar die unvergleichlichen Meisterstükke seiner unüberwindlichen Stärke / damit er sich ehmahls der Welt berühmt gemacht / noch vor Augen. Er hatte zwar noch nicht vergessen / daß er allein / mit einem bloßen Eselskinbakken / vor weniger Zeit auf einmahl drei tausend Filister geschlagen. Er erinnerte sich noch seiner dazumahl unter dem freien Himmel aufgebaueten Siegesburg; üm derer Güpfel herüm eben so viel Ehrenfahnen / als er Filister erschlagen /nähmlich wohl tausend geflattert. Gleichwohl ward er hierdurch so vermässen nicht / daß er ihm eingebildet hette das Glük und den Sieg allezeit auf seiner Seite zu haben.

(82) Die Glükskugel kullert so bald hinter sich / als vorsich. Darum ist es keine Klugheit nach ehmahligen glüklich gerahtenen Tahten in gegenwärtigen wüchtigen Geschäften sich richten wollen. Zudem ist die Vermässenheit in gefährlichen Händeln vielmahls Uhrsache zur Unterlage. Ja die Kühnheit selbsten wird hierinnen zur Verwägenheit; es sei dan / daß der Noht-zwang uns darein wükkelt. Ohne denselben versuchen wir auch GOTT / und machen uns seines Beistandes verlustig. Wo uns dan dieser fehlet / da rennen wir spohrenstreichs in das Verderben.

(83) Und also wolte Simson / weil ihm die Dunkelheit der Nacht die Hand reichete / sich lieber aus dem Staube machen / als in einer verschlossenen und volkreichen Stadt / da zugleich Riesen wohneten / unfürsichtig in einen glüksfälligen Streit einlaßen. Er wehlete lieber das gewisse für das ungewisse. Die Hofnung / die ihn strählen konte den Sieg darvon zu tragen / [262] stund auf Ungewissem Fuße. Hingegen fußete die Fürsichtigkeit / die ihm zur Flucht riet / üm so viel fester.

(84) Er gelangte dan glüklich an das Stadttohr. Auch fand er alda keinen Menschen / der ihm den Ausgang verwehren konte. Doch das Tohr war zu. Selbst mit Schlössern und Rügeln stund es verwahret. Ohne Schlüssel sie zu öfnen fiel beschweerlich / zuvoraus bei so gar fünsterer Nacht. Auch wolte / noch konte Simson so lange nicht warten. Ein kleiner Verzug war hier gefährlich. Darüm entschlos er sich straks das Tohr / zusamt den Seulen / Ringeln / Rügeln / und Schlössern / auszuhöben.

(85) Zu dem Ende forderte / ja trieb er aus allen Gliedmaßen seines Leibes alle Kräfte / mit gewaltiger Bewägung / in die starken Arme zusammen. Diese fasseten / durch Hülfe der Hände / zuerst die eine /darnach die andere Tohrseule mit solcher Gewalt an /daß die Mauren / darinnen sie fest stunden / wakkelten / und mit greulichen Krachen voneinander barsten / auch teils einfielen / teils an den Seulen hängen blieben. Es war erschröklich anzusehen / als er iede Seule mit einem einigen Risse / mit einem einigen Schütteln dermaßen aus dem Grunde herausris / daß alles / was sie fest hielt / seiner mehr als menschlichen Stärke weichen muste.

(86) Ja viel erschröklicher und verwunderlicher schien es / als er noch darzu diese gantze Last des Tohres auf seine Schultern lud / und damit eben so färtig / als wan er irgendwohin lustwandelte / fortging vor Hebron sein Siegeszeichen aufzurichten. Er selbsten war der Siegeswagen / der es führete. Ja er selbsten war der Kutscher / und der Siegesheld zugleich: über dessen siegreichen Armen / die ihm den Durchgang / wo er am festesten versperret war / zu eröfnen wusten / der Himmel bestürtzt zu werden / die Erde zu böben / ja die Grundfeste des Abgrundes selbst zu erschüttern und zu erzittern schien.

(87) Also überlistigte Simson die Gazer. Also betrog das Wild die Jäger. Also brach es aus seiner Umstellung. Also entschnapte den Hungrigen ihr Wildbrahten; wiewohl sie ihn schon am Spisse zu haben vermeinten. Der Ausgebrochne war nunmehr /mit seiner Beute / schon weit von Gaza weg / alsdie Gazer mit Spiessen und Hauern sich versamleten ihn zu [263] [265]fangen. Der Himmel begunte kaum zu grauen / als die sämtliche Burgerschaft schon vordes Simsons Herberge war seiner Auskunft zu erwarten.

(88) Einieder / der keinen Raum auf der Gasse fand den armen Simson mit gewafneter Faust anzufallen / hatte sich / in der Nachbarschaft entweder auf ein Dach / oder in ein Fenster begeben / von dar mit Steinen auf ihn zu zu spielen. Ja es krübbelten die ümliegenden Heuser gleichsam von den so gar vielen Menschen. Vor denen waren auch in der Eile Schaubühnen aufgerichtet / für das Weibesvolk; damit es der Schlacht / die man halten solte / deszubesser zuschauen könte.

(89) Die Ungeduld über das lange Warten war der Wetzstein / daran ihre Wühterei sich schärfete. Sie begunten vor Zorne mit den Zähnen zu knirschen. Sie begunten Schwefeldämpfe / mit feurigen Flammen /aus Meulern und Nasen zu blasen. Allen sahe die Grausamkeit aus den Augen. Alle schwuhren den Simson / sobald er heraus kähme / zu zerstükken. Kein Glied wolten sie ihm gantz laßen. Sein Bluht wolten sie den Hunden zu läkken / sein Fleisch den Raben zu fressen / und seine Haut dem Gärber zu gärben geben.

(90) Endlich lieffen sie mit Ungestühm auf das Haus zu. Sie klopften / sie schlugen / sie schmiessen an die Tühre. Auch stiessen sie mit Füßen daran. Ja sie raseten / sie tobeten / sie wühteten darvor / als tolle Menschen. Der Verzug aufzutuhn war ihnen verdrüßlich. Das lange Zaudern machte sie grimmig. Zuletzt musten ihnen die Höbebeume zu Schlüsseln dienen. Man rante sie auf. Man drung mit Gewalt hinein. Man forderte den Simson: und / als sie Bericht empfangen / er sei lange weg / suchte man alle Winkel durch. Man stankerte alles aus / auch das heimliche Gemach selbst.

(91) Die arme Tröpfin fanden sie noch im Bette. Nicht eher war sie erwachet / als im Aufrennen der Tühre. So fest hatte sie geschlafen. Es war auch kein Wunder. Sie hatte die gantze Vornacht gewachet. Vom Kampfe der Geulheit lag sie noch ermüdet. Und darüm war ihr Vorsatz gewesen / ihrer Ruhe bis an den Mittag abzuwarten. Sie fing zwar an zu murren. Sie begunte sich unnütze zu machen. Sie erkühnte sich zu [265] schälten. Aber diese Pfeiffe muste sie bald einziehen. Der aufgereitzte Hans Alleman war in voller Wuht. Er geboht ihr zu schweigen. Er bedreuete sie. Er fing an ihr aufzurükken / was sie ungern hörete. Etliche hatten auch schon begonnen ihr Haus zu plündern.

(92) Weil sie den Simson alda nicht fanden /so schien es / als wolten sie ihr Mühtlein an dieser Fraue kühlen. Und zu dem Ende suchten sie auch die Schuld seines Entkommens ihr aufzubürden. Ja sie hetten ihr gewislich einen häslichen Schimpf bewiesen / wan nicht einer von den Stahtsbedienten / durch seine Darzwischenkunft / solches verhindert. Dieser /weil er vielleicht einer von Simsons Schwägern war / nahm sich ihrer straks an. Er schafte das gemeine Völklein straks aus dem Hause. Er befahl ihr kein Leid zu tuhn. Ja er bemühete sich so viel / daß sie ihre Ruhe behielt.

(93) Unterdessen kahm der Ruf an / das Stadttohr sei weg. Es were nirgend zu finden. Die Mauer / darinnen es gestanden / sei über einen Hauffen geworfen. Hieraus schlos man zur Stunde / Simson sei geflohen: er habe sich durchgebrochen / und das Tohr selbst mit darvon getragen. Alle stunden als vernarret. Iederman war bestürtzt. Schier niemand sprach ein Wort. Gleichwohl konten es etliche nicht gleuben. Es schien ihnen unmüglich zu sein. Sie hielten es für ein Mährlein. Darüm lieffen sie hin. Sie sahen darnach. Sie erblikten die klahre Taht. Sie fanden das gewisse Wahrzeichen der Flucht und Stärke des Simsons.

(94) Hatte sie der bloße Ruf bestürtzt gemacht / so warden sie es itzund noch vielmehr. Sie stunden entsetzt. Sie gingen / als vor den Kopf geschlagen. Sie schlichen / wie die Hühnerdiebe; wie Hunde mit gelähmten Lenden. Ja sie waren beschähmt. Sie durften die Augen nicht aufschlagen. Die Ohren hingen / als Lappen. Die Arme schlotterten / als Flachsrüsten. Der Schimpf schien zu groß. Die Schande war zu übermäßig. Niemand wuste / was er tuhn solte. Zuletzt verlohren sie sich einzeln. Mit stiller Trummel zogen sie heim. Und also ward ihre große Waffenrüstung / mit Schanden und Schaden / geendigt.

[266] (95) Nicht lange nach diesem schändlichen Abzuge gelangte Simson / mit seiner Beute / vor Hebron an. Alda war er gesonnen ihm eine Siegesburg zu stiften. Alda war sein Vorsatz ihm ein Sieges- und Ehren-Tohr aufzurichten: dessen gantze Last er bis hierher auf seinen Schultern getragen. Hierzu wehlete er nicht etwan ein lustiges niedriges Tahl / sondern einen hohen Berggüpfel. So erhoben / und in offener Luft solte sein Ehren- und der Gazer Schanden-zeichen stehen; damit es die Augen des gantzen Filisterlandes auch von Ferne beschauen könten.

(96) Auf diesem Berggüpfel lud er die Last des Gazischen Stadttohres ab. Alhier richtete er / als ein zweiter Jason / zum Denk- und Dank-mahle die Breter auf; mit denen er dem Schifbruche / darein ihndie Gazer zu stürtzen gedacht / entgangen war. Hierher / auf diese Höhe / setzte er den Weihtisch; darauf er dem Allerhöchsten für so gnädige Rettung seines Lebens den Weihrauch seiner Dankbarkeit anzündete. Ja alhier feierte er den Tag seines ihm von oben herab verliehenen Sieges.

(97) An Gedanken / und gespannetem Tuche gehet viel ab. Die Gazer gedachten / Simson sei nunmehr in ihrem Garnsakke so guht als gefangen; weil er in ihrer verschlossenen Stadt war. Sie vermeinten den Fisch so gewis in ihrer Wahte zu haben /daß er ihnen nicht entschlüpfen könte. Sie hatten die Einbildung / weil er so tief in ihre Reise gerahten / sei es unmüglich ihn zu verlieren. Darüm sagten sie schon: »harre! morgen wollen wir ihn greiffen / und erwürgen.« Aber zwischen Abend und Morgen fallen viel Glüksfälle. In dieser kurtzen Zeit ward jene Jungfrau eine Braut / und eine Leiche. In so wenig Stunden wird wohl eine gantze Stadt eingeäschert; die man darnach in so viel Jahren nicht wieder aufbauen kan.

(98) Kaum war die Helfte solcher Zeit verlauffen /da hatten die Gazer den Simson / den sie so fest in ihren Klauen zu haben wähneten / schon so schändlich verlohren / daß sie ihn darnach solchergestalt nimmermehr wieder in ihr Netze bekahmen. Ihr unfürsichtig erwehltes Morgenziel war noch halb zurük; da hatte seine tapfere Faust in ihren Garnsak albereit so einen weiten Ris gerissen / in ihre Wahte schon so eine große [267] Schnarre geschnarret / und in ihre Reise so einen breiten Bruch gebrochen / daß er aus allen ihren Hinterlagen ungehindert entschnapte.

(99) Auf Morgen harren / macht manchen Narren. Der Morgenverschub findet die Gelegenheit / die Heute zöpficht sich anbietet / mit einer Glatze. Ohne Morgenverschub gewan Alexander in wenigen Jahren so viel mächtige Königreiche; wie er selbst bekante. Hetten die Gazer ihren Anschlag nicht auf Morgen verschoben / so hette sie Simson so gar schändlich nicht teuschen können. Hetten sie nicht so lange gezaudert / geseumet / und ihren Anschlag verzügert; so hetten sie solchen Hohn / solche Schmaach / solchen Schimpf und Spot keines weges darvon getragen.

(100) Gleichwohl wolten die Stahtsbedienten ihren Irtuhm nicht bekennen. Sie wolten nicht gestehen /daß sie gefehlet. Und solchen Fehler zu beschönen /bürdeten sie alle Schuld der Bürgerschaft auf. Sie beschuldigten dieselben / welche den Simson zu bewachen bestimt worden / daß sie fährläßig gewesen; daß sie sich vielleicht nicht stille genug gehalten /oder auch wohl / da sie wachen sollen / geschlaffen. Ja sie bezüchtigten die Tohrwächter selbsten / daß sie darvon gelauffen / und das Stadttohr zum besten gegeben.

(101) Weil es nun Sachen waren von großer Wüchtigkeit / welche das Ansehen und die Ehre des algemeinen Stahts betrafen; so ließ der Fünffürst zuGaza von stunden an alle Landrähte / ja alle Befehlhaber der Stadt nicht allein / sondern auch des sämtlichen Stahts versamlen / hierüber zu erkennen Diese gaben zuerst etlichen ihrer Unterbedienten Befehl nachzuforschen / wie die Sache sich verhielte. Dar nach warden dieselben / die man als Verbrächer befunden / vor dem Stahtsrahte zu erscheinen / und Rechenschaft ihres Verhaltens wegen zu geben / getaget.

(102) Alhier ging es sehr scharf zu. Das kleineste Versehen muste den Nahmen des allergrösten Lasters haben. Das geringste Verbrächen ward zum allerhöchsten aufgemutzet. Doch diese Schärfe ging über niemand so gar scharf / als über die Tohrwächter; weil / durch ihre Verwahrlosung / das Stadtthor [268] selbsten gestohlen worden. Diese waren auch die ersten /die Haare laßen musten. Nicht alle zugleich warden abgehöret. Nur einen allein lies man auf einmahl einträhten. Nachdem man sie alle zum allergenauesten unterfraget / und wohl ausgefenstert hatte / schikte man sie / bis auf weiteren Bescheid / ins Gefängnis.

(103) Hierauf lies man auch die Bürger vorfordern: nicht zwar einzeln / noch auch alle zusammen auf einmahl; sondern Rottenweise / wie man sie vor Simsons Herberge Wache zu halten befehligt. Weil nun diese befanden warden üm die Zeit / da Simson das Reisaus genommen / alle geschlafen zu haben; die meisten in ihren Heusern selbst / die wenigsten auf dem Wachplatze: so ward jenen / weil sie / wider der Obrigkeit Befehl / von der Wache sich weggeschlichen / eine schwere Geld-buße / den andern aber das entführete Stadtthor entweder gantz von neuem bauen zu laßen / oder aber das Alte wiederzuschaffen zuerkennet.

(104) Des folgenden Tages ward auch das Urteil über die Tohrwächter gefället. Diese / weil sie nur arme Tropfen waren / aus denen kein Geld zu schmieden fiel / auch wider den gantzen Staht / dem sie einen so gar großen unauslöschlichen Schimpf zugezogen / sich gröblich versündiget / solten mit dem Leben büßen. Was es aber für eine Lebensbuße sein solte / darüber fielen zuerst mancherlei Urteile. Etliche verurteilten sie zur Steinigung: andere zum Feuer. Weil aber beide diese Lebensstrafen alzugemein / des Verbrächens Wüchtigkeit dagegen gantz ungemein war; so urteileten noch andere / man müste solchen Verbrächern auch eine gantz ungemeine Strafe / die man von neuem ausfinden solte / zuerkennen.

(105) Hierüber fielen abermal vielerlei Meinungen. Etliche vermeinten / man solte sie unter dem Schutte der Mauer / bei dem geraubeten Stadtthore / lebendig begraben. Andere rieten / weil sie von der Wache weggelaufen / ihnen solches gegen dergleichen Vorfal abzugewöhnen / man solte beide Beine den Redelsführern abhauen / den andern aber / die sich durch jene verführen laßen / nur lähmen. Noch andere wolten ihnen die Augen ausgestochen haben; weil sie /als blinde [269] Wächter / an stat das Thor zu bewachen /in ihren Heusern vielleicht geschlafen. Wieder andere stimmeten dahin / daß man / durch einen der grösten Steine des Mauerschuttes / ihnen den Kopf solte zerschmettern. Und hierzu könte man zwo Seulen nebeneinander aufrichten / und den gemeldten Stein / an ein paar oder mehr Stränge fest gebunden / gleich als einen Schlagtrümmel / zwischen denselben von oben herab dem unten stehendem Verbrächer auf den Kopf fallen laßen.

(106) Endlich warden itztgemeldte Meinungen nach Hofe geschikt des Fünffürstens Bedenken darüber einzuhohlen. Dieser lies wissen: weil alle Verbrächer nicht gleiche Schuld hetten / so könten sie auch nicht alle mit gleicher Strafe belegt werden. Darüm solte man sie schichten. Welche Schicht sich am meisten verbrochen zu haben befunden würde /darunter dan die Redelsführer oder Urhöber des Verbrächens zu zehlen weren / denen solte man die letztere Kopfstrafe zuerkennen. Die andern könte man spielen laßen / welchem die Füße solten abgehauen / oder aber nur gelähmet werden / und welchem die Augen auszustechen. Was die erste Strafahrt belangete / dieselbe würde den Stahtsrähten in Bedenken gestellet /ob man sich deren bedienen / oder nicht bedienen solte.

(107) Hiernach ward dan das Endurteil gefället /daß die fünf befundene Redelsführer oder Anfänger der Uberträhtung mit dem Falle des Mauersteines solten hingerichtet / die andern aber durch das Loß geschichtet / und / nach dem Befehle des Fünffürstens /mit denen Strafen / die auf sie fielen / belegt werden. Und also musten sie / teils mit dem Kopfe / teils mit den Füßen / teils mit den Augen ihre Schuld bezahlen. Alle musten büssen / bis auf einen. Dieser allein ging frei. Dieser ward darüm begnadiget: Weil er der letzte Man im Tohre gewesen / und nicht eher nach Hause gegangen / als da die andern schon alle darvon gelauffen.

(108) Zur Volziehung dieses Urteils ward der vierde Tag hiernach angesetzet. Eher konte sie nicht geschehen; weil auf die drei folgenden eben das Fladenfest des Korn- oder Brohtgötzens Dagons zu feiern einfiel. Dieses ward bei den Filistern so heilig gehalten / daß / bei währender Feier / nicht [270] die geringste Handarbeit / viel weniger ein Bluhtgerichte geschehen durfte: wiewohl der Götzendienst sonsten nicht sonderlich war. Man sahe fast anders nichts / als Wohlleben. Man täht schier anders nichts / als Prassen. Man trug große Fladen auf. Kuchen und dergleichen Gebaknes zu essen / und Wein darbei zu sauffen / war ihr meister Götzendienst. Wan man den Bauch tapfer gefüllet / dan fing man an zu spielen / zu tantzen / und vielerhand Kurtzweile zu treiben. Das hies alhier den Feiertag heiligen.

(109) Unterdessen ward den Mistähtigen auch erleubet in dieses Fladengottes Götzenhaus zu gehen /sich mit ihm / als dem Schutzgötzen der Stadt / der sie aber übel beschützet / indem er ihr Tohr wegrauben laßen / zu versühnen. Dahin kahmen sie zwar: aber vom Dagonsfladen bekahmen sie nichts. Die arme Tropfen musten von diesem Bauchgötzen mit eben so leerem Bauche wieder in ihr Gefängnis gehen / als sie von dannen gegangen. Sie musten sich mit dem / daß die Augen sich gesättigt / vergnügen laßen.

(110) Der bestimte Tag zur Volziehung des Urteils war nunmehr angebrochen. Das Strafgerüste stund auf dem Markte schon färtig. Dessen Heusern lieffen gantze Heuser zu. Auch kein Dienstbohte / kein Kind blieb daheim. Einieder verlangte diese neue Strafahrt zu schauen. Die Dächer rund ümher stunden gedrüktvol Menschen. Die Fenster waren besetzt mit Frauenbildern. Auf dem Markte selbst war der Drang des Volkes so groß und so dichte / daß schier kein Apfel zur Erden konte. Gleichwohl musten sie denen weichen / üm derer willen sie zusammengelauffen.

(111) Die Verbrächer kahmen endlich an. Drei Stadtdiener gingen vorher. Diese machten Platz / da schier kein Platz war. Sie schwänkten die entblößten Schwerter. Sie trieben das Volk noch mehr in die änge. Sie machten den Drang noch gedrungener. Die Häscher folgeten / mit breiten Plötzen. Diese hielten die Mistähtigen an starken Strükken fest. Man gelangte zum Orte des Gerichts. Der Kreus ward geschlossen. Die Scharfrichter stunden bereit / sobald der Wink geschehen / ihr Werk zu verrichten.

[271] (112) Weil dreierlei Urteile solten volzogen werden / so waren auch drei Büttel / solches zu verrichten /vorhanden. Ja darüm hatte man auch die Mistähter in drei Teile geschieden. Dieselben fünfe / denen die Kopfstrafe zuerkant war / stunden mitten im Ringe /straks bei dem Gerüste. Die andern / denen die Füße teils solten abgekapt / teils gelähmet werden / befanden sich auf der rechten Seite. Der dritte Teil aber /dem man die Augen ausreissen solte / war auf die Linke gestellet. Alle drei Büttel solten ihr Werk zugleich verrichten.

(113) Sobald nun der Wink geschahe / fingen diese drei / ein ieder seinem eignen Teile / das Recht zu tuhn an. Ein Mistähter nach dem andern muste herhalten. Der fürnehmste der ersten Gattung ward nunmehr an beide Seulen des Gerüstes fest gemacht. Darauf zogen die Rakkerknechte den Stein mit langen Strükken in die höhe / und liessen ihn so plötzlich und mit solcher Gewalt wieder herunterfallen / daß der Kopf des untenstehenden Mistähters gantz zerschmettert ward / und Gehirn und Bluht herümsprützte. Eben also täht man mit den übrigen vieren / seinen Mitredelsführern.

(114) Inzwischen verrichteten auch die anderen zwee Büttel / mit ihren Folterknechten / das ihrige. Der eine machte den Seinigen die Füße bald lahm /bald gar üm eine Handbreite kürtzer. Der andere war geschäftig die Augen auszupohren. Und dieses täht er mit solcher Geschwindigkeit / daß der Augapfel heraus war / ehe man es gewahr ward. Also behielten zwar diese zwei Teile der Verbrächer das Leben: aber darbei gerieten sie in solchen Zustand / darinnen dem einen das Lauffen / dem andern das Sehen verbohten war.

(115) Bisher haben wir der bluhtigen Rache / oder vielmehr der Volziehung des Bluhturteils der Gazer / darzusie Simsons Heldentaht veruhrsachte / zugeschauet. Nun wollen wir auch beschauen / was ihm / durch solche Heldentaht / für ein unsterblicher ruhmherlicher Ehrennahme zugewachsen. Daß er hierdurch und durch mehr andere den Nahmen / den Ruhm / das Ansehen / die Pracht / die Herligkeit / ja alles zusammen / was einem großen Siegshelden zukomt / erworben ist freilich groß und hoch zu achten. Aber noch viel grösser / [272] [274]noch viel höher / ja zum allergrösten groß / zum allerhöchsten hoch mus man achten / daß er eben hierdurch den hohen Ehrennahmen eines Vorbildes des Sohnes GOttes selbsten erlanget. Dieses übertrift alle seine Siege / ja alle seine Siegesgepränge.

(116) Dem Großen Sohne des Großen Gottes /durch rühmliche Tahten gleichen / ist der allergröste Ruhm. Sein gleichähnliches Vorbild / in so vielen Stükken / zu sein gewürdiget werden / ist die allerhöchste Würde. Die Ehre Ihn gleichsam zum Nachfolger unsers Vorganges zu haben / ist die allerköstlichste / die allerherlichste Ehre. Wan es uns / den Fußstapfen des Sohnes Gottes nachgewandelt und Ihm gefolgel zu haben / preislich und rühmlich ist / ja selbst zur Seeligkeit gedeiet; wie viel mehr Preises und Ruhmes verdienet dan Simson / ja wie seelig wird wohl er sein / der solcher gestalt vorzuwandeln bestimt / ja vorgewandelt zu haben befunden worden /daß der Sohn GOttes selbst gleichsam ein Nachfolger und Nachwandler seines Handels und Wandels sein wolte?

(117) Der allerkünstlichste Mahler könte die Geschicht des Leidens / und der Höllenfahrt unsers Heilandes uns nicht eigendlicher vormahlen / als sieSimson alhier / durch seine Geschicht / bei zwölfhundert Jahre zuvor vorgebildet. Er / der große Held /und Israelische Heiland Simson komt gen Gaza. Das heisset eine Festung / eine Feste Burg / eine Behaltnis. Er bringet ein liebreiches Hertz mit. Dannoch trachten ihm die Gazer nach dem Leben. Sie sagen: morgen wollen wir ihn erwürgen. Zu dem Ende gehen sie zu rahte. Sie ümgeben ihn mit starken Wachen. Sie versperren die Stadttohre / und besetzen sie mit Wächtern; damit er ihnen ja nicht entschnappe. Unterdessen schläft er unbesorgt. Aber üm Mitternacht stehet er auf. Er gehet unerschrokken nach dem Tohre zu. Er stürmet / und höbet es aus. Er trägt es gar auf fünf Meilen darvon.Vor Hebron setzt er es auf einen hohen Berg /und richtet es zum Siegeszeichen auf.

(118) Eben also komt der Sohn GOttes und Heiland der Welt in die Welt. Er bringet ihr auch ein liebreiches Hertz mit. Aber die Welt / die Er so hertzlich liebet / hasset Ihn. Ja sie trachtet [274] Ihm gar nach dem Leben. Und was noch mehr ist / die Seinigen selbst / seine Bluhtsverwanten selbst / seine Brüder selbst findet Er so bluhtdürstig. Am Abende vor seinem Leiden sagen sie eben / wie dort die Gazer: morgen sol Er sterben. Darüber halten sie Raht. Darzu laßen sie Ihn bewachen. Auch bestellen sie darnach Wächter / nicht zwar / wie die zu Gaza / zu den Tohren ihrer Festung / sondern vor die Tühre der Burg und Festung seines steinernen Grabes; darinnen Er schläft / wie Simson in der Festung Gaza: damit Ihn seine Jünger nicht etwan wegraubeten. Diese Tühre versperren / ja versiegeln sie zugleich /Ihn ja nicht zu verlieren. Aber bald nach Mitternacht /da der Morgen wil anbrächen / erwachet und stehet Er auf. Ja Er bricht / als ein Uberwinder des Todes /durch die versperrete / versiegelte Tühre hin.

(119) Ich wil mehr sagen: Er wird auch ein almächtiger Durchbrächer / und Herzog des Lebens: indem Er selbst durch das Höllentohr hinbricht / desselben Riegel und Schlösser zerbricht / das Höllische Gaza stürmet / die Höllenburg zerstöhret / die Fürstentühmer und Gewaltigen alda überwältiget / sie öffendlich zur schaue träget / und Ihm zur Siegespracht dienen lesset / ja das Gefängnis gefangen führet / und solche seine Siegespracht nicht nur fünf Tage / wie Simson die Stadttohre von Gaza fünf Meilen wegtrug / sondern wohl achtmal fünf / das seind vierzig Tage / der Welt sehen lesset: da Er endlich / in seiner Himmelfahrt / den Raub / den Er seinen und unsern Feinden abgenommen / auf den hohen Himmelsberg führet; und sich alda / als ein ewiger Siegesfürst / der Tod und Teufel überwunden / und mit den zerbrochenen Siegeln seines Grabes die Sünde wieder versiegelt / ja uns dadurch eine ewige Erlösung erworben / zur Rechten der Majestäht GOttes setzet.

(120) Sobald Simson solches sein Siegs- und Ehren-tohr vor Hebron aufgerichtet / da lief fast die gantze Stadt dem Berggüpfel zu / dieses große Wunderwerk zu beschauen. Iederman war bestürtzt. Alle warden entzükt / als sie diese so ungeheure Last sahen. Es schien ungleublich zu sein / daß ein einiger Man so viel Stärke gehabt so einen weiten Weg sie zu [275] tragen. Gleichwohl musten sie dasselbe gleuben / was ihr Auge wahr zu sein befand. Die Tracht stund da; der Träger darbei: der den Gazern Trotz boht sie wieder von dannen zu tragen.

(121) Ja selbst von weit entlegenen Oertern lief das Volk / mit gantzen Schaaren / herzu. Auch die Lahmen und Kröpel / auch die Krükkengängler und Steltzner sahen die ferne des Weges / die Steilheit der Bergstraßen nicht an. Es war eben / als hette daselbsten ein sonderliches Heiligtuhm gestanden. Es war nicht anders / als hette man alhier / aus sonderlicher Andacht / eine Walfahrt verrichtet. So gar heuffig fand sich das neugierige / das lüsterne Volk ein.

(122) Auf hiesigem Berghügel lagen drei überausgroße Feldwakken / drei überausstarke Feldsteine /welche vor diesem die Hebronische Riesen hinauf gewältzet / in Gestalt eines Dreiekkes übereinander. Hierüber / als über die Wunderzeichen einer ungleublichen Stärke / hatten sich die Kinder Israels bisher höchlich verwundert. Aber als sie itzund dieses ungeheure Tohr / mit seinen zwo starken Seulen /daran auch ein Stükke der Gazischen Stadtmauer noch fest hing / erblikten; da waren sie noch viel höher verwundert / daß Simson so eine lastbare Bürde / die ungleich schweerer war / als einer von gemeldten drei Feldwakken / ja noch darzu einen so weiten Weg auf seinen Schultern tragen können.

(123) Nachdem nun dieser unvergleichliche Held /durch eine so sonderliche / so ungemeine Heldentaht /der Filister Ubermuht und Vermässenheit dermaßen gebändiget / daß sie sich hinfort / einigen Anschlag wider ihn vorzunehmen / weder heimlich /noch öffendlich unterstehen durften; da begab er sich wieder zu den Seinigen. Alda betrachtete er / in ruhiger Zufriedenheit / alle bisher ihm zugestoßene Gefährligkeiten: welche fort und fort anders nicht / als entweder mit Schaden / oder doch mit Schanden der Filister / wo nicht mit beiden zugleich / zu Ende gelauffen.

[276] Das siebende Buch.

Die (1) Einteilung.


Manoah krunkte noch. Er lag noch zu Bette. Ja die Gefahr gantz unterzuliegen wuchs an / als Simson wieder heim kahm. Die Krankheit hatte nunmehr albereit sechszig Tage sein Leben bestritten. Hierdurch waren die Kräfte geschwächet / der Lebenssaft vertruknet / die Leibesgestalt dermaßen verändert / ja verfallen / daß man ihn kaum kante. Zudem stund er mit dem einen Fuße schon im drei und sechszigsten Jahre seines Alters. Daher war vermuhtlich / daß sich mit ihm / ehe noch drei Tage verlieffen / eine plötzliche Veränderung entweder zum Leben / oder zum Tode begeben würde.

(2) Dieser gefährliche Stafeltag des drei und sechszigsten seiner Krankheit schien ihm den eusersten Hauptsturm zu dreuen. Dieses sorgliche Stufenjahr des drei und sechszigsten seines Alters schien ihm seiner Krankheit letzten und härtesten Stoß anzukündigen. Konten seine noch übrigen Kräfte diesem widerstehen / so hatte sein Leben keine Gefahr. Könten sie diesen abwehren / so hatte man Hofnung zur völligen Besserung. Müsten sie aber seiner Gewalt weichen / so war alle Hofnung verlohren. Müsten sie gantz unterliegen / so war es üm sein Leben getahn.

(3) Dieses drei und sechszigste Lebensjahr ist auch gewislich das Allergefährlichste / ja oft das allerunglüklichste. Selten streicht es ohne harten Anstoß vorüber. Selten leuft es ohne sonderliche Widerwärtigkeit zu Ende. Gemeiniglich gehet es mit schweeren Unglüksfällen schwanger. Gemeiniglich ist es / bei gekränkten und geschwächten Kräften / das letzte. Diesem Wühtriche des Lebens / wie es bei den Vernunftweisen heisset / haben viel große / viel berühmte Männer / durch ihren Tod / seinen Zol abstatten müssen. In diesem Stufenjahre musten Aristoteles /Virgiel / und mehr andere fürtrefliche Leute das Leben einbüßen. Daher war auch Keiser August [277] über die maße froh / als er dieses gefährliche / ja töhtliche Jahr überlebet.

(4) Eben so gefährlich / eben so sorglich ist der drei und sechszigste Tag eines Kranken; zuvoraus wan er / wie alhier bei dem Manoah / in das drei und sechszigste Lebensjahr einfället: welches man billich ein Todesjahr nennen möchte. Darüm hing dan dieses Alten und Kranken Leben freilich an einem seidenen Faden. Darüm stund er freilich in euserster Gefahr dasselbe zu verlieren. Und eben dieses urteilete der Artzt selbsten; der gleich dazumahl / als Simson angelanget / dessen kranken Vater besuchete.

(5) Simson hörete diesem Urteile mit sonderlicher Aufmärkung zu. Es war ihm was neues / was fremdes; darvon er noch nie gehöret. Es ging über seinen Verstand. Darüm war er lüstern mehr zu wissen. Darüm baht er den Artzt ihn eigendlich zu berichten /was es mit diesen Stufenjahren / und Staffeltagen für eine Beschaffenheit hette. Die Aertzte pflegen ihrer Kunst Geheimnisse sonsten nicht leichtlich zu offenbahren Gleichwohl durfte dieser dem Simson / als dem algemeinen Richter des Volks Gottes / solches nicht abschlagen. Er fing dan seinen Bericht folgender Gestalt an.

(6) »Man pfleget« / sagte der Artzt / »das gantze Menschliche Leben / oder die Jahre desselben / gemeiniglich durch zweierlei Jahrzahlen zu schichten und einzuteilen. Diese seind Sieben /und Neun. Die Jahre selbst / die durch solche Zahlen gezehlet oder ausgerechnet werden / nennet man Wechseljahre: Weil sich darinnen die Beschaffenheit Menschlichen Leibes / und Glükkes /auch wohl des Gerüchtes schier allezeit verwechselt oder verändert; also daß die Menschen / in allen und ieden Sieben / oder Neun Jahren / entweder große Krankheiten / oder Gefährligkeiten / und Schaden sowohl an Gühtern / als an Leibern / oder auch Verleumdungen und Abbruch an ihren Ehren und Ehrlichem Nahmen ausstehen / auch wohl gar unterliegen müssen / oder aber allen diesen Unheilen plötzlich entgehen.

(7) Doch alle diese Widerwärtigkeiten widerfahren einem mehr und mit mehrer Erhöbligkeit / als dem andern; nachdem [278] er von Gebuhrt / oder durch eigne Verwahrlosung / weichlicher / und schwächer an Leibeskräften / unbehuhtsamer in seiner Lebensweise / unfürsichtiger in seinem Handel und Wandel / in seinem Tuhn und Lassen / ja selbst im Gebähte zu GOTT /und im Glauben schläfriger und nachlässiger erfunden wird.

(8) Einem von Gebuhrt schwächlichem / zährtlichem / weichlichem / und süchlichem Menschen werden seine Wechseljahre weit schweerer und gefährlicher fallen / als einem hart- stark- und gesund-gebohrnem. Ja diese Gefährligkeit wird noch viel grösser sein / wan jener solche seine angebohrne Schwächligkeit / durch unordentliches / unmäßiges /und unbehuhtsames Leben im Essen und Trinken /durch Nachhängung seiner Gemühtstriften / seiner Begierden und fleischliehen Lüste / noch darzu vermehret.

(9) Die Erfahrung lehret es uns genugsam / daß mancher / ob er schon noch so stark und hart von Gebuhrt ist / in einem Wechseljahre / wo nicht imErsten / nähmlich dem Siebenden Lebensjahre / wo nicht im zweiten / nähmlich demVierzehenden Lebensjahre / wo nicht imDritten / nähmlich dem Ein und zwanzig sten Lebensjahre / wo nicht im Vierden /nähmlich dem Acht und zwanzigsten Lebensjahre / doch endlich in einem / oder mehren der folgenden durch Sieben / fortgezehltenWechseljahre / gar gewis in eine so schweere Krankheit gefallen / daß er / wan er nicht straks / in der ersten / doch in der folgenden / das Leben eingebüßet: weil er nähmlich / durch eine ungemäßigte /oder wohllüstige / oder auch unfürsichtige nicht behuhtsam genug gehandhabte Lebensweise / seine angebohrne gesunde Stärke zu viel gekränket; indem er eben dadurch eine große Mänge bösen Geblühtes /und anderer unreiner Feuchtigkeiten gesamlet.

(10) Aber in den jungen Kindern / denen auch die Zeit üm den vierzigsten Tag nach der Gebuhrt für gefährlich gehalten wird / verhält es sich mit den Wechseljahren etwas anders. Ich habe selbsten befunden / daß bei etlichen das Wechseljahr im Vierden / bei andern / imSiebenden / [279] noch bei andern im Neunden /wieder bei andern im Vierzehenden Jahre ihres Alters sich zu erkennen gegeben / und ihnen alsdan die meiste Gefahr gedreuet.

(11) Unter allen diesen Wechseljahren wirddas Siebende Neunzählige oder Neunjährige / das ist das drei und sechszigste Jahr des Menschlichen Alters /für das gefährlichste gehalten: weil alle beide Zahlen der Wechseljahre / nähmlich Sieben und Neun / durch die Rechnung Sieben mahl Neun / welches Drei und sechszig machet /darinnen zusammen kommen. Und dieses nennet man ins gemein / von seinem Steigen durch gemeldte zwo Zahlen / gleich als durch Stufen oder Staffeln / entweder schlechthin dasStufen- oder Staffel-jahr / oder aber mit dem Zusatze / das Hohe oder Große Stufenjahr. Eben so gefährlich hält man auch das Neunde Neunzählige oder Neunjährige Wechseljahr / das ist das Ein und achtzigste Lebensjahr: welches gleichmäßigdas Hohe oder lieber Höchste und Gröste Stufenjahr genennet / und durch Neun mahl Neun / welches Ein und achtzig giebet / gerechnet wird / ja also die zweite Zahl der Wechseljahre / nähmlich Neun / neunmahl begreiffet.

(12) Wiewohl nun uns / als Kindern des Almächtigen GOttes / nicht geziemen wil die Zeit solcher Wechsel- oder Stufen-jahre so gar abergleubisch zu beobachten / daß man darfür erschrökken / und sich fürchten wolte: so ist es dannoch unserem Glauben / noch dem Gesetze GOttes nicht zuwider / daß man sich / in seiner Lebensweise / dar nachrichte / ja sich durch unmäßigen und unfürsichtigen Gebrauch des Tranks und der Speisen / auch anderer dergleichen Dinge / das Geblüht zu entstellen /und zu verderben / oder viel anderer böser Feuchtigkeiten zu samlen / hühte; damit / in unsern Leibern /hierdurch der Zunder zu Krankheiten gegen solche böse Jahre nicht entstehe / noch die Gefahr / welche sie uns dreuen / verärgert werde.

(13) Diese Gefahr in Verwechselung der Jahre / da die Krankheiten oder dergleichen Unheile / mit grösserer Gewalt / wiederzukommen pflegen /rühret auch gewislich nirgend [280] anders her / als von des Unflahts und Schleimes / auch unreinen Geblühtes überschwänglicher Mänge; die sich in gewissen Jahren zuvor bei dem Menschen gesamlet / und imWechsel- oder Stufen-jahre auf einmahl zu rühren / und gleich als Höfen dermassen zu erhöben und aufzuwallen beginnet / daß sie die heftigsten Anstösse veruhrsachet. Und dieses kan anders nicht sein. Auf eine so überheufte Mänge der bösen Feuchtigkeiten / dadurch die Gefäße des Menschlichen Leibes dermaßen überfüllet werden / daß sie dieselben länger nicht fassen / noch ertragen können / müssen nohtwendig Krankheiten folgen.

(14) Darüm ist auch / neben der vorgemeldten guhten Lebensweise / noch dieses zu beobachten / daß man / gegen die Wechselzeit / den übermäßigen bösen Zeug / entweder durch Artzneien / als da seind die Treib- und Bräch-mittel / darunter die Treibmittel gleichwohl die sichersten und besten / indem die Brächmittel den schwachen Leibern zu heftig / oder aber durch Aderlaßen / austreibe. Und dieses beides geschiehet am allerfügligsten zur Herbst- oder Frühlings-zeit; da ohne dis aller Schwadder im Leibe gänge wird.

(15) Hierdurch können wir vielen Beschweerligkeiten und gefährlichen Unfällen / die uns etwan imSiebenden Jahre / oder wan das Wechsel- oder Stufen-Jahr eintritt / zustoßen möchten / zuvorkommen / ja oftmahls die angedreuete / und unter den Gliedern zum Ausbruche schon bereit stehende Krankheit gar verhühten. Zum wenigsten werden wir alsdan ihre Kraft so einknöbeln / daß wir uns keines gefährlichen oder töhtlichen Sturmes von ihr zu befahren haben.

(16) Von dieser Wahrnehmung der gewissen Jahrzahl in Veränderung des Menschlichen Lebens scheinet bei etlichen Forstmeistern oder Holtzförstern / die Gewohnheit entsprossen zu sein / daß sie / nach der ersten sonderbahren Wechselzeit der noch weichlichen Kinder / dieselben Beume / dieweiches Holtz haben / als Weiden / Ellern /Papelbeume / und dergleichen / gemeiniglich im vierden Jahre behauen und fällen laßen: welches hingegen an denen / die hartes Holtz haben / als da seind die Eichen / Eschen / und solcher Ahrt Beume / nach [281] der gemeinen Wechselzeit des schon härteren und stärkeren Menschlichen Lebens / nähmlich imsiebenden Jahre / geschiehet.

(17) Andere / nicht weis ich aus was für einem Grunde / pflegen die Jahre des Menschlichen Lebens / vom Jugendlichen Alter ab / bis in das abgelebte Greuse / fürnähmlich auf zweierlei Weise zu schichten. Unter die erste Schicht /welche die glüklichen Jahre begreiffet / stellen sie das 21 / 22 / 23 / 26 / 29 / darnach das 33 / 34 / 35 / 38 /41 / 46 / 47 / 50 / und 54: unter die andere Schicht aber / darinnen die unglüklichen Jahre stehen / das 23 / 30 / 32 / 36 / 42 / 44 / 48 / darnach das 54 / 56 / 60 / und dan das 72. In denen der ersten Schicht sol der Mensch Glük in allem Handel / und auf Reisen haben / Heil und Gesundheit besitzen / auch zu Ehren und Würden erhoben werden. In denen aber der andern Schicht sol ihm nichts / als Unglük / Traurigkeit /Feindschaft / Has / Neid / Armuht / Verlust /Schmertzen / Angst / Noht / Krankheiten / ja der Tod selbsten zustoßen.«

(18) Mitten in diesem des Artztes Berichte bekahm der kranke Manoah eine sonderliche Lust in sei nem Garten frische Luft zu schöpfen. Darüm begehrte er / mit seinem Bette / dahin getragen zu werden. Der Artzt lies solches zu; weil der Himmel heiter / die Luft mäßigwarm und stille / ja das Wetter überaus angenehm / und der Kranke selbst wieder etwas besser war. Diese Besserung schien von der Freude / die er über seines Sohnes Wiederkunft bekommen / entsprossen zu sein. Ja er war so freudig / so lustig / und so guhtes Muhtes / daß er aller Schmertzen vergaß.

(19) Simson hatte seinem Vater / unter andern /erzehlet / was ihm zu Gaza begegnet: wie er die Gazer betrogen: wie er ihr verschlossenes Stadttohr / samt seinen Seulen ausgehoben / und nach Hebron darvon getragen: ja wie er es alda / sie zu höhnen / auf einen hohen Berggüpfel zur Schaue gesetzt /und den Augen aller herümwohnenden öffendlich sehen laßen Dieses hatte den alten Vater dermaßen ergetzet / daß er sich / wie mat und krank er war /gleichwohl nicht enthalten können überlaut zu lachen. Ja es lag ihm fort und fort im Sinne. [282] Wan er ein wenig stil gelegen / hub er unversehens an zu fragen: »Wan werden die Gazer ihr Stadttohr wieder hohlen? wan werden sie die Lükke / die mein Sohn in ihre Stadtmauer gemacht / wieder zuflikken?«

(20) Man hatte ihn / im Garten / eben unter einen dikbelaubten / blühenden großen Rosenstok gesetzt: darvon der eingezogene lieblichsüße Geruch sein Herz erfrischete / die schlanklangen über das Bette hin bogenweise hangenden Reiser vol Zukkerrosen sein Gesicht ergetzeten / und ihn zugleich / in ihrem anmuhtigen Schatten / für den Strahlen der Sonne beschirmeten. Gerade gegenüber / im Gesichte des Manoah / stund ein Gartenbette vol Liljen: welche / mit ihren lieblichprächtigen Königsstäben / der Rosen zierlichherlichen Keiserkrohnen / durch einen recht anmuhtigen Anblik / zu winken schienen.

(21) Alhier war es / da des alten Kranken Leben wieder gelabet / sein Hertz wieder behertzet / seine Kraft wieder gekräftiget ward. Alhier war es / da er frische Luft / frischen Athem / neuen Muht / ja gleichsam neues Bluht schöpfete. Alhier war es / da er seinem Sohne den Scheidesegen / da er dem Simson seinen Letzten Willen hinterlies.

(22) »Mein Segen« / sprach er / »segnet milder /gehet reicher / beweget sich stärker / als der Segen deiner Vorväter. Ich segene dich / mein Sohn / im Nahmen des Gesegneten. Ich verkündige dir / was mir der HERR in den Mund giebet. Du bist unter deinen Brüdern der Stärkeste. Du bist in Israel der Herlichste. Du wirst herlich hervorbrächen / wie die Sonne. Der HERR der Herligkeit wird deinen Nahmen verherlichen. Deine Stärke wird die Starken entstärken / die Gewaltigen überwältigen / die Wühtriche deines Volks dämpfen. Aus der Rüstkammer der Almacht bist du gerüstet. Gerüstet bist du mit Stärke / zum Heile des Volks Gottes. Gerüstet bist du mit Macht und Kraft / zur Erlösung des gantzen Israels

(23) Hierzu hat der Himmel dich erkohren. Hierzu hat Gott selbsten dich bestimmet. Du bist das auserwehlte Rüstzeug des Allerhöchsten. Dein Arm /durch seinen Arm gestärket / wird den Arm der Heiden zerbrächen. Du wirst Tahten tuhn / die [283] [285]kein Sterblicher vor dir getahn / noch nach dir tuhn wird. Doch diese deine unvergleichliche Kraft wirst du / in einer Frauen Schoße / verlieren. Diese deine unüberwindliche Stärke wird dir ein Weib rauben. Dieses träget die Schuld / daß zu der Zeit in Israel die Sonne nicht mehr scheinet. Endlich wird gleichwohl deine Kraft sich wieder finden. Du wirst dich kräftiglich rächen / und dein Tod wird der Filister Tod sein.

(24) »Ich werde sterben / und mich zu meinen Vätern versamlen. Meine Seele wird auffahren zu meinem und deinem Erlöser. Sie ist schon auf der Fahrt. Baldbald wird der Engel / ihr Begleiter / kommen. Darüm begrabe meinen entseelten Leib in der Höhle zwischen Zarea und Estaol. Alda sol unser Erbbegräbnis sein. Nun segene dich der Almächtige / mit mächtiger Stärke! Dich segene der GOtt Abrahams! Dich segne der GOtt Isaaks! Dich segene der GOtt Israels! Der Segen des HERRN segene dich ewiglich!«

(25) Nach Volendung dieses letzten Segens lies Manoah sich wieder in seine Kammer tragen. Simson begleitete zwar ihn / mit dem Artzte. Weil er aber begunte zu schlummern / schieden sie bald von ihm. Es war ihm in langer Zeit kein Schlaf in die Augen gekommen. Daher ward es rahtsam befunden ihn allein und in der Stille zu laßen; damit der ankommende Schlaf üm so viel eher einkehrete. Der Artzt wolte zwar seinen Abschied nehmen: aber Simson hielt ihn auf. Weil er seinen Bericht von den Wechsel- und Stufenjahren / mit großer Vergnügung / angehöret; so war er begierig nun auch etwas von den Wechseltagen zu vernehmen. Und zu dem Ende gingen sie beide wieder in den Garten.

(26) Alhier war es / da der Artzt seinen getahnen Bericht von den Wechseljahren / damit er auf denselben von den Wechseltagen üm so viel füglicher kommen möchte / mit kurtzen Worten wiederhohlete. Nach dieser Wiederhohlung beschrieb er erstlich dieselben Tage / welche die Aertzte / bei währenden Krankheiten in obacht zu nehmen pflegen. Darnach kahm er auch auf die Uhrsachen derselben; die nicht aus dem Einflusse der Sterne / sondern aus der Ahrt der Krankheit / und [285] des Geblühts / oder der Feuchtigkeiten Eigenschaft herrühreten. Und also fuhr er dan folgender Gestalt fort.

(27) »Die Wechseltage« / sprach er / »seind dieselben Tage der Krankheit / darinnen sie sich schnäl verändert / entweder zum Leben / oder zum Tode: indem die guhten / und bösen Stunden gleichsam abwechseln / und entweder die Krankheit / oder die Natur des Kranken / die allezeit für das Leben / und wider den Tod streitet / nach langwierigem unterlichem Gefechte / den Sieg plötzlich davon träget.

(28) Diese Veränderung oder Abwechselung geschiehet gemeiniglich entweder am Vierden Tage der Krankheit / von demselben Tage / da sie sich am ersten geeusert / anzurechnen /oder aber am Siebenden / oder auch wohl am Neunden / ja selbst am Vierzehenden; nachdem die Krankheit bald geschwinder und schnäller / bald langsamer und träger zu sein pfleget.

(29) Die Würkung solcher Wechselzeiten /oder vielmehr Abwechslungen der Krankheiten in denselben / schreiben die Sterndeuter dem Lauffe der Schweifsterne zu. Ja sie wollen / weil der Mohn seinen vollen Schein bald eher / bald spähter erreichet / daß die Zufälle der Krankheit auf keine gewisse Zeit abwechselten / oder sich veränderten. Wan aber der Mohn / amWechseltage / mit den gühtigen und glüklichen Schweif- oder Ir-sternen des Jupiters / und derVenus / in seinem eigenen Hause lieffe; so sei es ein Zeichen / daß die Veränderung oder Abwechselung zur Besserung gedeien / und der Kranke der Gefahr entkommen würde. Hingegen wan der Mohn alsdan / in seinem Hause / mit dem boßhaftigen Irsterne des Saturns / und der Sonne befunden würde / sei es eine Anzeigung / daß die Veränderung / wo nicht zum Tode / doch gewis zu einer langwierigen Krankheit ausschlagen werde.

(30) Aber ausser dem / daß die Sterne hier / in der untern Welt / nicht selbst würken / sondern die verborgenen bald kräftigen / bald unkräftigen Würkungen der Zeugemutter aller Dinge nur anzeigen / und zuvor verkündigen / scheinet es auch abergleubisch zu sein / wan man auf ihren Stand oder Lauf [286] garzugenau acht schlagen / und auf ihre guhte Anzeigungen sich alzusehr verlaßen / ja die Bösen alzusehr fürchten wolte: wiewohl ich / diese gantz in den Wind zu schlagen / auch nicht rahte. Und eben darüm wil ich lieber bei der Rechnung bewährter Aertzte / die ich /aus der Erfahrung / viel gewisser befunden / bleiben /als mich an so ungewissen oder vielmehr undeutlichen Zeichen / zumahl weil das Sternbuch unsern blöden und blintzlenden Augen vielzudunkel und unleserlich ist / vergaffen.

(31) Auch wil ich dannenher die Uhrsache solcher Abwechselungen oder Veränderungen der Krankheiten zu gewissen Zeiten nicht den Sternen beimässen; sondern der Eigenschaft und Ahrt der Krankheit / und des Menschlichen Leibes selbst / wie auch der bösen oder guhten Beschaffenheit des Geblühts / und anderer Feuchtigkeiten / die im Menschlichen Leibe sich /vermittelst einer bösen Weise zu leben / in übermäßiger Mänge / gesamlet.

(32) Dan die Angebohrenheit oder Natur des Menschen ringet und streitet mit der Krankheit fort und fort / und wolte sie gern überwinden / und austreiben. Daherbegiebt es sich auch / wan eine von beiden sich mat und müde gestritten / und den Streit länger nicht ausstehen mag / daß sie plötzlich darnieder fallen /und dem stärkeren Teile den vollen Sieg überlaßen mus. Fället dieser der Menschlichen Angebohrenheit zu / so folget eine schnälle Besserung. Bekömt ihn aber die Krankheit / alsdan greiffet sie den Menschen viel häftiger an / und imfal jene / dieser zu widerstehen / gantz keine Kraft mehr hat / erwürget sie ihn gar. Und solches geschiehet in geschwinden Krankheiten / gemeiniglich entweder auf den Siebenden / oder Neunden / oder auch / wan der Streit am längsten währet / auf den Vierzehenden Tag.

(33) In hiesigem Streite begegnet dem Menschlichen Leibe schier eben dasselbe / was sich mit einer belägerten Festung / die auf das häftigste bestürmet wird / begiebet. Wan dieselbe mit starken Mauren /mit tapfren Kriegsleuten / mit Kriegs- und Lebens-mitteln / welche genug seind der anstürmenden Gewalt des Feindes zu widerstehen / versehen ist; alsdan hat [287] es mit ihr / erobert zu werden / so leichtlich keine Gefahr: zumahl wan noch darzu vor der Belägerung das unnütze Völklein / das sonst nirgendzu dienet /als die Lebensmittel aufzehren zu helfen / und den Streitenden verhinderlich zu sein / wie des Unflahts übermaße vor der Krankheit / ausgeschaffet worden /und in der Belägerung selbsten / wan es an ein Kneipen gehet / ihrer Besatzung ein mächtiger Entsatz /wie der Natur des Kranken ein kräftiges Stärk- und anderes Artzneimittel / von aussen zu Hülfe komt.

(34) Wan aber gemeldte Festung mit erwähnter Kriegsbereitschaft und Nohtdurft übel versehen ist /und noch darzu keinen Entsatz bekommen kan; alsdan vermag sie sich nicht lange zu halten / und mus sich /nach einem oder dem andern feindlichen Sturme / wie ein übelbeschaffener schwacher Leib / dem überdas auch seine Stärkung / durch heilsame Mittel / mangelt / mit dem ersten ergeben.

(35) Gleichwie auch der Feind / eine Festung zu bestürmen / zuweilen eine Zeit lang aufhöret / aber sobald er verschnoben / und neue Kräfte geschöpfet /mit voller Gewalt / und gemeiniglich viel häftiger /als zuvor iemahls / den Sturm aufs neue beginnet / ja solcher gestalt anhält / daß die Belägerten / Macht-und Kraft-loß gemacht / sich länger nicht halten /noch wehren können: also pfleget sich zu Zeiten das Toben und Wühten in geschwinden Krankheiten / wie ein häftiger Windsturm / auch wohl eine kleine Weile zu legen / doch bald wieder / mit so starkem Nachdrukke / zu erhöben / daß der Menschliche Leib sein Leben nährlich bis an den siebenden Tag erhalten kan: da dan der Streit brächen / und die Uberwindung entweder der Natur des Menschen / zu desselben Genäsung / oder aber der Krankheit / zu dessen Ertöhtung / heimfallen mus.

(36) Weil nun die verborgene Kraft der siebenden Zahl in vielen geschaffenen Dingen / durch eine Veränderung zum Guhten so wohl / als zum Bösen / sich eusert / auch bei den Gotsgelehrten selbst in sonderliche Betrachtung komt / ja gar für heilig gehalten wird; so stehet es dan weisen Aertzten / ja allen Menschen freilich zu auf den siebenden Tag / nicht [288] nur in Krankheiten / sondern auch anderwärts / ein wachendes Auge zu werfen.

(37) Daß aber etliche gewisse Zahlen der Tage / Mohnden / und Jahre / so wohl zur Zeit der Gesundheit / als Krankheit / was sonderliches / es sei Glük oder Unglük / Guhtes oder Böses / mit sich bringen / lehret uns die Erfahrung. An denen / die aus Hunger / oder aus Mangel der Speisen verschmachten / befindet es sich / daß sie am Siebenden Tage gemeiniglich sterben. Ja wan sie schon etwas zu trinken bekommen / und dadurch ihr Leben länger fristen; so kan es doch über den Neunden Tag nicht tauren: weil man an diesem Tage den Lebenssaft / samt allen andern Feuchtigkeiten / ausgetruknet / die Lebensgeister verschwunden /und die angebohrne Wärme sich verlohren zu haben siehet.

(38) Ich wil mehr sagen: GOtt selbsten scheinetdie Siebende Zahl / und den Siebenden Tag selbst dadurch geheiliget zu haben; weil Er am Siebenden Tage der allerersten Woche der Zeit von den Werken der Schöpfung geruhet / und überdas auch uns diesen Siebenden Tag in ieder Woche allezeit zu heiligen / und zu feiren befohlen. Gleichwohl ist die Siebende Zahl /noch auch der Siebende Tag nicht gantz heilig / noch gantz vollkommen. Daher sagte Lamech / des Metusaels Sohn / und des Jubals / des ersten Geigers und Pfeiffers / wie auch des Tubalkains / des ersten Kunstarbeiters im Ertz und Eisen /Vater / nachdem er den Kain / und seinen eignen Handleiter getöhtet / zu seinen Weibern / der Ada und Zilla: Kain sol Siebenmahl gerochen werden; aber Lamech Sieben und siebenzig mahl: das ist / diese Rache wird weit volkommener sein / als Kains.«

(39) Hier fing Simson dem Artzte das Wort auf /und fragte: warüm dan die siebende Zahl / noch auch der siebende Tag nicht für gantz heilig / noch für gantz volkommen zu rechnen sei? Weil Adam und Eva / gab der Artzt zur Antwort / das Ende dieses geheiligten siebenden Tages nach der Zeit wieder entheiliget. Dan als Gott / in den ersten sechs Tagen der Zeit / Himmel und Erde geschaffen / und den siebenden / weil Er daran geruhet / gesegnet und geheiliget;[289] da sei dieser geheiligte siebende Tag /durch gemeldte zween erste Menschen / nachmahls im Paradiese fast gegen den Abend / wieder entheiliget worden; indem sie / durch die Schlange / verführet /von der verbohtenen Frucht gegässen / und auf alle ihre Nachkommen den Fluch und das ewige Verderben gebracht. Und also ginge noch itzund dem siebenden Tage ieder Woche / in allen natürlichen Würkungen / von seiner Heiligkeit und Volkommenheit etwas ab.

(40) »Der Mohn« / fuhr der Artzt fort / »komt auch auf ieden Siebenden Tag in ein anderes Zeichen des Tierkreuses / und volbringet also allezeit in sieben Tagen ein Vierteil seines Lauffes. Nähmlich wan er etwan auf einen Freitag in ein wässerichtes Zeichen geträhten / dan komt er auf den nächstkünftigen Donnerstag / gegen den Freitag / wieder in ein Truknes. Daher ist dieser Lehrsatz der Witterung bei den Sterndeutern und Ahrtforschern entstanden: Wan es an einem Freitage regnet /bringet uns der andere nächstfolgende truknes Wetter. Dieses trift auch meisten teils ein.

(41) Doch dieser Siebende Tag ieder Woche in des Mohnes Lauffe wird ebenmäßig nicht vol gerechnet: weil in iedem Vierteil oder Kreuse des Mohnes / nähmlich an iedem Siebenden Tage seines Lauffes / zum wenigsten vier Stunden / oder zum höchsten sechse fehlen. Und ob schon die Sternkündiger in der Zahl der Stunden mishällig seind / so kommen sie doch darinnen / daß dieser siebende Tag ein guhtes Teil verliere / sämtlich überein. Eben also gehet / imWechsel der Krankheiten / iedem siebendem Tage / iedem siebenden Mohnden / ja iedem siebenden Jahre stähts etwas ab.

(42) Und daher komt es / daß die berühmtesten Aertzte zwar die erste und zweite Woche sieben Tage vol rechnen / und am siebenden und vierzehenden Tage den Wechsel der Krankheiten / wie auch imsiebenden und Vierzehenden Mohnden und Jahre den Wechsel der Natur und des Alters betrachten: weil dem ersten siebendem Tage nur wenig / und dem an dern der zweiten Woche noch mehr nicht /als die Helfte des Tages abgehet. [290] Aber die dritteWoche zehlen sie nicht sieben Tage vol /indem sie einen gantzen darvon abkürtzen; also daß sie nicht dem ein und zwanzigsten / sondern dem zwanzigsten Tage /Mohnden / und Jahre den Wechsel der Krankheit / der Natur / und des Alters zuschreiben: weil alhier / in der dritten Woche / mehr als ein halber / ja schier ein gantzer Tag fehlet.

(43) Ja wie sie den Vierzehenden Tag gleichsam zweimahl zu zehlen pflegen / einmahl am Ende der zweiten / und das andere mahl im Anfange der dritten Woche / dergestalt daß er der Letzte der Zweiten / und der Erste der Dritten zugleich sei: so rechnen sie zwar fort inder fünften Woche den sieben und zwanzigsten Tag des Wechsels / und in der Sechsten den Vier und dreissigsten; aber sie kürtzen dieser sechsten Woche / die sonst / mit dem zwei und vierzigsten / wie die Dritte mit dem Ein und zwanzigsten / wan der siebende Tag ieder Woche vol were / sich schlüßen solte / wieder einen gantzen Tag ab / gleichwie sie der Dritten getahn / und setzen die Wechselzeit der Krankheit auf den Vierzigsten Tag; so auch dieselbe der Natur / und des Alters in den vierzigsten Mohnd / und das vierzigste Jahr.

(44) Eben auf diese Weise verfahren sie mit der Neunden Woche: darinnen sie / weil iede dritte Woche / nach ihrer Rechnung / einen Tag verlieret /an stat der sieben Tage / gleichmäßig nurSechse zehlen / und also dieser gantzen Neunwöchendlichen Zeit / die mit dem Neunden Wechseltage / den man eigendlich den Großen Staffeltag nennet / sich schlüßet / nicht Neunmahl Sieben Tage vol / das ist Drei und sechszig / sondern drei gantzer Tage weniger / nähmlich nur sechszig zueignen.

(45) Gleich also und nicht anders machen sie es mit den Mohnden / und Jahren: indem sie zu demselben Menschlichen Alter / da die Große Wechsel- oder vielmehr Stufen-zeit einfället / nicht Neunmahl Sieben Mohnden / oder Jahre vol / das ist Drei und sechszig / sondern drei [291] Mohnden /oder Jahre weniger / nähmlich nur Sechszig zu rechnen pflegen.

(46) Hierbei mus ich auch nohtwendig melden /daß dieselben Aertzte / welche / wider die gemeine Gewohnheit / den Wechsel der Krankheiten / unter andern / vom Drei und sechszigsten Tage / drei gantzer Tage zurück / auf den Sechszigsten verschoben / einen Unterscheid zwischen den Guhten / und Bösen Wechseltagen zu machen pflegen. Guhte nennen sie eigendlich dieselben / die GOtt gesegnet und sie selbsten / durch Sieben / auf itztangeführte Weise / nach eigener Erfahrung / ausgerechnet.

(47) Ja sie dürfen wohl gar bejahen erfahren zu haben / daß am 7. 14. 20. 27. 34. 40. 47. 54. und 60Tage / ob es schon bisweilen / mit Krankheiten /und andern Widerwärtigkeiten / sehr hart und gefährlich zugegangen / gleichwohl selten iemand gestorben / oder in Weltlichen Händeln so unglüklich gewesen /daß er den kürtzern gezogen / und sein Anschlag ihm nicht endlich gelungen.

(48) Auch haben sie angemärket / wan irgend / ausserhalb diesen Wechseltagen / heftige Krankheiten / und andere schwere Zufälle zum höchsten gefährlich sich angelaßen / daß gleichwohl der Neunde Tag dem Siebenden / unter den guhten Wechseltagen / der nächste gewesen: weil er einige Besserung / und Veränderung des Zustandes der Kranken mit sich gebracht.

(49) Hingegen nennen sie Böse Wechselta ge dieselben / darinnen der Zustand des Kranken gefährlicher wird / ja zum höchsten gefährlich / wan er /an einem dieser Tage / bei großer Angst / häftig zu Bluhten / zu Schwitzen / und ohnmächtig zu werden beginnet; da er dan gemeiniglich stirbet / und selten darvon komt. Solche Tage seind in ieder Woche der Dritte / und dan der Sechste: welche sie / ihrer eusersten gleich als wühterischen Boßheit wegen / alle beide / zuvoraus den Sechsten / als den zweimahl dritten / und allerärgsten Wühteriche des Lebens zu nennen pflegen.

(50) Von der Zahl dieser Bösen Wechseltage stammen her die zwei Bösen Wechseljahre / das Drei und sechszigste / [292] und / welches noch schlimmer ist /das Sechs und sechszigste: indem das vorgemeldte Große Stuffenjahr / welchesdas Sechszigste Menschlichen Lebens ist / in allen beiden / in jenem vom ersten Bösen Wechseltage / nähmlich dem Dritten ieder Woche / in diesem aber vomzweiten auch Bösen / ja zweifach bösem Wechseltage / dem Sechsten ieder Woche / den Zusatz bekömt. Daß aber das letztere Sechs und sechszigste Menschliche Lebensjahr das allerärgeste und böseste Wechseljahr sei / können wir dar aus abnehmen; weil in demselben / wie die Erfahrung bezeuget / die meisten aus vielen fürnehmen Geschlächtern ihr Leben einbüßen müssen.

(51) Diese Böse Wechseljahre / wie auchWechseltage scheinen uns von Gott zugeschikt /und zwar zur Strafe der Uberträhtung seines ersten Verbots / und der Entheiligung seines geheiligten Ruhetages durch die ersten Menschen: welches sich an einem ebenderselben / nähmlich an einem Siebenden Tage der Woche / nach etlicher Gottesgelehrten Meinung / üm zwei Uhr nach Mittage sol begeben haben.

(52) Und hieran können wir üm so viel weniger zweifeln; weil es gewis ist / daß wir / wan Adam und Eva sich hierdurch nicht versündiget hetten /gantz keinen Krankheiten / noch andern Unglükken und Widerwärtigkeiten unterworfen sein würden. Ja alle Tage / alle Mohnden / alle Jahre würden uns gantz glüklich / und gantz ersprüßlich zu allem Guhten sein; zuvoraus der Siebende gesegnete / geheiligte Tag / der auch noch itzund gesegnet bleibet / bis auf die letzten Stunden /denen unserer ersten Eltern in denselben begangene Sünde den Segen verwahrloset / und entzogen zu haben scheinet. Und dieses ist ausser Zweifel die Uhrsache / warüm etliche Aertzte dieses gleichsam entsegnete letzte Teil des Sie benden Tages / wie auch Mohndes /und Jahres zu der guhten Wechselzeit der Tage / Mohnden / und Jahre nicht rechnen wollen.«

(53) Hiermit endigte der Artzt seine Reden / und nachdem er den Simson / wie es mit seinem Vater / in den drei folgenden Tagen / solte gehalten werden / unterrichtet hatte / schieden [293] sie beide voneinander. Jener begab sich nach Hause: dieser aber blieb noch eine Zeit lang im Garten; damit er den nunmehr schlafenden Kranken in seiner Ruhe nicht stöhren möchte.

(54) Alhier war es / da er / in seinen Gedanken /alles betrachtete / was er vom Artzte gehöret. Sonderlich überwog er dasselbe / daß der Siebende Tag in der Krankheit / bis auf etliche seiner letzten / durch die ersten zween Menschen entheiligte Stunden / gleichsam der Ruhetag des Kranken / nach der Arbeit und dem Streite mit der Krankheit in den vorigen Sechs Tagen / sein solte; gleich also / wie der Siebende Tag der Schöpfung GOttes Ruhetag / nach seinen Werken / die er ebenmäßig in den vorigen Sechs Tagen / verrichtet / gewesen.

(55) Alhier war es / da er behertzigte / warüm man / nach dem Gesetze GOttes / Sechs Tage durch arbeiten / und am Siebenden ruhen und feiern; wie auch / warüm ein Leibeigner Knecht seinem Herrn Sechs Jahre dienen / und im Siebenden frei / und seiner Dienstbarkeit entledigt; ja warüm das Land Sechs Jahr seine Früchte tragen / und im Siebenden ledig liegen / und ruhen solte. Dieses und mehr anderes / das die Siebende Zahl betraf / war itzund seine Betrachtung.

(56) Eben in dem Augenblikke hatte sich Simson nach der Gartentühre zu begeben wieder in das Haus zu gehen / als ihm seine Mutter entgegen kahm. Diese rief ihm mit hastiger Stime zu: er solte flugsflugs hinein kommen. Der Vater sei wieder wakker. Er habe begehret ihn zu hohlen. Auf diese Worte beschleunigte Simson seine Schritte. Er ging hastig fort / und traht zu seinem Vater in die Kammer.

(57) Alda befand er / daß der Krankheit Sturm sich nochmehr geleget: daß der süße / wiewohl wenige Schlaf seinem Vatter gantz wohl bekommen; weil er nunmehr zu essen begehrte. Auch aß er die vorgesetzten Speisen mit solcher Lust / und mit solchem Schmakke / daß Sohn und Frau darüber eine hertzliche Freude schöpfeten.

(58) Aber der folgende Tag / welcher der Ein und sechszigste seiner Krankheit war / lies sich so guht nicht an. Der [294] Sturm / der sich / wie es schien / bisher nur darüm ein wenig geleget / damit er den Kranken / mit erhohlten Kräften / üm so viel häftiger bestürmen möchte / begunte wieder zu wühten. Er fing wieder an zu toben. Ja er grif den armen Manoah dermaßen an / daß man nicht anders vermeinte / dan sein letztes Broht würde nunmehr gebakken sein.

(59) Gleichwohl verzog sich der Streit des Kranken mit der Krankheit bis auf den Drei und sechszigsten Tag. An diesem Tage setzte /mit einem so gewaltigem Sturme / die Krankheit auf ihn zu / daß sie dem Tode das Tohr bei ihm einzuziehen angelweit öfnete. So verschied dan / an diesemBösen Wechsel- und Staffel-tage der ausgemärgelte schwache Manoah / eben in der Stunde / da der Sonne Schatten den Mittagsstrich verlies /und sich abendwärtshin zu lenken begunte.

(60) Niemahls wird die Ehliche Liebe mehr erkant /als wan zween Ehleute der Tod scheidet. Kein Auge weinet mehr / als dasselbe / das den Tod dieselben Augen / denen es / durch hertzliche Liebe getrieben /alle seine Blikke gewiedmet / zudrükken siehet. Kein Hertz seufzet mehr / als dasselbe / das ein solches Hertz / dem es sich / in treuer Liebe / zu eigen gegeben / mit den Augen zugleich brächen siehet.

(61) Manoah und seine Frau hatten einander hertzlich geliebet: darüm war es kein Wunder / daß ihr sein Tod so gar schmertzlich vorkahm. Sie verbarg zwar die Häftigkeit ihrer Betrübnis so viel / als sie konte / weil er noch lebete; damit sie ihm dadurch nicht etwan einen harten Tod veruhrsachte. Aber sobald sie vermärkte / daß die Seele war ausgefahren /und keine Hofnung das Leben zu erhalten mehr vorhanden war; da begunte sich ihre Traurigkeit erst recht zu eusern. Da weinete / da kärmete / da seufzete sie so häftig / daß es schien / als würde sie nimmermehr aufhören.

(62) Simson / wiewohl er selbst schier über die maße betrübet war / bemühete sich dannoch auf das euserste seiner Mutter einen kräftigen Trost einzusprächen. Aber es war ümsonst dieselbe zu trösten /die sich / mit ihrem Manoah / allen Trost verlohren zu haben so festiglich einbildete. Sie [295] begehrete nunmehr nicht länger zu leben / nachdem derselbe / dem zu liebe sie nur allein bisher gelebet / zu leben aufgehöret. Weil das eine Teil ihres Hertzens toht war / so begehrte sie des anderen Leben keines weges gefristet zu haben.

(63) Doch diese Betrübnis ging erst volkömlich an / als des Verstorbenen Leiche nunmehr solte zu Grabe getragen werden. Da war es erbärmlich anzusehen /wie diese Trübsälige schier in lauter Trähnen zerflos. Das Jammern / das Wimmern / das ächzen / das wehklagen hatte kein Ende. Ja sie fiel endlich vor dem Sarge gar in Ohnmacht nieder. Es währete schier eine Stunde / daß man in ihr keinen Ahtem mehr spührete. Alle Lebensgeister schienen als erstikt zu sein. Man hatte genug zu tuhn sie zu kühlen / sie mit Kraft- und Stärkwassern zu laben / ehe man es so weit brachte /daß sie wieder zu sich selbst zu kommen begunte.

(64) Der Leiche folgeten / neben dem Simson /nicht allein alle Bluhtsverwanten aus dem Stamme des Dans / sondern auch die Aeltesten und Fürnehmsten der andern Stämme des gantzen Israels selbsten. Und dieses tähten sie dem Simson / als ihrem algemeinen Richter / zur sonderlichen Ehre. Man setzte sie bei / auf begehren des Manoah / im Erbbegräbnisse seines Geschlächtes zwischen Zarea und Estaol. Und Simson betrauerte seinen Vater / samt allen seinen Bluhtsfreunden / sieben Tage lang.

(65) Als nun die Trauertage vorbei waren / setzte sich Simson wieder auf den Richterstuhl / das Gerichte / welches eine Zeit lang stil gestanden / wieder zu hägen. Auch machte er Anstalt den gantzen Staht von innen und von aussen in guhtem Frieden zu erhalten. Dahin strebeten alle seine Gedanken / alle seine Rahtschläge. Dahin zieleten alle seine Handlungen / alle seine Verfassungen. Ja er täht nichts / er verrichtete nichts / als was zur Befriedigung / und zum Wohlstande des gantzen Volks Gottes dienen mochte.

(66) Zwischen dessen hatte die übermäßige Traurigkeit seine Mutter ebenmäßig auf das Bette geworfen. Sie lag auch krank darnieder. Es war kein Wunder. Vom stähtigen Wachen bei ihrem kranken Ehgatten waren ihre Kräfte schon meistenteils[296] [298] verschmoltzen. Vom vielen Fasten war sie selbsten albereit so verfallen / daß sie fast anders nicht / als ein Schämen / aussahe. Hierzu kahm endlich die Angst / darein ihre häftige Betrübnis sie stürtzte. Und darüm hatte sie gantz keine Macht mehr dem Anfalle der Krankheit zu widerstehen.

(67) Der Artzt wendete zwar seinen besten Fleis an sie au genäsen. Sonderlich war er bemühet die Traurigkeit ihr aus dem Hertzen zu bannen. Und darüm verschrieb er ihr meistenteils fröhlichmachende Mittel. Aber diese Wühterin / diese Hänkerin saß bei ihr schon so tief eingewurtzelt / daß kein Artzneimittel /wie guht und kräftig es immermehr war / zu verfangen vermochte.

(68) Die guhte Frau blieb betrübt / wie zuvor. Sie konte durchaus nicht fröhlich sein. Es war unmüglich ihr einige Freude zu machen. Sie war eben als eine Turteltaube: welche / wan sie ihren Gatten verlohren /sich niemahls wieder auf einen grühnen Zweig setzet /und nicht eher zu trauren / als zu leben aufhöret. Freilich hatte sie keine Lust / keine Freude mehr an einigem Dinge. Freilich hörete sie zu trauren nicht auf /als da der Tod / mit dem Leben / zugleich das Trauren verjagte.

(69) So folgete dan dieselbe / die so ein unvergleichliches Lehrbild / so ein unbetrüglicher Spiegel der recht getreuen Ehlichen Liebe war / ihrem lieben Ehgatten bald nach. So schied dan diese so edle Seele / die man mit Klugheit gezieret / mit Keuschheit geschmükket / und mit allen herlichen Tugenden begabet sahe / bei ihrem Manoah ewig in Freuden zu leben / aus diesem vergänglichen trübsäligem Leben. So starb dan diese Gottseelige Frau in eben der Stunde / darinnen nur vor vierzehen Tagen derselbe / den sie / selbst nach seinem Tode / so hertzlich geliebet /gestorben.

(70) Kaum hatte sie diese Welt gesegnet / kaum hatte sich ihr schöner Geist / in ewiger Freiheit zu leben / aus seinem Gefängnisse loßgebrochen; da erfuhr es schon die gantze Stadt. Da lief das Gerüchte von ihrem Tode schon durch das gantze Land. Da bezeugten alle Frauen / denen zuerst / aus häftiger Bestürtzung / weder Trähnen / noch Worte flüssen wolten / ihr Wehleiden straks mit tausend Seufzern. Auf diese [298] folgete das Weinen / das Aechzen / das Kärmen / das Wehklagen. Selbst die Jungfrauen / selbst die jungen Mägdlein / die ihre Mutter schier in Trähnen zerschmältzen / und in Seufzer zergehen sahen / verfügten sich mit an den Trauerreihen.

(71) Es war niemand / der diese so Edele Frau nicht beklagte. Es war keiner / der nicht betauerte /daß dieser so helleuchtende Tugendspiegel / in dem sich noch manche Frau / ihr Gemüht darnach auszuschmükken / bespiegeln können / seinen Glantz der Welt so frühzeitig entzogen. Ja man durfte selbst rundaus sagen: mit ihr sei die Tugend der Frauen verblichen: mit ihr sei die Ehre / der Ruhm / die Zierde der Frauen verschwunden: mit ihr habe sich die Krohne des gantzen Frauenzimmers verlohren.

(72) Dieser Nachklang klung besser / drung gewaltiger durch Ohren und Hertzen hin / als derselbe / denSimsons treuloses Weib hinterlies. Zwischen diesem boßhaftigen Weibe / und der frommen Mutterdes Simsons war auch gewislich eben so ein großer Unterscheid / als zwischen Himmel und Hölle / zwischen Engel und Teufel. War Simsons Mutter ein Tugendspiegel / so war sein Weib ein Lasterspiegel / den die Höllischen Geister mit ihrem giftigem Ahtem behauchet.

(73) Ich wil mehr sagen: Simsons fromme Mutter / der es auch / neben den ausbündigsten Tugenden / gewislich an keiner ausbündigsten Schönheit fehlete / hat durch hiesige Gemühts- und Leibes-gaben einen solchen Ruhm bei der Nachwelt noch itzund verdienet / daß diese meine Feder sich nicht entziehen können ihm auch ein Zierfärblein anzustreichen / und in die lobsingende Stimmen mit einzuknarren.

(74) Wan die Gewohnheit Tugendhafte Menschen zu vergötlichen / oder dem Gestirne des Himmels einzuverleiben nicht verjahret were; so würde meine Feder sich nicht enthalten können ihren ruhmherlichen Nahmen dem Tierkreuse / zwischen das Leuen- und Wage-gestirn / einzuverleiben / oder vielmehr ihr Bildnis im fünften Himmelskreuse der hellflinkernden Schweifsterne / den sonsten Venus bestrahlet / zum ewigen Andenken abzureissen. Alhier solte dan dieses Tugendbild [299] unserem Frauenzimmer am Abende sowohl / als am Morgen / zur Tugend gleichsam vorleuchten.

(75) Wan unseren Frauen und Jungfrauen eine solche Vorleuchterin / und Ermahnerin ihrer Pflicht / sowohl wan sie zu Bette gingen / als wan sie aufstünden / täglich am Himmel vor Augen schwebete; so würde dadurch vielleicht die Tugend / wo nicht allen / doch vielen dermaßen eingeleuchtet und eingestrahlet werden / daß die Männer sich dessen zu erfreuen / und sie selbsten / wonicht / mit Simsons Mutter / einen ewigen / doch gleichwohl großen Nachruhm darvon hetten.

(76) Aber wir wollen den Leichnam dieser Gottsäligen Frau bis zu seiner Beerdigung liegen laßen / und indessen ihren großen Sohn auf seinem Richterstuhle betrachten. Alhier erschienen aus allen zwölf Stämmen des Israelischen Volkes / gemeiniglich dieselben / die einige Rechtssache wider iemand vorzutragen hatten / des Simsons / als ihres algemeinen Richters / Urteil und Erkäntnis darüber einzuhohlen.

(77) Unter denen erschien auch vor dem Simson / üm eben die Zeit / da seine Mutter den Geist aufgab / eine Filistische Frau. Diese rief eine Ebräerin aus dem Stamme des Naftali vor Recht. Sie beschuldigte dieselbe / daß sie ihre Tochter gestohlen. Und solches wahr zu machen / hatte sie etliche Zeugen / welche sie kenneten / bei sich. Hierbei berichtete sie: ihre Tochter sei dazumahl / da man sie entführet /zehen Jahr alt gewesen; und itzund / weil sie dieselbe schon vor fünf Jahren verlohren / ginge sie in das sechszehende.

(78) Nachdem nun Simson diese Filisterin gehöret / lies er sie / samt ihren bei sich habenden Zeugen / abträhten / und die Ebräische Frau / mit der entführten Tochter / vor sich fordern. Straks hielt er ihr vor / worinnen die Filisterin sie bezüchtiget. Ja er fragte sie zugleich: ob sie nicht wüste / daß im Gesetze Gottes geschrieben stünde / daß derselbe / der einen Menschen gestohlen /mit dem Tode solte gestraft werden?

(79) Hierauf gab die Ebräerin zur Antwort: ›wider dieses Gesetz hette sie keines weges gesündiget; darüm ginge sie auch [300] die Strafe nicht an. Sie hette nicht mehr getahn / als ihre Tochter / die ihr zehen Jahre zuvor / da sie noch ein kleines Kind gewesen / entwendet worden / wieder zu sich genommen; nachdem sie selbst von ohngefähr auf der Gasse zu Gaza zu ihr gelauffen / und mit lieblenden und freudigen Gebährden / daß sie ihre Tochter sei / zu erkennen / ja ihr selbst den Nahmen Mutter gegeben.

(80) Aber die Filisterin sei es‹ / fuhr sie fort / ›welche darwider gehandelt: weil sie dazumahl ihr Kind entweder selbst gestohlen / oder es von iemand /der es gestohlen / gekauffet / und also ihrem Mütterlichen Schoße gleichsowohl entwendet. Die Zeugen /welche die Filisterin wider sie zu gebrauchen gedächte / hielte sie nicht für gültig: weil sie zwar zeugen könten / daß sie ihr Kind bei der Fraue gesehen /aber nicht beweisen / daß es ihre Tochter sei.‹

(81) Unter diesen Reden verlies Simson weder der Mutter / noch der Tochter kein Auge. Er sahe sie alle beide scharf an. Er betrachtete sie / mit sonderlicher Aufmärkung. Weil er nun aus der Bildung und den Zügen ihrer Angesichter wohl erkante / daß sie einander gantz glichen; so urteilete er von Stunden an / daß die Ebräerin recht / und diese Tochter keine andere / dan dieselbe / der sie so eigendlich gliche / zur Mutter hette: zuvoraus als er noch darzu betrachtete /wie ungleich / wie unähnlich dagegen beiden die Filisterin sei: die auch nicht ein Zeichen / nicht ein Züglein hatte / dadurch man erweisen können /daß ihr das Mütterliche Recht zukähme.

(82) Zudem war aus allen Gebährden dieser Ebräerin genugsam abzunehmen / daß sie mit keiner Betrügerei ümginge. Ihr sahe die Aufrichtigkeit aus den Augen. Ja ihr gantzes Wesen zeigte sie an. Dagegen hatte Simson an der Filisterin / straks im ersten Anblikke / nichts / als eine verschalkte betrügerische Gebuhrtsahrt / erblikket: daraus er unschweer schlüßen können / daß sie hinter der Wahrheit hinwandelte; daß sie / mit künstlich gezierten Lügen /das Recht auf ihre Seite zu beugen / und also ihre Sache bei dem Richter zu erhalten gedächte.

[301] (83) Auf dieses des Simsons Augenurteil muste die Filisterin wieder hinein kommen.Simson hielt ihr vor: ›wan sie / ihrem Vorgeben nach / dieser streitigen Tochter rechte Mutter sei / wie es dan kähme / daß sie ihr weder in Gebährden / noch in der Bildung des Angesichtes so gar nicht / der Ebräerin aber dagegen gantz eigendlich gliche /dergestalt daß man wohl sagen möchte / sie sei ihr gleichsam aus den Augen geschnitten?‹

(84) Aber die Filisterin war so arglistig und verschmützt / daß sie auf diese Frage straks einen Fund wuste. ›Sie müste zwar gestehen‹ / gab sie zur Antwort / ›daß ihr diese Tochter nicht ähnlich sei: doch darüm könte man ihr das Recht / das sie an ihr hette / keines weges absprächen; weil sie ihrem verstorbenen Ehmanne sich üm so viel mehr und eigendlicher ähnlichte. Diesen‹ / fuhr sie fort / ›hette sie so lieb gehabt / daß ihr seine Gestalt und sein Wesen /als sie mit hiesiger Tochter schwanger gegangen /stähts vor Augen / und im Sinne geschwebet. Daher habe dan die Einbildung so stark in ihr gewürket /daß sie ein Kind / welches dem Vater / und nicht ihr selbsten geglichen / zur Welt gebohren.

(85) Zudem hette sie sich‹ / fuhr sie weiter fort /›zur Zeit ihrer Leibesbürde / des Spiegels gantz geeusert. Und dieses hette sie darüm getahn; damit das Kind nicht nach ihr / weil ihr die Gabe der Schönheit / die ihr Man besässen / nur kärklich mitgeteilet worden / seine Gleichähnligkeit bekommen möchte. Ja ihr gantzes Verlangen / und ihr gantzer Vorsatz sei gewesen ein schönes Kind / es sei Tochter / oder Sohn / das ihrem Ehmanne gliche / zu gebähren. Daher hette sie sich auch gantz enthalten ihre eigne Gestalt /die etwas übel gerahten / im Spiegel / oder im Wasser / oder in dergleichen Dingen / darinnen sie sich selbst sehen können / zu schauen.‹

(86) Simson / wiewohl er scheinbarlich spührete / daß sie diese Reden / ihre Sache guht zu machen /nur erdichtet / lies sich doch dessen so straks nicht märken. Er fragte bloß allein / ›aus welcher Stadt sie bürtig?‹ Und als sie geantwortet / ›von Akkaron‹; da fing er wieder an / und sagte mit lächlendem Munde: »ich vermeinte / du werest von Sefir oder Kirjat Sanna [302] / und alda / bei den Vernunftmeistern /in die Schuhle gegangen; weil du von solchen Dingen / welche die Ahrtforschung betreffen / so eigendlich zu reden weist. Wan alle Mütter das wüsten / was du weist / und das tähten / was du getahn zu haben sagest; so würden sie nimmermehr übelgestaltete Kinder gebähren.

(87) Aber von wannen war deine Mutter?« fragteSimson weiter. »Diese war von Kirjat-Sanna« / antwortete die Frau. »Hat sie darüm« /fuhr er ferner fort / »weil sie auf einer Hohen Schuhle die Kunst schöhne Kinder zu erzielen gelernet / dich so wohlgebildet gebohren? Aber hast du dan« / fragte er wieder / »diese Tochter / die du für die deinige wilst gehalten haben / auch zu Akkaron verlohren?« Weil nun die Filisterin bekante / daß es nicht zu Akkaron / sondern zu Gaza / dahin sie dieselbe mit auf den Jahrmarkt genommen / geschehen sei; so urteilte Simson noch mehr / daß die Ebräerin /die eben alda ihre Tochter wieder gefunden zu haben gemeldet / ihn mit keiner Unwahrheit berichtet.

(88) Inzwischen war die Zeit dieses Gerichtstages verlauffen; indem der Abend herbeirükte. Darüm beschied auch Simson beide Teile des folgenden Tages wiederzukommen. So lies er dan die Filisterin alsobald von sich. Der Ebräerin aber befahl er noch ein wenig zu verziehen / und als jene hinaus war / die gantze Begäbnis ihrer verlohrnen /und wiedergefundenen Tochter / mit allen Umständen / zu erzehlen. Und dieses verrichtete sie folgender Gestalt.

(89) »Diese Tochter« / sagte sie / »war ohngefähr ein halbes Jahr alt / als ich / mit meinem säligen Ehmanne / nach Timnat reisen muste. Weil sie nun noch an der Brust lag / nahm ich sie mit: aber zu unsrem Unglükke. Dan wir hatten uns alda / in einer Herberge / kaum einen halben Tag aufgehalten / da war sie uns schon unter den Händen entstohlen. Niemand wolte wissen / wo sie geblieben. Wir forscheten zwar fleissig nach: aber wir bekahmen von ihr nicht das geringste zu hören. Also zogen wir betrübt wieder nach Hause.

(90) Uns schmertzte nichts mehr / als daß sie in der Unbeschnittenen Hand gerahten. Uns jammerte nichts mehr / als [303] daß sie in der Heidenschaft solte erzogen werden. Ja mein lieber Man zog ihm dieses so zu Hertzen / daß er / aus übermäßiger Betrübnis / kurtz darnach starb. Und also hatte mich gemeldte Reise (noch itzund wil mir / wan ich daran gedenke / das Hertz bärsten) zugleich üm mein Kind / und meinen Man gebracht. Also muste dan ich Man- und Kinderloß bis in das zehende Jahr mein Leben traurig zubringen.

(91) In diesem Jahre war mir das Glük / oder vielmehr das Göttliche Verhängnis so günstig / daß ich dasselbe Liebepfand / das mir mein frommer Man /wiewohl ichs als verlohren schätzte / hinterlies / zuGaza wiedergefunden. Dieses mein liebes Kind kahm alda / auf dem Markte / mit voneinandergeschlagenen Armen mir entgegen gelauffen. Es ümfassete mich. Es drükte mich. Es hertzete meine Hände. Ich wuste zuerst nicht / wie mir geschahe. Ich stund bestürtzt. Ich war verwundert. Ich gedachte das Wenigste nicht / daß es mein eigenes Kind sei / welches ich fast vor zehen Jahren zu Timnat verlohren.

(92) Aber sobald es den Mund öfnete / sobald es mich Mutter nennete; da ward ich erst gewahr /daß es meine verlohrne Tochter were. Nach der Zeit habe zwar ich sie vielmahls gefraget / woran oder woher sie mich gekennet? Doch hat sie hierauf anders nichts zu antworten gewust / als daß es das Hertz ihr gesaget / und weil sie von einer Magd erfahren / daß sie diese Filisterin / welche sich für ihre Mutter ausgiebet / zu Timnat von einer Gastwürtin gekauffet.

(93) So unversehens und wider alles Vermuhten /kahm ich dan dazumahl wieder an meine Tochter: welche mir so lieb ist / daß ich für großen Schmertzen / wan sie mir noch einmahl solte genommen werden /gewislich sterben würde. Darüm wil ich nicht hoffen /daß mir das Recht ab- und dieser Filisterin zufallen werde. Wan dieses geschehen solte / so würden wir alle beide / mein Kind so wohl / als ich / unsern letzten Lebenstag bald sehen.«

(94) Weil nun Simson aus diesen Reden der Ebräerin in seiner Meinung / daß ihr das Mütterliche Recht über die streitige Tochter zukähme / noch vielmehr bekräftiget worden; [304] so versicherte er sie seines Schutzes / seines Beistandes wider die heillose Filisterin. Ja er tröstete sie zugleich mit gantz bewäglichen Worten: indem er sich erboht nicht allein ihr Verteidiger / und Vorsprächer / sondern auch selbst ihr Vater zu sein. Sie solte nur itzund /sagte er / guhtes Muhtes nach Hause gehen / und sich versichert halten / daß ihr der morgende Tag ein bessers Urteil / als sie vielleicht nicht gedächte / mitbringen würde.

(95) Indessen war die tausendlistige Filisterin auf allerlei Ränke bedacht gewesen / diesen großen Richter auf ihre Seite zu bringen. Sie hatte beschlossen ihn noch selbigen Abend allein und in geheim zu sprächen. Wan sie dieses erlangte / verhofte sie zugleich ihr Verlangen ihn mit glatten Worten zu überreden erlanget zu haben. Und zu dem Ende schikte sie einen köstlichen Stahtsrok zur Verehrung voran. Hierdurch wolte sie ihr den Weg bahnen zu einem üm so viel gemächlicherm Zutritte. Hierdurch vermeinte sie sein Hertz zu überrumpeln / und zur Bewilligung ihres Begehrens anzulokken.

(96) Aber ihr Anschlag schlug fehl. Ihre Ränke ränkten ihr nichts. Ihre Gabe war vergebens. Der Richter blieb aufrichtig. Er lies sich nicht teuschen. Er war durch keine List zu überlistigen / durch kein Geschenk zu blenden / durch keine Verehrung zu betöhren. Die Satzungen seines Gottes stunden in seinem Busem eingebusemet. Sie waren mit lebendigen Buchstaben in sein Hertz eingeätzet. Hiernach richtete sich sein Gericht. Hiernach klung der Klang seines Urteils. Hiernach sprach er seinen Rechtsspruch aus.

(97) Als Simson aus dem Richtersaale traht /ward ihm angemeldet / daß eine Verehrung auf ihn wartete. Die Filisterin hette gleich itzund ihm einen köstlichen Stahtsrok zugeschikt. Uber eine Weile würde sie selbst folgen / ihn zu sprächen. Weil er nun von stunden an märkte / was es bedeutete; so befahl er den Rok bis auf Morgen zu bewahren. Auch solte man der Filisterin sagen: es sei ihm diesen Abend sie zu sprächen nicht gelegen. Hette sie etwas zu erinnern / das könte sie vor Gerichte tuhn.

[305] (98) Man mahlet der Gerechtigkeit Bild geblendet: nicht darüm / daß derselbe / der sie handhabet / sich durch Geschenke sol blenden laßen. Vielmehr sol er blind sein von sich selbst; doch also / daß er nicht ansehe / ob derselbe / den er vor sich hat / arm oder reich / klein oder groß / Freund oder Feind sei; sondern einem ieden das Recht mit gleicher Wage zuwäge.

(99) Auf diese letzte Weise war Simson auch blind. Er sahe kein Geschenk / keine Verehrung an. Geschenke zu nehmen / und das Recht zu beugen /war ihm ein Greuel. Der Ekel darvor war ihm angebohren. Es war seiner Großmühtigkeit zuwider. Auch wolte dieses keinen Richter des Volks GOttes geziemen.

(100) Des folgenden Tages ging das Gerichte wieder an. Simson hatte sich kaum gesetzt / als er schon befahl erst die Filisterin / darnach auch die Ebräerin / mit ihrer Tochter / zu rufen. Diese waren die allerersten / über welche der Rechtsausspruch geschehen solte. Die Filisterin / nachdem sie ihre Klage wieder erneuert / gab ihren Zeugen einen Wink / daß sie auch reden solten. Aber Simson kahm ihnen zuvor / und fragte sie: ›ob sie diese gegenwärtige Tochter bei der Filisterin zu Akkaron gesehen / und wie lange sie dieselbe bei ihr gekennet?‹ Hierauf gaben sie dan sämtlich zur Antwort: ›sie kenneten dieselbe sehr wohl / und hetten sie bei dieser Fraue schon dazumahl / da sie noch an ihrer Amme Brust gelegen / auch bei neun Jahr darnach / ja so lange / bis sie ihr gestohlen worden / allezeit gesehen.‹

(101) Weil Simson aus ihren Worten verstund /daß eine Amme diese Tochter geseuget; so fuhr er zu fragen fort: ›ob dan diese Frau ihre rechte Mutter nicht sei / weil sie dieselbe durch eine Fremde stillen laßen?‹ Die Zeugen gaben zur Antwort: ›daß sie besser nicht wüsten / als daß sie ihre Mutter sei; weil sie ins gemein darfür wäre gehalten worden.‹ »Aber ich frage« / fing Simson abermahl an: »ob ihr es gewis wisset / und auch zugleich beweisen und bezeugen könnet?« »Anders können wir es nicht beweisen« /antworteten sie wieder / »als daraus / daß wir es von den Leuten also gehöret.«

(102) »Auf hörensagen bauet man kein Schlos« /fing ihnen [306] Simson das Wort auf. »Hierauf ist wenig zu fußen. Hierdurch wird so mancher betrogen. Der Grund ist zu schlüpfericht. Der Bodem ist zu lukker / zu weich / zu sumpficht. Derselbe Grund darauf die Wahrheit sich gründen sol / mus fester / muß derber / mus dichter sein. Aber habet ihr dan nicht auch gehöret« / fing er wieder an zu fragen / »daß eben diese Frau / dieselbe / die sie für ihre Tochter ausgiebet / zu Timnat / da sie nur ein halbes Jahr alt war / gekauffet?« Auf diese Frage sahen sie einander an /und wusten nicht / was sie antworten solten. Doch endlich kahm das langsame Nein heraus.

(103) »Oh! ihr seid keine wahrhaftige Zeugen« /fuhr Simson fort. »Ich seh es euch an den Augen an /daß ihr die Wahrheit nicht bezeuget. Eure Gebährden verrahten euch. Euer gantzes Wesen giebt eure Falschheit kund. Euer Zaudern auf diese Frage zu antworten kömt mir gantz verdächtig vor. Darüm gilt euer Zeugnis nichts. Darüm kan ich euch zu Zeugen nicht annehmen.

(104) Aber was gedenkestdu« / sprach er die Filisterin an / »daß du solche falsche Zeugen vor den Richterstuhl des Volks Gottes hast bringen dürfen? Was meinestdu / du Ehrloses Weib? Meinestdu etwan / man werde / dir zu liebe / wider die Satzungen des Gottes Israels handeln? Bildestdu dir etwan ein / ich werde gleich also tuhn / wie diese deine Zeugen; weil du mit Geschenken mich zu verleiten / zu verbastern / und zu bestechen dich erkühnest? Doch diese Kühnheit / dieser Frefel sol dir übel bekommen.«

(105) Hiermit befahl er die Tühre des Gerichtssaales zu öfnen. Hiermit geboht er / alles Volk / das im Vorhofe stund / einzulaßen; damit iederman sehen und hören möchte / mit was für einem arglistigen Frevel diese Filisterin den Richter des Volks Gottes ein unrechtfärtiges Urteil zu sprächen zu verführen sich unterstanden. Ja weil sich die Mänge so groß befand / daß im Saale selbsten nicht Raumes genug war; so lies er endlich auch alle Fenster aufmachen; damit die übrigen von aussen hinein sehen / und alles / was im Gerichte vorginge / vernehmen könten.

[307] (106) Unterdessen suchte die Filisterin sich zu entschuldigen. Sie trachtete sich weis zu brennen /und ihre Sache zu beschönen. Aber Simson geboht ihr zu schweigen. Er wolte sie weiter nicht hören. »Ich habe« / sprach er / »deinen Lügen lange genug mit Geduld zugehöret. Ich habe lange genug durch die Finger gesehen. Aber nun ist es Zeit / daß du mich auch hörest. Nun ist es Zeit / daß auch ich rede; daß ich dich vor dieser gantzen Gemeine zu schanden mache. O du Gottloses Weib! Du boßhaftiges Weib! Du häslicher / ja garstiger Schandbalg!

(107) Hastdu nicht diese Tochter von einer Würtin zu Timnat / welche sie ihrer rechten Mutter / die hier zugegen stehet / gestohlen / vor funfzehen Jahren gekauft? und darfst mir gleichwohl noch vorlügen / du seist ihre Mutter. Hastdu mir nicht Geschenke geschikt mich dadurch anzureitzen ein unrechtmäßiges Urteil zu fällen? und gleichwohl wilstdu noch unschuldig sein. Gleichwohl wilstdu dich noch viel weis brennen. Meinestdu vielleicht / daß dein Geschenk deine böse Sache guht machen könne? Vielmehr hastdu sie dadurch verärgert und schlimmer gemacht.

(108) Wisse / daß ich Simson bin; der ein Todfeind des Geitzes / des Eigennutzes / und aller Laster /die daraus entsprüßen / von Jugend auf gewesen. Wisse / daß ich ein Richter in Israel bin; dem GOtt selbst verbohten Geschenke zu nehmen. Ja wisse /daß du / durch dein Geschenk / mich bewägen wollen eine schweere Schuld nicht nur auf mich / sondern auch auf den gantzen Staht des Israels zu laden: auf welche die Strafe gewis / mit schweeren Schlägen / würde gefolget sein.

(109) Also hastdu dich nicht allein an mir verbrochen. Dein Verbrächen erstrekt sich viel weiter. Es leuft wider unsern gantzen Staht: indem du ihn in das Verderben zu stürtzen gesuchet. Was verdient nun wohl eine solche Verbrächerin / die sich wider ein gantzes Volk verbrochen? Mit was für Strafe solte man dich wohl ansehen? Sprich dein Urteil selbst. Werestdu nicht währt / daß man dich steinigen liesse? Verdientestdu nicht / daß man dich verbrennete? Aber damit du sehest / daß [308] man dir / als einer Fremden / die unsers GOttes Satzungen nicht weis / so scharf nicht mitfahren wolle; so sei dir das Leben geschenket.

(110) Doch damit diese gantze Gemeine vernehme / daß ich unschuldig sei; so wil ich / in ihrer Gegenwart / öffendlich bezeugen / daß ich dein Geschenk nicht selbst empfangen. Du hast es mir heimlich und mit List / bei meinem Abwesen / in mein Haus geschikt. Ich habe nichts darüm gewust / als da es mir ward angesagt. Auch ist es mir noch nicht zu Gesichte gekommen: weil ichs zu sehen mich weigerte. Aber itzund wil ichs sehen; damit du zugleich sehest / was ich mit ihm zu tuhn beschlossen.«

(111) Hiermit befahl er den Stahtsrok / den die Filisterin des vorigen Abends in sein Haus geschikt / zu hohlen. Sobald er ankahm / nahm er ihn in die Hand / und hielt ihn / mit erhobenen Armen / den Augen des Volks vor. »Dieser« / sprach er / »ist dasselbe Geschenk / das meine Sinne verrükken / meinen Verstand verkehren / und mein Gesicht benebeln solte; damit ich nicht sehen / noch märken möchte /was Recht oder Unrecht / was Gleich oder Ungleich were / und ein Urteil fällete / das meinem Wissen und Gewissen zuwider. Aber GOtt hat mich bewahret /daß ich ihn nicht eher gesehen / noch angerühret / als itzund vor euren Augen.«

(112) Kaum waren diese Reden aus seinem Munde / da gab er den Rok schon wieder von sich / und befahl dem Hänker / der hierzu berufen war / denselben / vor dem Gerichtsstuhle / mit dem Gerichtsschwehrte zu zerstükken / und die Stükken unter das Volk / in die Rappuse / zu werfen. Da ging es an ein grabbeln und krabbeln. Einieder war begierig ein Stüklein darvon zu haben; damit er dasselbe / zum Gedächtnisse dieser rühmlichen so wohl / als seltsamen Taht / bewahren möchte.

(113) »Hiermit ist zwar das Gerichte vergnüget« /sagte Simson zur Filisterin. »Aber nun mustdu auch diese Frau / welcher du ihre Tochter so lange vorenthalten hast / vergnügen. Vorerst wil sich geziemen ihr eine Abbitte zu tuhn. Darnach wird dir auferlegt ihr auch eine Geldbuße von zwanzig Sekkeln Silbers zu geben. Und hiermit hast du deinen Abschied.[309] [311] Vergreif dich hinfort in dergleichen Dingen nicht mehr. Gehe hin / und werde frömmer.«

(114) Wiewohl Simson mit der Filisterin zimlich gnädig verfahren / so war sie doch mit diesem Abschiede nicht zu frieden. Die Abbitte zu tuhn weigerte sie sich zwar nicht. Aber von der Geldstrafe wolte sie nicht hören. Ja sie durfte wohl selbst Erstattung ihrer getahnen Unkosten fordern. Sie wendete vor / daß sie diese Tochter nicht gestohlen / sondern /unwissende woher sie gekommen / gekauft. Sie hette zwantzig Sekkel Silbers darfür bezahlet. Auch were viel auf die Amme gegangen / die sie ihr ein halbes Jahr halten müssen. Zudem hette sie ihr fast zehen Jahr lang Kost und Kleider gegeben / und sie ehrlich unterhalten. Daher solte sie billich die zwanzig Sekkel Silbers / und was sie ihr nach der Zeit gemeldte zehen Jahr über gekostet / wieder haben.

(115) Hierauf gab ihr Simson zur Antwort: ›ob sie schon diese Tochter nicht gestohlen; so habe sie doch dieselbe gantze zehen Jahr ihrer Mutter / zusamt der Lust / welche sie in solcher Zeit an ihr haben können / entzogen. Die Hählerin sei so guht / als die Stählerin. Sie solte zu frieden sein / daß sie so ein gnädiges Urteil / das er sonst niemanden / der aus Israels Stämmen bürtig / würde zuerkant haben / bekommen. Die Geldstrafe sei ihr einmahl zugewiesen. Er könte darvon nichts erlaßen: vielweniger der Mutter dieser gestohlenen Tochter zuerkennen / daß sie ihr die angewendeten Unkosten wiedererstatten solte. Doch könten sie sich untereinander selbsten anders vergleichen / das möchten sie tuhn. Er sei dessen wohl zu frieden. Inzwischen solte sie gleichwohl aus der Hand des Gerichtes nicht eher gelaßen werden /als bis sie die Mutter vergnüget.‹

(116) Der Ruf von einem so klugen / so weisen /und so weislich ausgeführtem Urteile lief straks alle Stämme des Israels durch. Ja es erschol selbsten in die ümliegenden fremden Länder. Hatte man denSimson / seiner unvergleichlichen Tapferkeit / seiner übermenschlichen Stärke / ja seiner tapferen Heldentahten wegen / bisher gerühmet / und gefürchtet; so rühmete / so ehrete / so fürchtete man ihn itzund /seiner [311] so übertreflichen Klugheit / und überirdischen Weisheit wegen in Gerichtlichen Sachen / noch vielmehr. Ja er bekahm hierdurch ein solches Ansehen /daß ihm / auf seinen bloßen Wink / schier alles gehorchte.

(117) Die Filister selbsten / wiewohl sie seine geschwohrne Feinde waren / warden gezwungen ihn zu ehren. Sie musten ihn preisen. Auch selbst die selbe Filistische Frau / wider welche dieses Urteil ergangen war / muste gleichwohl seinen fürtreflichen Verstand loben / seine hohe Weisheit erhöben / und seine scharfsinnige Klugkeit rühmen. Ja er ward so überaus und überal berühmt / daß ihn die mächtigsten Fürsten und Könige für den unvergleichlichsten Stahtsman / und fürtreflichsten Gerichtshalter in der gantzen Welt ehreten / und sich vielmahls / in fürfallenden schweeren Stahts- und Gerichtsgeschäften /Rahtes bei ihm erhohleten. Einen so großen Nahmen bekahm dan Simson durch diesen Gerichtshandel. Einen so ruhmherlichen Ruf erwarb ihm seine so fürtrefliche Stahts- und Gerichts-kunde.

(118) Und dieses war auch die Uhrsache / warüm kein Feind des Israelischen Stahts / weil Simson lebete / sich rühren durfte. Er herschete dan in vollem Frieden. Kein Krieg hielt ihn von seinen Stahts- und Gerichts-geschäften ab. Er hatte beide Hände stähts frei dasselbe / was die Wohlfahrt des Stahts betraf /ungehindert auszuwürken. So ging dan zu seiner Zeit unter dem Volke GOttes Recht und Gerechtigkeit wieder in vollem Schwange. So küsseten sich dan alda Eintracht und Treue miteinander. So stund dan der Staht / nachdem er so lange Zeit gewakkelt / wieder auf festen Füssen.

(119) Glüklich ist dasselbe Land / dessen Staht mit Weisheit beherschet / und mit Vorsichtigkeit gehandhabet wird. Ja glüksälig und überglüksälig ist dasselbe Volk / dessen Stahtsheupt mit Tugenden gezieret /mit Klugheit begabet / ja mit Witz und Weisheit gekröhnet / seinen Stahtsstuhl besitzet. Hingegen ist es das allerunglüksäligste / wan derselbe / der es beherschen sol / ein Tohr ist; wan ihm die Tugend fehlet; wan er schläft / da er wachen sol; wan er im Luder lieget / da ihn zu herschen gebühret.

[312] (120) Die Filister hatten bisher anders nicht gemeinet / als Simson sei nur ein Wagehals / ein Ungeheuer. Sie hatten gewähnet / er sei nirgendzu geschikt / als mit einer tummen Kraft und Tolkühnheit Menschen zu erschlagen; als durch eine ungeheure Riesenstärke gantze Kriegsheere zu überwältigen /Mauren über einen Hauffen zu werfen / ja selbst durch Eisen und Stahl hinzudringen / und alles / was er in seine Feuste bekähme / ja nur anrührete / zu zerbrächen. Aber nunmehr erfuhren sie in der Taht / daß er die Kunst den Stahtszaum zu führen eben so wohl wüste; daß ihm die Weisheit Völker zu beherschen eben so wohl / als die Stärke sie zu vertilgen / beiwohnete.

(121) So war dan Simson ein volkommener Held / und ein volkommener Stahtsman zugleich. Ja er war ein solcher Stahtsman / der nicht auf seinen eigenen / sondern des Stahts Nutzen / nicht auf seinen eigenen / sondern des Landes Wohlstand sahe. Er war ein solcher / der einem ieden Recht schaffete; der in seinem Handel und Wandel die Gerechtigkeit vor Augen / und die Aufrichtigkeit im Hertzen hatte. Und darüm liebeten ihn auch die Seinigen. Darüm fürchteten ihn die Fremden. Ja darüm ehreten / lobeten / und rühmeten ihn alle.

(122) Aber bei hiesigem des Simsons Ruhme müssen wir gleichwohl der gestohlenen Tochter nicht vergessen. Diese haben wir bisher anders nicht als mit einem unachtsamen Auge / betrachtet. Aber nunmehr / da sie den Nahmen der schönen Naftalerin bekommen / werden wir lüstern gemacht sie was näher zu beschauen: zumahl weil Simsons Urteil / das er ihrentwegen ausgesprochen / sie weit und breit in Kunde gebracht.

(123) Sie war auch in Wahrheit einen solchen Nahmen / der manches Ohr kützelte / zu führen wohl währt. Sie verdiente gewislich das Lob und den Preis einer volkommenen Schönheit. Daher kahm es / daß so vieler Augen auf sie fielen. Einieder war begierig sie zu sehen. Einieder war lüstern sich mit ihren Blikken zu belustigen. Diese kahmen aus der schwartzen /doch anmuhtigen Fünsternis ihrer Augenhöhlen / eben als liechte Karfunkelstrahlen aus ihrer Bergschacht /geschossen. [313] Wan sie auftageten / flinkerten sie gleich so anmuhtig / als das liebliche Morgenroht / das aus der düstern Nacht hervorbricht.

(124) Niemahls war in Kedes ein solches paar helleuchtender Augensonnen / als dieses / aufgegangen. Niemahls hatte diese Stadt eine solche fürtrefliche Schönheit / über welche sich das gantze Volk des Israels verwunderte / gebohren. Wer sie nur sahe /der priese denselben Leib / der sie getragen / seelig. Ich wil mehr sagen: nicht nur die Augen hatten die Kraft der Anschauer Hertzen zu entzükken. Selbst der Mund / wo er nicht verliebt machte / zog doch alle zur Gunst.

(125) Dieser blühete wie eine liebliche Zukkerrose / mit schneeweissen Liljen ümgeben. Wan diese Tühre / dadurch sich das Hertz eröfnet / zuweilen ein Hertzwindichen aufsties / spitzte schon iederman die Ohren / ihre so anmuhtige Göttersprache zu vernehmen. Ich nenne die Reden dieser schönenNaftalerin eine Göttersprache; weil sie / eben wie jene / gantz selten / und gantz kurtzbündig / mit einem ausbündigen Verstande / sich hören liessen.

(126) Ja ihr gantzes Angesicht war gantz lieblich /gantz anmuhtig / und gantz zierlich gebildet. Es stund / als ein schöner Lustgarten / vol der schönsten Bluhmen: da die Augen aller Menschen einen stähtigen Lustwandel zu tuhn lüstern warden. Der Grund war schloßweis / ja viel weisser als der erstgefallene noch unbeträhtene Schnee. Nur auf den Wangen war er mit einer gelinden Röhte zährtlich überfärbet. Hierherüm hingen die schwartzen Haarlokken / die der weissen Haut einen höheren Glantz zu geben schienen / in überaus zierlichen Krümmen / bis auf den Hals: der unter dem Heupte / wie eine gerade Seule von dem allerglättesten reinweissestem Alabaster / zu stehen kahm.

(127) Aber alle diese Schönheiten von aussen /wiewohl sie gantz ungemein waren / übertraf die innerliche Schönheit der schönsten Seele bei weitem. Alda hatten alle Tugenden ihren eignen Sitz. Alda wohnete die Keuschheit / die fürnehmste der Jungfreulichen Tugenden. Da hausete die Schaamhaftigkeit. Da herbergete die Aufrichtigkeit. Da befand sich die [314] Leutsäligkeit / die Freundlichkeit / die unverfälschte Liebe gegen GOtt und Menschen.

(128) Vor allen Dingen leuchtete die Gottesfurcht /neben dem ausbündigen Verstande / den sie besaß /aus allem ihrem tuhn. Diese schien ihr von ihrer frommen Mutter gleich als angebohren: indem sie schon unter den Heiden einen Abscheu der Heidenschaft /schon unter den Götzendienern einen Ekel des Götzentuhms märklich blikken lies; wiewohl sie dazumahl noch ein Kind / und mitten im Götzendienste /der Kündigkeit des wahren Gottesdienstes beraubet zu sein schien. Und darüm war es kein Wunder / daß diese hohe Himmelstugend sich nach der Zeit / da sie des Himmels Schikkung wieder in ihr Vaterland / und zu ihren Väterlichen Gottesdiensten geführet / bei ihr so volkömlich euserte.

(129) Neben dieser Ertzmutter der Tugenden schmükten derselben erstgebohrne Zwillinge / die Gottsäligkeit und Frömmigkeit / ihre reine Seele. Hierzu gesellete sich eine recht hertzliche Demuht /die den Schein der Heuchelei gantz nicht kennete. Ja es war keine weder himlische / noch Irdische Tugend /die aus ihrem Wandel nicht blikte. Alles / was löblich / was rühmlich / was preislich war / dem strebete sie nach.

(130) Hierdurch begab es sich / daß sie so viel Aufwärter bekahm. Einieder bewarb sich üm ihre Gunst. Einieder trug Verlangen ihrer Liebe zu geniessen. Aber hierinn schien sie was karg zu sein; wiewohl sie sehr reich war an Liebsäligkeiten / ja selbst milde mit liebsäligen Blikken. Weil diese gleichsam aus Angewohnheit / oder vielmehr aus Angebohrenheit hersprosseten / so durfte keiner sich einbilden /daß sie ihn liebete / viel weniger / daß sie verliebt sei.

(131) Unter andern kahm zwar Simsons nächster Vetter bei ihr in die meiste Betrachtung. Dem erwiese sie zwar die meiste Gunst. Und solches täht sie bloß üm Simsons willen. Aber wan er von Liebe zu reden begunte; da hatte sie Schultzenohren. Sie stellete sich / als hörete sie nicht. Sie lies ihn uneingelaßen anklopfen. Alles / was er sie zu bewegen an wendete / war vergebens. Wan sie ja endlich / auf sein so inständiges Anhalten / antwortete; so war es doch nichts anders / als sie sei [315] noch zu jung; sie wüste sich in der Liebe Handel noch nicht zu schikken. Und dieses Entschuldigen geschahe mit solcher Höfligkeit /mit solcher Bescheidenheit / daß er es nicht übel aufnehmen konte.

(132) Der arme Verliebte lies gleichwohl nicht nach. Er hielt noch allezeit an. Er lies sich keinen Gang / keine Mühe verdrüßen. Er achtete keinen Abschlag. Weil er noch Gunst verspührete / lies er den Muht nicht sinken. Weil ihm kein Zutrit versaget ward / stärkte sich seine Hofnung noch immer. Aber Endlich / als so viel Zeit verlief / und er dannoch wenig mehr erwarb / ward er betrübt. Aus der Betrübnis entstund die Unlust zu schlafen / zu essen; und auf dieses alles folgete die Schwindsucht.

(133) In wenig Wochen nahm er so ab / daß man ihn kaum mehr kennete. Sein Angesicht vermagerte. Seine Augen sunken ein. Seine gantze Gestalt verfiel. Und solches währete so lange / bis er gantz von Kräften kahm / und nicht mehr weder gehen / noch stehen konte. Hierzu schlug endlich eine so heftige Hitze /welche die übrige Feuchtigkeit vollend verzehrete. Kein Kühltrank / kein Labetrank / kein Stärktrank /wie kräftig er war / vermochte diesen heftigen Stürmen zu widerstehen.

(134) Die Mutter der schönen Naftalerin / die ihn täglich besuchete / trachtete zwar das schier verflogene Leben ihm / durch einen kräftigen Trost / wiederzugeben. Sie verhies ihm ihre Tochter zur Bewilligung seines Ansuchens zu bereden. Zuletzt brachte sie die Tochter selbst mit: die /aus Mitleiden bewogen / ihm mit gantz lieb- und trost-reichen Worten begegnete. Ja sie gab ihm so viel zu verstehen / daß nunmehr dasselbe / was er suchete / so guht sei / als erlanget.

(135) Aber es war zu spähte. Es war vielzulange geharret. Der Lebensgeist saß ihm schon auf der Zunge. Seine Gedanken gingen nach dem Grabe zu. Um die Liebe war er nun nicht mehr bekümmert. Er sahe zwar seine Liebste mit traurigen Augen an. Doch die Sprache befand sich so schwach / daß man nicht vernehmen konte / was er sagte. Es schien / daß die Anwesenheit seiner Liebsten ihm das Leben fristete. Ja es [316] schien / daß der Tod sich für ihr scheuete; weil er / so lange sie gegenwärtig war / ihm den letzten Stoß nicht geben durfte.

(136) Kaum hatte sie ihren Abschied genommen; kaum war sie zur Kammer hinaus: da brachen ihm schon die Augen: da gab er / mit einem heftigen Seufzer / den Geist auf. Sobald er verschieden / bekahm sie diese traurige Zeitung: welche sie dermaßen bestürtzte / daß sie in etlichen Tagen nicht die geringste Speise genos. Es gereuete sie / daß sie ihn so lange vergebens anhalten laßen / und dadurch seinen so frühen Tod gleichsam veruhrsachet.

(137) So starb dan dieser junge Liebeschühler über den ersten Lehrstükken der Liebe. So verschied dan derselbe / der kaum anfing zu lernen / was Liebe sei. Sein Tod veruhrsachte manches Trauren / und auch manche Freude: jenes bei seinen Freunden; diese bei seinen Mitbuhlern: welche froh waren / daß der Tod denselben / der ihren freien Zugang bei der schönen Naftalerin verhindert / aus dem Wege gereumet: wiewohl diese Schöne niemand / in der Zeit ihrer Trauer / welche sie über einen solchen / den sie allen vorgezogen / angenommen / sich zu laßen beschlossen.

[317] [319]Das achte Buch.

Die (1) Einteilung.


Als nun die Zeit herbei kahm / die Simson zum Leichenbegängnisse seiner frommen Mutter bestimmet; da ward das Gerichte geschlossen / der Gerichtssaal versperret / und Simson feierte von allen seinen Amtsgeschäften / dieser Trauer nach Gebühr abzuwarten. Ja die Stahtsheupter / die Aeltesten / die Vornehmsten des gantzen Israels hielten ihrem Stahtsrichter Geselschaft. Alle folgeten / mit ihm / der Leiche. Die Anzahl der Trauerleute war so groß / daß sie von Simsons Mütterlichem Hause bis an das Begräbnis reichete.

(2) Alda ward dan diese Gottsälige Frau / ihrem ehmahls lieben Ehmanne zur Seite / beigesetzet. Alda genos sie nun desselben Geselschaft / dessen Haus-und Bet-genossin sie so manche Jahre gewesen. Alda ruheten nun diese beide / die in einem Hause so friedlich / so liebsälig zusammen gelebet / in einem Grabe beieinander. Alda war es / da sie beide miteinander auf die Zukunft ihres Erlösers / ihres Seeligmachers /in das ewige seelige Leben versetzet zu werden / warten solten.

(3) Simson lies ihr zu Ehren nicht allein einen sonderlichen Grabstein setzen / und darauf / unter an dern / das Lob ihrer Tugenden schreiben; sondern auch deswegen selbst eine Lobrede halten: wiewohl es zu der Zeit bei den Begräbnissen der Kinder des Israels / zuvoraus der Weibsbilder was ungewöhnliches war. Und also schien es / daß er seiner frommen Mutter gantz ungemeine Tugend / nach ihrem Ableiben / auch auf eine gantz ungemeine Weise wolte geehret haben.

(4) Dieses verdinete sie auch in Wahrheit / durch ihre so fürtrefliche Tugend / noch vielmehr / als nach der Zeit / durch seine Freigäbigkeit / das Röhmische Frauenzimmer; dem der Raht zu Rohm / weil es seinen gantzen kostbaren Schmuk hergegeben die Stadtvon den Galliern zu erlösen / eben so wohl /als dem Mansvolke / ein solches öffendliche Lob /nach [319] desselben Tode / zuerkante; wiewohl diese Freiheit wohl drei hundert Jahre darnach / bei dem Begräbnisse der Popillia / des Katulus Mutter / zuerst in Gewohnheit gebracht worden.

(5) Alhier möchte man nicht unbillich fragen: warüm seine so Tugendvolkommene Mutter ihr Großer Sohn nicht auch innerhalb der Stadt Zarea / in etwan einem Heiligthume / sondern ausserhalb / auf einem offenen und freiem Felde / begraben laßen? Hierauf geben wir zur Antwort: daß Simson / weil er ein Vorstand und Bewahrer der Satzungen des Volkes Gottes war / darinnen alle Tohten ausserhalb der Stadt zu begraben gebohten ward / derselbe / der sie überschritte / nicht sein wollen.

(6) Es scheinet aber diese Satzung von den Tohtengräbern nicht allein unter dem Volke Gottes /sondern auch bei andern / und fürnähmlich bei den Griechen und Röhmern aus zweierlei Uhrsachen gestiftet zu sein. Die erste ging den Gottesdienst an: die andere die gemeine Wohlfahrt. Dort vermeinte man / daß das Heilige / durch die Tohtenleiber / entheiliget / und beschmützet würde: hier aber / daß derselben Gestank etwan die Luft verfälschen / ja gar vergiften / und die Leiber der noch lebenden anstekken möchte / sofern man die Leichen in den Städten begrübe.

(7) Darüm war auch nicht nur den Priestern Gottes / sondern auch den Götzenpfaffen / unter etlichen Völkern / zu den Tohten zu gehen verbohten. Ja diese durften zu keinen Gräbern kommen / noch einen Tohten ansehen / viel weniger anrühren; auch nicht einmahl die Grab- und Klage-lieder pfeiffen hören. Selbst die Schuhe / die man aus dem Leder des Viehes / das von sich selbst gestorben / gemacht / durften sie nicht tragen.

(8) Ich wil mehr sagen: die Bildseulen der Götzen warden / wan sie an solchen Oertern stunden / da man oftmahls Menschen hinrichtete / mit Tüchern behangen; damit sie die Hingerichteten nicht sehen möchten. Daher lies Keiser Klaudius des Augusts Bildseule vom Fechtplatze wegsetzen; weil er nicht wolte / daß sie der vielen Mistähter wegen / die sich alda fast täglich toht zu fechten gezwungen warden / nicht allezeit verdekt stehen müste.

[320] (9) Aus eben derselben Gewohnheit entspros es /daß Josias / der Jüden König / in die Götzenheuser / die man wider Gottes Befehl gebauet / als er sie entheiligen / und den Götzendienst darinnen vernichtigen wolte / Tohtengebeine zu tragen befahl. Ja daher kahm es / daß bei den Röhmern der so genente Leermachende Götze Viduus / der den Leib / wie sie wähneten / indem er ihm die Seele raubete / gleichsam ausleerete / als ein trauriger Leichengötze / nicht in der Stadt / sondern ausserhalb stehen muste. So durften auch bei den Griechen die Tohtengräber und dergleichen Leute nicht in der Stadt wohnen. Alle musten sich / von der Bürgerschaft abgesondert / vor den Stadttohren aufhalten.

(10) Und darüm hat man sich freilich zu verwundern / daß diese löbliche Gewohnheit bei den heutigen Kristen so gar vernichtiget worden / daß sie ihre Tohten nicht nur auf die Gottesäkker / innerhalb der Ringmauern der Städte / sondern gar in die geweiheten Gottesheuser und Heiligtühmer begraben: dadurch dan solche heilige Oerter entheiliget / und unter den Menschen zugleich manche Seuchen und Krankheiten erwekket werden.

(11) Unter den ersten Kristen war es nicht also. Diese folgeten der Göttlichen Satzung. Diese begruben keine Leichen in ihren Städten / viel weniger in ihren Gottesheusern. Aber mit der Zeit ward den Päbsten / und andern Heiligen Leuten / in den Heiligtühmern ihre Grab- und Ruhe-stätten zu haben vergönnet. Darnach wolten auch Keiser und Könige diese Ehre haben. Ja zuletzt ward es so gemein / daß selbst die allergeringsten / die gantz nichts rühmliches in der Welt gestiftet / und oftmahls die allersündhaftigsten / allerboßhaftigsten / die Unflähter unter den Kristen / ja gar Teufelskinder in solchen heiligen Gebeuen / die zum Gottesdienste gebauet und gewiedmet waren / musten begraben werden.

(12) Aber wir wollen uns bei den Tohten / und Tohtengräbern nicht länger aufhalten. Wir haben genug von Traurigen Dingen geredet. Nun müssen wir auch etwas anders / wo nicht Fröhliches / doch das mit mehr Lust und Ergetzung anzuhören sein wird / vorbringen. Und hierzu giebet uns Anlaß das Widerfahren [321] der schönen Timnatterin: welche der Egiptische Königliche Fürst eben üm diese Zeit entführen lies.

(13) Gemeldte Schöne hielt sich / im Abwesen des Fünffürsten / auf einem seiner Lustheuser auf. Alda hatte sie sich auf einen Abend eben zu Bette begeben / als ein behangener Wagen vor das Tohr kahm. Die Reiter / die ihn begleiteten / klopften an. Der Vornehmste darunter begehrte sie zu sprächen. Er gab vor: er kähme vom Landtage. Er were vom Fünffürsten ausgeschikt sie zu hohlen. Es sei alda etwas wüchtiges vorgefallen / darbei ihr Anwesen erheischet würde. Darüm müste sie bald aufsitzen. Ehe der Tag anbreche / müsten sie da sein.

(14) Weil nun die Armsälige von einem Diener des Fünffürsten / der von ihnen mit Gelde bestochen / und in ihren Geselschaft war / eben dasselbe verstund; so gleubete sie / daß es wahr sei / was sie hörete. Und darüm kleidete sie sich straks an / und begab sich mit auf die Reise. Diese ging nach Gaza / oder vielmehr nach dem Munde des Flusses Besor zu: da ein Egiptisches Schif ihrer wartete / sie in den nächsten Seemund des Niels / den Schlüssel des Egiptischen Königreichs / welchen man nach der Zeit den Pelusischen Hafen genennet / zu bringen.

(15) Alda war es / da sie die schöne Timnatterin in gemeldtes Schif brachten. Ja von dar war es / da sie / in die Mittelländische See / zu Segel gingen / und ihren Lauf nach der Egiptischen zu nahmen. Bisher hatte diese Schöne keine böse Vermuhtung gehabt. Bisher hatte sie nichts geargwähnet. Aber nunmehr begunten ihr Schwahnsfedern zu wachsen. Es kahm ihr verdächtig vor / daß sie zu Schiffe nach dem Landtage gehen solte; zuvoraus durch eine so große See. Darüm rief sie den Diener des Fünffürsten zu sich. Dem sagte sie heimlich ins Ohr: »dis ist ja der Weg nicht nach dem Landtage. Wir seind ja schon aus dem Filisterlande weg. Wo wollen wir dan hin?«

(16) Doch dieser / wiewohl er üm alles wuste / verbarg ihr die rechte Wahrheit. Er sagte nur: weil es auf dem Lande / der Straßenreuber wegen / in dem Gebürge / was unsicher sei / [322] hette der Fünffürst befohlen / sie zu Wasser zu ihm zu bringen. Man würde nach etlichen Stunden wieder in einen andern Hafen desFilisterlandes einlauffen. Von dannen sei es sicherer zu reisen. Von dannen würden sie vollend zu Lande fortgehen.

(17) Gleichwohl blieb sie unruhig. Gleichwohl konten diese Reden ihr den Verdacht / den sie geschöpfet / nicht aus dem Sinne bringen. Daher entstund bei ihr eine so große Traurigkeit / daß sie sich des Weinens nicht enthalten konte. Der vornehmste der Abgefärtigten suchte sie zwar zu trösten. Aber ie mehr er ihr Trost zusprach / ie unmuhtiger / ie betrübter sie ward: zuvoraus als er ihr endlich zu verstehen gab / daß sie einem Königlichen Fürsten / der sich in ihre Schönheit verliebet / solte zugeführet werden.

(18) Uber solchen so fremden Bericht entsetzte sie sich dermaßen / daß sie straks in Ohnmacht niedersunk. Eine guhte weile lag sie / als toht. Nicht ein einiges Glied regete sich. Nur der Ahtem gab ein Zeichen / daß noch einiges Leben in ihr sei. Dieser / der im Anfange gantz schwach war / begunte nunmer immer stärker zu werden / als sie / auf einen tiefgehohlten Seufzer / mit gantz leiser Stimme sagte: »Du Schelm! du Bösewicht! du Verrähter! wer ist dieser Königliche Fürst?«

(19) »Er ist ein solcher« / fing der Egipter hierauf an / »über dessen Durchleuchtigstem Heupte des mächtigen Königreichs Egipten Krohne hänget: der gebohren ist einen so mächtigen Reichsstab zu führen: ja der beschlossen hat / Sie / neben sich / auf den Egiptischen Reichsstuhl zu setzen. Und zu dem Ende hat er mich abgefärtiget Sie zu hohlen. Itzund gehen wir darnach zu; da man Sie / als eine Egiptische Königliche Fürstin / ja künftige Königin selbst / mit frohlokkenden Stimmen wird wilkommen heissen.«

(20) »Ist derselbe / der dich abgefärtiget« / fiel ihm die schöne Timnatterin in die Rede / »ein Königlicher Fürst! warüm fängt er dan sein Vornehmen nicht auch Königlich an? Warüm handelt er Reuberisch? Suchet er mich zu ehren; warüm lesset er mich dan rauben? Ist er in mich verliebet / [323] und trachtet er mir seine Liebe zu erweisen; warüm begehet er dan solche häsliche Dinge? Warüm jaget er mich dan in ein solches Schrökken? Ein Königlicher Fürst mus Königlich /und nicht Straßenreuberisch handeln. Ein wahrer Liebhaber mus tuhn / was der Liebe gemäß ist. Darüm / weil er wider seinen Königlichen Stand / und wider seine Liebe handelt / kan ich ihn mit nichten weder für einen Königlichen Fürsten / noch für einen Liebhaber erkennen.«

(21) Indem sie dieses redete / zog über ihnen ein Schwarm schwartzer Wolken zusammen; daraus ein erschrökliches. Donnerwetter gebrochen kahm. Erst fing es an fort und fort zu blitzen / zu wetterleuchten. Darnach hörete man von weitem ein Brummen in der Luft / ein Sausen und Brausen auf dem Wasser. Endlich folgeten die härtesten Donnerschläge. Die Wolken barsten gleich als voneinander. Es krachte / es knakte / es knasterte und prasselte so greulich / als solte der Himmel zu trümmern gehen. Die Donnerkeule pfiffen / und schossen / mit Feuerstrahlen begleitet / so gewaltig herunter / daß denen / die es höreten / die es sahen / die Haare zu Berge stunden.

(22) Ja es war nicht genug / daß über ihnen der erzürnete Himmel also stürmete. Die See selbsten stürmete neben und unter ihnen zugleich. Die erboßete Wasserwogen / durch den Wind aufgereitzet / flogen bald Himmelan / bald sunken sie wieder nach dem Abgrunde zu. Diese schossen / schlugen / und stiessen so gewaltig / und mit solchem puffen auf das Schif zu / daß man augenbliklich vermeinte seinen Untergang zu sehen. Es war erschröklich anzuschauen / wie es durch die ungeheuren Wällen bald in die Höhe / bald wieder herunter / und bald auf diese /bald auf jene Seite geschmissen ward.

(23) Guhter Raht war alhier teuer. Die Segel hingen zerflattert. Der Mast lag zerschmettert. Das Ruder stund gelähmet. Des Schiffers Kunst war vereitelt /und das Schif selbsten schier gantz vol Wassers gespühlet. Also trieb es der abscheuliche Sturm /wohin er wolte. Also warfen es die Wällen bald hier-bald dort-hin. Die armsälige schöne Timnatterin war in der eusersten Angst. Furcht und Schrökken hatten sie so eingenommen / [324] daß sie zitterte / daß sie böbete / wie das Espenlaub. Sie ächzete /sie kärmete so häftig / daß sie auch die Steine selbst zum Mitleiden hette bewegen mögen.

(24) »Ach!« sagte sie mit wehmühtiger Stimme /»wie bin ich so unglüksälig? Haben sich dan alle Uhrwesen wider mich verschworen? Sol ich dan nun auf dieser wüsten See mein Leben endigen? Sol ich nun in diesen wilden Wällen begraben werden? Ach! ich erschrökke / wan ich daran gedenke. Doch was sage / was klage ich? Es ist besser / es ist ehrlicher alhier zu sterben / alhier begraben zu werden / als in eines gottlosen Wühterichs / als in eines unbarmhertzigen Menschenreubers Händen mit tausenterlei Todesängsten gepeiniget werden.«

(25) Unterdessen hatten die andern alle genug zu tuhn das Wasser auszuschöpfen; damit das Schiflein nicht gar versinken möchte. Und also bekümmerte sich niemand üm diese trübsälige Schöne. Niemand sprach ihr ein einiges Wort zu. Niemand sahe sich nach ihr üm. So eifrig waren sie bemühet Schif und Leben zu retten. Aber es war alles vergebens / was sie tähten. Und ob sie schon endlich einige Hofnung bekahmen das Land zu erreichen; indem sie / durch den Sturm / nach dem Munde des Flusses Sihor zu getrieben warden: so ward ihnen doch diese Hofnung bald vereitelt.

(26) Weil das Ruder unbrauchbar gemacht war /konten sie das Schif weder wenden / noch lenken. Und daher begab es sich / als sie vor diesen Flus kahmen / daß es auf eine harte Sandbank geschmissen ward. In einem Augenblikke war es mitten voneinander geborsten. Die eine Hälfte sunk / mit allen Menschen / straks unter. Die andere / darinnen die schöne Timnatterin sich gantz allein befand / ward vollend nach dem Lande zu getrieben. Es währete so lange nicht / als ich dieses schreibe / da lag sie / durch eine gewaltiggroße Wasserwoge / schon auf das Ufer geworfen.

(27) Die Armsälige wuste nicht / wie ihr geschahe. Sie vermeinte noch in der See zu liegen; weil sie gantz trieffendnas war. Unterdessen legte sich der Sturm. Der Wind ward stille / der Himmel klahr / das Gewölke durchscheinende. Durch dieses brach die Sonne hin. Ihre Strahlen machten das Wetter [325] [327]lieblich /und die Luft warm / ja die halbtohte Timnatterin wieder lebendig. Auch begunte sie in Wahrheit das Leben volkömlich wieder zu fühlen; indem sie sich aufrichtete / und mit der Hälfte des Schiffes / auf dem truknen Lande sahe.

(28) Alhier befand sie sich zwar wieder im Gebiete der Filister / und nicht sehr weit von Bersabe / der Grentzstadt des Filisterlandes. Aber sie war gleichwohl aus einer Gefahr in die andere gerahten; indem sie die Bersabische Wüste vor sich hatte / da sie nirgend einigen Menschen erblikte. Darüm / nachdem sie ihre Kleider ein wenig getruknet / machte sie sich auf / einige Wohnungen zu suchen. Aber sie geriet so weit vom Wege nach Bersabe weg / und so tief in die Wildnis hinein / daß sie keinen Ort antraf / da Menschen wohneten.

(29) Inzwischen nahete die Nacht herbei. Es begunte dömmerlich zu werden. Da überfiel sie der Schrik. Da ümgab sie die Furcht. Der Angstschweis brach ihr aus. Darüm eilete sie mit geschwindern Schritten fort. Sie hofte noch immer einigen Ort anzutreffen / da sich Menschen enthielten / und da sie für dem Anfalle der wilden reissenden Tiere versichert sein könte. Aber sie traf keinen an.

(30) Doch geriet sie endlich / in der Dömmerung /an eine Feuerstätte. Alda fand sie / zu guhtem Glükke / neben den Kohlen und der Asche / noch einen neuen Topf / mit einem Feuerzeuge. Dieses war ein gewisses Zeichen / daß an hiesigem Orte kurtz zuvor einige Leute gewesen / welche das gemeldte Küchengerähte zweifelsohne vergessen. Auch stunden üm den Ort herüm etliche Feigenbeume / mit reiffen Feigen. Von denen aß sie / ihren Hunger zu stillen / ein guhtes Teil.

(31) Weil sie nun die Düsternis überfiel / beschlos sie alda zu übernachten. Und zu dem Ende machte sie ein Feuer an: darzu ihr der Feuerschlag / und das ümliegende dürre Holtz dienen muste. Bei demselben setzte sie sich traurig nieder. Die Furcht und das Schrökken liessen nicht zu / daß sie schlief. Sie saß /und horchte stähts / ob sie nicht irgendwo einiges Menschen Stimme vernehmen könte. Aber sie vernahm keine.

(32) Alhier war es / da sie alles / was ihr die Zeit ihres Lebens [327] über begegnet / in ihren Gedanken betrachtete. Alhier war es / da sie allen ihren Glüks- und Unglüks-fällen nachdachte. Ja alhier war es / da sie diese kläglichen Worte / mit oft wiederhohlten Seufzern / wehmühtiglich auslies.

(33) »Ach! ich Elende!« sagte sie. »Ach! ich Trübsälige! ich Armsälige! ich Trostlose! über die alle Wetter gehen! Wan wird der Himmel mich zu bekümmern / und mein Glük zu verschlimmern aufhören? Hat er mich nur darüm auf einen so hohen Güpfel der weltlichen Freuden und Wohllüste gesetzt / damit er mich üm so viel höher und eher in das tiefste Tahl der Trübsalen und Unlust herunter stürtzen könte? Hat er mich nur darüm in den Fürstenstand erhoben / damit er mich in den allerdrangsäligsten Jammerstand herunter fallen liesse? Hat er mich nur darüm aus der Tieffe meines noch erleidlichen Unglükkes auf die höchste Glüksstaffel versetzet / damit er mich im Meere der allerunerträglichsten Unglüksäligkeiten versinken liesse?

(34) Ach! ich Drangsälige! ich Unglüksälige! die ich zum Spielballe des Glükkes gleichsam erkohren /ja gebohren zu sein scheine! Hat mich das Glük eine Zeit lang nur darüm so lieblich / so freundlich angelächelt / damit es mich üm so viel häslicher anblikken /und üm so viel feindsäliger verfolgen möchte? Hat es mich darüm mit Zukker und Honige gekörnet / damit es mich darnach mit Wärmuht und Galle speisen möchte? Ach! wie hat es mir seine vorige Süßigkeit in lauter Bitterkeit verwandelt? Wie mus ich nunmehr /die ich lauter Lust hatte / durch die Last der Unlust untergedrükt / ja schier erdrükt werden?

(35) Ich habe nunmehr in der Taht erfahren / daß alles / was in der Welt ist / nur eitel und unbeständig sei. Ich habe nunmehr gelernet / daß weltliche Wohllust und Ehre nichts anders sei / als ein verschwundener Rauch / als ein vergänglicher Schatte. Vor wenig Stunden stund ich noch im Stande der höchsten Ehren / der höchsten Glüksäligkeit. Ich ward geliebet / geehret / bedienet. Der fürnehmste der Fünffürsten des Filisterlandes hielt mich als seine Tochter. Seine Untertahnen erwiesen mir Fürstliche Ehre. Sein gantzes Hofgesinde [328] ging mir / mit allen ersinlichen Diensten / eben als einer Fürstin / zur Hand. Ja ich besaß alle die Ehre / alle die Freude / die eine der allerglüksäligsten auf Erden besitzen mag. Aber wo ist nun dieselbe so große Glüksäligkeit? Ach! wie bald ist sie verschwunden?

(36) Der Himmel hat mich zwar eben itzund aus den Raubklauen eines Wühterichs / der mich entführen lies / gantz wunderlich erlöset. Ja er hat zugleich /da wir Schifbruch litten / mein Leben aus dem Rachen des Meeres / den es schon aufsperrete mich zu verschlingen / auf eine gleich so wunderliche Weise gerissen. Gleichwohl bin ich / im entgehen der einen und andern Gefahr / in eine neue gerahten: die mir nicht weniger den endlichen Untergang dreuet; indem ich alhier / in dieser wilden Einöde / Menschlichen Beistandes entsetzet / mich stündlich besorgen mus von den grimmigen Tieren zerrissen und aufgefressen zu werden.«

(37) Indem sie dieses sagte / vernahm sie von fernen ein Gereusche der Streucher / das immer näher und näher kahm. Hierüber erschrak sie dermaßen /daß ihr alle Bewägung entging. Sie erstarrete gleichsam für Furcht. Selbst die Sprache ward gehämmet. Sie konte den Mund / Ahtem zu hohlen / nährlich auftuhn. Ja die Sinligkeit selbsten hatte sie schier verlaßen. Die Empfindligkeit war schier gantz von ihr gewichen.

(38) Die Morgendömmerung begunte zwischen Nacht und Tag eben eine Scheidung zu machen / als sie dasselbe / das die Streucher zum rauschen gebracht / in das Gesichte bekahm. Ein erschröklich großer Leue lies sich sehen. Er nahete mit langsamen Tritten / ja so langsam / daß es schien / als wan er hinkete. Die Armsälige wuste nicht / ob sie flühen /oder warten solte. Zu flühen lies ihr der Schrik kaum zu. Doch dieser verzog sich algemach / als sie endlich gewahr ward / daß der Leue in der Wahrheit hinkete: als sie sahe / daß er nur auf drei Pfohten / und mit einem sehr traurigen Wesen / nach ihr zu kahm.

(39) Sie hatte zwar / im ersten Anblikke dieses reissenden Tieres / ihres Schwagers Beistand / oder desselben Stärke zu haben gewünschet. Sie hatte gewünschet / daß Simson zugegen sein möchte sie von diesem Untiere zu erretten. Aber [329] [331]nunmehr erkante sie / daß der Leue sie selbst üm Beistand gleichsam anflöhete: daß er sie / seine Wundärtztin zu sein /zu bewegen suchete.

(40) Er stund vor ihr gleich als ein Bittender / und zugleich Liebkosender. Er sahe sie traurig an / sie zum Mitleiden zu bewegen. Er hielt ihr seine Pfohte zu / damit er hinkete / sie zu besehen. Da märkte sie /daß ihm etwas schadete. Da ward sie gewahr / daß er einen Splitter hinein geträhten. Den sahe sie stekken. Sie zog ihn heraus. Sie wischete die Wunde rein ab /und schmierete sie mit etwas Balsams / den sie in einem Büchslein bei ihr trug.

(41) Unterdessen stund der Leue gantz stil. Er sahe sie überaus freundlich an. Er wedelte mit dem Schwantze. Und als sie alles verrichtet hatte / legte er sich vor den Füßen seiner Aertztin nieder. Da lag er /und spielete / wie ein Schoßhündlein. Da gab er ihr die lieblichsten Blikke. Niemahls verliessen sie seine Augen. Sein Gesicht blieb allezeit auf sie gerichtet. Und dieses täht er ohne Zweifel ihr einige Zeichen seiner Dankbarkeit blikken zu laßen.

(42) So veränderte dan alhier dieses Tier / dem die Grausamkeit sonst angebohren zu sein scheinet / sein unbändiges wildes Wesen in ein gantz liebreiches / in ein gantz guhtahrtiges. Sein Gesicht / das sonst so star / so häslich / ja so grimmig aussiehet / gab itzund anders nichts / als die allerlieblichsten /allergühtigsten / allersanftmühtigsten Blikke von sich. Ja es schien / als wan aus seinen Augen der Schrik /der sonsten darinnen / als in seiner eigenen Wohnung / zu hausen pfleget / gantz verbannet gewesen. So viel vermag eine Wohltaht / die oftmahls bei vernünftigen Menschen nicht den geringsten Dank verdienet / in einem unvernünftigen / ja selbst grausamen reissendem Tiere!

(43) Nachdem er also eine Stunde gelegen / sprang er jähligen auf. Er lief eilend einem dikken Knakke zu. Die schöne Timnatterin erschrak. Sie böbete. Sie zitterte. Sie wuste nicht / was sie denken solte. Sie geriet in den Wahn / er habe seine Wildheit wieder angenommen. Aber es schien / daß er irgend ein Wild gewittert: welches er zu fangen / und damit sein[331] Artztlohn zu bezahlen vorhette. Dan er kahm bald wieder / mit einem jungen Rehe. Dieses legte er zu ihren Füßen hin; und rührete es weiter nicht an / als wolte er sagen / es solte für sie gespahret sein.

(44) Weil sie nun märkte / was er wolte / so zog sie dem Rehe die Haut ab. Sie zerteilte desselben Rükken. Die Stükken darvon täht sie in einen Topf mit Wasser / und setzte sie zum Feuer. Unterdessen sahe der Leue fleissig zu. Er gab achtung auf alles / was sie täht. Und als das Gerichte gar / und angerichtet war / auch sie selbsten darvon zu essen begunte / da lies er aus allem seinem Wesen eine sonderbahre Freude blikken.

(45) Nachdem sie sich gesättiget hatte / schied sie von dannen / zu sehen / ob sie irgendwo Menschen antreffen könte. Aber der Leue folgete stähts nach. Er verlies sie nimmer. Wo sie ging / oder stund / oder saß / da blieb er bei ihr. Er war immerzu ihr Gefährte / ihr Jäger / ihr Küchenmeister / ja selbst ihr Beschirmer. Er täht zwar keinem Menschen einiges Leid. Aber wan er sahe / daß iemand der schönen Timnatterin zu nahe kahm / dem gab er straks einen solchen leunischen Blik / daß er muste zurükträhten.

(46) Wan sie schlief / war er ihr Wächter. Er täht kein Auge zu. Auch selbst da sie nach drei oder vier Tagen einige Wohnungen antrafen / blieb er Tag und Nacht bei ihr. Alhier war es / da die Armsälige / nach so manchen erlittenen Ungemachen / etliche Tage lang auszuruhen / und sich zu erhohlen gedachte. Aber das übermäßige Schrökken / der stähtige Kummer / die Erkältung bei ihrem Schifbruche / mit andern dergleichen Zufällen / hatten ihre Kräfte dermaßen geschwächet / daß sie zu kranken begunte.

(47) Der Leue märkte dieses zur stunde. Er ward überaus traurig. Er sahe sie mit kläglichen Augen an. Die Treue / die er ihr bisher erwiesen / ward itzund immer grösser und grösser. Weil ihm die Menschliche Sprache / sein Mitleiden ihr kund zu tuhn / mangelte /so täht er solches durch seine Gebährden. War seine Zunge nicht gelöset oder geschikt ihr einigen Trost[332] zuzusprächen / so bemühete sie sich doch / durch Händeläkken / den guhten Willen zu eusern.

(48) Die Menschen / bei denen sie eingekehret /waren hierüber verwundert. Mit Bestürtzung sahen sie dem Leuen zu. Sie konten zuerst nicht begreiffen /wie ein so grausames und hochmühtiges Tier so gar liebreich und freundlich / so gar demühtig und aufwärtig geworden. Doch hieraus so wohl / als aus der wunderwürdigen Schönheit der schönen Timnatterin schlossen sie endlich / daß dieselbe / welche sie für ein Menschliches Frauenbild angesehen /die Fönizische Göttin Onke selbst sein müste.

(49) Diese beehreten die Fönizier / als eine Göttin der Weisheit / der Tapferkeit / und Liebligkeit / ja der Liebe selbst. So viel / auch wohl mehr übermenschliche Vermögenheiten eigneten sie dieser Onke zugleich zu. Ja wie manche Kräfte die Griechen und Röhmer / unter mancherlei Nahmen / dem einigen Lichte des Mohnes zumaßen / so manche schienen auch die Fönizier ihrer einigen Onke zuzumässen: unter welchem Nahmen sie vielleicht eben so wohl / als jene unter so vielen andern / die einige Göttin des Mohnes verstunden; durch die / nach ihrem blinden Wahne / neben der auch einigen Göttin der Sonne / alles beherschet würde.

(50) Gemeldter Göttin war an etlichen Oertern der Leue heilig. Auch gab man ihr zuweilen / wan sie als eine Göttin der Schönheit und Liebe betrachtet ward /ja wohl sonsten / ihren Stahtswagen zu ziehen / Leuen zu. Was für ein Wunder war es dan / daß diese so einfältigen Wüstlinge die schöne Timnatterin / weil ihr ein Leue so untertähnig aufwartete / für eben dieselbe Göttin hielten? Es war in Wahrheit nicht fremde / daß man sie / in solchem Wahne /gleich als eine Göttin verehrete.

(51) Der Wirt / welcher / mit seiner Fraue / nach des Ortes Beschaffenheit / zimlich from zu sein schien / hatte eine einige Tochter. Diese war ohngefähr von achtzehen Jahren / und in vielen Stükken sehr guhtahrtig: auch nicht häslich / noch ungeschikt. Doch darbei hatte sie ein überaus verliebtes / und fast wildes und freches Wesen an sich. Die Augen [333] rolleten unaufhörlich im Kopfe / und flogen / als angezündete Feuerschwärmer / überal herüm. Sobald sie irgend ein Mansbild erblikten / lieffen sie / als eines Uhrwerks Unruhe / ja stiegen gar / mit einer gleich als aufgeschwollenen Grösse / plötzlich aus ihren Höhlen heraus / nicht anders / als wolten sie straks nach ihrem Gesichtsziele zueilen.

(52) Diese mehr geule / dan lieblich-keusche Blikke verrieten den heftigen Trieb ihrer Begierden alzusehr. Es war ihr nicht müglich solchen Trieb einzuzeumen. Es verfingen auch alhier weder gühtige /noch scharfe Worte; dadurch sie ihre Eltern zu zähmen trachteten. Wie heftig sie der Vater bestrafte /wie genau sie die Mutter bewachte / so lüstern und listig war sie beide zu teuschen. Kaum wendeten sie den Rükken / da war die Tochter schon aus dem Hause: da lief sie schon auf die Buhlschaft. Ja sie sprang / gleich als ein muhtiger brünstiger Hirsch /der sich aus seiner Umstellung gerissen / über Strumpf und Stiel hin. Und wan sie etwan aus Furcht zu Hause bleiben muste / so hatte sie doch einen oder den andern Buhler vor ein Hinterfenster beschieden. Ja sie öfnete / wan die Eltern schlieffen / ihnen wohl gar die Thüre / oder lies sie zum Fenster hineinsteigen.

(53) Was alda vorging / verbietet mir die Schaam zu melden. Ich muß es unter der Rose laßen. Es möchte vor züchtigen Ohren zu ärgerlich klingen. War der Buhler zu blöde / so erwiese sie sich üm so viel kühner. Ihr Kitzel befand sich so übermäßig / daß sie ihn selbst zum Liebespiel reitzete. Ja das jükkende Fel wolte sie gestreichelt / bekrabbelt und gekrabbet haben. Ohne Mansvolk konte sie kaum eine Stunde tauren. Kahm es nicht von sich selbst / so wuste sie es auf allerlei Weise zu lokken. Ward es hierdurch noch nicht lüstern ihre lüsterne Begierde zu vergnügen; so eilte sie selbsten / sobald sie Luft bekahm / einen Buhler zu suchen. Der nächste war der Liebste. Sie traht schier allen Pfützen / die ihr am ersten aufstiessen / die Augen aus: auch selbst den häslichsten Mistkeuten. So gar vergeultgroß war ihr Liebedurst! so gar übermäßig hitzig war ihre Hertzensbrunst!

(54) Dieses unbändige Wesen verdunkelte alle ihre Geschikligkeiten. [334] Diese wilde Unahrt vereitelte alle ihre Guhtahrtigkeiten. Diese so gar unkeusche Brunst brandmärkte ihre sonst liebliche Leibesgestalt mit einem häslichen Schandflecke. Dieses einige Laster /das sie an sich hatte / verstellete / verderbete / ja vernichtigte alle ihre Tugenden. Und hierdurch verlohr sie fast allen ihren Ruhm. Hierdurch geriet ihre Ehre beinahe zum Falle. Hierdurch bekahm sie einen häslichen / greulichen / abscheulichen Nahmen: für welchen / ihn zu entgreulen und angenehm zu machen /schier kein Mittel mehr zu finden.

(55) Weil sie nun das Vermögen nicht hatte / wiewohl sie es zu haben ängstiglich wünschte / solchen so gar geulen / so gar heftigen Begierden zu widerstehen; so ging sie bei sich selbsten zu Rahte / wie diesem so schädlichen Ubel zu begegnen sei. Und hierzu fand sie kein anders Mittel / als den Ehstand: in welchem sie / ohne Verlust ihrer Ehre / diese so geule Lust büßen könte. Ein solches Mittel zu erlangen entschlos sie sich zugleich die bei ihnen eingekehrte vermeinte Göttin Onke demühtigst anzuflöhen. Und zu dem Ende traht sie / in Abwesenheit ihrer Eltern / vor das Bette der schönen Timnatterin. Vor dieser gewähnten / wiewohl kranken Göttin fiel sie auf die Kniehe nieder / und schüttete folgendes Gebäht aus.

(56) »Große Göttin« / sagte sie / »die du Dich gnädig erzeigest allen / die Dich anflöhen; zu Dir flühet meine flöhende Seele. Bei Dir suche ich Zuflucht. In Dir hoffe ich zu finden / was ich suche. Aus Dir darf ich alles erwarten. Von Dir mag ich alles verlangen. Durch Dich mus ich mein Verlangen erlangen. Ach! neige doch deine Ohren / kehre doch deine Augen zu mir! Höre doch meine Stimme! Siehe doch mein Anligen! Vernim doch meine Seufzer! Schaue doch an die Angst meines Hertzens!«

(57) O weise Göttin / die du alles weist! Du weist besser / als ich / was mir fehlet. O mächtige Göttin /in derer Macht alles stehet! Du allein hast die Macht mir zu helfen. Ach! so hülf / so hülf dan! hülf deiner bekümmerten / deiner sonst hülflosen Dienerin! Du bist ja so gühtig / so barmhertzig / daß ich an [335] deiner Hülfe nicht zweiflen mag. »Und hiermit schwieg sie eine guhte Weile stokstille.

(58) Die schöne Timnatterin sahe die Flöhende mit Verwunderung an. Mit Bestürtzung vernahm sie / was sie sagte. Sie lag krank und schwach zu Bette: gleichwohl hörete sie sich eine mächtige Göttin nennen. Sie wuste schiel nicht / ob jene / oder sie selbst treumete. So gar fremde / so gar seltsam kahmen ihr alle diese Reden vor! Gleichwohl lies sie sich dessen nichts märken. Sie wolte die Flöhende lieber bei ihrem Wahne laßen / als sich zur Unzeit offenbahren. Hierdurch gedachte sie mehr Aufwartung und Dienste / mehr Wilfahrung und Treue von solchen Leuten / denen sie sonst / als Halbwilden / wenig trauen durfte / in diesem ihrem elenden Zustande zu haben.«

(59) Ja sie war / üm ihrer Sicherheit willen / nicht wenig froh / daß sie in solches Ansehen gelanget. Wiewohl es ein Laster der beleidigten Gottheit war /daß sie die Ehre / die einer unsterblichen Göttin zukahm / ihrem sterblichen Selbstande zuzueignen gestattete; so machte doch die Noht / die auch das Eisen bricht / dieses Laster alhier gleichsam zur Tugend. Endlich fragte sie die ängstliche Bitterin: was für eine Hülfe sie suchte? was für ein Anliegen sie drükte.

(60) »Alwissende Göttin« / fuhr jene fort / »warüm fragstdu nach meinem Anliegen; da es Dir doch eben so wohl / ja besse bekant ist / als mir? Das Feuer der Liebe / das mich ängstiget / hastdu ja selbsten angezündet. Diese heftige Begierden / die mich so übermäßig foltern / hastdu mir ja selbsten eingepflantzet. Den Treiber meines Gemühtes / der meine Sinnen mit Schlagschlägen gleichsam forttreibet / und so ungnädig mit mir handelt / hast du ja selbsten bevolmächtiget. Warüm stellest du dich dan / als were Dir nichts bewust?

(61) Ach! vertilge doch / gnädige Göttin / oder lindere nur diese meine Brunst. Nim aus meinem Herzen die ungestühmen Begierden weg / oder aber besänftige sie. Befiel meinem Gemühtstreiber mich in Ruhe zu laßen / oder mit mir was erleidlicher zu handeln. Und wan Du ja keines von beiden zu tuhn in deinem Rahte beschlossen; wan ich darzu bestimt bin / [336] daß das Feuer meiner Liebe / wie es angefangen / so fortwühten sol: ach! so erweise mir doch diese Gnade /daß ich / auf deinen Wink / durch deine Hülfe / Gelegenheit finde solchen Brand / ohne Verlust meiner sonst in Gefahr schwebenden Ehre / vergnüglich abzukühlen. Diese Gelegenheit kan mir der Ehstand /darein ich mich zu begeben verlange / nur allein geben.

(62) Länger ausser diesem Stande zu leben ist für mich kein Raht. Wan mir nicht bald das Glük zufället einen Ehliebsten zu ümarmen / so bin ich verlohren. Es ist aus mit mir. Alle meine Ehre stehet in Gefahr. Darüm erbarme dich meiner / O barmhertzige Göttin! Biete mir bei Zeiten deine Hand! Reis mich bei Zeiten aus diesem Unglükke! Du allein kanst es tuhn. In deiner Macht allein stehet mein Glüks- und Unglüks-stern. Du allein bist es / die mich besäligen / mich erfreuen / und meine Ehre retten kan. Ach! eile bald /meine Helferin / eile bald! Eile bald mir zu helfen /weil mir noch zu helfen stehet!«

(63) Auf diese so ängstiglich ausgelaßene Worte folgete ein gantzer Schwarm Seufzer: den ein gewaltiger Platzregen von Trähnen begleitete. Hieraus / und aus allen ihren Gebährden konte man augenscheinlich schlüßen / daß alles / was sie gesprochen / ihr Hertzenswunsch sei. Die schöne Timnatterin sahe die Armsälige / darinnen zwo widerwärtige Angebohrenheiten widereinander so heftig stritten / überaus mitleidendlich an. Sie sahe mit Verwunderung /wie die zum Guhten geneugte / doch schwächste der stärkeren Bösen zu widerstehen mit Gewalt trachtete; aber an Kräften viel zu schwach fiel. Ja sie konte sich nicht gnug verwundern / daß eine solche / die in einer wüsten Wildnis / unter lauter Wüstlingen / gebohren und erzogen worden / dem Guhten noch so viel nachahrtete / daß sie ihrer so überaus bösen und überaus mächtigen Unahrt sie zu überwältigen / so überausgern den Kopf bieten wolte / wan nur ihr Vermögen solchen so guhten Willen die Hand zu bieten mächtig genug sein möchte.

(64) Sie wünschte wohl tausendmahl dieselbe Göttin / für die man sie ansahe / nur dieser Drangsäligen zum besten / wahrhaftig zu sein. Zum wenigsten wünschte sie die Macht zu [337] haben ihr zu helfen. Aber der zu liebe / der sie nicht zu helfen vermochte / solches zu wünschen war nur vergebens. Beide Wünsche blieben leer. Sie konte weder die Göttin Onke werden / noch so viel Macht ihr anmaßen der Bittenden zu wilfahren. Gleichwohl stellete sie sich / als wolte sie ihr helfen. Gleichwohl gab sie ihr die allerschönsten Vertröstungen / zum wenigsten die allertröstlichsten allerleutsäligsten Worte.

(65) Unter andern fragte sie: ›welchen Jüngling in der Nachbarschaft sie wohl am meisten liebete / und ob derselbe / den sie also liebete / sie auch wieder liebete?‹ Auf beide Fragen war die Antwort: ›sie hette keinen lieber / als ihres nächsten Nachbahrn mittelsten Sohn; der unter allen / welche sie kennete / der geschikteste / verständigste / und eingezogneste Jüngling / auch ihr wieder mit gar sonderlicher Liebe zugetahn sei.‹

(66) »Wie komt es dan« / fragte die schöne Timnatterin weiter / »daß aus Euch beiden kein Ehpaar werden kan?« »Ach!« gab die Verliebte wieder zur Antwort / »beide Väter seind uns verhinderlich. Der meinige wil mir nicht gestatten nur einmahl mit ihm zu reden. Hingegen wendet der Seinige vor: ich sei nicht reich genug; ich habe so viel Mittel nicht / als sein Sohn hette; ich were noch vielzujung / und was des Dinges mehr ist. Hierdurch bin ich / aus Zweifelmuhte / veruhrsachet worden meine brennende Liebe /die mich so gar sehr verunruhiget / auf andere / ja bald auf diesen / bald auf jenen zu lenken. Unterdessen bleibet doch der erste der allerliebste / und ich kan / noch mag seiner nicht vergessen.«

(67) »Was hat dan derselbe / den du so beständig liebest« / fuhr die schöne Timnatterin fort / »gelernet /und was für einen Beruf / damit er dich ernehren könte / pfleget er zu treiben?« »Er ist ein Wildschütze« / antwortete die Verliebte. »Auch verstehet er die gantze Jägerei; die er am Hofe des ältesten Fünffürsten / da er drei Jahr in Diensten gewesen / gelernet. Dieser tapfere Fürst / der unser Landesherr ist /hat ihn / seiner Geschikligkeit und Treue wegen /überaus lieb gehabt. Aber etliche von den Jägern misgönten dieses Glük ihm dermaßen / daß sie nicht eher zu schlafen sich verschwuhren / [338] sie hetten ihn dan in die euserste Ungnade gebracht. Und also bekahm dieser guhte Mensch ohngefähr vor einem Jahre plötzlich seinen Abschied. Von der Zeit an hat er sich stähts alhier / bei seinem Vater / aufgehalten: da wir dan Gelegenheit bekahmen / einander bekant und günstig zu werden.«

(68) Sobald die schöne Timnatterin verstund / daß dieser Jüngling bei eben demselben Fünffürsten / der sie an Tochter stat aufgenommen /gedienet / da ward sie straks so vol Freuden / daß sie alles ihres Kummers vergaß. Ja die Krankheit selbst verlies sie von Stunden an. Von Stunden an stund sie auf / und sagte / mit lieblichem Lächlen / zu derselben / die ihr dieses erzehlet: »sei getrost / meine Tochter. Ich gewähre dich deiner Bitte. Ich wil alles tuhn / was du begehrest. Weil derjenige / den du so hertzlich / so treulich / so beharlich liebest / ein solcher ist / wie du sagest; so versichere ich dich / du solst ihn haben /und keine andere. Uber ein kleines wil ich verschaffen / daß du in seinen Armen ruhen solst. Gib dich nur noch ein wenig zu frieden. Sei stille! Sage nichts!

(69) Ja ich wil noch mehr tuhn / als du bittest. Dir zu Liebe wil ich so viel tuhn / daß dein Liebster bei dem Fünffürsten seine vorige Gnade zweifach wieder erlange. Um deinet willen wil ich so viel zu Wege bringen / daß er über alle seine Misgönner sol erhoben werden. Er sol der fürnehmste werden unter allen Jägern. Das Gebiet über sie alle sol ihm gegeben werden. Auch du solst dieser Gnade mitgenüßen. Die Fünffürstin selbst sol dir mit der höchsten Gnade gewogen sein. Diese sol sich auch so weit erstrekken /daß sie dich an ihre Tafel / an ihre Seite wird setzen.«

(70) Wie froh über diesen Worten die Verliebte ward / ist nicht auszusprächen. Für übermäßigen Freuden wuste sie nicht / was sie täht. Sie sprang von ihrem Fußfalle / der bishierher gewähret / jähligen auf. Sie hüpfte / sie tantzte. Sie war so lustig / so fröhlich / daß sie ihrer selbst vergaß: daß sie vergaß dieser vermeinten Göttin für ihre milde Gunst zu danken. Doch endlich besan sie sich. Sie kahm wieder zu sich selbst. Sie täht einen neuen Fußfal / ihre Danksagung / in tiefster Demuht / zu verrichten.

[339] (71) »Gühtige Göttin« / fing sie / im niederfallen / an / »ich wiederhohle meinen Fußfal. Ich beuge vor Dir abermahl die Kniehe. Ich falle vor Dir abermahl nieder; doch mit verändertem Vorsatze. Bei jenem Fußfalle begehrte ich Trübsälige zu suchen / zu finden / und zu empfinden deine Gnade. Bei diesem wil ich nunmehr Erfreuete geben / und schenken / was ich habe / Dir / O allergnädigste Göttin / für deine mir angebohtene so überschwänglich große Gnade zu danken. Hier lieget deine gantzergebene Dienerin vor deinen Füßen. Die nim hin zum Danke / den ich gebe. Besser weis und vermag ich meine Dankbarkeit nicht darzustellen / als durch Uberreichung und Ubereignung meiner selbst.

(72) Liebreiche Göttin / ich gebe Dir zu eigen mein gantzes Mich. Ich gebe Dir zum Eigentuhme mein gantzes Vermögen. Ich heilige Dir mein gantzes Hertz / das deines Dankes vol ist. Ich wiedme Dir alle meine Gedanken / die an nichts anders gedenken / als Dir zu danken. Ich eröfne / Dich zu preisen / meinen Mund. Durch meine Lippen sol deine Ehre hervorbrächen. Meine Zunge sol Dir ewig lobsingen / Dich ohn Unterlaß rühmen / Dir fort und fort danken. Nimmermehr wil ich deiner Gnade vergessen. Nimmermehr wil ich aufhören deine Gühte zu erhöben. Ja ich wil Dich rühmen / ich wil Dich preisen / ich wil Dir danken immer und ewiglich.«

(73) Diese so jähligen entstandene Freudenbezeugungen der schönen Timnatterin so wohl /als der verliebten Bersaberin / ermunterten den Leuen endlich auch seine Freude zu eusern. Wie betrübt und traurig er bisher über die Unbäsligkeit seiner Aertztin sich angestellet / so erfreuet war er itzund / da er sie wieder wohlauf sahe. Er wedelte mit dem Schwantze. Er schüttelte die Mähne. Er richtete sich mit den Vörderpfohten in die Höhe. Er hub den bisher hängenden Kopf wieder auf /und sahe die Wiedergenäsene mit munteren Augen an. Ja er sprung für großen Freuden kurtz herüm.

(74) Hierauf bekahm die schöne Timnatterin Lust sich in die frische Luft zu begeben. Zu dem Ende ging sie vor die Hintertühre. Nicht weit von dar erblikte sie einen grühnen Anger / in einem breiten Grunde. Dahin täht sie / durch das [340] ümliegende Feld / einen Lustwandel. Der Leue begleitete sie. Aber die Verliebte blieb zu Hause. Sobald sie den Anger erreichet / da kahm ihr ein Jüngling entgegen. Dieser ging bekleidet / eben wie die Jäger ihres Herrn Vaters / des Fünffürsten. Daher muhtmaßete sie von stunden an / daß er derselbe Wildschütze sei / dessen die Tochter ihres Würtes erwähnet.

(75) Sie ward froh / daß sie eine so gewünschte Gelegenheit bekahm ihn allein zu sprächen. Aber er schlug seitwärts aus dem Fußsteige. Er sahe sie ebenmäßig / als andere / weil eine mehr als Menschliche Schönheit ihr beiwohnete / und ein Leue sie begleitete / für eine Göttin an. Und darüm entsetzte er sich für ihrem Anblikke. Darüm durfte er sich nicht erkühnen ihr zu begegnen. Darüm fürchtete er sich ihr zu nahen. Sobald sie dieses märkte / rief sie ihn selbst zu sich. Sie sprach ihn mit überaus leutsäligen Worten an. Er solte nicht aus dem Wege weichen. Er solte sich nicht scheuen zu ihr zu kommen. Sie hette ihn etwas zu fragen. Und hiermit stund sie stil / und wartete seiner.

(76) Auf diese Reden kehrete der Schüchterne wieder nach ihr zu. Er beugete sich vor ihr gantz ehrerbietiglich. Er neigete sich dreimahl zur Erde nieder. Und als er ihr so nahe war / daß sie einander die Hand zureichen konten / da fiel er auf das Angesicht die vermeinte Göttin anzubähten. Sie aber befahl ihm aufzustehen / und auf dasselbe / das sie fragen würde / zu antworten. »Weil ich weis« / sagte sie / »daß zwischen dir und der Tochter meines Würtes einige Liebe sich entsponnen / so bin ich / aus gewissen Uhrsachen / begierig von dir zu erfahren / ob du sie auch zu ehligen gedenkest?«

(77) Diese so unvermuhtliche Frage jagte dem Jäger ein bluhtrohtes Färblein ab. Die Schaam machte den Scheuen gantz schüchtern. Er durfte die Augen nicht aufschlagen. Viel weniger war ihm müglich zu antworten. Er stund eine guhte Zeit / als mit Bluhte begossen / und sein Angesicht gleichals in einem feurigen Dampfe. Dieser schien seine Zunge zu überstülpen / daß sie unbewäglich blieb / daß sie kein Wort bilden konte. Selbst der Mund war als zugespündet. Er rührete sich nicht. Er verstummete gantz. Er blieb sprachloß und geschlossen.

[341] (78) Die schöne Timnatterin trachtete solche Scheu und Schaam dem schüchternen Schaamlinge zu benähmen. Sie suchte den Blödling zu entblöden / den Feigling kühn und kek zu machen. Sie hielt ihm vor / daß alles sein Glük auf dieser ihrer Frage beruhete. Ihn zu besäligen stünde gantz in ihrer Macht. Dieses könte / ja wolte sie auch tuhn. Darüm solte er ihr nur kühnlich antworten. Er solte seines Hertzens Gedanken nur ungescheuet heraus sagen. Wan er solches nicht tähte / so könte sie auch nicht tuhn / was sie wolte. Ihr Wille sei bereit ihm zu helfen. Aber sein Wille müste gleich also bereit sein ihr die Wahrheit zu offenbahren / und nicht zu vertuschen. Kurtz / er solte sich alhier erweisen / als ein Jäger / als ein Schütze; dessen Beruf erforderte weder scheu / noch blöde / weder furchtsam / noch feig zu sein. Wolte der Glüksjäger sein Glük erjagen / so müste die Kühnheit ihm zum Windspiele / die Kekheit zum Jägerspiesse dienen.

(79) Nachdem nun dieses Schüchterlings feuerrohter Anstrich / damit die Schaam seine Bakken bezeichnet / in etwas verblichen; nachdem das Spund aus seinem Munde / das Band von seiner Zunge gesprungen; da brach er endlich in folgende Reden aus. »Ich gedenke« / sprach er / »wohl viel zu tuhn: aber der Zwang zwinget mich meine Gedanken zu ändern. Mein Wille were freilich diese Tochter unsers Nachbarn zu ehligen / wan meines Vaters Wille den meinigen billigte. Weil dieser mein Vater verbeut sie nur einmahl zu sprächen / so darf ich / wie lieb ich sie habe / die Gedanken / ihr Breutigam zu werden / nicht fassen.«

(80) »Warüm ist dan dein Vater dieser deiner Liebe so gar zuwider?« fragte die schöne Timnatterin. Der Wildschütze gab zur Antwort: »weil meine Liebste nicht reich genug ist; weil sie von ihren Eltern / die nur arme / dürftige / wiewohl sonst redliche Leute seind / keine genug ansehnliche Morgengabe zu gewarten hat.« Hierauf fragte sie ferner: »siehestdu dan auch auf den Reichtuhm? und woltestdu wohl lieber eine andere zu heurrahten wehlen / wan dieselbe reicher were / dan diese?«

[342] (81) Weil er nun beide Fragen mit Nein beantwortete; so versprach ihm die schöne Timnatte rin / nachdem er seine Liebste / ihrer Armuht ungeachtet / so gar beständig liebete / zu verschaffen / daß er mit solcher seiner Liebsten / wie arm und dürftig auch ihr Vater sei / gleichwohl anderswoher eine reiche Beisteuer bekommen solte. Ja sie selbst wolte sie / als eine Mutter ihre leibliche Tochter / ausstatten. Von ihr selbsten / und aus ihrer Hand solte er dieselbe / die ihm so hertzlich lieb sei / zu empfangen haben. Aber er müste zuvor eine Reise zum Fünffürsten tuhn. Zu dem wolte sie ihn / in einer hochwüchtigen Angelegenheit / selbst absenden. Sobald er von dar wieder zurük gelangete / solte seine Liebste Braut / und er Breutigam sein. Er solte zwischen dessen nur stil schweigen / und der Zeit erwarten.

(82) Wie froh der Jäger anfänglich über einer so gewünschten / so angenehmen Vertröstung ward / so traurig ward er nachmahls wieder / als die schöne Timnatterin des Fünffürstens erwähnete: zuvoraus als er vernahm / daß er dahin eine Reise tuhn solte. Die Ungnade / die der Fünffürst auf ihn geworfen / lag ihm noch immer im Sinne. Das zornige Gesicht / damit er ihn angeblikket / als er ihm / von seinem Hofe sich wegzupakken / und nimmermehr wieder vor ihn zu kommen / befohlen / schwebete noch allezeit vor seinen Augen. Darüm befahrete er sich / es würde mit solcher Reise für ihn nicht alzuwohl ablauffen.

(83) Die schöne Timnatterin märkte seine Gedanken zur Stunde. Aus der Erzehlung seiner Liebsten war ihr sein Widerfahren bei Hofe schon bekant. Sie wuste schon / daß er / aus Verleumdung etlicher Jäger / in des Fünffürsten Ungnade gerahten. Und daher kunte sie leichtlich muhtmaßen / daß er Bedenken trüge vor einem solchen Herrn / der ihm seinen Hof für ewig verbohten / zu erscheinen. Ja daher suchte sie ihm ein Hertz einzusprächen. Und weil er nachmahls ihr selbst bekante / wie es üm ihn stund / und was ihn von solcher Reise zurükhielte; so sagte sie / er solte sich nach Hofe zu ziehen nicht abschrökken laßen. Er solte nur guhtes Muhtes sein. Sie wolte / durch ein Brieflein / bei dem Fünffürsten[343] schon so viel auswürken / daß er die verlohrne Gnade zehenfach wieder erlangen solte. Ja sie versicherte ihn / daß an dieser Reise sein gantzes Glük hinge.

(84) Auf diese so guhte Versicherung entschlos er sich dan mit dem künftig-anbrächendem Morgen abzureisen. Zu dem Ende gieng er auch / sich wegefärtig zu machen / von stunden an nach Hause. Die schöne Timnatterin aber blieb noch ein wenig auf dem Anger. Und nachdem sie sich mit Wandeln genug ergetzet hatte / kehrete sie auch wieder zu ihrer Behausung. Alda setzte sie sich / und verfärtigte folgendes


Schreiben an ihren Herrn Vater

den Fünffürsten.


Liebster Herr Vater / Gnädiger Fürst /


Ich lebe noch. Ich bin ausser Gefahr. Ich befinde mich wieder in seinem Gebiete. Dessen kan Ihn dieser Brief / und der ihn bringet / dieser Jäger / versichern. Es brach über mir ein Unglükswetter auf. Der Egiptische Königliche Fürst hatte mich beinahe schon in seinen Raubklauen. Ich war schon zu Schiffe gebracht ihm zugeführet zu werden. Ich schwebete schon auf der See. Ich erblikte schon von ferne die Grentzen des Egiptischen Raubnestes. Aber der Himmel hat mich aus dieser Gefahr erlöset. Ein gewaltiger Seesturm schlug das Raubschif zurük / und mitten voneinander. Er schlug die eine Helfte / samt den Reubern / zu Grunde / und die andere / mit mir / auf das Filistische Land. Alda lag vor mir die Bersabische Wüste. In dieser irrete ich einsam herüm / bis ein Leue mich zur Aertztin / und ich ihn zum Gefährten und Aufwärter bekahm. In dessen Geleite geriet ich endlich dahin /da Menschen wohneten. Diese hielten / ja ehreten mich als eine Göttin. Auch bewürteten sie mich / so guht / als sie konten. Unter denen dienete mir die Tochter meines Würtes am meisten. Von ihr erfuhr ich erst / daß ich wieder unter des Herrn Vaters [344] Gebiete gelanget: und daß dieser Jäger / den ich an Ihn abgeschikt / und der ihr Liebster ist / an seinem Hofe gedienet. Wie froh ich über beides ward / kan ich nicht sagen. Ich verlangte von stunden an solchen ihren Liebsten zu sprächen. Ich entschlos mich straks ihn zum Bohten zu gebrauchen. Er war auch willig hierzu: doch auf meine Versicherung / daß er / an stat der Ungnade / die ihm / ohne seine Schuld / etliche Verleumder und Misgönner bei dem Herrn Vater veruhrsachet / eine völlige Gnade wieder finden solte. Weil ich nun an des Herrn Vaters Liebe gegen mich /als seine gehohrsamste Tochter und treueste Dienerin / keines Weges zweifeln darf; so darf ich auch keinen Zweifel tragen bei Ihm so bitsälig zu sein / daß er seinen auf den Unschuldigen geworfenen Zorn fallen /und ihm die verlohrne vorige Gnade / mir zu Liebe /zehnmahl milder blikken laße. Er verdienet in Wahrheit / an stat der Ungnade / diese Gnade / daß er über alle Jäger erhoben / und zum Jägermeister des gantzen Fürstentuhms bestellet werde. Und zu dieser Würde verhoffe ich ihm Glük zu wünsche / sobald er / auf des Herrn Vaters beliebten Befehl / mit Desselben Abgefärtigten / wieder zurükkommen wird / die jenige nach Hofe zu begleiten / welche seine gehorsamste selbst erkohrene Tochter und getreueste Dienerin eben also zu leben und zu sterben wünschet / als man sie bisher gewürdiget zu nennen

Die schöne Timnatterin.


(85) Bei überreichung dieses und noch eines anderen Schreibens / befahl sie dem Jäger zu eilen. Sie wolte / daß er sich keines Weges seumete. Und damit er üm so viel eher bei dem Fünffürsten angelangte /mietete sie ihm ein Pferd. Hierauf begab er sich / sobald der Himmel zu grauen begunte. Hiermit jagte er tapfer fort. Ehe der Tag recht anbrach / war er schon so weit weg / daß man ihn nicht mehr sehen konte. Und also kahm er / nach etlichen Stunden / bei Hofe glüklich an.

(86) Alhier fand er alles in Ruhr. Alle Filister versamleten sich. Alles stund in vollen Waffen. Man war geschäftig das Volk Israels mit Kriege zu überziehen. Simson ward beschuldiget / er hette die schöne Timnatterin entführet. Auf [345] niemand anders fiel der Verdacht / als auf ihn. Er solte deswegen herhalten. Das gantze Volk Gottes solte dessen entgälten. Alle Stämme des Israels wolte man anfallen solchen Raub zu rächen. Man wolte sie unversehens überrumpeln. Und darüm hielt man es heimlich / wohin dieser Kriegszug gemeinet.

(87) Gleichwohl warden jene / solcher mächtigen Kriegsrüstung wegen / auch wakker. Sie schlieffen nicht. Sie trauten dem Landfrieden nicht. Simson kennete den Ubermuht der Filister alzu wohl. Er wuste sehr wohl / was sie im Schilde führeten. Ihm konte nicht unbekant sein / wie wetterwändisch / wie unbeständig sie weren. Und darüm begunte man sich auf Israels Grentzen auch schon zu rüsten. Man machte sich alda auch bereit zum Gegenstand. Die junge Manschaft ward aufgebohten die Grentzstädte zu besetzen. Simson selbst war hinten und vornen. Er war überal geschäftig. Er stellete gantz vorsichtig alles an.

(88) Ein Leue schläft mit offenen Augen / mit wedlendem Schwantze / seinen Feind abzuschrökken: indem er ihm einbildet / er wache. Eine solche Leuenahrt lies alhier Simson blikken. Die Filister gedachten ihn / durch einen unterlichen Frieden / gantz in den Schlaf gewieget zu haben. Sie vermeinten / sie hetten ihm / durch eine blaue Dunst / die Augen zugeschlossen. Aber der wakkere Simson hielt sie gleichwohl allezeit offen. Selbst seine tapfere Faust befand sich in stähter Bewägung. Sobald sich nur etwas in der Nachbarschaft rührete / lies er sein hurtiges / vorsichtiges / wakkeres / und tapferes Wesen blikken.

(89) Der Fünffürst stund eben im Schloshofe sich auf seinen Streitwagen zu begeben / als ihm der abgefärtigte Jäger den Brief der schönen Timnatterin einhändigte. Weil er nun / aus der Uberschrift / die Hand sostraks nicht kennete / so fragte er / mit zimlich rauen Worten / von wem er kähme? Der Jäger gab zur Antwort: er wüste nicht anders / als daß dieselbe / die ihn geschrieben / die Große Göttin Onke sei. »Wie komstdu dan an den Brief einer so Großen Göttin?« fragte der Fünffürst ferner. Und der Jäger antwortete wieder: Sie hette denselben [346] ihm selbst in die Hände gegeben / und darbei ausdrüklich begehret ihn ja eilend nach Hofe zu bringen. Zu dem Ende hette sie ihm auch selbst ein Pferd gemietet / und tapfer fortzujagen befohlen.

(90) Der Fünffürst ward über diesen Worten des Wildschützen zum höchsten verwundert. Er konte nicht begreiffen / woher es komme / daß eine so Große Göttin ihn so hoch würdigte: daß eine unsterbliche Göttin sich so gar tief herunterliesse / mit eigner Hand an einen sterblichen Menschen zu schreiben. In solcher Verwunderung brach er den Brief auf / und entfaltnete ihn. Sobald er die Unterschrift erblikte /rief er überlaut: »du hast recht gesagt / dieser Brief sei von einer Göttin geschrieben. Es hat ihn auch in Wahrheit eine Göttin geschrieben; wiewohl nicht die Göttin Onke. Die Göttin von Timnat ist es / derer Handschrift ich alhier erblikke. Die schöne Timnatterin ist es. Meine liebste Tochter ist es. Ach ja! sie ist es selbst / die an mich schreibet.«

(91) Hiermit fing er den Brief an zu lesen. Schier bei ieder Zeil hielt er stil. Ja schier bei iedem Worte euserte sich eine neue Bewägung seines Gemühtes. Anfangs spührete man / aus seinen Gebährden / eine gantz ungemeine große Freude. Bald darauf lies er eine schier grössere Bestürtzung blikken. Doch diese schien / im fortlesen / wieder mit einigen Freudenzeichen vermischt zu werden. Ja wie oft der Inhalt des Schreibens sich änderte / so oft veränderte sich auch des Lesers Wesen.

(92) Weil nun die gantze Kriegsmacht der Filister zum Feldzuge schon aufgebrochen / auch etliche Schaaren albereit fortzuziehen begonnen; so befahl er / als er noch mitten im Briefe war: man solte den Feldzug aufschüben. Alle Völker solten sich wieder in ihr Läger verfügen. Alda solte man auf weiteren Bescheid warten. Simson sei unschuldig / fuhr er fort. Man hette bisher ihn fälschlich bezüchtiget. Es kähme von weit höherer Hand / daß seine Fürstliche Tochter entführet worden. Der Kriegeszug müste nunmehr verändert / und anderswohin / als das unschuldige Volk der Kinder Israels zu überziehen / gewendet werden. Und darüber müsten sich zuvor alle Fünffürsten berahtschlagen.

[347] (93) Hierauf schlug er die Augen wieder auf den Brief. Und nachdem er ihn zweimahl nacheinander durchgelesen / sahe er den abgefärtigten Jäger überausgühtig / überausgnädig an. »Was sol ich nun dir« / sprach er / in Gegenwart aller ümstehenden Hof- und anderer Fürstlichen Bedienten / überlaut /»für eine Gnade blikken laßen / weil du mir einen so gar hocherfreulichen Brief eingehändiget? Mit was für einem Bohtenlohne sol ich die fröhliche Bohtschaft /die du mir bringest / vergälten? Alle meine Gnade sol dir hinfort offen stehen. Bitte nur / was du wilst. Ich wil dir nichts versagen.«

(94) Nach Volendung dieser Worte / kehrete er sich zu den Jägern und Wildschützen üm / die hinter ihm /auf der linken Hand fast alle beisammen stunden. »Und ihr Jäger« / fing er zu ihnen an / »was meinet ihr wohl / daß dieser euer Mitjäger und Spiesgeselle verdienet? Was sol ich ihm für diese seine Dienste /die er itzund meiner liebsten und einigsten Fürstlichen Tochter geleistet / und dadurch mich so gar hoch erfreuet / für eine Gnade bezeigen?«

(95) Weil nun keiner unter allen Jägern hierauf zu antworten sich erkühnete / so fuhr er fort / nachdem er ein wenig stil geschwigen. »Wisset dan« / sagte er /»daß ich diesen meinen Liebling / den etliche seiner Misgönner unter euch ehmahls fälschlich bei mir angegeben / itzund zum Obersten Jägermeister in meinem gantzen Fürstentuhme bestellet. Und darüm gebiete ich euch / ihn hinfort für euer Oberhaupt zu erkennen / und allen seinen Befehlen so wohl / als den meinigen / zu gehorchen.«

(96) Hierauf sahen die Jäger einander an. Ihre Gebährden gaben den Unwillen und Verdrus / den sie hatten / daß ein so junger Jäger / der noch darzu von gantz geringer Abkunft war / ihnen allen vorgezogen würde / genugsam zu vernehmen. Aber keiner hatte gleichwohl das Hertz dem Fünffürsten zu widersprächen. Seine Wahl wolte guht geheissen / und sein Fürstlicher Wille volbracht sein.

(97) Endlich befahl er auch / daß hundert auserlesene Reiter / einen Rit in die Bersabische Wüste zu tuhn / sich gegen zukünftigen Morgen solten gefast halten. Diese waren bestimt [348] den neuen Oberjägermeister / den der Fünffürst seine Fürstliche Tochter wiederzuhohlen absenden wolte / bei seiner Hin- und Her-reise zu begleiten. Zudem Ende warden ihm auch drei neue Stahtsrökke / samt allem Zugehöhr / aus der Fürstlichen Kleiderkammer gereichet; damit er in seiner Gesantschaft / wie es einen Fürstlichen Gesanten geziemet / stahtlich genug aufziehen möchte.

(98) Also sahe man diesen Jäger in einem augenblikke mit Ehren und Gnaden gleichsam überschüttet. Sobald kehrete sich das Blat üm! Sobald fiel ihm das höchste Glük zu! Sobald ward aus einem verachteten Wüstlinge / ja Staublinge / der ausbündigste Liebling / der ansehnlichste Höfling! Derselbe / der nur vor einer Stunde nichts anders / als ein armer / und darzu dienstloser Jägerknecht gewesen / war itzund ein Fürstlicher Oberjägermeister: den sein Fürst überdas auch so hoch begnadigte / daß er die Ehre haben solte / als ein Gesanter / mit einem so prächtigen Nachschwalke von auserkohrnen Reitern / an seine liebste Fürstliche Tochter / Sie nach Hofe zu begleiten /ausgeschikt zu werden.

(99) Uber alle diese gantz unvermuhtete Ehre ward der Jäger so vol Freude / daß Justien / und Mandro / als sie / jener aus einem Seuhürten / und dieser aus einem Schiffer / zu Röhmischen Keisern / Primislaus / als er aus einem Kühhürten zum Böhmischen Könige / Darius / als er aus einem Häscher zum Persischen Könige / Agatokles / als er aus einem Töpfer zum Sizilischen Könige / Telefanes / als er aus einem Wagner zum Lidischen Könige /Hiperbolus / als er aus einem Liechtzieher zum Fürsten der Atehner / Viriat / als er aus einem Hürten / Jäger / und endlich Straßenreuber zum Heerführer der Portugallier / Gadareus / und Ventidius / als sie beiderseits aus Bätlern zu Römischen Bürgermeistern / ja Rodope / als sie aus einer gemeinen Huhre zur Egiptischen Königin erhoben worden / freudiger und fröhlicher nicht sein können.

(100) Als nun die Zeit das Abendmahl zu halten herbeigenahet / ward dieser neue Oberjägermeister auch mit an die Fürstliche Tafel gesetzt. Alda bekahm er Gelegenheit den Brief der schönen Timnatterin / den sie ihm an die Fünffürstin [349] mitgegeben / zu überreichen. Und dieses täht er im zusehn des Fünffürsten: welcher nicht eher essen wolte / noch konte / er habe dan zuvor dessen Begrif vernommen. So begierig war er den gantzen Zustand seiner Tochter zu wissen! Darüm ward er ihm auch von der Fünffürstin selbst alsobald vorgelesen. Er lautete aber von Worten zu Worten / wie folget.


Schreiben an ihre Frau Mutter /

die Fünffürstin.


Liebste Frau Mutter / Gnäd(ige) Fürstin /


Ich habe bisher manches Unglük empfunden. Doch hat mich keines so heftig geschmertzet / als das mir die Ehre der Frau Mutter aufzuwarten so lange misgönnet / ja so wühterisch entzogen. Mancher Glüksstoß ist mir begegnet. Doch hat mir keiner so weh getahn / als der mich von Ihrer Fürstlichen Gegenwart eine so geraume Weile gleichals verstoßen zu leben gezwungen. Nach so mancherlei Unglüksstößen / sties mir gleichwohl endlich das unverhofte Glük auf / daß der Himmel mir diesen Jüngling / den ich abgefärtiget / gleich als einen Engel / mir in meinem Elende zu dienen / zuschikte. Ihm / und seiner Liebsten mus ich allein danken / daß ich / in welcher Landschaft ich were / zu wissen bekahm: daß ich / in des Herrn Vaters Fürstentuhm wieder gelanget zu sein /erfuhr: ja daß ich zugleich die Zeit gebohren sahe / da mich die Hofnung versichern konte / Ihre mir entzogene Fürstliche Hand bald wieder zu küssen. Ach! ich verlange darnach. Und dieses Verlangen auf das schierste zu erlangen bin ich vermittelst dieses Jünglings gewärtig: welchen ich auch darüm Ihrer hohen Fürstlichen Gnade gleich also anbefehle / wie ich in meinem Schreiben an den Herrn Vater getahn; darinnen ich zugleich alle meine Glüksfälle / die ich von der Zeit meiner Entferung an gehabt / ausführlich erzehlet. Wan ich bei Hofe bin angelanget / welches ich / auf Ihre gnädige Beförderung / innerhalb [350] drei oder vier Tagen geschehen zu sein sehnlich vermuhte; dan wil ich das übrige meines Zustandes mündlich erklähren. Unterdessen wird Ihnen Ihre Dienerin /meine liebe leibliche Mutter / aus inliegendem Brieflein / welches ihr einzuhändigen ich untertähnig bitte /darvon auch etwas eröfnen. Und ich werde den Himmel für Ihre Wohlfahrt anflöhen / solange mir seine Gnade die Ehre gestattet Ihre selbsterkohrene Fürstliche Tochter zu sein / welche man bisanher / mehr aus Gunst / oder gar Misverstande / als aus einem untadelhaftigen Urteile / hat nennen wollen

Die schöne Timnatterin.


(101) Weil unter dem Einschlusse dieses Schreibens an die Fürstliche Hofmeisterin zugleichmit ein Brieflein angelanget / so ward sie von stunden an aus dem Frauenzimmer gehohlet. Der Fünffürst hatte solches Brieflein eben in der Hand / als sie in den Saal traht. »Da habt ihr« / sprach er / und hielt es nach ihr zu / »die Versicherung / daß unsere Tochter noch lebet / und in guhter Verwahrung ist. Wir tragen Verlangen zu erfahren / was sie an euch schreibet. Und eben darüm haben wir euch von der Mahlzeit anher entbohten / uns dieses Brieflein vorzulesen.«

(102) Die Mutter / welcher für Freuden die Trähnen über die Bakken flossen / und die Sprache schier stekken blieb / nahm den Brief mit tiefster Ehrerbietigkeit an. Sie entsiegelte denselben zur Stunde. Sie brach ihn auf / und fand darinnen folgende Worte.


Schreiben an ihre liebe leibliche Mutter / die Fürstliche Hofmeisterin.


Diese Zeilen / liebe Mutter / versichern Euch meiner Gesundheit. Es ist meine eigene Hand / meine eigene Schrift / was ihr sehet. Betrachtet sie nur wohl. Schauet sie nur eigendlich an. Ich war zwar in fremder Gewalt. Aber der Himmel hat mich [351] daraus entwältiget. Ich war zwar nicht weiter / als ein Daume breit ist / vom Tode. Doch dasselbe / das mir den Tod zu dreuen schien / hat mich selbst aus seinen Klauen gerissen. So lebe dan ich / Euch zu liebe / noch. Ich lebe sicher / in unsrem eignen Lande. Ja ich lebe gantz ausser Gefahr / und unter der Aufsicht eines Leuen: der etliche Tage nacheinander mein Geleitsman / mein Wächter / mein Jäger / mein Speisemeister / und getreuester Aufwärter gewesen. Diesen solt ihr sehen /wan ihr mich sehet; welches in vier Tagen ohne Zweifel geschehen wird. Dan er folget mir immer. Er verlesset mich nimmer. Nimmer weichet er von mir. So getreulich nimt er meiner wahr! So fleissig wartet er meiner! Unterdessen lebet wohl / und liebet beharlich dieselbe / welche beharlich zu sein sich verpflichtet


Eure gehorsame Tochter.

Timnate.


(103) Hierauf war man lustig und guhter Dinge. Den Kummer spühlete man mit Weine vom Hertzen. Die Sorgen warden verbannet. Man vergaß aller Betrübnis. Die Traurigkeit bekahm ihren Scheidebrief. Die Freude nahm ihren Platz ein. Das Wohlleben traht an ihre Stelle. Einieder war fröhlich. Doch der Fünffürst am allermeisten: der auch selbst alle zur Fröhligkeit anmahnete. Ja er befahl / allen Hofbediente so viel Weines zu zapfen / als sie trinken könten. Und also brachte man diesen Abend in lauter Lust und Freude zu.

(104) Nach volendetem Freudenmahle zog der Fünffürst den neuen Oberjägermeister auf die Seite. Er begab sich mit ihm allein an ein Fenster. Niemand durfte darbei sein. Niemand solte zuhören / was sie spracheten. Alda war es / da er fragte / was seine Tochter gesaget? Er forschete nach allen und ieden ihren Worten. Er trug verlangen alle ihre Reden zu wissen. Er wolte durchaus / daß er ihm nichts / ja gar nichts / was es auch sei / verschweigen solte.

(105) Weil nun der Oberjägermeister verstund /daß der Fünffürst so gar genau / und so gar scharf nach allem fragete; [352] so täht er ihm auch von allem Eröfnung. Er offenbahrte den gantzen Handel. Er erzehlete gantz ümständlich alle gepflogene Gespräche. Ja er entdekte zugleich alles miteinander / was zwischen seiner Fürstlichen Tochter und ihm / bei der ersten Zusammenkunft / vorgegangen. Auch verschwieg er ihm seine selbsteigene Liebe nicht. Doch hierbei baht er untertähnig üm gnädige Verzeihung / daß er seine Fürstliche Gedanken / durch die Erzehlung solcher seiner so eitelen Liebe beunmüßigte. »Ich tuhe dieses« / waren seine selbsteigene Worte / »nur darüm /und aus keinem andern Triebe / dan dem Willen und Befehle meines Fürsten Gehohrsam zu leisten.«

(106) Diese des Oberjägermeisters Offenhertzigkeit und Bescheidenheit zugleich gefiel dem Fünffürsten über die maße. Ja er priese seine so beständige Liebe. Und hierbei versprach er ihm / alles / was seine Fürstliche Tochter ihm angelobet / selbsten zu volziehen. Er selbsten wolte seiner Liebsten Aussteurer sein. Aus seiner eigenen Schatzkammer solte sie mit einer ansehnlichen Aussteuer versehen werden. Und weil seiner Tochter Wille sei / daß er sie aus ihrer eigenen Hand / gleichals ihre leibliche Tochter / empfangen solte; so wolte er sie hiermit ihr zur Hofmeisterin /und ihn zum Hofmeister bestellet haben.

(107) Zu allen diesen Gnadenbezeugungen fügte der Fünffürst noch diese. Sobald seine Fürstliche Tochter / sprach er / in seiner und seiner Liebsten Begleitung / an seinen Hof gelanget / solte / straks bei dem ersten Freudenmahle / sein Verlöbnis / in seiner und aller anwesenden Gegenwart / geschehen. Auch solte sein Schlos / alda seine Hochzeit zu halten / ihm offen stehen. Ja er wolte diese Hochzeit ihnen selbst ausrichten. Alles / was darzu erfordert würde / solten sie aus seiner Fürstlichen Küche zu gewarten haben.

(108) Hierauf rief der Fünffürst einem Diener. Diesem befahl er der Hofmeisterin zu sagen / daß sie straks etliche Kleider / Hemden / und anders Weibergerähte / das zum Frauenschmukke gehöret / aus des Frauenzimmers Kleiderkammer zu ihm brächte. Hieraus solte der Oberjägermeister von allen / drei der besten Stükke / die seiner Liebsten gerecht weren / [353] ihr solche mitzubringen / auslesen. Also trug der Fünffürst Sorge für alles. So sorgfältig war er für seiner Fürstlichen Tochter erstbestelte Hofmeisterin; damit sie / gleichals einer solchen Hofjungfrau geziemet /gezieret und geschmükt genug aufziehen möchte.

(109) Als nun der Oberjägermeister / dem Fürstlichen Befehle zur folge / solchen Kleiderschmuk besichtigte; da fing der Fünffürst mit ihm an zu schertzen. »Weil ich wil« / sprach er lächlende / »daß deine Liebste dir auf das beste gefalle / so suche für sie den besten Schmuk aus. Wehle für sie das Schönste / das dich am schönsten zu sein dünket: damit sie dadurch in deinen Augen auch selbst die Schönste / die Liebste werde / wan sie etwan dir eine solche zu sein sonsten noch nicht völlig genug scheinen möchte.«

(110) Unterdessen hatte sich das Getümmel aus dem gantzen Schlosse verlohren. Aus allen Oertern war das unheimliche Wesen weg. Hingegen hatte das Stilschweigen sich überal eingefunden. Die Heimligkeit war durch und durch eingeschlichen. Man hörete nichts Lautes mehr. In allen Gemächern ward es gantz stil. Nicht ein einiges Gereusche vernahm man. Kein Klang von irgend einem Dinge ward gehöret. Alle Menschen lagen schon in der Nachtruhe. Iederman war zu Bette. Das gantze Hofgesinde schlief. Nur die Hofmeisterin / mit einer Kammerdienerin / und zween Edelknaben / die aufwarteten / waren noch wakker /als der Fünffürst sich in seine Schlafkammer begab; nachdem er dem Oberjägermeister zu seiner Reise Glük gewünschet.

(111) Dieser ward endlich auch in sein Zimmer geführet; da er zu schlafen vermeinte. Aber es kahm kein Schlaf in seine Augen. Die übermäßige Freude hielt ihn stähts wakker. Die Erinnerung der vielfältigen Ehren / damit ihn der Fünfürst überschüttet / lies ihn nicht ruhen. Seine Gedanken flatterten hin und her. Seine Gemühtstriften bewegeten sich / als eines Uhrwerks Unruhe. Sie warden nimmer stil. Sie verunruhigten alle Sinnen. Sie trieben den Schlaf aus. Auch den geringsten Schlummer liessen sie nicht zu.

(112) Das Ubermaß der Ehren würkt übermäßige Freude: [354] doch gemeiniglich nur bei denen / die gantz keiner Ehre gewohnet; die aus dem niedrigsten Staubwinkel den höchsten Ehrengüpfel auf einen Schwung ersteigen. Hingegen freuen sich andere / die stähts im Ehrenstande gestanden / denen die Ehre nichts ungewöhnliches / nichts neues / selbst über den höchsten und plötzlichsten Zuwachs derselben nur mäßig.

(113) Unser Oberjägermeister war im allerniedrigsten Stande gubohren. Unter verächtlichen Wüstlingen / die kaum wusten / was Ehre zu sagen / war er erzogen. Und ob er schon eine Zeit lang / als ein Jägerknecht / in Fürstlichen Diensten gelebet; ob er schon die Ehre / durch den Umgang mit Höflingen /in etwas kennen gelernet: so hatte doch diese Kunde seines Fürsten Ungnade / dadurch er von den Höflingen wieder unter seine Wüstlinge gerahten / schier zur Unkunde gemacht. Darüm war es auch kein Wunder /daß er itzund / da ihn der Fünffürst / nach verloschener Ungnade / mit überschwänglich großen Gnaden und Ehren so plötzlich und so unvermuhtlich überheufte / solche so heftige Freudenbewägungen /daß er weder ruhen / noch schlafen konte / durch alle seine Sinnen empfand.

(114) Hierzu kahm auch endlich die Liebe. Diese trieb ihm den Schlaf vollend aus den Augen. Durch diese ward er noch vielmehr verunruhiget. Das sehnliche Verlangen seine Liebste zu ümarmen hielt ihn fort und fort wakker. Sie selbsten / oder vielmehr ihr Bildnis schwebete stähts in seinen Sinnen. Bald lies er sich bedünken ihre flinkernden Augen ihm winken zu sehen. Bald kahm ihm vor aus ihrem schönen Munde / dessen Rosen mitten im Schnee blüheten / sein Wilkommen zu hören. Bald schien ihm ihr Arm üm seinen Hals geschlagen / und ihr Mund auf dem seinigen zu liegen. Aus allen diesen Schattenwerken / welche die Einbildung ihm vorstellete / wiewohl sie nur als überzukkerte Traumbilder waren / entstund dan ein unruhiges stähtiges Wachen.

(115) Undalso war es ihm nicht müglich zu schlafen. Die gantze Nacht durch blieb er wakker. Nur gegen Morgen fing er ein wenig an zu schlummern. Aber bei diesem schlummern trieb die Einbildung ihr Affenspiel in ihm nicht weniger / als [355] da er wachete. Ja er rief im schlummer selbst / »Nun ist sie mein / Nun ist sie mein« / so überlaut aus / daß es der Fünffürst /der eben in seine Kammer traht / hörete. Dieser märkte von stunden an / daß der Treumende / mit solchen Worten / auf die Besitzung seiner Liebsten zielete. Darüm fing er auch zum Ermunterten alsobald an. »Sei nur noch ein wenig zu frieden: sie sol gewis dein sein.«

(116) Der Oberjägermeister erröhtete sich hierüber. Er schähmete sich / daß der Traum seine so verliebte Gedanken verrahten. Aber der Fünffürst geriet straks auf andere Reden. Er begehrte / daß er sich mit der Reise ja nicht seumete. So wohl her / als hin solte man eilen; damit er seine Tochter bald zu sehen bekähme. Ja er fügte hinzu: sofern er / einiger Stahtsangelegenheiten wegen / nicht müste bei Hofe bleiben; so würde sein Verlangen ihn mitzuziehen selbst anstrengen. Und hiermit begab er sich wieder aus dem Zimmer / dem Oberjägermeister sich straks anzukleiden Gelegenheit zu geben.

(117) Unterdessen hatten sich die Reiter aufzusitzen gantz färtig gemacht. Der Stahtswagen / darauf das Fürstliche Freulein fahren solte / stund schon angespannet. Auch war die Tafel das Frühmahl zu halten albereit gedekket / als der Oberjägermeister in den Speisesaal traht. Alhier ging alles mit der hast zu. Auf Befehl des Fünffürsten / muste geeilet sein. Mit Geschwindigkeit warden die Speisen aufgetragen. Man seumete sich an der Tafel nicht lange. Schier im hui war alles gesehen.

(118) Hierauf begaben sich alle Reiter zu Pferde. Auch setzte sich der Oberjägermeister / auf Befehl des Fünffürsten / in den Stahtswagen: neben dem etliche Schützen herlieffen. Ein Rüstwagen / mit Reusigem Zeuge beladen / folgete straks. Also ging die Reise geschwinde fort. Die Maulesel und Pferde fühleten das Futter / das man ihnen in vergangener Nacht mit milder Hand gereichet; und lieffen so tapfer / daß man / sie fortzutreiben / weder Stachel / noch Spohren /weder Peitsche / noch Spisruhte bedorfte.

(119) Der Oberjägermeister befand sich zwar im Stahtswagen gantz allein. Niemand saß bei ihm. Er hatte keine Geselschaft. [356] Aber dieses währete nur einen Augenblik. Er blieb in solcher Einigkeit nicht lange. Bald befand er sich selb zweien. Ohne seine Liebste zu sein gestattete die Liebe nicht. Seine verliebte Gedanken eileten straks nach ihr zu. Sie stöhreten gleichsam ihre Ruhe. Ja sie hohleten sie selbst aus ihrer Schlafkammer / aus ihrem Bette / da sie noch ruhete. Er muste sie bei sich haben. Sie muste neben ihm im Stahtswagen sitzen.

(120) Alhier war es auch / da sie die Einbildung /wie sie leibete und lebete / seinen Augen vorstellete. Also war ihm schier anders nicht bewust / als daß sie selbst seine Gefährtin sei. Er wähnete nicht anders /als daß sie ihm selbsten Geselschaft hielte. In dieser so süßen / wiewohl falschen Einbildung befand er sich schier die gantze Reise durch. Bald erschien sie ihm in ihrer gewöhnlichen Tracht. Bald prangete sie /vor seinen Augen / in eben dem Kleiderschmukke /damit sie der Fünffürst beschenket.

(121) In dieser stahtlichen Kleidung schien sie ihm siebenmahl schöner / und siebenmahl lieblicher / ja siebenmahl lieber / als in voriger / zu sein. Daher nahm auch seine Liebe / sooft er sie hierinnen erblikte / mehr und mehr zu. Ja sie ward gleichsam dermaßen geschwängert / daß sie in ihm / solcher seiner Liebsten Lieblichkeit zu genüßen / ein unerträgliches Verlangen gebahr. So viel vermag ein zierliches Kleid /ein schöner Schmuk; zuvoraus an einem wohlgestalteten Weibsbilde! Hingegen macht ein zerrissener altfränkischer Küttel zuweilen auch die lieblichste Schönheit häslich / die anmuhtigste Liebligkeit unanmuhtig / und verstellet die gantze sonst fürtreflich-schöne Leibesgestalt dermaßen / daß sie ihr selbsten gantz unähnlich wird.

(122) Inzwischen nahete der Oberjägermeister seiner Heimat ie mehr und mehr. Aber ie näher er kahm /ie heftiger er brante. Seine Begierden / die Liebste zu sprächen / wolten ihm kaum gestatten vor seines Vaters Behausung / da das Fürstliche Freulein sich eben befand / abzusitzen. Doch der Wohlstand und seine Pflicht vereischten nichts anders. Er muste derjenigen / üm deren willen er abgesandt war / am ersten aufwarten. Er muste bei ihr den anvertrauten Fürstlichen Befehl am allerersten [357] ablegen. Dieser Fürstliche Befehl muste nohtwendig vor- und seine Liebe nach-gehen.

(123) Gleichwohl war dieses Freulein so gühtig /daß es den Verliebten nicht lange von seiner Liebsten abhalten wolte. Darüm setzte es sich von stunden an in den Stahtswagen / und befahl ihm seinen Sitz alda auch wieder zu nehmen. Also fuhren sie / durch des Oberjägermeisters Eltern / Brüder / und schier alle Nachbahren begleitet / nach seiner Liebsten Behausung zu. Diese kam ihnen / mit Vater und Mutter /straks entgegen gelauffen. Aber sie ward zum höchsten bestürtzt / als sie ihren Liebsten in so überausprächtigen Stahtskleidern / und darzu mit einer so mächtigen Anzahl der auserlesensten Reiter begleitet /aufziehen sahe. Ja sie meinte schier zu treumen / da sie vernahm / daß er / eben als ein Landesfürst / solchei so köstlichen Reiterei geboht sich in der nähe zu lägern / und auf seinen weiteren Befehl in Bereitschaft zu bleiben.

(124) Uber eine solche uhrplötzliche Verwandelung bekahm sie vielerlei wunderliche Gedanken. Er schien ihr nun nicht mehr ihr Liebster zu sein. Darüm durfte sie ihm auch nicht einmahl nahen / viel weniger ihn anreden. Ja sie stund stähts / als eine betrübte Verlaßene / hintenaus. Ihm näher zu trähten war sie nicht kühne genug. Aber als er seine Gesantschaft bei dem Fürstlichen Freulein volzogen / und sich selbst /mit einem Leibschützen / der drei überaus köstliche Frauenkleider trug / nach ihr zu begab; da konte sie /indem sie sich von einem so stahtlichen Höflinge Liebste genent zu werden hörete / vor großen Freuden eine lange Weile nicht antworten.

(125) Weil er ihr nun Zeit laßen wolte sich wieder zu besinnen; so redete er anfänglich / vor aller ümstehenden Ohren / gantz allein. Er gab ihr zu verstehen /daß der Fünffürst selbst gegen sie beide so gnädig sich erbohten / daß ihr Verlöbnis / ja ihre Hochzeit selbst / auf seinem Schlosse / so bald sie alda angelanget / solte gehalten werden. Er wolte selbst ihr Hochzeitgast sein. Ja er wolte die Braut / als ihr Vater / mit einer stahtlichen Morgengabe begnadigen / auch alle Kosten / die auf ihre Hochzeit liefen / selbst tragen.

(126) Hierauf wendete sich der Oberjägermeister wieder [358] nach dem Fürstlichen Freulein zu: »Mein gnädiges Freulein sol auch wissen« / sprach er / mit großer Ehrerbietigkeit / »daß ihr Fürstlicher Herr Vater meine Liebste zu Ihrer Hofmeisterin zu bestellen gnädiges Belieben getragen. Zu dem Ende schikt er ihr auch allen diesen köstlichen Kleiderschmuk; damit sie / ihrer Gnädigen Fürstin zu Ehren / prächtig genug /und als einer solchen fürnehmen Hofmeisterin zustehet / aufziehen möchte.«

(127) Nachdem er dieses gesagt / nahm er gemeldten Kleiderschmuk / und übergab ihn / im Nahmen des Fünffürsten / seiner Liebsten: welche kaum gleuben durfte / daß alles dieses / was sie sahe / und was sie gehöret / wahrhaftig also sei. Hierbei täht er zugleich Erinnerung: Sie solte nun hingehen / ihrem Fürstlichen Freulein für alle die hohe Gnade / damit der Fünffürst / auf ihr gnädiges Ansuchen / sie beiderseits besäligen wollen / untertähnigsten Dank zu sagen. Und dieses verrichtete sie auch zur Stunde /mit tiefster Ehrerbietigkeit.

(128) Nunmehr war allen kund und offenbahr / daß die schöne Timnatterin / die man bisnochzu für die Göttin Onke gehalten / ihres Landes-Fürsten Freulein Tochter sei. Hatten diese Wüstlinge sie vorhin / als eine Göttin / geehret / so ehreten sie dieselbe nun noch vielmehr. Einieder erwiese sich als ein gehohrsamer Untertahner. Iederman war geschäftig Futter für die Maulesel und Pferde zu hohlen. Man trug so viel zu / daß es alles nicht konte verbraucht werden.

(129) Weil das Fürstliche Freulein sahe / daß sie alle miteinander ihre Gaben / aus eigenem Antriebe /so willig brachten / so versprach sie ihnen bei ihrem Herrn Vater auszuwürken / daß sie hinfort von allen Schatzungen / Schössen / und Zöllen solten befreiet sein: iedoch mit dem Bedinge / daß sie / zur Erkäntnis solcher Gnadengewogenheit / ihren müglichsten Fleis anwenden solten ihre Landereien / und Heuser bester massen anzubauen. Zu dem Ende gab sie ihnen ihren Würt straks zum Richter; der zugleich die Aufsicht haben solte / damit alles wohl und richtig zuginge.

(130) Gleichesfals verhies ihnen der Oberjägermeister Sorge für sie / als seine Verwanten und Landesleute / zu tragen / daß [359] sie nicht etwan ein Fürstlicher Bedienter mit einiger Uberlast belegte. Ja er gab ihnen / auf Befehl des Fünffürsten / ein Fas vol Weines / welches man zu dem Ende mitgeführet / zum besten. Diese trinkbare Wahre kam selten oder gar nicht vor ihre Gurgel. Sie war in ihren Kellern ein gantz fremder Gast. Kaum einer / oder der andere wuste vom Weine zu sagen. Vielen war unbekant / was für ein Getränke der Wein sei. Gleichwohl hielten sie ihn alle / da sie ihn nur etwas gekostet / für das köstlichste Nas.

(131) Auf guhtfinden des Oberjägermeisters hatte man gemeldtes Weinfas in seines Vaters Haus schrohten laßen. Dieser solte der Ausspender sein. Er solte den Wein / mit gleichem Maße / nach und nach unter sie austeilen. Einer solte soviel bekommen / als der andere. Wolten sie dan Lust halben / in gemeiner Zeche / miteinander trinken / das möchten sie tuhn. Aber sie solten nicht alzuviel auf einmahl zu sich nehmen; damit sie keine tolle Köpfe bekähmen / und nicht etwan Schlägereien / oder dergleichen Boßheit verübeten.

(132) Als ihnen dieses vorgehalten ward / kahm es etlichen wunderlich vor / daß der Wein / der nur ein süßes Wasser sei / solche Kraft / tolle Köpfe zu machen / haben solte. Ja sie konten es nicht gleuben. Aber als einieder etwan nur ein Maß getrunken; da verspühreten sie seine Würkung schon. Sie begunten zu taumeln. Sie konten kaum mehr auf den Füssen stehen. Etliche stolperten auf ebener Erde. Andere fielen gar über einen Hauffen. Denen / die noch fest stunden / schien gleichwohl für ihren Augen eine fünstere Wolke zu schweben. Sie konten kaum mehr sehen. Nährlich kenneten sie ihren nächsten Saufbruder. So hatte sie solches süße Wasser verblendet!

(133) Weil man diese Zeche / vor dem Hause des neuen Richters / unter dem blauen Himmel hielt; so sahe die junge Fürstin solche Lust mit an. Sie ergetzte sich über die kurtzweiligen Zecher / die vielleicht noch niemahls bezecht gewesen / über die maße: doch niemahls mehr / als wan sie tantzeten / und Luftsprünge zu machen begunten. Dieses stund ihnen so seltsam / so werklich an / daß der ernsthaftigste Sauerling sich nicht enthalten können zu lachen. Auch lachte die junge Fürstin [360] so viel / als sie vielleicht die gantze Zeit ihres Lebens nicht getahn: zuvoraus wan sie sahe / daß die alberne Tropfen den Nebel / den sie vor ihr Gesichte gefallen zu sein wähneten / mit so kurtzweiligen Gebährden abwischen oder wegtreiben wolten.

(134) Inzwischen hatte sich die Sonne zur rüste begeben. Der Mohn war / mit seinen Sternen / auf die Wache gezogen. Die einbrächende Nacht schien allen lebendigen Geschöpfen den Schlaf anzukündigen. Der Oberjägermeister befand sich verpflichtet von seiner Liebsten zu scheiden: die nunmehr ihr Amt / dem Fürstlichen Freulein / welches bereit stund nach Bette zu gehen / als Hofmeisterin aufzuwarten / verrichten muste. Einieder legte sich an seinen Ort. Die Bezechten selbst / denen die Köpfe niederwärts sunken / krochen zu Lager. Also verlohr sich das Getümmel. Iederman begunte zu schlafen. Es ward überal stille.

(135) Aber diese Stille währete nicht lange. In fünf Stunden war alles wieder wakker. Einieder verlies /mit der Sonne zugleich / sein Bette. Die junge Fürstin selbst kahm schier dem Tage vor. Sie war schon bei der Hand / als sich die gantze Nachbarschaft vor ihrer Tühre versamlete Sie zu begleiten. Der Oberjägermeister befahl seinen Reisigen sich zu rüsten. Diese hielten auch schon in Bereitschaft / als der Fürstliche Stahtswagen ankahm. Hierein verfügte sich das Fürstliche Freulein alsobald. Die Hofmeisterin nahm ihren Sitz gegenüber. Aus Ehrerbietigkeit gegen das Freulein entzog sich der Oberjägermeister ihrer Geselschaft. Er wolte zu Pferde reisen. Auf dem Fürstlichen Stahtswagen zu sitzen trug er bedenken.

(136) Sobald das Freulein solches märkte / rief es ihm zu: er solte bei seiner Liebsten sitzen. Er solte sich für Ihr nicht scheuen. Seine Gegenwart sei Ihr nicht zuwider. Zwei durch Liebe vereinigte Hertzen müste man nicht enteinigen. Sie könte keines Weges gestatten / daß ihre Gegenwart sie trennete. Das Geheimnis ihrer Liebe sei Ihr ja schon bewust. Warüm er sich dan entzöge Sie wissen zu laßen / was sie schon wüste. Zur Unzeit schüchtern zu sein stünde keinem Verliebten zu. Ihr verliebtes Spielen und Schertzen könte Sie wohl leiden. Es sei Ihr keines Weges verdrüßlich. Vielmehr hette sie ihre Lust[361] [363] daran. Und diese Lust / verhofte Sie / würde weder seine Liebste / noch er ihren Augen misgönnen.

(137) Durch diese Worte lies sich dan der Oberjägermeister bewägen dasselbe zu tuhn / was er so gar gern täht. Er weigerte sich nicht länger. Er gehorchte seiner Gebieterin. Er folgete dem Willen des Freuleins. Er setzte sich neben seine Liebste. Und sobald er sich niedergelaßen / rührete sich / auf seinen Wink / die gantze Reiterei. Auch bewegte sich / nach geschehenem letzten Abschiedsrufe / der Fürstliche Stahtswagen. Ja der Leue / des Freuleins getreuer Gefährte / folgete zugleich seiner Aertztin / seiner Gebieterin. Nie verlies sie sein Auge. Neben dem Stahtswagen lief er allezeit her. So lief dan der halbgezähmte Wildling aus seiner Wildnis / vollend ein Zähmling zu werden. So schied der Wüstling aus seiner Wüstenei / damit er ein Höfling würde.

(138) Nachdem die bisher gewesene Nachbahrn der Fürstin Sie bis auf die Grentzen ihrer Einöde begleitet / da schieden sie von Ihr. Der neue Richter führete das Abschiedswort. Er bedankte sich / im Nahmen aller /für die hohe Fürstliche Gnade / welche sie ihnen erwiesen / und noch zu erweisen so gnädig sich erbohten. Er baht mit ihrer geringschätzigen Aufwartung vorlieb zu nehmen / und der selbstangebohtenen Gnade / dasselbe / was sie einig und allein wünschten / bei Ihrem Fürstlichen Herrn Vater auszuwürken /nicht zu vergessen. Sie wolten Ihr darfür ewig mit Guht' und Bluhte verpflichtet bleiben. Endlich war sein Wunsch / daß ihre fernere Reise glüklich / und ihre Zukunft bei Hofe allen und ieden erfreulich sein möchte.

(139) Hierauf kehreten diese Wüstlinge wieder nach ihren Wohnungen zu / und das Fürstliche Geleite hastete sich den Hof des Fünffürsten bei Zeiten zu erreichen. Weil man aber für guht ansahe sich zu entnüchtern / und die Maulesel und Pferde / damit sie üm so viel hurtiger fortlauffen möchten / etwas ruhen und füttern zu laßen; so befahl der Oberjägermeister vor dem nächstgelegenem Würtshause stil zu halten. Alda ward das Freulein / dem die Hofmeisterin folgete /straks in einen Saal geführet. Unterdessen machte der Oberjägermeister Anstalt [363] zum Frühstükke. Die Tafel ward gedekket / und die kalte Küche vom Rüstwagen gebracht.

(140) Sobald die Speisen aufgetischt waren / begab sich das Freulein / mit dem Oberjägermeister / und seiner Liebsten / sitzen. Aber sie hatten kaum zu essen begonnen / da musten sie schon wieder aufhören. Sie hatten den ersten Bissen kaum in den Mund gestekt / da ward ihnen alles das übrige schon versaltzet. Der Würt / welcher zu Ziklak gewesen /brachte mit: das Volk Israels sei / mit zwei mächtigen Kriegsheeren zu Felde gezogen. Simson hette mit dem einen in der Filister Land schon einen Einbruch getahn. Er streufte schon / in der nähe / mit sängen und brennen / mit rauben und morden / herüm.

(141) Diese Zeitung machte das Freulein überaus bestürtzt. Der Oberjägermeister selbst wuste nicht /was man tuhn solte. Er konte leichtlich gedenken /daß so ein tapferer Held / als Simson sei / sich nicht lange zörgen und zupfen liesse: daß er / auf den Ruf von der mächtigen Kriegsrüstung der Filistischen Fürsten wider ihn / und sein Volk / nicht würde geschlafen haben. Und daher stund er in großen Sorgen /wie er das Fürstliche Freulein am besten in Sicherheit bringen möchte. Aber er lies sich dessen nichts märken. Er stellete sich / als ginge solche Zeitung ihn nichts an: als gleubte er nicht / was man sagte. Unterdessen befahl er gleichwohl / man solte zum Aufbruche straks alles färtig machen. Man solte sich nicht seumen. Die itzige Beschaffenheit ihrer Reise litte keinen Verzug.

(142) Ja er schikte / gewissere Kundschaft einzuhohlen / drei Reiter / mit flüchtigen Pferden / voran. Diesen befahl er alle Menschen / die ihnen begegneten / solches Rufes wegen zu fragen. Auch solten sie sich erkundigen / wo der Feind / und wie stark er sei? Sobald sie etwas / das sie für gewis hielten / es sei guhtes / oder böses / erfahren / solte sich ein Reiter geschwinde zurük begeben / und ihm solches ansagen. Und hierauf gab er ein Zeichen zum Aufbruche /der auch alsobald geschahe.

(143) Man war nunmehr aus der wüsten Bersabischen Einöde schon heraus. Man hatte diese gefährliche Wildnis / darinnen [364] Abrahams Dienstmagd und Beiweib / die Hagar / mit ihrem kleinenIsmael / in tausend ängsten / vor Zeiten herümgeirret / verlaßen. Man sahe dieses erschrökliche sorgliche Raubnest der Buschklöpper hinter dem Rükken liegen. Auch war man schon über den Flus Besor hinüber / und auf einer zimlich breiten offenen Fläche; da man weit genug üm sich zu sehen vermochte. Dieses war dan ihr bester Trost. Dieses gab ihnen eine guhte Hofnung der befahreten Gefahr zu entgehen.

(144) Und also suchte man sich aller sorglichen Gedanken zu entschlagen. Also setzte man die fernere Reise zimlich behertzt und unbekümmert fort. Selbst das Fürstliche Freulein war itzund / da ihm der Oberjägermeister alle diese so angenehme Betrachtungen zu Gemühte geführet / ungleich muhtiger / ungleich lustiger / als vorhin. Ja niemand hatte das geringste Vermuhten mehr / daß ihnen etwan ein Unglük von irgend einer feindlichen Hand aufstoßen würde. Das Gerüchte von Simsons Streiffereien war in aller Gemühtern so gar vereitelt / daß sie es nur für ein nichtiges Mährlein hielten.

(145) Auch war es gewislich anders nichts / als ein eiteles Mährlein / als ein leeres Weibergeschwätze /bei dem Spinwokken ersonnen / bei der Kunkel erdichtet. Es war in Wahrheit falsch / und / mit Züchten zu reden / erlogen. Und daß es also sei / berichteten die auf Kundschaft ausgeschikten Reiter. Diese kahmen alle zugleich in einer Stunde wieder. Sie brachten mit / daß sie von zween Ohren- und Augen-zeugen /die zu Zarea gewesen / vernommen: Simson hette sich zwar auf den ersten Ruf / daß die Filister /ihn zu befeden und anzufallen / in Bereitschaft stünden / zur Gegenwehre gerüstet. Aber sobald er wieder Zeitung erhalten / daß man solches feindliche Vorhaben geändert / da hette sich Simson / der itzund /bei bejahrterem Alter / weit anders / als frevendliche Kriege zu beginnen / gesinnet / auch straks wieder zur Ruhe begeben.

(146) Auf hiesigen fröhlichen Bericht / und weil die Helfte der Reise schon abgelegt war / hielt man /nach des Freuleins Befehle / die neulich gestöhrte Fütterung zu wiederhohlen / bei dem nächsten Bauerhause stil. Dieses war zwar durch den [365] Eintrit einer so fürtreflichen Fürstlichen Schönheit besäliget zu werden / viel zu unansehnlich / viel zu häslich. Gleichwohl lag es in einer überaus schönen und lustigen Gegend. Auch war der Würt ein munterer / fröhlicher /und hübscher alter Man / und die Würtin eine sehr guhtahrtige bescheidene Frau: die darbei noch jung /und von Leibesgestalt nicht häslich; ob sie sich schon sonsten / durch den Zufal einer Geschwulst / im Angesichte so sehr übel zugerichtet befand / daß man sie nicht unfüglich erschrökschön nennen mögen.

(147) Alhier war es / da das Freulein abtraht. In diesem Hütlein kehrete sie ein. Bei diesen guhten Leutchen / die auch so guht waren / daß sie Ihr alles einreumeten / trug Sie belieben ihr Mahl zu halten. Man brachte die kalte Küche getragen. Man legte das Tafeltuch auf. Man setzte die Speisen / und sich selbst darbei nieder. War das Zimmer klein und änge /so war die Essenslust üm so viel grösser. Waren die Speisen schon nicht köstlich / so schmäkten sie doch köstlich guht. Der Hunger war alhier der beste Koch. Dieser macht auch den kleinsten verächtlichsten Winkel gleichsam zum herlichsten Speisesaale.

(148) Weil der Würt so gar guht war / so wolte das Freulein / er solte mit zur Tafel sitzen. Aber er weigerte sich dessen. Seine Pflicht / sprach er / erforderte vielmehr Ihr aufzuwarten / als diese Grobheit zu begehen. Er sei zwar ein einfältiger Bauer; doch so gar einfältig keines Weges / daß er seinen Obern mit gebührlicher Ehre zu begegnen nicht wüste. Es sey ihm Gnade genug / daß Sie sein armes Hütlein / durch ihren Eintrit / würdigen wollen. Es sey ihm Ehre genug / daß er / darinnen ihrer ansehnlichen Gegenwart zu genüßen / so hoch besäliget worden. Eine solche Ehre sei ihm noch nie widerfahren. Darüm müste man sie üm so viel weniger misbrauchen.

(149) Das Freulein war über diese des Bauren Höfligkeit überaus verwundert. Sie hette nimmermehr gedacht / daß unter einem groben Baurenkleide solche so höfliche Bescheidenheit verborgen gelegen / wan sie sich nicht selbsten geeusert. Und darüm ward sie bewogen / ihn noch vielmehr / zu nöhtigen. Ja Sie zog ihn endlich selbst bei der Hand zur Tafel. [366] Er muste sich setzen. Er muste selbst neben Ihr sich niederlaßen. Und dieses täht Sie darüm / damit sie üm so viel besser mit ihm sprachen könte: damit er üm so viel kühner und offenhertziger würde / sich mit Ihr in einiges Lustgespräche / das sie anzufangen gesonnen /einzulaßen.

(150) Nachdem man sich nun / in Geselschaft dieses Baurenhöflings / nach Vergnügen ergetzet / da stund man von der Tafel auf. Das Freulein nahm von ihm und seiner Frauen Abschied / mit Versicherung ihnen einige Gnade bei ihrem Herrn Vater auszuwürken. Ja sie fügte hinzu: Sie wolte bald wiederkommen / und noch einen Gast mitbringen. Unterdessen solte man Sorge tragen nur einiges Obst / das guht und ungemein sei / gegen die Zeit im Vorrahte zu haben. Die übrigen esbahre Wahren / mit dem Getränke / wolte Sie selbst mitbringen. Und hiermit begab man sich wieder auf den Weg / die übrige Reise zu volenden.

[367] [369]Das neunde Buch.

Die (1) Einteilung.


Nunmehr war man bei Hofe der Ankunft des Fürstlichen Freuleins gewärtig. Nunmehr vermuhtete man Ihrer schon in der nähe. Es war eben ein schöner Tag. Die Sonne machte die gantze Luft heiter. Die Wolken stunden / als ein klahrer Kristalspiegel / dadurch eine mit Liechtweis untermängte schier bleichblaue Farbe schien. Das angenehme liebliche Wetter lokte die Menschen aus den Heusern / die Stadt auf das Land. Die trukkenen Felder reitzten die Füße sie zu bewandeln. Die grühnenden Gründe / die lustigen Berge /die anmuhtige Flächen machten das Auge lüstern sie zu beschauen.

(2) Bei so anmuhtiger Witterung des Himmels /bekahm der Fünffürst selbst Lust eine Lustfahrt zu tuhn: zuvoraus weil seine Fürstliche Tochter eben itzund im Ankommen begriffen. Dieser zugleich entgegen zu ziehen / und also seine Lust zu verweifältigen war sein Vorsatz. Zu dem Ende befahl er auch seinen herlichsten Prachtwagen anzuspannen. Er gehoht allen seinen Hofbedienten sich auf das zierlichste zu schmükken. Die Fürstin selbst erschien in ihrer köstlichsten Pracht. Ihre Stahtsjungfrauen kahmen / mit der Hofmeisterin zugleich / Ihr nachgeträhten / in der allerschönsten Zierde; welche die damahlige Welt ein Weibsbild zu verschönern iemahls erfunden.

(3) In solcher herlichen Pracht gewan die Lustfahrt ihren Fortgang. Man begab sich aus dem Schlosse durch die Stadt hin; da alle Gassen vol Mansbilder /und alle Fenster vol Weibsbilder stunden. Jene machten in den Gassen neue Gassen. Diese setzten den Fenstern neue Fenster ein; indem sie dieselben mit ihren helflinkernden Augen / den zweifachen Fenstern zum Hertzen / erfülleten. Sobald man vor das Stadttohr gelanget / wehlete man dieselbe Straße / da man des Freuleins Ankunft vermuhtete.

[369] (4) Alhier kahm man / durch zwo lange Reihen Palmbeume / die längst den Weinbergen hin stunden /in ein schönes Feld. Dieses stund vol Getreides / das schon geschosset: welches der gantzen Gegend ein lustiges Aussehen gab. Zu Ende des Feldes befand sich eine große Wiese / die etwas niedrig lag. Aur hiesiger Wiese war es / da der Fünffürst den Vortrab seiner Freulein Tochter von fernen erblikte. Sie selbsten folgete straks nach / mit der übrigen gantzen Reiterei. Hierauf fing man zu beiden Teilen an tapfer fortzujagen. Und also kahmen beide Fürstliche Stahtswagen schier in einem Augenblikke zusammen.

(5) Der Fünffürst war der erste / der von seinem Stahtswagen sprang. Er eilete straks nach seiner Fürstlichen Tochter zu: welche sich auch schon /durch Hülfe des Oberjägermeisters / auf die Erde begeben. Die Freude zu beiden Teilen war schier unaussprächlich groß. Der Fünffürst empfing und ümfing Sie mit beiden Armen. Er drükte Sie / ja gleichsam ihr Hertz an sein Hertz. »Nun hab' ich Sie« sprach er /nach etlichen Grusreden / schertzweise. »Nun hab' ich die liebe Göttin Onke! Und nun kanstdu auch« /rief er dem Oberjägermeister zu / bei dem er seine Liebste stehen sahe / »in der Wahrheit sagen: Sie ist mein! Sie ist mein!« Hierauf neugte sich der Oberjägermeister / samt seiner Liebsten / schier zur Erde nieder.

(6) Endlich kahm des Fünffürsten Gemahlin / mit ihrem gantzen Frauenzimmer / auch darzu. Dieser eilete die Fürstliche Tochter / mit tiefster Ehrerbietigkeit / entgegen. Da ging es an ein Neugen und Beugen. Ja die Stahtsjungfrauen neugeten sich / bei der ersten Begegnung dieser Fürstinnen / so tief / daß sie mit den Kniehen die Erde schier berühreten. Auch schien es / als wolten sie auf dem Boden gar liegen bleiben. So langsam richteten sie sich wieder in die Höhe! Nach unterschiedlichen Freudenbezeugungen /und Grusreden / die unter beiden Fürstinnen vorfielen / empfing die Hofmeisterin ihre Tochter ebenmäßig mit sonderlichen Freuden / ja gar mit heuffigen Freudenträhnen: welche der Tochter gleichesfals in die Augen stiegen. Dieses freudige Wilkommenheissen verrichteten hiernach auch alle Stahtsjungfrauen: welche miteinander / [370] in Euserung der Freuden / und Ehrerbietigkeit gegen das Fürstliche Freulein / gar zu wettestreiten schienen.

(7) Inzwischen empfing auch der Fünffürst den Oberjägermeister / und seine Liebste / mit sonderlichen Gnadenbezeigungen. Beide sprach er überaus gühtig an. Alle seine Reden waren mit Schertze vermischet. Gegen beide war er so freundlich / so redesälig / als weren sie seines gleichen gewesen. Ja er erwiese sich so gar leutsälig / daß er endlich des Oberjägermeisters Liebste selbst bei der Hand nahm / und sie zur Fürstin führete. »Hier haben wir auch« /sprach er seine Gemahlin an / »unserer Tochter Hofmeisterin; die ich darzu erwehlet / eh ich sie gesehen. Aber meine Wahl gereuet mich eben so wenig / als wenig es unsern Oberjägermeister gereuet / daß er sie zu seiner Liebsten erwehlet. Morgen wil ich / daß ihr Verlöbnis / in unserer Gegenwart / bei unserer Tochter Freudenmahle / geschehe. Und bald darnach wollen wir auch allesamt ihre Hochzeitgäste sein.«

(8) Der Oberjägermeister stund mit darbei / als der Fünfefürst dieses sagte. Er bedankte sich untertähnig für die hohe Gnade / die man ihnen zu erweisen gesonnen. Eben dasselbe täht auch seine Liebste / nachdem die Fürstin sie wilkommen geheissen. Endlich nahm der Fünffürst / welcher Lust bekahm einen Lustwandel zu Fuße bis an das Kornfeld / auf dieser Wiese / zu tuhn / seine Gemahlin bei der Hand / und gieng also mit ihr von dannen. Auch folgeten ihm alle die andern zu paaren. Nur das Fürstliche Freulein allein fügte sich ihrer Fürstlichen Frau Mutter zur Seite. Beide Hofmeisterinnen hatten die Ehre / daß sie den Fürstinnen nachtrahten. Der Oberjägermeister aber begab sich inzwischen wieder auf des Freuleins Stahtswagen. Dieser folgete / mit seinem gantzen Schwalke / langsam nach. Eben dasselbe täht auch der Stahtswagen des Fünffürsten / nachdem man ihn ümgelenket / mit allen andern / die ihm nachfuhren.

(9) Sobald man vor das Kornfeld gelanget / begab sich der Fünffürst / mit seiner Gemahlin / und Freulein Tochter auf seinen Stahtswagen. Beide Hofmeisterinnen blieben bei dem [371] Oberjägermeister / auf des Freuleins Stahtswagen. Die Hofjungfrauen aber nahmen ihre vorige Stellen ein. Und also machte man sich algemach nach der Stadt zu. Alda war alles wieder rege. Das Volk kahm von allen Enden her in die Schlosgasse gelauffen / diesen prächtigen Einzug zu sehen. Kein Dienstbohte blieb zu Hause / kein Knecht bei seiner Arbeit / keine Magd bei ihrem Wokken. Selbst die Kinder liessen sich nicht zwingen aus dem Drange zu bleiben. So begierig war iederman an diesem Gepränge die Augen zu weiden!

(10) Den Vortrab hiesiges Einzugs machten die Hofbedienten. Diese kahmen zum allerersten zum Tohre hinein. Straks darauf erschien des Fünffürsten Stahtswagen. Dem folgete der Stahtswagen des Fürstlichen Freuleins. Darnach kahmen zween andere Wagen des Fürstlichen Frauenzimmers; denen die Fürnehmsten der Jägerei nachritten. Auf diese sahe man zween Rüst- oder Küchen-wagen des Freuleins; und endlich die gantze Reiterei / welche das Fürstliche Freulein begleitet. Diese machte den Nachtrab /und beschlos den gantzen Einzug.

(11) Als des Fünffürsten Stahtswagen / darauf das Fürstliche Freulein mitsaß / durch das Tohr in die Stadt fuhr; da begunte das Volk alsobald überlaut zu rufen: »Wilkommen! wilkommen! Glükzu! Glükzu!« Dieses Rufen währete so lange / bis der Stahtswagen zum Schlostohre hinein war. Auch warfen die Jungfrauen dem Freulein Kräntze von Bluhmen zu. Die Mansbilder streueten Palmenzweige vor ihrem Stahtswagen her / auf den Weg. Ja einieder frohlokkete. Einieder bezeugete / mit den Händen so wohl / als mit dem Munde / seine hertzliche Freude.

(12) Dieses Lustgepränge / dieses Frohlokken /dieses Zujauchzen verzog sich bis in den spähten Abend. Es war nunmehr hohe Zeit das Abendessen zu halten. Man ging zur Tafel. Man aß. Man trunk. Man war fröhlich. Man machte sich lustig. Man schertzte. Man lachte. Niemand brach das Spiel. Nicht einem misfiel / was allen gefiel. Der Ernst war ausgebannet. Die Traurigkeit stund verwiesen. Der Kummer war ins Elend verjagt. Dahin befand sich auch der Schweermuht vertrieben. [372] [374]Kurtz / alles war vol Freude / vol Lust / vol Ergetzlichkeit.

(13) Nachdem man lange genug gesässen / und gekurtzweilet / stund der Fünffürst jählingen auf. Er hatte bisher / für übermäßigen Freuden / nicht beobachtet / daß seine Fürstliche Tochter vom Reisen ermüdet / und unlustig sei. Er hatte noch nicht gemärket / daß sie mehr Lust hette zu schlafen / als wakker und lustig zu sein. Aber itzund ward er gewahr / daß Ihr die Augen zufielen; daß sie mit dem Heupte zu nikken anfinge. Darüm war sein Wille Schicht zu machen. Alle Freude solte man nicht auf einmahl ausschütten. Man solte für den morgenden Tag / da man das Freudenmahl zu halten willens / auch etwas spaaren. Ja er wolte / man solte sich zu Bette begeben. Man solte der Nacht ihr Recht / und den Leibesgliedern ihre Ruhe gönnen.

(14) Einem weisen Fürsten stehet in alwege zu /das Wohlleben zu mäßigen. Sonst wird aus dem Wohlleben ein Ubelleben. Maße halten dient Jungen und Alten. Weit in die Nacht hinein bei dem Trunke zu sitzen / schwächet die Sinnen / verwürret den Verstand / machet den Leib krunken / ja den gantzen Menschen untüchtig zu allen Dingen. Lust zur Unzeit bringt Unlust. Zuvieles Ergetzen pflegt in Trauren zu setzen. Ubertaht hat Unraht zum stähtigen Gefährten.

(15) So begab sich dan iederman zu Bette. Einieder ging schlafen. Alle legten sich auf ihr rechtes Ohr. Also lagen sie sanfter. Also schlieffen sie geruhiger. Also warden sie durch keine schweermühtige Treume verunruhiget. Ja sie schlieffen also bis an den liechten Morgen. Sie erwachten nicht eher / als da die Sonne den Schatten der Nacht überal / auch in den tiefsten Tählern / zertrieben. Das Freulein selbst ward eher nicht wakker / als da es / durch das Knarren der Kammertühre / wakker zu werden begunte.

(16) Die Oberhofmeisterin kahm eben in das Zimmer geträhten / als des Freuleins Augen sich öfneten. Die Mutter ging eben nach ihrem Bette zu / als Sie das Gesicht nach der Tühre zu kehrete. Sie war noch schlafirre. Sie war noch halbblind. Darüm erkante Sie so straks nicht / wer sich zu Ihr nahete. [374] Darüm rief Sie auch ihrer Hofmeisterin / die im Nebenzimmer lag. Doch diese schlief noch so fest / daß sie nichts hörete.

(17) Aber sobald Sie ihrer Mutter Stimme vernahm / da richtete sie sich straks auf. Sobald sie sichTochter nennen hörete / da sprang Sie / für Freuden / in die Höhe. »Ach! meine Mutter! meine Mutter!« rief Sie überlaut / und ümhälsete sie. »Seid ihr es? Seid ihr es / die mich wakker macht? Ach! wie hab' ich nach euch verlanget! Ach! wie hab' ich nach euch gekärmet! Ich gedachte vor vierzehen Tagen im geringsten nicht / daß ich euch wiedersehen würde. Dazumahl war ich schon so weit von euch entfernet /daß ich wieder zu euch zu gelangen keine Hofnung hatte. Dazumahl war ich schon so tief in die Klauen der Reuber gerahten / daß ich / ihnen zu entkommen /keine Gelegenheit sahe.«

(18) Hierauf erzehlete sie alles / was sich bei ihrer Entführung begeben. Und als die Mutter unter andern vernahm / daß der Fürnehmste der Reuber Pammenes geheissen; da fiel ihr straks ein / daß er derselbeTimnatter gewesen / der ehmahls zu Timnat so viel Boßheiten verübet / daß er deswegen inEgipten flühen müssen. Auch wolte sie eben anfangen seinen wunderlichen Lebenslauf zu beschreiben / als der Fünffürst / mit seiner Gemahlin / in das Zimmer geträhten kahm.

(19) Zu guhtem Glükke hatte sich das Freulein eben aus dem Bette begeben. Und ihre Hofmeisterin war auch schon bei der Hand / Sie ankleiden zu helfen. Der Fünffürst / und seine Gemahlin grüßeten sie allerseits sehr freundlich. Jener fragte von stunden an: wie sie geschlafen? ob sie auch sanfte gelegen? und was sie getreumet? Auch war er begierig zu wissen /wo / und wie seine Freulein Tochter dem Leuen / der Ihr des Nachtes sowohl / als des Tages so gar getreulich aufwartete / bekommen?

(20) Nachdem sie nun alles berichtet / wie dieser Leue sich / in ihrer Einsamkeit / als ein Verwundeter /zu ihr gefunden / und Sie üm Hülfe gleichsam angeflöhet / Sie auch seine Wundärtztin gewesen / ja wie er / nach glüklicher Genäsung / Sie niemahls verlaßen / und Ihr / aus sonderlicher Dankbarkeit für [375] ihre Hülfe / gleichals ein Gefährte / gleich als ein Hühter /gleichals ein Wächter / gleichals ein Beschirmer / ja gleichals ein Küchen- oder Speise-meister getreulich aufgewartet; da ward der Fünffürst über alle maße verwundert. Ja er konte sich nicht genug verwundern /daß ein solches wildes und grimmiges Tier seine Angebohrenheit so gar verändert; daß es so gar zahm /so gar sanftmühtig / und so gar aufwärtig geworden.

(21) Man müste dieses / sagte er / für eine sonderliche Schikkung des Himmels halten: welcher seiner Freulein Tochter / da sie von allen Menschen verlaßen gewesen / dieses Tier / Ihr in ihrem Elende mit Hülfe beizuspringen / zusenden wollen. Ja der Himmel hette für Sie eine so ungemeine gantz wunderliche Sorge getragen / daß man / ohne Verletzung der Wahrheit /wohl sagen könte: der Welt were / so lange sie gestanden / dergleichen Wunderbegäbnis nie zu Gesichte gekommen. Nie sei es erhöhret / daß ein Leue so getreu und dienstfärtig gegen einigen Menschen / als dieser getahn / sich erwiesen.

(22) Es war auch gewislich dazumahl dergleichen Beispiel in der Welt noch gantz neu / noch gantz fremde. Man hatte dazumahl noch niemahls ein so wildes und grausames Tier gezähmet gesehen. Viel weniger hatte man erfahren / daß ein Leue / wider sein angebohrnes wildes Wesen / einigem Menschen mit so gar getreuen Diensten begegnet. Erst nach der Zeit hat Hanno / ein Fönizier / dergleichen Tier zum allerersten gezähmet. Zum allerersten hat nachmahls Markus Antohn die Leuen vor seinen Siegeswagen gespannet. Was vom Mentor / einem Sirakuser / der einen Splitter aus eines Leuen Pfohte gezogen / ja was vom Elpis / einem Samier / welcher einen Knochen dergleichen Tiere zwischen den Zähnen heraus nahm / die Geschichte melden / hat sich ebenmäßig erst nach der Zeit begeben.

(23) Weil der Fünffürst noch einige Stahtsgeschäfte / die keinen Verzug litten / zu verrichten hatte / so schied er / nach einigen andern Gesprächen / wieder von ihnen. Auch folgete seine Gemahlin / die gegen das instehende Freudenmahl ihren besten Schmuk anzulegen gesonnen / ihm straks nach. [376] Als sich nun das Freulein / mit ihrer Mutter / und ihrer Hofmeisterin / allein sahe; da begehrte Sie von jener des Reubers Pammenes Lebensverhaltnis zu wissen. Die Mutter hette zwar itzund / ihrer Amtspflicht zur folge / der Fürstin / neben den Stahtsjungfrauen / aufwarten sollen. Weil aber die Fürstin selbst / im Hinausgehen / ihr befohlen / noch ein wenig bei ihrer Tochter zu verharren; so gehorchte sie diesem Befehle. Auch wilfahrte sie dem Begehren des Freuleins; indem sie kurtzbündig zu erzehlen anfing / und zwar folgender Gestalt /


Die Lebensgeschicht des

Reubers Pammenes.


(34) »Der Apfel fält nicht weit vom Stamme. Der Rabe verlesset die Raubahrt seines Geschlächtes nicht. Die Katze wird mit Mausen empfangen / im Mausen gejunget / und durch die Mauserei groß gemacht. Was für ein Wunder ist es dan / daß ihr die Mauserei als erblich anhänget. Des Pammenes Vater war ein Reuber. Seine Mutter stahl gern. Seine Pflegemutter / oder vielmehr Seugamme hatte das Kind / da es kaum gebohren / seiner Gebährerin entwendet. Was für ein Wunder war es dan / daß derselbe / dem die Reuberei von seinen Eltern angebohren /und der Diebstal von seiner Amme vollend eingeseuget worden / so ein berufener Dieb / so ein großer Reuber ward.

(35) Seine Pflegemutter märkte die Raubahrt an ihm schon in seinen ersten Kindesjahren. Darüm trachtete sie ihn / durch Ubung in den freien Künsten /darvon abzuziehen. Erst lies sie ihn zu Timnat in die Stadtschuhle gehen. Darnach schikte sie ihn nachDebir / auf die Hohe Schuhle. Alda / weil er sehr witzig und verschlagen war / nahm er in kurtzer Zeit überaus zu. Er übertraf in der Gottesgelehrtheit / darinnen er sich / als in seinem vorgegebenen Hauptzwekke / sonderlich üben muste / schier alle seine gleichjährige Mitlehrlinge.

(36) Gleichwohl hing ihm die Raubahrt noch immer an. Er [377] konte keines Weges darvon ablaßen. Er entführte seinem Mitgesellen so manches Buch: auch wohl seinen Lehrern selbst. Doch diese Dieberei wuste er so listig zu vertuschen / daß er in keinen Verdacht kahm. Endlich bestahl er gar die öftendliche Bücherei. Dieses sahe der Bücherverwahrer selbst /der hinter den Büchern von ferne stund. Die sämtlichen Glieder der Hohen Schuhle / sobald es ihnen angesagt ward / nahmen es so übel auf / daß er darüber in Verhaftung geriet. Aber seines unermüdeten Fleisses / und seiner ungemeinen Geschikligkeit wegen /kahm er bald wieder loß! Doch ward er von der Hohen Schuhle verstoßen.

(37) Seine Pflegemutter hatte vor / ihn in Egipten zu schikken: damit er sich auch in der Egiptischen Priester Weisheit üben möchte. Alda hatte sich seine Mütterliche Bluhtsfreundin / die berühmte Jung frau Sidon / vor diesem gleichmäßig aufgehalten. Diese sang eine sehr liebliche klahre Stimme. Ja sie war dieselbe / welche / wo sie nicht die Weltberühmte Handelsstadt Sidon / wie etliche meinen / gestiftet /doch die Erfinderin war einer sonderlichen Ahrt Gesänge / die man nach ihrem Nahmen noch itzund Sidda oder Siddot zu nennen pfleget.

(38) Aber er hatte keine Ohren darzu. Der zuDebir empfangene Schimpf stak ihm noch im Kropfe. Die Schande / die man ihm alda angetahn /wolte die Kunstgeflissenheit ihm schier verleiden. Er legte sich / an stat seines vorigen Fleisses zu gebrauchen / auf die faule Haut. Er ward ein Bährenheuter /ein Faulenzer / ein Lediggänger / ja endlich gar ein Straßenreuber. Er klopfte tapfer auf den Busch. Selbst zu Hause / selbst in der Stadt Timnat blieb ihm an den Händen kleben / was so einem andern zukahm. Endlich stahl er auf den Gassen die Kinder weg / und verkauffte sie in der Fremde. Ja er entführete mit Gewalt eine Jungfrau. Hierüber ward er ertapt. Aber mit einer sonderlichen Arglist kahm er darvon / und flohe nach Egipten zu.

(39) Alda begab er sich zu den Memfischen Priestern. Alda hielt er sich so from: er stellete sich so andächtig / so heilig an / daß es schien / er hette niemahls einiges Wasser betrübet. Er [378] verfügte sich des Tages wohl zwei oder dreimahl in das Heiligtuhm. Alda schien er / aus sonderlicher Gottesfurcht / selbst die Füße der sämtlichen Götter abzubeissen. Endlich ward er lüstern sich auf die Ahrtforschung zu legen. Er wolte die Kraft Eigenschaft des Ertzes / des Edelgesteines / und aller Berggewächse durchgründen. Er wolte das Geheimnis der Verwandelung des einen Ertzes in das andere / durch die Scheidekunst / ausforschen. Und hierzu ward er veranlaßet durch die Ebräerin Marie.

(40) Diese weise Frau war es / die so schöne Bücher vom Golde / vom Silber / und von den Edlen Steinen sol geschrieben haben / daß sie dadurch einen großen Nahmen weit und breit verdienet. Zu dieser gesellete sich der flüchtige Pammenes. Mit dieser ging er täglich üm / nur darüm / damit er ihr einige Kunststüklein ablernete. Nach der Zeit ist mir von ihm nichts mehr zu Ohren kommen: als allein dieses /das ich heute von Dir vernommen: daß er nähmlich wieder ein Reuber / und endlich eine Zielscheibe des über seine Boßheit ergrimten Himmels geworden. So hat er dan seinen verdienten Lohn empfangen! So ist sein Leib / und seine gotlose Seele / mit Schrökken hinunter in den Abgrund gefahren!«

(41) Nach dieser Erzehlung legte das Fürstliche Freulein seinen zum Freudenmahle bestimten köstlichen Schmuk vollend an. Die Mutter aber begab sich unterdessen in der Fürstin Zimmer; da sie das gantze Fürstliche Frauenzimmer / auf das prächtigste geschmükket / schon versamlet fand. Ein wenig darnach erschien auch das Freulein selbst / dem die Hofmeisterin folgete. Weil nun das Freudenmahl noch sobald nicht angehen solte / so sahe die Fürstin für guht an einen Lustwandel in den Schlosgarten zu tuhn. Zu dem Ende nahm sie dan das Freulein bei der Hand. Und also ging sie / in Begleitung beider Hofmeisterinnen / und aller Stahtsjungfrauen / darnach zu. Die Kammermägdlein und Zofen bewahreten indessen ihr Zimmer.

(42) Dieser Lustgarten lag längst der Morgenseite des Schlosses hin / in einem recht vierekkichten weitem Umfange. Auf seinen drei freien Seiten / nähmlich auf der Mitternachts Morgen- [379] und Mittags-seite / war er mit lauter Palmenbeumen / die in zwo nach der Schnur eingerichteten Reihen stunden / und rund herüm einen anmuhtigen schattichten Lustgang macheten / ümschlossen. Mitten durchhin / von Mitternacht nach dem Mittage zu / kahm ein klahres Bächlein gerieselt: welches zu beiden Seiten eine niedrige Mauer hatte / darauf man zugleich sitzen konte / und recht in der Mitte des Gartens einen runten Teich stähts mit frischem Wasser erfüllette. Dieses Bächlein sowohl / als der Teich / dienete nicht allein die Bluhmen und Gartenfrüchte zu begiessen / sondern auch zu Vermehrung der Lust.

(43) Auf der einen Seite des Bächleins nach dem Schlosse zu / gegen Abend / befand sich der Bluhmengarten / mit vielerhand fremden und einheimischen Bluhmengewächsen bepflantzet. Dieser war in acht gleichgroße Felder / die rund ümher teils mit Rosenstreuchern / teils mit mancherlei niedrigen Beumlein ümpflanzet stunden / eingeteilet / also daß üm iedes Feld her ein zimlich breiter Gang ging. Alle Felder waren wieder in unterschiedliche zierlich gebildete Betten unterschieden. Alhier blüheten eben dazumahl / wo nicht fast alle / doch die meisten Bluhmen: welches überaus lustig und lieblich war anzusehen.

(44) Auf der andern Seite des Bächleins / die gegen Morgen lag / war der Kohl- Kreuter- und Küchen-garten eben wie der erste / mit sonderlichen Feldern / und Betten unterschieden Dieser grühnete durch und durch / eben wie der vorige durch und durch bunt war. In diesem ward das Auge / das in jenem sich schier blind gesehen / wieder gestärket; indem die Augenstrahlen an der Grühnen Farbe sich gleichsam wieder schärften. Von einem Garten zum andern ging man über unterschiedliche steinerne Brüklein / die über das Bächlein geleget stunden.

(45) Bei einem dieser Brüklein / neben dem Teiche / ward die Fürstin des Fünffürsten gewahr. Alda saß er mit dem Oberjägermeister / unter dem Schatten eines Feigenbaumes / auf einem begraseten Bänklein. Beide hatten sich in ihrem Gespräche so sehr vertieffet / daß sie das ankommende Frauenzimmer nicht eher erblikten / als da sie den behände schlurfenden[380] Trit /und das Rauschen der Kleider höreten. Erstlich achteten sie dieses Getöses und Gereusches nicht. Aber als sie vernahmen / daß es immer näher und näher kähme / daß es immer lauter und lauter würde; da sahen sie sich üm / und sahen also den gantzen Hauffen zunächst hinter ihnen stehen.

(46) Der Fünffürst sprang so plötzlich auf / daß er dem Oberjägermeister schier zuvorkahm. Beide hatten sich eines so unversehenen Uberfalles nicht vermuhtet. Doch war es ihnen lieb / daß ihre Geselschaft so märklich sich mehrete. Diesen Tag hatte man ja zur Lust und Freude bestimmet. Darüm war es ihnen nicht zuwider / daß man sie in ihren wüchtigen Gesprächen / die auf eine andere Zeit könten verspaaret werden/ so unverhuhts gestöhret. So verfügte sich dan der Fünffürst / einen Lustwandel zu tuhn / zu seiner Gemahlin / und Freulein Tochter. Und der Oberjägermeister wehlete die Seite seiner Liebsten / die neben der Oberhofmeisterin herging.

(47) In dieser so anmuhtigen Geselschaft begaben sie sich in den Bluhmengarten: da die weissen Bluhmen für allen diesen ausbündigen Schönheiten sich gleichsam zu erröhten / und die Rohten schier zu erblassen schienen. Der Fünffürst war der erste / der seine Hand an diese so lieblichblühende Gartengewächse schlug. Er brach etliche weisse mit eben so vielen rohten Rosen ab. Von diesen gab er seiner Gemahlin / seiner Freulein Tochter / und ihrer Hofmeisterin / wie auch der Oberhofmeisterin / einer ieden ein Paar. Das letzte Paar behielt er für sich selbst. Bei überreichung des einen Paares an die Hofmeisterin /fing er seiner Gewohnheit nach / zu schertzen an. »Ich märke / daß ihr Liebster / aus Blödigkeit / ihr keine Rosen abpflükken darf. Darüm wird er nicht schähl sehen / wan ich es tuhe. Doch er spaaret vielleicht seine Hand eine lieblichere Rose bei Ihr selbst abzubrechen.«

(48) Zwischen dessen waren alle Stahtsjungfrauen /auf ihres Fürsten Wink / auch Rosen abzubrächen geschäftig. Weil nun die Fürstin gewahr ward / daß der Oberjägermeister noch keine hette / so befahl sie ihrer Kammerjungfrau ihm ein Paar einzuhändigen. Diesem Befehle ward straks gehorchet. Die Kammerjungfrau verfügte sich Angesichts zu ihm zu. Sie überreichte[381] das paar Rosen. Und darbei sagte sie: weil ihre Hand so glüklich sei die Ehre zu haben / auf der Fürstin Befehl einem Breutigam ein Blühmlein zu verehren; so verhofte sie seine Braut damit nicht zu erzürnen.

(49) »Wie seind dan heute« / fing der Fünffürst an / »die Breute so gar blöde / daß weder Breutigam /noch Braut die Kühnheitnehmen dürfen einander ein Rösichen abzupflükken? Doch weil sich dessen der Breutigam zuerst geschähmet, wer wolte die Braut /welcher die Schaam / als eigen / zukömt / verdenken /daß sie sich nicht weniger schaamhaftig erweisen wollen? Nun ist die Schählsichtigkeit bei beiden aufgehoben: weil beiden begegnet / was sie schählzusehen veruhrsachen können / im fal nur einem allein solche Begegnis zugestanden.«

(50) Hierauf begaben sie sich / der Sonnenhitze /die was heftig zu stechen begunte / zu entgehen /unter den Schatten der Palmenbeume. Alda setzten sie sich / auf unterschiedlichen Bänken / nieder. Der Fünffurst fing wieder an zu schertzen. Er fragte die künftige Braut: wie ihr der Brautnahme / den man ihr schon gegeben / gefiele; und ob sie nicht Verlangen trüge / ihn in der taht zu haben? Weil sie nun / aus Schaam / auf diese zwo so kitzlende Fragen nicht antworten durfte; so fuhr er fort / sie zu trösten. »Seid nur guhtes Muhtes« / sprach er / »die Stunde / darinnen euch dieser Nahme wird zugeeignet werden / ist bald vorhanden. Itzund wird die Vorbereitung zu unsrem Freuden- und eurem Verlöbnis-mahle schon gemacht. Itzund werden wir an den Ort gehen / da euer Jawort mit demselben eures Liebsten sich vereinbahren sol. Hieraus wird der Brautnahme gebohren werden.«

(51) Nach einigen andern Gesprächen und Schertz reden mehr / stund der Fünffurst auf / sich / mit der gantzen Geselschaft / wieder auf das Schlos zu begeben. Alda war alles geschäftig. Alles war rege. Man lief ab und zu / hin und her / ein und aus. Man klapperte mit den Schlüsseln. Man trug sich mit den Tellern. Man spühlete die Krüge. Man schwänkte die Kannen aus. Man scheuerte die Bächer. Einieder wartete seines Amtes. Einieder täht / was ihm zukahm. Einieder verrichtete / was ihm befohlen.

[382] (52) Selbst der Mahrschalk war schon bei der Hand. Er machte schon Anstalt zum Freudenmahle. Er befand sich schon bald auf dem Tafelsaale / bald in der Küche. Alhier und knarreten und kirreten die Brahtspisse. Alhier zischeten und plupperten die Töpfe. Alhier knasterten die Tiegel. Alhier roch es nach gebrahtenen / nach gebakkenen / nach gesottenen / nach gewürtzten Speisen. Ja die gantze Küche war vol des angenehmsten Geruchs von vielerhand Früchten / von vielerhand Gewürtzen.

(53) Der Küchen- und Speise-meister übersähe seine Küchenrolle. Er machte schon Anstalt / wie man die Speisen auftragen solte. Der Kellerlau lies auch schon die Krüge / die Kannen / die Schleiffen und andere Tafelgefäße vol Weines zapfen. Er lies die besten Weine für die Fürstliche Tafel besonders / die schlechteren für die Beitafeln auch besonders in Ordnung setzen. Alles ward färtig gemacht zum auftragen. Hierzu stunden die Tafeldiener schon da.

(54) Inzwischen begunten sich im Tafelsaale / da die Tafeln gedekt stunden / die Eingeladene schon zu versamlen. Alle Gäste hatten sich alhier schon eingefunden / als der Fünffürst / mit allen./ die ihm folgeten / hineintraht. Straks darauf kahm die erste Tracht der Speisen an; welche die Edelknaben trugen. Der Mahrschalk ging vor ihnen her / und zeigete / mit seinem Mahrschalksstabe / die Stellen an / wo iede Speise stehen solte. Nachdem nun alles / in richtiger Ordnung / aufgesetzt stund / gab der Mahrschalk ein Zeichen / daß man sich niederlaßen solte.

(55) Der Fünffurst / mit seiner Gemahlin / und Fürstlichen Tochter waren die ersten / die sich niederliessen. Darnach warden auch allen den andern /durch den Mahrschalk / ihre Stellen angewiesen. Weil das Verlöbnis des Oberjägermeisters bei diesem Freudenmahle geschehen solte / so ward ihm / und seiner Liebsten / der Hofmeisterin des Freuleins / die Ehre gegeben / daß sie beide beieinander straks neben der Fürstin zu sitzen kahmen. Die Oberhofmeisterin aber hatte / mit dem Fürstlichen Frauenzimmer / ihre besondere Tafel.

(56) Sobald sich alle Gäste gesetzet / warden die Speisen / [383] eine nach der andern / vorgedienet. Dieses geschahe in eben der Ordnung / wie man sie aufgesetzt. Der Fünffürst selbst rief ohn unterlaß: man solte essen! man solte trinken! man solte sich lustig und fröhlich erzeigen! Dieses sei das Freudenfest / das er seiner wiedergefundenen Tochter zu liebe feierte. Dieser Tag sei der Freudentag / den er alle Jahr ihr zu Ehren feierlich zu begehen beschlossen. Darüm solte man an diesem Feiertage keiner Freude spaaren. Man solte / bei diesem Wohlleben / in aller Lust und Freude zu leben nicht vergessen. Und hiermit würde man seinen Willen erfüllen / sein Begehren vergnügen /und seinen einigen Wunsch volbringen.

(57) Man war auch in Wahrheit überaus fröhlich. Der Fünffürst selbst erzeigete sich als ausgelaßen in Freuden. Er gab allen / durch sich selbst / ein freudiges Beispiel. Er ginq; allen mit Freuden vor. Und also ward alle Traurigkeit verbannet / und der Fröhligkeit Stat und Raum gegeben. Also muste der Ernst weichen / und der Schertz zog überal ein. Also zeumete man die Unlust / und lies der Lust den vollen Zügel Also vertrieb man den Kummer / die Sorgen / ja alles dieses Unwesen / und führete die Freude / die Wonne / die Ergetzlichkeit / ja alles liebliche Wesen überal ein.

(58) Unter währendem Freudenmahle stund der Leue fort und fort hinter dem Freulein. Diese Stelle durfte niemand anders beträhten. Er allein wolte seiner Gebieterin aufwarten. Es dorfte kein Diener ihm zu nahe kommen. Täht es ie einer / so gab er ihm straks einen so leunischen Blik / daß er angesichts weichen muste. Doch denen / die Ihr etwan einen Bächer vol Weines / oder sonst etwas zu überreichen hatten / täht er nichts. Er sahe sie freundlich an / ja wich ihnen solange selbst aus dem Wege / bis sie ihr Amt verrichtet. Darnach traht er wieder an seinen vorigen Ort. Wan auch das Freulein nach einem Aufwärter / ihn zu rufen / sich ümkehrete; so täht er eben dasselbe. Er kehrete sich gleicher gestalt üm / und sahe den Aufwärter an / als wolte er ihn seiner Pflicht erinnern.

(59) Solange das Freulein aß / enthielt er sich des Essens so gar / daß er auch von niemand einige Speisen / die man ihm zureichte / ja von dem Freulein selbst nicht / annehmen wolte. [384] Sobald er aber märkte /daß sich seine Gebieterin gesättiget; da nahm er alles an / was man ihm vorhielt: doch von niemand anders /als vom Freulein / und von beiden Fürstlichen Eltern. So bescheiden und vernünftig wuste sich dieses sonst unvernünftig genente Tier anzustellen.

(60) Der Fünffurst / welcher / mitten im Wohlleben / auf alles Tuhn und Laßen des Leuen Achtung gegeben / war hierüber zum höchsten verwundert. Auch ward er dadurch veranlaßet / eine dreifache Frage deswegen aufzugeben. Er fragte die Anwesenden: ›was sie von einem solchen wilden Tiere / das sich so vernünftig verhielte / wohl urteileten? ob es auch / nach dem gemeinen Wahne / mit Recht unvernünftig zu nennen sei? und ob es vernünftig genennet zu werden nicht eben sowohl verdienete / als der sonst ins gemein und unter allen Tieren allein also genente vernünftige Mensch?‹

(61) Allen und ieden lag ob diese dreifache Frage zu beantworten. Sie musten alle nach der Reihe herum ihr Urteil aussprächen. Dieses nun fiel / nach den unterschiedlichen Meinungen / auch unterschiedlich. Etliche urteileten:›der Mensch sei allein vernünftig zu nennen. Keinem andern Tiere kähme dieser Nähme zu. Wiewohl etliche derselben auch vernünftig schienen; so sei es doch nur ein bloßer Schein. In der Taht und Wahrheit selbst weren sie doch unvernünftig. Die rechte würkliche Vernunft besäße nur allein der Mensch / als ein Herr und König der Tiere; wiewohl er sonst auch ein Tier genennet würde. Alle die andern Tiere / die teils auf dem Erdboden gingen oder kröchen / teils in der Luft schwebeten oder flögen /teils auch im Wasser zu schwimmen pflegten / doch eines mehr / als das andere / weren darvon ausgeschlossen.‹

(62) Andere dargegen widerstritten diese Meinung. Sie hielten darfür: ›der Mensch sei nicht allein ein vernünftiges / aber wohl allein ein redendes Tier zu nennen. Dieser Unterscheid zwischen ihm / und allen den andern Tieren / derer keines reden könte / sei genug. Ja er sei wahrhaftiger und rechtmäßiger / als daß man jenen allein vernünftig / und diese / sie von ihm zu unterscheiden / allein Unvernünftige zu nennen pflegte: weil alle Geschlächte solcher [385] nicht-redenden Tiere gleichsowohl / als der Mensch / der Vernunft fähig; und manche Menschen nicht weniger / ja zuweilen wohl mehr / als etliche der so genenten unvernünftigen Tiere / der Unvernunft ergeben weren.‹

(63) Und dieses ihr Urteil zu bewähren / erzehleten sie etliche Beispiele von den Elefanten /Wasserpferden / Affen / Meerkatzen / Füchsen / Schlangen / Ameissen /Bienen/Pelikanen oder Leffelgänsen/Meerfrauen /Wal- und Braun-fischen / Seehunden / und vielen andern dergleichen Tieren / darinnen sich die Vernunft oft mehr euserte / als in manchen tummen Menschen / an denen vielmahls nichts menschliches zu spühren / als nur allein die Sprache. Von gegenwärtigem Leuen / dessen gantzes Geschlächt / in vielen Stükken / mit keiner Unvernunft zu bezüchtigen / wolten sie nicht einmahl melden.

(64) Noch andere brachten wider die eine sowohl /als die andere Meinung ein. ›Der neuere Unterscheid‹ / sagten sie / ›vermittelst dessen die Menschen redende Tiere / die andern Tiere dagegen Nicht-redende oder Sprachlose solten genennet werden / sei zwar ungleich besser / eigendlicher / und wahrhaftiger. Doch gleichwohl müste der alte gewöhnliche Unterscheid / wan man den Menschen / der Fürtrefligkeit seiner Vernunft wegen /ein vernünftiges Tier / und alle die andern Tiere / weil sie weniger Vernunft hetten / Unvernünftige nennete / nicht so gar verworfen werden: indem er sich keines weges so weit erstrekte / noch erstrekken könte / daß darüm der Mensch allein vernünftig / und alle die andern Tiere dargegen allein unvernünftig / und in etlichen Stükken nicht auch vernünftig zu sein müsten verstanden werden.

(65) Daß etliche Menschen‹ / fuhren sie fort / ›so gar tum / und so gar tutzig / ja oftmahls auch so gar aberwitzig weren / daß manches Tier / ja manches Vieh vernünftiger und witziger / als sie / sei; solches entzöge dem alten gewöhnlichen Unterscheide seinen Währt nicht: weil ein solcher der ohnmächtigen Zielmutter wider ihren Willen begangener Fehler nur bei wenigen / dagegen bei den meisten Menschen die Vernunft [386] auf das höchste fürtreflich / eben wie sie bei den meisten Tieren auf das euserste tutzig und auf das gröbeste grob / gefunden würde.‹

(66) Diejenigen / welche der Ersten Meinung widerleget / und der Menschen und Tiere Unterscheid in vernünftige und unvernünftige Geschöpfe gar über einen Hauffen zu stoßen sich bemühet / wolten ihre Gedanken hierüber noch weiter erklären. Aber der Fünffürst fiel ihnen in die Rede. Er befahl ihnen Maße zu halten. Diese Dinge / sagte er / gehöhrten auf Hohe Schuhlen. Sie völlig zu erörtern sei dieses Ortes nicht. Bei dem Wohlleben müste die Vernunft nicht zu hoch steigen. Ein weniges Vernunftgrübeln ginge wohl hin. Man hette den dreifachen Knohten seiner aufgegebenen Frage nach Genügen entknöhtelt. Nun sei es Zeit den Gelehrten ihre Lust zu lassen /und eine andere / die sich hieher besser schikte / zu suchen.

(67) Hierauf bekahm der Ernst ein Loch. Der Schertz schlüpfte durchhin. Er traht wieder auf den Schauplatz hervor. Er spielete seine Mummerei. Das Kurtzweilen ging an. Man schob den Vorhang auf die Seite. Die Lust lies sich schauen und höhren. Die Ergetzung erschien. Die Freude zog auf. Die Freudenstimmen halleten. Die Lustlieder schalleten. Die Meistersänger sungen. Die Seitenspiele klungen. Alles war fröhlich. Alles war lustig. Alles befand sich in vollen Freuden.

(68) Inzwischen war gleichwohl der Oberjägermeister so stille / gleichals ginge diese sonst algemeine Lust ihn nicht an. Seine Liebste saß / als entzükt / in tieffen Gedanken. Sie verlangte nach der Volziehung ihres Verlöbnisses. Die Zeit / da ihr der angenehme Braut-nahme solte gegeben werden / verzog viel zu lange. Eher / als bis sie ihn hörete / konte / noch vermochte sie nicht recht fröhlich zu sein. Der Fünffürst märkte dieses ihr Anliegen. Er gab acht auf alle ihre Gebährden. Die verrieten ihm ihre Gedanken. Darüm befahl er / sobald die Mahlzeit geschehen war / man solte stille sein. Die Kunstsänger und Seitenspieler solten zu singen und zu spielen was aufhören; damit das Verlöbnis dieser Liebsten möchte vollzogen werden.

(69) Hierauf sprach er ihnen Beiden mit den allerfreundlichsten [387] Worten selbst zu. Er begehrte selbst /sie solten einander / in seiner und aller Anwesenden Gegenwart / die Hände zureichen sich in treuer Liebe zu verbinden. Sie wolten alle Zeugen sein solches ihres Verbindnisses. Sobald nun der Handschlag geschehen / und das Verlöbnis mit gewöhnlichen Worten / üblichem Gebrauche nach / volzogen war, da war er der erste / der den Verlobten Glük wünschete. Eben dasselbe täht auch straks darauf seine Gemahlin / und Freulein Tochter. Dieser folgeten endlich auch alle die andern / mit einhälligen Stimmen.

(70) Nachdem nun alles / was bei Verlöbnissen vorzugehen pflegte / volendet war / da gab der Fünffürst den Kunstsängern und Seitenspielern einen Wink sich wieder hören zu laßen. Diese fingen auch alsobald an. Alsobald sungen und spieleten sie ein Lied / welches bei Verlöbnissen gemeiniglich pflegte gesungen zu werden. Hierinnen warden die Glükswünsche wiederhohlet. Und also sang und spielete man gleichsam das Glük / das die Zuseher und Zeugen des Verlöbnisses gewünschet / den Verliebten und Verlobten zugleich zu.

(71) Dieses Lied oder vielmehr Liedlein hatte die berühmte Fönizische Dichterin und KunstsängerinZidon auf das Verlöbnis einer von ihren Blutsfreundinnen ehmals gedichtet. Um seiner Kurtzbündigkeit sowohl / als der glükwünschenden Worte willen / die es begreift / ward es nach der Zeit schier bei allen Verlöbnissen gesungen. Sein Inhalt lautet verhochdeutschet ohngefähr also:


Der Himmel gliedre diese Kette!
Der Himmel flechte dieses Band /
Er flecht` es fest üm Hertz und Hand!
So trag` Er Euch vereint zu Bette!
So laß` Er Euch in süßer Ruh /
und geb` Euch Glük und Heil darzu!

(72) Unterdessen hatte man sich von der Tafel erhoben. Alle waren aufgestanden. Auch hatte der Mahrschalk alles schon aufnehmen und aus dem Wege reumen laßen / als der Fünffurst den Seitenspielern befahl ein Tantzliedlein zu spielen. Weil [388] dieses Freudenfest seiner Freulein Tochter zu liebe war angestellet / so muste sie die erste sein / welche die Ehre haben solte den Vortantz zu tuhn. So nahm er sie dan selbst bei der Hand / und befahl dem Oberjägermeister / mit seiner Braut / ihm zu folgen.

(73) Hierauf forderte der Fünffürst auch seine Gemahlin auf / zum zweiten Tantze. Hierinnen muste der Oberjägermeister / mit seiner Braut / wiederüm folgen. Aber den dritten Tantz täht der Fünffürst / mit der Braut / gantz allein. Darnach war allen Eingeladenen / nach eigenem Belieben / zu tantzen erleubet. Da warden die Reihentäntze begonnen. Diese täht bald das Frauenzimmer allein / bald das Mansvolk allein. Bald tantzten die Frauen- und Manns-bilder zugleich und miteinander.

(74) Mitlerweile saß der Fünffürst / mit seiner Gemahlin / und dem Freulein / gantz stil. Dieses täht auch eine Zeitlang der Oberjägermeister / mit seiner Braut: welche der Fürstin Kammerjungfrau endlich aufforderte mit ihr zu tantzen. Nicht lange darnach stund auch der Oberjägermeister auf / die Kammerjungfrau zum Tantze zu führen. Und dieses täht er aus einer zweifachen Dankbarkeit: weil diese Jungfrau ihm / im Lustgarten / ein paar Rosen / auf der Fürstin Befehl / überreichet / und dan seiner Braut die Ehre getahn / sie zum Reihentantze zu nöhtigen.

(75) Alle tantzten / als allein die Oberhofmeisterin nicht: derer Witwenstand es auch nicht zulies; zuvoraus weil sie ihren Ehman / durch ein sonderliches Unglük / so jämmerlich verlohren / daß sie deswegen die Zeit ihres gantzen Lebens wohl trauren mögen. Darüm verlohr sie sich auch bald aus dem Tafelsaale /da das Tantzen kaum seinen Anfang gewonnen. Sie konte dieser Lust länger nicht zusehen. Sie war ihr so zuwider / daß sie darvor ekelte.

(76) Man hatte nunmehr schon ziemlich tief in die Nacht hinein getantzet / als der Fünnffürst aufstund. Er sahe seine Freulein Tochter von der gestrigen Reise noch ermüdet. Er märkte/ daß sie schläferig sei / und lieber zu ruhen / als bei der Lust zu bleiben /verlangte. Darüm befahl er den Kunstspielern [389] zum Abschiede zu spielen. Und hiermit begab er sich /samt der Fürstin / und seiner Freulein Tochter / aus dem Saale. Alle Stahtsjungfrauen folgeten ihnen auf dem Fuße nach. Eben dasselbe tähten auch alle die andern. Und also hatte dieses Freudenmahl ein Ende.

(77) Eben üm diese Zeit erfuhr der Egiptische Königliche Fürst Psamnes den Schifbruch und Untergang des Reubers Pammenes; den er ausgeschikt hatte zu Sidon einige Wahren einzukauffen. Ein Knabe von Memfis / der mit bei dem Schifbruche gewesen / aber das Glük gehabt / daß ihn ein anderes Egiptisches Schif / als er einen gantzen Tag auf einem Schifsbrehte herümgeschwommen / von ohngefähr aufgefangen / ländete glüklich in Egipten an. Dieser brachte die Zeitung nach Memfis / daß das Königliche Schif / mit allen Menschen / sei untergangen: daß keiner sein Leben gerettet/ als er allein.

(78) Sobald Psamnes von diesem Knaben hörete / lies er ihn / den gantzen Verlauf der Seereise zu erfahren / nach Hofe hohlen. Aber er ward zum höchsten bestürtzt / als ihn der Knabe berichtete: daßPammenes des ältesten Fünffürstens der Filister Tochter bei der Nacht entführet / mit Vorgeben / sie seinem Königlichen Fürsten / der ihm solches befohlen / mitzubringen. Ja es täht ihm überaus weh /als er ferner vernahm: daß dieses Fürstliche Freulein /welches noch sehr jung / und über die maße schön gewesen / in diesem Schifbruche selbsten jämmerlicher Weise das Leben einbüßen müssen.

(79) Es ist nicht zu beschreiben / wie erbärmlich er sich anstellete. Es ist nicht auszusprächen / wie es ihn schmertzte / daß eine so fürtreflich schöne Fürstliche Bluhme/selbst in ihrer ersten Jugendblühte / die ungestühmen Seewällen zu Grabe tragen müssen. Er verfluchte den Pammenes bis in den Abgrund der Hölle / daß durch seine Verwahrlosung eine so schöne Sonne des Filisterlandes in der wilden See untergehen müssen. Ja es verdros ihn überaus heftig /daß der gottlose Kerl ihn noch darzu bezüchtigen dürfen / als sei es sein Befehl / daß er das Freulein entführet: da er doch niemahls von einem so schönen Freulein gehört.

[390] (80) Aus großer Ungeduld waren seine Sinnen so verworren / daß er nicht wuste / was er täht. Er war zornig / und traurig zugleich. Zornig war er über den Frevel eines solchen Galgenschwängels / und traurig über den erbärmlichen Tod einer so schönen jungen Fürstin / den des Pammenes fürwitzige Frevelthat allein veruhrsachet. Er schwuhr wohl tausendmahl /van Pammenes noch lebete; wan der Himmel ihn nicht schon in den Abgrund der See gestürtzet: so wolte er ihn an den höchsten Baum aufhänken laßen; weil er so gar freventlich wider seinen Befehl gehandelt.

(81) Endlich thät er diesen gantzen Handel seinem Herrn Vater / dem Könige / kund. Der erschrak hierüber so sehr / daß er schier zitterte. Er befahrete sich /die Filister möchten sich rächen. Sie möchten ihm den Frieden aufkündigen. Sie möchten / wo sie selbst nicht könten / andere mächtigere Völker in den Harnisch bringen / sein Königreich zu bekriegen. Zum wenigsten würden sie / als längsthin an der See gelegene / seiner Untertahnen Schiffe wegrauben /und ihnen die Seefahrt nach Sidon / Tirus / und anderen Handelsstädten benehmen.

(82) Bei so gestalten Sachen war das rahtsamste Mittel einen Gesanten abzusenden: der den ältesten Fünffürsten der Filister berichtete / wie der gantze Handel sich verhielte: der des Königlichen Fürstens Unschuld / und des Bösewichts Pammenes aus eigenem Triebe begangenen Frevel anzeigete; damit der Fünffürst seinen vielleicht schon gefasseten Zorn gegen Egipten wieder fallen liesse. Und hierzu ward auch von stunden an der Königliche Stathalter zu Heliopel benennet. Den schikte man eilend fort. Man befahl ihm die Reise zu beschleunigen: damit er ja eher im Filisterlande sein möchte / als sich die Filister rüsteten auf den Egiptischen Grentzen einen Einbruch zu tuhn.

(83) Dieser Gesante kahm eben am Hofe des Fünffürsten an / als er sich / in Geselschaft seiner Gemahlin und Freulein Tochter / auf einem Lusthause vor der Stadt befand. Dieses erfuhr er straks im Tohr. Darüm begab er sich eilend darnach zu. Das Freulein stund eben auf dem Saale des Lusthauses / als er angezogen kahm. An der Kleidertracht erkante Sie zur Stunde / [391] daß es Egipter waren. Auch gab ihr die Pracht des Aufzuges zu verstehen / daß es keine Kaufleute / sondern eine Königliche Gesantschaft sein müste. Hieraus muhtmaßete Sie / der Egiptische Königliche Fürst würde sie vielleicht ihrenthalben abgesant haben. Und darüm erschrak sie dermaßen / daß ihr Anfangs nicht müglich war in den Lustgarten / da der Herr Vater sich befand / hinunter zu gehen.

(84) Gleichwohl schöpfte sie endlich noch so viel Kräfte / daß sie hinab stieg / und dem Fünffürsten ihre Muhtmaßung ansagte. Sie hatte dieses kaum ausgeredet / als schon ein Diener gelauffen kahm / mit vermelden: es sei ein Egiptischer Gesante vor dem Tohre / der den Fünffürsten / seines Königs wegen /zu sprächen begehrte. Der Fünffürst begab sich hierauf von stunden an nach dem Tohre zu / den Gesanten zu empfangen. Nach einer und der andern höflichen Grusrede / gingen sie beide miteinander auf den Saal.

(85) Alhier war es / da der Fünffürst aus der Rede des Gesanten straks im Anfang verstund: daß der Egiptische Königliche Fürst den Pammenes keines weges ausgeschikt seine Fürstliche Tochter zu entführen: aber wohl etliche Wahren zu Sidon einzukauffen: daß Ihn das Unglük / welches sie gehabt in der See ihr Leben einzubüßen / über alle maße zu Hertzen ginge: ja daß Er so wohl an ihrer Entführung / als an ihrem erbärmlichen Tode / gantz unschuldig sei.

(86) Wie erfreuet der Fünnffürst war / hieraus des Egiptischen Königlichen Fürstens Unschuld zu vernehmen / ist nicht / zu beschreiben. Eben so wenig ist die Freude des Gesanten zu beschreiben / die er bekahm / als er aus dem Munde des Fünffürsten selbst verstund / daß seine Freulein Tochter noch lebete Und also freueten sich diese beide Fürsten gleichals üm die Wette. Ja der Gesante sagte hierauf: daß seines Königes und Königlichen Fürstens Freude gantz übermäßig sein würde / sobald sie vernehmen solten / daß das toht gesagte / ja so hoch bejammerte Fürstliche Freulein noch im Leben / und bei ihren Fürstlichen Eltern in guhter Gesundheit sei.

(87) Weil nun der Gesante dem Fünffürsten etliche Königliche Geschenke mitgebracht hatte / so baht ihn der Fünffürst [392] dieselben wieder zu sich zu nehmen /und seiner Freulein. Tochter / mit einem Grusse des Königlichen Fürstens / als kähmen sie von ihm / zu überreichen. Dieses täht er seine Kurtzweile zu haben / und seine Freulein Tochter in ihrer Muhtmaßung zu stärken. Zu dem Ende gab er Ihr auch / ehe Sie den Gesanten selbst gesprochen / heimlich zu verstehen: der Egiptische Königliche Fürst hette bei ihm üm Sie schon werben laßen / und der Gesante sei auch nur darüm angelanget.

(88) Inzwischen kahm die Zeit herbei / daß man Tafel halten solte: darzu der Königliche Gesante / den der Fünffürst / sich anders anzukleiden / allein gelaßen / schon eingeladen war. Die Speisen warden färtig gemacht. Die Tafeln stunden gedekt. Der Mahrschalk war schon bei der Hand die Anstalt zum Auftragen zu machen / als sich der Fünffürst wieder zum Gesanten begab / ihn selbsten in den Tafelsaal zu begleiten.

(89) Alhier war die Fürstin / mit ihrer Fürstlichen Tochter / und dem gantzen Frauenzimmer / eben angelanget / als der Egiptische Gesante / durch den Fünffürsten begleitet / hinein geträhten kahm. Diesen empfing die Fürstin / die sein rechtes Anbringen aus dem Munde des Fünffürsten schon wüste / mit sonderlich höflicher Freundligkeit. Aber das Fürstliche Freulein hielt sich gegen ihn was fremde: sonderlich als er Ihr vom Egiptischen Königlichen Fürsten / von dem Sie sich auf das höchste beleidigt zu sein befand / einen Grus brachte / ja zugleich einige Geschenke /die ein Diener ihm nachtrug / einreichte.

(90) Sie muste zwar / auf Zuwinken ihres Herrn Vaters / diese Geschenke / gleichals weren sie Ihr lieb / annehmen. Doch gleichwohl gab Sie / durch ihre Worte / viel ein anders zu verstehen. Sie sagte: Sie were solcher Königlichen Geschenke nicht währt. Der Königliche Fürst hette besser getahn / wan er sie einer andern / welcher er höflicher / als Ihr / zu begegnen gesonnen / einhändigen laßen.

(91) Hieraus märkte der Gesante zur Stunde / was die Glokke geschlagen. Gleichwohl verbarg er seine Gedanken. Auf diese so anzügliche / ja stachlichte Worte schwieg er gantz [393] [395]stil. Es schien ihm rahtsamer zu sein die Antwort darauf gegen eine gelegnere Zeit zu spaaren: da er Ihr die Unschuld seines Königlichen Fürstens mit mehrerm Fuge zu verstehen geben könte. Und dieses täht er auch bald darnach bei der Tafel /als er neben Ihr zu sitzen die Ehre hatte.

(92) Alhier war es / da er Ihr die bösen aus bösem und falschem Berichte des gottlosen Pammenes entstandene Gedanken von seinem Königlichen Fürsten benahm. Er entdekte den gantzen Handel. Er versicherte Sie / daß der Egiptische Königliche Fürst niemahls die Gedanken gehabt Sie entführen zu laßen. Er hette den Pammenes keines weges befohlen diese: Freveltaht zu verüben. Er hette nur darüm ihn ausgeschikt / daß er etliche Wahren zur Kleidung in der Stadt Sidon kauften solte. Ja er schwuhr Ihr zu / daß er von einer so fürtreflichen Schönheit / als Sie hette / noch von Ihr selbsten niemahls gehöret. Was er nun wüste / das wüste er aus der Erzehlung eines Egiptischen Knabens / der aus dem Schifbruche wunderlich entronnen / und ihm das gantze Geheimnis ihrer Entführung geoffenbahret. Eben daher sei er auch bewogen worden / zu Rettung seiner Unschuld gegenwärtige Gesantschaft abgehen zu laßen.

(93) Durch diese Reden vergnügte der Gesante das Freulein dermaßen / daß Sie nunmehr den Egiptischen Königlichen Fürsten mit andern Augen ansahe. Der Verdacht / den Sie bisher auf Ihn geworfen / war gantz verschwunden. Sie hielt Ihn nun nicht mehr für denjenigen / der Sie beleidiget. An stat / daß Sie Ihn bisher der Unhöflichkeit / ja wühterischen Gewalttähtigkeit beschuldiget / priese Sie nunmehr seine Bescheidenheit / seine Fürsichtigkeit / seine Gewissenhaftigkeit; indem er seine Unschuld zu retten so sorgfältig / so eifrig sich erwiesen. Ja Sie baht den Gesanten selbst Sie bei seinem Königlichen Fürsten /ihres aus Unwissenheit an Ihm begangenen Verbrächens wegen / bester maßen zu entschuldigen.

(94) Und also kahm es überal aus / daß der Egiptische Königliche Fürst an der Entführung des Fürstlichen Freuleins eben so wenig Schuld hette / als der algemeine Stahtsrichter des Volkes Gottes / Simson; dem man / aus eitelem Argwahne / solches[395] Greuelstükke zum allerersten aufbürden wollen. Darüm warden auch itzund die Kriegsvölker /die man / sich an einem / oder dem andern zu rächen / bisnochzu beieinander gehabt /sämtlich abgedanket. Einieder ging wieder nach Hause Einieder begab sich wieder zu den Seinigen.

(95) Eben in dem Augenblikke / da der Egiptische Gesante seinen Abschied nahm / ward dem Fünffürsten angesagt: man hette bei der See einige tohte Menschen / welche die Wasserwogen auf den Strand getrieben / gefunden. Weil er nun straks muhtmaßete /sie würden in eben dem Schifbruche / den seine Freulein Tochter gelitten / ertrunken sein; so befahl er etliche Reiter / sie zu besichtigen / darnachzu zu senden. Unterdessen verzog der Gesante zu erfahren / ob etwan der Reuber Pammenes mit darunter sein möchte.

(96) Aus dem Berichte dieser Reiter verstund man so viel / als daß es lauter Egipter weren; welches man aus der Kleidung gar eigendlich abnehmen können: und daß der eine / der einen dunkelblauen seidenen Rok angehabt / kein gemeiner Man müste gewesen sein. Eben einen solchen Rok hatte Pammenes / wie das Freulein bezeugte / getragen. Darüm fiel die Vermuhtung straks auf ihn. Darüm urteilte man zur Stunde / daß es dieser Reuber gewislich sein würde. Der Fünffürst befahl auch alsobald ihn zu hohlen: damit der Gesante / der ihn lange gekant / die Gewisheit / daß er es sei / aus der Bildung des Angesichts abnehmen möchte.

(97) Aber der gantze Leib dieses Tohten war / mit dem Angesichte zugleich / vom Seewasser so aufgeschwollen / und sahe so dunsen und schon so schwartz aus / daß man daraus wenig Nachrichtung einziehen konte. Gleichwohl war der Rok da / desgleichen Pammenes getragen. Gleichwohl fand man im Rokke noch ein Buch von Verwandelung der Ertzwerke stekken. Zudem kahm noch dieses / daß man an dem einen Finger dieses Leichnams des Pammenes Ring / den der Gesante sehr wohl kennete /zu sehen bekahm. Dieser Ring allein war Zeichens genug seinen Herrn zu verrahten.

(98) Weil man nun hieraus gewis wuste / daß die ser tohte Leichnam des Pammenes sei; so baht der Gesante den Fünffürsten [396] / ihn an den höchsten Baum aufhänken zu laßen. »Eine solche Strafe« / fuhr er fort / »hat der Königliche Fürst dem Pammenes selbst zuerkennet: nachdem er Ihn eines so schändlichen Schelmstükkes /das er / aus eigenem boßhaftigem Triebe / an seiner Fürstlichen Tochter begangen / mitteilhaftig /zu machen gantz verwägener Weise sich unterstanden.«

(99) Der Fünffürst seumete hierauf nicht lange. Er befahl zur Stunde dem Ansuchen des Gesanten genug zu tuhn. Er wolte straks haben / daß des Pammenes Leichnam aufgehänkt würde. Der Hänker ward gehohlet / der Leichnam auf einer Schünderkarre hinaus geschleppet / und an einen Baum / der an der Heerstraße stund / aufgeknüpft. Alhier empfing nun der Reuber die Strafe / die er vorhin im Wasser empfangen / auch in der Luft. Alhier hing er allen solchen Schelmen zum Spiegel / ja allen Vorübergängern zur Abscheu.

(100) An den Baum / daran dieser Ertzbösewicht hing / ward auch eine Tafel fest gemacht. Darauf lase man folgende Schrift: »An diesem Baume hänget der Ertzreuber Pammenes / von Timnat: dessen Vater ein Reuber / seine Mutter dem Diebstal ergeben / und seine Pflegemutter oder Seugerin ihn selbsten gestohlen. Und also war ihm die Reuberei angebohren / und der Diebstal eingeseuget. Alhier hänget er / und leidet seine verdiente Strafe: weil er des ältesten Fünffürstens der Filister Freulein Tochter verwägener Weise zu entführen / und solches Schelmenstükkes den Egiptischen Königlichen Fürsten Psamnes mitteilhaftig zu machen getrachtet.«

(101) Als das Gerüchte dieses Gerichtes vor den Stahtsrichter Israels / Simson kahm / da war es ihm überaus lieb / daß der Tähter einer solchen Freveltaht / damit man ihn beschuldigen wollen / endlich ausgekundschaffet / und zu verdienter Halsstrafe gezogen worden. Er verwunderte sich / daß Pammenes/ ein Filister / ja ein Untertahner der Filistischen Fürsten selbst / der zu Timnat unter den dreissig Brautdienern mit auf seiner Hochzeit gewesen / so verwegen sein dürfen eines Fünffürsten der Filister Tochter zu entführen. Ja er verwunderte sich noch mehr / daß er vorgeben dürfen / er hette sich [397] dessen auf Befehl des Egiptischen Königlichen Fürstens unternommen; der doch darvon nicht das geringste gewust.

(102) Was seine / des Simsons / Beschuldigung betraf/ darvon urteileten die Filister zu Timnat selbst / daß sie nicht wüsten / wo sie herrührete. Simson / sagten sie / hette ja ohnedas diese schöne Timnatterin längst zuvor / ehe sie ihr ältester Fünffürst zu seiner Tochter angenommen / wohl haben können. Ihr eigener Vater hette sie ihm ja selbst angebohten / als er über ihn gezürnet /daß er ihre ältere Schwester / die Simsons Ehweib gewesen / einen andern ehlichen laßen. Darüm sei es gantz ungereimt ihn beschuldigen wollen / daß er sie entführet / oder nur vorgehabt sie zu entführen.

(103) So bezeugeten die Filister zu Timnat des Simsons Unschuld selbsten! So waren sie selbst / ihn zu entschuldigen / bemühet! Aber sie hatten es nun nicht mehr nöhtig seine Vorsprächer und Entschuldiger zu sein. Der Rechtschuldige war nun bekant genug. Der Tähter / der Entführer / der Reuber hing schon an einem Baume / vor iedermans Augen. Der Fünffürst hatte ihn selbst aufknüpfen laßen. Alda hing er allen Menschen zur schaue / bei öffendlicher Landstraße.

(104) Unterdessen war der Egiptische Gesante wieder in sein Vaterland gelanget. Er war am Königlichen Hofe wieder angekommen. Alda fand er den König / und Königlichen Fürsten eben bei der Tafel. Seine glükliche Verrichtung gab ihm so viel Muhtes /daß er unangemeldet in den Tafelsaal traht. Der König fragte straks: ›Wie seine Gesantschaft abgelauffen?‹ Hierauf gab er zur Antwort: »Gantz glüklich / ja glüklicher / als wir alle gemeinet.« »Wie so?« fragte der Königliche Fürst. »Das tohtgegleubte Fürstliche Freulein« / gab der Gesante wieder zur Antwort / »lebet noch. Es ist aus dem Schifbruche / ja dem Tode zugleich entronnen. Hingegen hat Pammenes sein Leben einbüßen müssen. Seinen Leichnam hat man an den Seestrand angetrieben gefunden /und an einen Baum aufgehängt. Dieses ist in meiner Gegenwart / und auf mein Ansuchen geschehen.«

(105) Auf diese Worte ward iederman froh. Für großen Freuden vergaß man weiter zu fragen. Man hörete nichts mehr / [398] als »lebet das Freulein noch? Lebet das Freulein noch?« fragte man rund üm die Tafel herüm. Und hierzu fügeten alle: »Das ist guht! das ist guht! Es lebe lange! Es lebe lange!« Ja der Königliche Fürst erhub sich / mitten in diesem Freudenausrufe / und trunk dem Gesanten des Freuleins Gesundheit zu. Unterdessen rief iederman fort: »Das Freulein lebe! Das Freulein lebe! Lange lebe das Freulein! Lange lebe das Freulein!«

(106) Als nun diese Gesundheit / unter dem stähtigen Freudenrufe / rund herüm getrunken war / da erzehlete der Gesante den gantzen Verlauf seiner Reise. Ja er berichtete alles / was sich mit dem Freulein begeben / gantz ümständlich. Unter andern erhub er zugleich desselben Höfligkeit / Geschikligkeit / Lieb und Leut-säligkeit / und andere Tugenden / dadurch Sie alles Frauenvolk weit überträfe. Ihre Schönheit /sagte er / sei so überaus fürtreflich / daß sie mehr ein Engel / als ein Mensch / mehr ein himlisches / als irdisches Geschöpfe zu sein schiene. Auch führete er mit an alles / was sie mit ihm gesprochen / und wie er Ihr den Verdacht / den sie auf den Königlichen Fürsten / ihrer Entführung wegen / geworfen / benommen.

(107) Endlich kahm er auch auf den gotlosenPammenes. Dessen Gebuhrt / Auferziehung /Leben und Tod erzehlete er / teils aus des Freuleins /teils aus des Fünffürsten Munde. Ja er konte nicht gnug sagen / wie heftig ihn alle Menschen verfluchten: was für einen bösen / ja abscheulichen Nachklang er hintersich gelaßen; und was für ein Frohlokken unter dem gemeinen Völklein entstanden / als ihm der Hänker den Strük üm den Hals geschlagen / seinen in der See erstikten Leichnam an einen Baum zu hängen.

(108) »Daß dieser Pammenes« / fing der Königliche Fürst hierauf an / »ein überaus Gott- ruch- und ehrloser Mensch oder vielmehr Unmensch war / ist gar gewis. Dieses zeigete seine gantze Leibesgestalt oder vielmehr Leibesungestalt eigendlich genug an. In einem häslichen Hause wohnet gemeiniglich ein häslicher Würt: doch in einem häslichen Leibe noch vielmehr / ja gantz unfehlbar eine häsliche Seele. Die euserliche böse Kenzeichen verrieten die Boßheit seines Hertzens alzusehr [399] Diese war so übermäßig / daß es ihm schier unmüglich war From zu sein.

(109) Sein verdrehetes Angesicht / mit den schief stehenden / und zuweilen übersich als verkehrten Augen / verhies mir nichts guhtes. Es war eine gewisse Anzeigung eines verdrehreten und verkehreten Sinnes. Das oft unaufhöhrliche rasche Winken / oder vielmehr überaus geschwinde zu- und auf-schlagen /füppern und wippern seiner Augenlieder gab seine Falschheit und Untreue genugsam zu erkennen. Die Augen selbst / welche den starren Boksaugen fast glichen / deuteten sein unverschähmtes / Ehrloses / ja zugleich tükisches und unbändiges Gemüht an.

(110) Er legte seine Hände niemahls gantz plat /und mit ausgestrekten geraden / sondern allezeit /gleich den Raubklauen / einwärts gekrümten Fingern /auf etwas nieder. Diese stähts gekrümte Finger / die als Raubklauen / auch stähts bereit stunden / was nicht sein war / zu sich zu raffen / waren ein gewisses Zeichen seiner Gedanken / die fort und fort auf den Raub auswaren. Eben dasselbe Zeichen erblikte man auch an der Bewägung seiner Füsse; wan er mit den Zeen des einen Fußes / indem der andere fest stund /vor ihm auf dem Boden scharrete / gleich als wolte er etwas zu sich scharren oder kratzen.

(111) Was für ein Wunder ist es dan / daß ein solcher so übermäßig ungeahrteter Mensch / der daher mehr ein Unmensch zu nennen / durch Entführung eines Fürstlichen Freuleins / ein so schändliches Schelmenstük begangen? Ja man darf sich nun nicht wundern / daß er so verwegen sein dürfen / mir die Anstiftung dessen selbst auf den Hals zu schüben. Aber wundern möchte sich wohl einieder / daß niemand errahten kan / warüm er solches getahn / und was er damit vorgehabt.«

(112) Hierauf begunte der König den Königlichen Fürsten zu fragen: ›wann er aus des Pammenes euserlicher Gestalt und Gebährden solche Boßheit so gewis urteilen können / warüm er ihm dan seine Geschäfte / sie zu verrichten / anvertrauet? Er pflegte ja sonst so vorsichtig zu sein / daß er aller solcher Leute / die er ein boßhaftiges Gemüht zu haben wüste /[400] müßig ginge / warüm er dan eben diesen Bösewicht bei ihm so viel gelten laßen?‹

(113) Der Königliche Fürst schwieg zuerst eine guhte Weile stil. Doch endlich fing er an also zu antworten. ›Die Weisheit‹ / sagte er / ›pflegte ja den Weg zur Tugend zu bahnen. Und diese lehrete das Laster meiden. Weil nun Pammenes so lange der Weisheit nachgestrebet / so were zu vermuhten gewesen / er hette die Tugend / die ihn lehren können sein angebohrnes boßhaftiges Wesen zu zwingen / nunmehr ergriffen. Darüm sei es nicht fremde / daß Er zu ihm / als einem solchen / der sein unahrtiges Wesen /vermittelst der Tugend / wonicht gar abgelegt / doch zum wenigsten verbessert / und zu bändigen gewohnet / so ein guhtes Vertrauen gehabt.‹

(114) »Ich habe den Pammenes« / fuhr er fort / »seiner sonderlichen Wissenschaft wegen / begünstiget. Ich habe / seiner Geschikligkeit wegen / zu vielerhand Geschäften / viel von ihm gehalten. Ich habe seine Fähigkeit von vielen Dingen \ verständig zu urteilen so währt geschätzet / daß ich ihm wohl vielmehr / als eine so geringe Sache zu Sidon zu verrichten / anvertrauet. Daß er aber / in dieser Verrichtung / die Grentzen meines Befehls überschritten /und mehr tuhn wollen / als ich ihm befohlen / das kan ich eben so wenig billigen / als wenig ich errahten kan / was ihn darzu veranlaßet.«

(115) ›Auf alzuguhtes Vertrauen sei nicht guht Schlösser zu bauen‹ / waren hierauf des Königes Worte. ›Man solte zwar trauen / aber wohl zuschauen / wem man trauete. Hette der Fürst seinem ersten Augenurteile von der Gestalt des Pammenes gefolget / so würde seine Verstellung ihn nicht betrogen haben. Die Ubermaße der angebohrnen Unahrt hette gemeiniglich so tieffe Wurtzeln / daß sie ausgerottet zu werden viel zu fest säße. Ob sie schon zuweilen ein Färblein der Tugend bekähme / so behielte sie es doch nicht lange. Ob sie schon eine Zeitlang in eine Guhtartigkeit verwandelt zu sein schiene / so euserte sich doch ihre Boßahrtigkeit nachmahls immer wieder.‹

(116) »Die Tükke der übermäßigen Unahrt« / fuhr der König fort / »werden durch keine Strükke der Tugend gebunden. Sie lauschen und lauren wohl / nach ihrer gewöhnlichen [401] Weise / zu Zeiten hinter dem Berge der Tugend: doch brächen sie endlich / gleich als ein gewaltiger Strohm / unversehens hervor. Unverhuhts reissen sie durch alle Tämme / durch alle Bande / durch alle Strükke / gleichals wühtend hin. Ja sie reissen der Tugend den Zügel selbst aus der Hand / und lenken und schwenken ihn nach eignem Belieben. Kurtz / eine solche so übermäßige Unahrt ist eben als ein wilder hartmeulichter Hängst / den kein Maulband bändigen / kein Gebis zähmen / kein Zaum zeumen / kein Halfter halten / kein Zügel / die gerade Straße zu gehen / ziehen kan.«

(117) Aber wir halten uns bei diesen Ahrtforschungen zu lange / zu viel auf. Wir haben diesen Vernunftgrübelungen lange genug zugehöret. Der Königliche Fürst hatte hierbei gantz andere Gedanken: die zu betrachten wird vielleicht lustiger /wird kurtzweiliger sein. Er redete zwar von der Unahrt des Pammenes. Aber die vom Gesanten so guhtahrtig / so tugendhaft / und so überaus schön beschriebene Filistische Fürstin lag ihm immer im Sinne. Er gedachte stähts an Sie. Ihre Tugend und Schönheit schwebeten ihm stähts vor Augen. Er hatte Sie zwar niemahls Selbsten gesehen. Doch lies er sich bedünken / er hette sie gesehen / und genösse noch itzund ihres lieblichen Anblikkes: indem ihm seine Gedanken ihr Bildnis / wie es der Gesante kurtz zuvor entworfen / lebendig vorstelleten.

(118) Letzlich saß Er gleich als entzükt. Er saß als entgeistert. Er redete nichts. Er schwieg stokstil. Er verlangte von der Tafel aufzustehen. Sein einiges Verlangen war mit dem Gesanten allein zu sein. Sein einiger Wunsch war / von ihm noch einen näheren Abris des schönen Freuleins zu sehen. Und hierüm baht Er ihn auch / sobald sie sich beide miteinander in sein Schlafzimmer begeben. Alhier war es / da er zu wissen begehrte: wie groß / wie lang / wie zahrt / wie lieblich Sie sei? Alhier war es / da er fragte: was für Haare / was für Augen / was für eine Leibesgestalt Sie hette? Ob sie auch weis von Haut / roht vom Munde / schlank vom Leibe / behände vom Gange / ja von Gebährden ahrtig / und von Reden anmuhtig sei?

(119) Nachdem Ihm auf dieses alles der Gesante genug geantworte [402] / da war Er begierig auch alles /was Sie mit ihm / und sonsten geredet / zu erfahren. Alle Reden / alle Worte musten zwei- drei- ja mehr-mahl wiederhohlet werden. Darauf gab Er fleissig achtung / als ein junger Sangvogel / dem der Vogelwärter ein Liedlein vorpfeiffet. Er überwog alles / was Sie gesprochen / ihr Urteil und ihren Verstand daraus zu erkennen. Ja Er fand unter allen ihren Worten kein Wort / das Er einer weisen Göttersprache / nicht würdig zu sein schätzte. So gar verständig und weislich gesprochen kahm Ihm alles vor. So gar behuhtsam und vorsichtig geredet schienen ihm alle diese Reden!

(120) »Pammenes« / sagte er / »hat fürwar kein unweises Urteil gefället / obschon die Taht darbei nicht weise war; indem er ein solches Fürstliches Freulein /als dieses ist / des Egiptischen Reichstuhls würdig geurteilet: indem er vorgehabt / wie es scheinet / die Egiptische Krohne mit einer solchen helleuchtenden Tugendperle zu zieren. Sie ist es auch in Wahrheit währt / neben mir / den Egiptischen Reichsstabe zu erben. Ja Sie verdienet in alwege die Ehre / dem Egiptischen Königlichen Fürsten vermählet zu werden. Wan Josef/ dieses mächtigen Reichs weisester Stahtsman und ehmahliger Schaltkönig selbst / noch itzund lebete / so würde sein Urteil mit meinem / unddes Pammenes gantz übereinstimmen.

(121) Was meinet ihr wohl« / redete Er den Gesanten selbst an / »das ich hierinnen tuhn sol? Ihr habet diese Schöne / diese weise junge Fürstin selbst gesehen / und gehöret. Ihr habet selbst ihrer angenehmen Gegenwart genossen. Ihr habet mit Ihr gegessen und getrunken. Ihr habet mit Ihr geredet und gesprochen. Und daher könnet ihr am besten / ja besser / als ich selbst / urteilen / ob es mir rahtsam / und dem Egiptischen Reichsstuhle dienlich sei üm Sie werben zu laßen. Ich für mein Teil wünschte nichts lieber / als einer solchen Fürstin / die ihr mir so überaus gerühmet / vermählet zu werden. Doch mus ich auch hören / was ihr darzu saget. Was ihr für guht ansehet / das wil ich tuhn.«

(122) Dieser Vortrag kahm dem Gesanten was fremde vor. Et hatte sich dessen nicht versehen. Er stund im Zweifel / und [403] wuste nicht / was er antworten solte. Er hette lieber gewünscht / daß er solcher jungen Fürstin Geschikligkeit und Schönheit nicht also gepriesen / und dadurch dem Königlichen Fürsten den Mund nicht also wässericht gemacht. Aber was geschehen war / das war geschehen. Geschehene Dinge ungeschehen zu machen / stund keines Weges in seiner Macht. Er muste nunmehr auf Mittel bedacht sein / den Königlichen Fürsten auf andere Gedanken zu bringen. Und dieses täht er durch folgende Reden.

(123) »Ich märke wohl« / sagte er / »daß ich dem Königlichen Fürsten / durch das übermäßige Lob dieser jungen Fürstin / das Hertz gerühret. Ich spühre wohl / daß ich ein Feuer der Liebe darinnen angezündet: wiewohl ein solches zu tuhn mein Vorsatz nicht war. Hierzu habe ich nicht die geringste Gedanken gehabt. Vielmehr war meine Meinung: Er würde dieses Lob nur obenhin anhören. Ich gedachte mit nichten /daß es sich so tief in sein Gemüht einsenken / und alda so feste Wurtzeln bekommen würde.

(124) Ich mus zwar bekennen / daß diese junge Fürstin / was ihren eignen Selbstand betrift / von iedermanne geliebet zu

werden in alwege währt sei. Aber was das übrige betrift / dasselbe verhindert Sie märklich der Liebe des Egiptischen Königlichen Fürstens gewürdigt zu werden: zuvoraus wan sich diese Liebe so weit erstrekken solte / daß sie auf eine Vermählung auszuschlagen das Ansehen hette.«

(125) »Aber was ist das für ein Ubriges / das sie meiner Liebe unwürdig macht?« fragte der Königliche Fürst / mit gantz bestürtzten Gebährden. »Ihr leiblicher Vater / und ihre leibliche Schwester« / antwortete der Gesante / »seind öffendlich und gerichtlicher Weise verbrant worden. Und dieses geschahe darüm; weil der Vater seiner Tochter verhing / an dem weltberühmten Helden Simson / der ihr vermählet war / treu- und eh-brüchig zu werden / und einen andern zu ehligen. Um Simsons willen / den das gantzeFilisterland fürchtete / ward solches Verbrächen so hoch aufgenommen / daß Vater und Tochter /zusamt ihrem neuen Ehgatten / von allen Fünffürstender Filister / auf öffendlichem Landtage / des Simsons [404] Zornfeuer zu dämpfen / zum Straffeuer verdammet worden.

(126) Wiewohl die jüngere Schwester dieser Verbrächerin / ihrer fürtreflichen Schönheit und Geschikligkeit wegen / zusamt ihrer Mutter / vom ältesten Fünffürsten so gnädig angesehen ward / daß Er sie beide / als Mitbeschuldigte / nicht allein frei sprach /sondern auch zugleich an seinen Hof /ja die Tochter selbst / gar an Kindes stat / zur Erbin aufnahm / und also in den Fürstenstand erhub; so klebet doch der gefürstlichten Tochter so wohl / als der Mutter / solcher Schandflek noch dannoch an.

(127) Hieraus kan nun der Königliche Fürst selbst urteilen/ ob es seiner Königlichen Hoheit nicht zur eusersten Verkleinerung gereichen würde / wan Er /sich an eine solche gleichals gebrantmärkte zu vermählen / belieben trüge. Der Königliche Herr Vater selbst / weis ich sehr wohl / wird es nimmermehr bewilligen. Darüm hat Er sich wohl zu bedenken. Darüm hat Er wohl zuzusehen / was Er tuht. Ich /nach meinem wenigen Urteile / sehe so viel / daß eine solche Vermählung keinem Könige / noch Königlichen Fürsten zu rahten. Ein so hoher Königlicher Stand erfordert höhere Gedanken / erheischet eine höhere liebe / siehet nach einer höheren Vermählung.«

(128) Uber diesen Reden ward der Königliche Fürst so überaus bestürtzt / daß er als erstarret stehen blieb. Er antwortete kein Wort. Er schwieg / als ein Fisch. Ja er bewegte sich kaum. Unterdessen bewegten sich gleichwohl seine Gedanken üm so vielmehr. Sein Gemüht war üm so viel unruhiger. Seine Gemühtstriften stürmeten durcheinander. Alles inwendige war in ruhr. Alles schikte sich als zu einem innerlichen Kriege.

(129) Nachdem Er also eine guhte weile gestanden / und den Gesanten mit starren Augen angesehen; da fing er jämmerlich an zu kärmen. »Mus ich dan nun« /sprach er / »so unglüklich sein / daß ich dieselbe / die ich liebe / nicht lieben darf; daß ich dieselbe / die ich zu meiner Gemahlin erkohren / mir nicht vermählen darf? Hat mich das Glük darüm in der Könige Stand erhoben / damit ich nicht ehlichen könte / die ich wolte; [405] damit ich ehlichen müste / die ich nicht wolte? Ein Bätler ist glüklicher / als ich. Ein Bauer / ist in diesem falle / mächtiger / als ich: weil er die Macht hat eine solche zu heurrahten / die mir zu heurrahten mein Stand verbietet.

(130) Aber der König / mein Vater« / fuhr er fort /»weis noch nicht / daß der Vater und die Schwester derselben / die ich so hertzlich liebe / durch das Feuer öffendlich hingerichtet worden. Er weis noch nicht /daß Sie aus einem solchen Geschlächte gebohren / das auf dem Rükken das Brandmahl des Hänkers führet. Darüm wird er mir / in dieser Vermählung / vielleicht nicht zuwider sein. Und ich habe das guhte Vertrauen zu Euch« / sprach er zum Gesanten / »daß ihr reinen Mund halten werdet. Schweiget hiervon nur stil. Saget Ihm nur nichts So wird alles guht werden.«

(131) »Ob ich schon dem Herrn Vater« / warf der Gesante hierauf ein / »dieses nicht entdekte / so wird er es doch von andern erfahren. Es ist alzuweltkündig. Das gantze Filisterland weis es. So weit Simson / der weltberühmte Held bekant ist / so weit ist auch bekant / daß desselben ungetreue Frau die Strafe des Feuers ausgestanden. Zudeme gesetzt / daß der Herr Vater solches nimmermehr erführe / so wird et doch keines weges zulaßen / daß Demselben / der sein Nachsas sein sol / eine gebohrne Filisterin vermählet werde; derer Ankunft höher nicht / als Fürstlich sein kan.

(132) Der itzige Zustand des Egiptischen Königreichs gestattet mit nichten / daß eine geringere Gemahlin / als eine gebohrne Königin oder Königliche Tochter / seinem Königlichen Fürsten vermählet werde. Und diese findet man unter den Filistern nicht. Zudem seind die Egipter: den Filistern gantz nicht geneugt. Ja es befindet sich unter beiden Völkerschaften eine schier unversühnliche Toht- und Erbfeindschaft. Und wan sie zuweilen schon einige Freundschaft miteinander halten /so geschiehet es doch nur aus einem höflichen Schein.«

(133) »So seh ich dan wohl« / fing der Königliche Fürst hierauf wieder an zu klagen / »daß ich ewig unglüklich bleiben mus. So ist dan für mich nichts offen / daher ich eine glükliche [406] Auskunft meiner Liebe sehen könte. Ach! ich Unglüksäliger! mus ich dan nun gantz verzweifeln? Ach! ich Trostloser! mus dan meine Liebe / weil mich aller Trost / alle Hülfe verlesset / mir gar zur Wühterin werden? Sol sie mich dan gar verzehren? Sol dan dieselbe / die sonst das Leben labet / und selbst giebet / mir das Leben zum Unleben machen / ja gar nehmen?

(134) Ie mehr Hindernisse / meine Liebe zu vergnügen / mir aufstoßen / ie heftiger brennet / flammet / flakkert und wühtet ihr Feuer. Ja es brennet schon so heftig / daß ich keinen Raht sehe die Gluht zu dämpfen / als den ich aus dem Schoße derselben / die es angezündet / erwarten könte. Aber dieser Schoß wird mir durch mein Verhängnis entzogen. Diesen Schoß schlüßet mein widriges Glük vor mir zu. Und also bin ich als ein Ausgeschlossener / ja als einer / der nicht einmahl anklopfen darf.«

(135) Hierauf schwieg er wieder eine Zeit lang stil. Er stund gleichals aus sich selbst. Die Unruhe seines Hertzens war so groß / daß er nirgend bleiben konte. Bald ging er an das Fenster / bald an die Tafel. Bald schob er den Rügel vor die Tühre. Bald schob er ihn wieder darvor weg. Bald nahm er einen Stuhl / und setzte sich. Bald stund er wieder auf / und lähnte sich an eine Seule. Bald warf er die Augen nach dem Spiegel zu. Bald nahm er einen Bogen in die Hand. Bald zog er ihn auf. Bald lies er ihn wieder loß. Dieses trieb er über eine guhte Stunde Letzlich lief er / als halbtol / zur Kammer hinaus.

(136) Der Gesante / welcher zum höchsten verwundert war / daß Er sich die Liebe eines solchen Freuleins / das Er nie gesehen / und nicht anders / als vom höhrensagen / kennete / so plötzlich und so gar sehr übermeistern laßen / folgete straks nach. Er wolte den Königlichen Fürsten / in solcher Verirr- und Verwürrung seiner Sinnen / nicht allein laßen: wiewohl er selbsten allein zu sein begehrte. Er befahrete sich / Er möchte / durch Verzweifelung angetrieben / etwas beginnen / das seinem Stande nicht ziemlich. Er befürchtete sich / es möchte diese so übermäßige Liebe zuletzt gar in eine Wuht ausschlagen.

[407] (137) Ein starker Flus / ie mehr man ihn zu tämmen suchet / ie stärkerer wird er. Ie stärkerer die Tämme seind / die man ihm entgegen setzet / ie gewaltiger ströhmet und stoßet er auf sie zu. Darüm mus man den Strohm zerteilen. Man mus seinen Anstoß / damit er nicht etwan dem Sturtzfalle zueile / zu mäßigen suchen. Eben also kan der Strohm einer heftigen Liebe keinen Tam leiden. Ie mehr Hindernisse man ihm entgegen setzet / ie heftiger reisset er fort /und suchet / gleich als wühtende / durchzubrächen. Darüm mus man ihn zerteilen. Man mus seine Wuht /durch vernünftige Rahtschläge / zu mäßigen trachten: wo man nicht wil / daß eine solche Liebe den Verliebten in das endliche Verderben stürtze.

(138) Der Gesante ging dem Königlichen Fürsten nach. Er bemühete sich denselben / der bloß allein einer blinden Gemühtstrift folgete / mit dem Lichte des Urteils zu leiten. Er trachtete die Ubermäßigkeit seiner Liebe / durch vernünftige Reden / zu mäßigen. Er suchte seine Liebesgedanken / wo er sie Ihm nicht aus den Sinnen zu bringen vermochte / doch zum wenigsten / durch den Zügel weiser Rahtschläge / so viel als ihm müglich / anderswohin zu lenken. Und zu dem Ende schlug er Ihm unterschiedliche Königliche Fürstinnen vor; die Ihm aus der Nachbarschaft / mit weit grösseren Ehren / und ohne Verlust seines Ansehens / könten vermählet werden.

(139) Zu diesen Vorschlägen täht er die gewisse Versicherung der Väterlichen Gnade / der Liebe des Volkes / und der Wohlfahrt seiner selbst; sofern Er belieben trüge sie anzunehmen. Im widrigen Falle /wan ßr auf seiner itzigen Liebe verharrete / würde nichts anders / als der Unwille des Herrn Vaters / die Widerspänstigkeit der Untertahnen / und eine schmähliche Verachtung aller Völker gegen ihn gewislich folgen. Ja Er würde sich alsdan der Egiptischen Krohne wohl gar beraubet sehen. Und eben darüm were sein Raht / der Königliche Fürst solte sich wohl bedenken / was Ihm zu tuhn sei.

(140) »Ich genüße der Ehre« / fuhr der Gesante fort / »ein Königlicher Stathalter / ja selbst der oberste Reichsraht des gantzen Egiptens zu sein. Darüm bin ich verpflichtet dem Königlichen Fürsten mit Raht und Taht an die Hand zu gehen. [408] Meine Schuldigkeit ist es / Ihm allein dasselbe / das dem gantzen Reiche zur Wohlfahrt strekket / anzurahten / und abzurahten / was solches verhindert. Mein Gewissen verbindet mich dahin. Anders weis und vermag ich nicht zu tuhn: es sei dan / daß ich eine schändliche Treuloßheit so wohl an Ihm / als an dem Reiche / begehen wolte.

(141) Ich habe dem Königlichen Fürsten stähts alles Guhtes gegönnet. Und dieses ist noch itzund mein Wille. Ich habe ja alles guht und treulich mit Ihm gemeinet. Und in dieser Meinung zu sterben bin ich gesonnen. Niemand wird mich eines andern beschuldigen können / das weis so wohl Er / als ich selbsten. Wie solte dan nun mein Hertz zu solcher Untreue verfallen / daß es Ihm / in gegenwärtiger höchstwüchtigen Sache / nicht treulich rahten solte? Ich wil es mit meinem Gewissen bezeugen / daß dieser Raht / den ich ihm itzund gegeben / der allerbeste sei / ja ein solcher selbst / daß ihn die Treue selbst besser und treuer nicht ausdenken könte.«

(142) »Seine Treue« / fing der Königliche Fürst hierauf an / »ist mir sehr wohl bewust. Ich trage daran gantz keinen Zweifel. Sie ist mir / aus der Erfahrung /genug bekant. Auch weis ich gewis / daß dieser sein Raht / den er mir itzund giebet / gantz guht und treulich gemeinet. Ja ich mus / selbst wider meinen Willen / gestehen / daß er der allerbeste sei / den der getreueste Rahts- und Stahts-man mir iemahls geben könte. Aber wo sol ich mit meiner Liebe hin / die mich so heftig ängstiget; die mir das Leben so sauer /und die Gedanken so verworren macht?«

(143) »Nirgend anders hin« / fing Ihm der Gesante das Wort auf / »als dahin / dahin ich sie zu lenken schon gerahten. Er lenke sie vom Filistischen Freulein ab / auf ein anderes / und auf ein solches / das währter und würdiger ist vom Egiptischen Königlichen Fürsten geliebet zu werden. Und wil oder kan Er sie nicht auf eines allein / oder auf ein gewisses lenken; so ist mein Raht / daß Er sie scheide / daß Er sie zerteile; daß Er ein Teil auf diese / das andere auf eine andere Königliche Fürstin fallen laße. Also wird die geschiedene / die zerteilte / bald auf diese / bald auf jene geworfene Liebe so gar heftig / so gar gewaltig [409] nicht mehr sein. So wird Er sie gemäßiget / und nach Wunsche besänftiget sehen. So kan er sie dan füglich dahin lenken / dahin sein Urteil sie zu lenken befielet: nähmlich auf eine solche / die würdig ist den Egiptischen Reichskrantz zu tragen.«

(144) Mit diesen und dergleichen Bewägreden mehr brachte der Gesante den Königlichen Fürsten endlich so weit / daß Er seine Gedanken von dem Filistischen Freulein abzulenken begunte. Ja Er vergaß einer solchen Liebe / die Ihm nur nachteilig sein wolte / fast gar / als Er / auf Anstalt des Gesanten / sich des folgenden Tages in Geselschaft einer großen Mänge des schönsten Egiptischen Frauenzimmers befand.

(145) Dieses hatte der König selbst / auf anrahten des Gesanten / zum Tantze nöhtigen laßen / welcher auf dem großen Saale des Königlichen Schlosses solte gehalten werden. Alda versamleten sich alle Fürstliche Freulein / und die schönsten Adelichen Jungfrauen / die man hierzu sonderlich ausgelesen / ja selbst die vornehmsten und schönsten Bürgertöchter des gantzen Egiptenlandes. Diese hatten sich auf das schönste geschmükt. Sie erschienen allesamt in köstlicher Kleidung. Sie waren alle mit Perlen und Golde gezieret: doch eine mehr und prächtiger / als die andere / nachdem es ihr Stand erforderte.

(146) In diese schöne Geselschaft führete der Gesante den Königlichen Fürsten unverhuhts; als einen /der nicht das geringste darvon wuste. Wie verwundert / wie bestürtz / wie entzükt er sich / im ersten Anblikke so vieler ausbündigen Schönheiten / befand / wil ich wohl unbeschrieben laßen. Er wuste zuerst nicht /ob er fort- oder wieder zurük-trähten solte. So sehr erschrak Er anfänglich über diesem unvermuhtlichen Schauspiele! Er gedachte nicht anders / als daß er eines Himmels vol Engel ansichtig würde. Er bildet sich ein / als hetten sich alle Schönheiten der gantzen Welt alhier versamlet.

(147) Sobald die Entzükkung vorbei war / trat er algemach fort. Des Gesanten älteste Freulein Tochter war die erste / die seinen Augen kenbar vorkahm. Auf diese ging Er zu / und sie Ihm entgegen. Diese empfing Er / mit sonderlicher Freundligkeit; [410] [412]darnach auch alle die andern. Alle die Schönheiten / alle die Lieb-und Leutsäligkeiten / alle die Anmuhtigkeiten / alle die Freundligkeiten / alle die Höfligkeiten / alle die Geschikligkeiten / die Er alhier / in solcher Mänge /beieinander sahe / verdunkelten / ja vereitelten das Gedächtnis der schönen Timnatterin in seiner Seele dermaßen / daß er ihrer gantz vergaß.

(148) Er gedachte nun nicht mehr / wie lieblich Sie sei. Die Einbildung von ihrer unvergleichlichen Schönheit / die Er aus des Gesanten Erzehlung ehmahls empfangen / war nunmehr aus seinem Gemühte gantz vertilget. Der Entwurf ihrer helleuchtenden Tugendstrahlen / der sich vom hörensagen in seinem Hertzen entsponnen / war nunmehr daraus gantz verschwunden. Der Abris ihrer Hold- und Freundsäligkeiten / der in seinen Sinnen aus eitelen Worten eines andern / in ihrem Abwesen / entstanden / war nunmehr gantz verblichen. So viel Kraft hatten die Liebligkeiten / die Schönheiten / die Tugenden / die Hold-und Freundsäligkeiten dieser Anwesenden / die Er selbst mit seinen eigenen Augen erblikte!

(149) Es war auch kein Wunder / daß so viel gegenwärtige Schönheiten / die Er selbst sahe / die Würkung der einigen Abwesenden / ja noch nie gesehenen dermaßen vereitelten / daß diese von jenen aus dem Hertzen des Königlichen Fürsten gar verbannet ward. Die gegenwärtige Sonne hat ungleich grössere Kraft / als die abwesende; die niemand liebet Wie solte dan eine gegenwärtige Schönheit nicht mehr /als die Abwesende / zuvoraus die noch nie gesehene /geliebet werden? Vom Anschauen der Schönheit rühret die Liebe her. Die Worte / welche die Schönheit uns vorbilden / machen wohl den Anfang darzu: aber das Auge würket sie vollend aus.

(150) Hette der Königliche Fürst die Schönheitder schönen Timnatterin selbst gesehen /so würde seine vom bloßen Höhrensagen entstandene Liebe vielleicht so tief sich eingewurtzelt haben / daß es dem Gesanten unmüglich gewesen / weder durch diesen listigen Fund / noch durch alle seine Bewägreden / sie aus seinem Hertzen zu verbannen. So veruhrsachte dan dieses allein / daß seine Mittel / die er solches [412] zu tuhn anwendete / so glüklich ablieffen; daß er dem Königlichen Fürsten die Liebe zur schönen Timnatterin / wie bald er sie ihm eingeschwatzet / eben so bald wieder ausschwatzete.

(151) Aber wir verweilen uns bei diesem Verliebten oder verliebtgewesenem Fürsten vielzulange. Wir haben / was sich mit Ihm / und seiner Liebe begeben /genugsam betrachtet. Nun wird es Zeit sein Egipten zu verlaßen / und unsern Weg wieder zurük indas Filisterland zu nehmen: da Simson eben itzund von einem Orte zum andern friedlich herüm wandert / sich nach einer neuen Schönheit /nach einer frischen Liebsten ümzutuhn.

(152) Durch Angewohnheit wird uns die Liebe so eigen / daß sie uns gar gleichals zur Speise dienet. Sie wurtzelt sich so tief bei uns ein / daß sie uns lüstern macht selbst von einem Sturtzfalle zum andern zu hüpfen. Sobald dieser Weg / durch langen Gebrauch /schlüpfericht geworden / lauffen wir über alle Tämme / welche die Wuht unserer Begierden gleichsam gebauet / spohrenstreichs hin. Wir achten keiner Gefahr / wie groß / wie nahe sie ist. Wir scheuen uns für keinem Schifbruche / der uns im Meere geiler Lust aufzustoßen pfleget.

(153) Ach! wie ungern lesset der Mensch die Liebe! Wie schweerlich widerstehet er dieser Lehrsatzlosem Gemühtsbewägung! Wie gern folget er ihrem Triebe! Wie leichtlich gehorchet er ihrem Gewaltzwange! Wie willig volziehet er ihre Befehle! Wie glat bahnet er ihm selbsten den Weg zu den Lastern / daß er darinnen fortrennet / wie ein muhtiger Hängst / der sich nicht zähmen / noch zeumen lesset!

(154) Die berufene Kamille lief oder flog vielmehr so geschwinde nicht über die Spitzen der aufgerichteten Kornahren hin / als er über die Spitzen und Stacheln der geulen Lust hinleuffet / selbst sein Verderben zu suchen. Wie der Kramtsvogel ihm selbsten / durch seinen eigenen Mist / den Leim zurichtet / darinnen er kleben bleibet / gewürget zu werden: also richtet er ihm selbst / durch seine eigene geule Liebe /die Falstrükke / die Schleuffen / die Dohnen / die Netze / die [413] Angeln zu / darinnen er sich / gefoltert /gepeiniget / getöhtet zu werden / gefangen siehet.

(155) Der armsälige Simson hatte die Folterungen / die Peinigungen / die ihm den endlichen Untergang dreueten / bei seiner ersten / und zweiten Liebe kaum überstanden / als er sich / durch die Dritte /schon wieder berükken lies. Er hatte sich aus dieser beider Strükken und Fesseln kaum herausgewükkelt /als ihn die geule Lust schon wieder lüstern machte /zum dritten mahle verliebt und verstrükket zu werden.

(156) Die ersten zwee gefährlichen Lustgänge konten ihn nicht zurükhalten den Dritten zu tuhn. Er war der Straße darzu schon so gewohnet / daß weder Vernunft / noch Urteil fähig und mächtig genug waren ihn darvon abzuhalten. Er hatte den Weg albereit so glat geträhten / daß seine zaumlose Sinregung ihn antrieb noch einen Gang zu tuhn. Die Glätte des Steiges / die Gewohnheit ihn zu bewandeln brachten ihn so weit /daß er gleichals blindlings darnachzu lief.

(157) Aber bei allen diesen Lustgängen des Simsons hatte man sich über nichts so sehr zu verwundern / als daß er allemahl trachtete sich von einerFilisterin verstrükken zu laßen. Es war in Wahrheit fremde / daß er zum Ziele seiner Liebe keine andere / dan eine Heydin / ja eine Götzendienerin / und diese mitten unter seinen Tohtfeinden allezeit suchte. Es war gewislich seltsam / daß er ihm hierzu niemahls ein Frauenbild aus seinem eigenem Volke wehlete. Ja seltsam war es / daß kein Ebreisches Weibesbild / wie schön und ahrtig es immermehr war / ihn so weit zu bewegen vermochte / daß er sie mit liebsäligen Augen nur angeschauet / ich schweige / sich gar in sie verliebet hette.

(158) Wan etwan unter dem Heidnischen Volke /den Filistern / allein so ausbündige Schönheiten ihn zu entzükken vorhanden gewesen / so hette man sich nicht zu verwundern. Ja es were kein Wunder / wan irgend unter dem Volke GOttes keine dergleichen Schönheit / die ihm gefallen können / sich befunden. Es were nicht seltsam / noch fremde / wan alle Frauen und Jungfrauen alhier so häslich / so ungestaltet / und [414] so unfreundlich gewesen / daß ihm gantz keine zu einiger Liebe bewegen mögen.

(159) Aber die Erfahrung bezeugte gantz das Widerspiel. Unter dem Israelischen Frauenzimmer befanden sich in Wahrheit so fürtrefliche Schönheiten / daß sie alle Schönheiten der Filister trotzeten / ja alle weit übertrafen. Die so genente schöne Naftalerin allein hatte mehr Schönheiten / als alle Frauen und Jungfrauen des gantzen Filisterlandes. Gegen diese war die schöne Timnatterin / wie anmuhtig und lieblich sie immermehr sein mochte / nicht anders / als ein Schatten gegen das helleuchtende Licht der Sonne. Von andern / die ihrer Schönheit wegen berufen waren / wil ich nicht einmahl melden.

(160) Ja die schöne Naftalerin war so überaus schön / daß sie alle /die sie nur einmahl sahen / ohne den Simson allein / zur Liebe bewegte. Sie war viel schöner / als irgend ein Bild sein möchte; darinnen ein Apelles alle Schönheiten /die iemahls in der gantzen Welt gewesen / mit lebendigen Farben auf das künstlichste zusammen entworfen. Sie übertraf an Schönheit / an Zierlichkeit alle Geschöpfe / ja alles / was den Nahmen schön und lieblich zu sein in der Wahrheit verdienete.

(161) So schöne Strahlen hat niemahls die Sonne /wan sie am schönsten leuchtet / als ihre zwo Augensonnen zu strahlen pflegten. So helle funkelt kein Deamant / kein Karfunkel / wan er das reineste / das klähreste Licht hat / als die helflinkernde schimmernde Feuerfunken / die aus der düsteren Kluft ihrer zween Augenäpfel / als aus einer Berggruft vol edeler Steine / gleichsam herausschossen / zu funkeln schienen. So ahrtige Bluhtädrichen hat kein weisser Marmel / wan er auf das schönste weis / und auf das lieblichste durchädert ist / als der Umzug des schwartzen Lichtgewölbes ihrer Euglein am Augenapfel zu haben pflegte.

(162) So schönen und lieblichrohten Glantz häget kein Rubien / wan er am liechtesten ist / als die Rubienenschacht ihres Mundes hägete. So schönen purpurrohten Schein giebet keine Rose / wan sie am frischesten blühet / als das zweifache Gartenbetchen ihrer lieblichen Lippen zu geben pflegte. So anmuhtig [415] weich ist kein Bette / wan es schon mit lauter Pflaumfedern erfüllet ist / als dieses zweifache Lippenbetchen / darauf ein ieder Mund zu ruhen lüstern war / zu sein pflegte. So süßen Geschmak hat kein Honig /kein Zukker / wan er am lieblichsten schmäkket / als die allersüßeste Feuchtigkeit / die auf ihren Lippen lag.

(163) So schön und glat / so klahr und weisblinkende findet man keine Perl / wan sie am klähresten leuchtet / als ihre schneeweisse Zähne waren; die in ihrem Munde / gleichals in einer Perlenmuschel die Perlen / dicht aneinander gereiet und auf das schönste geglättet stunden. So schön und schloßweis ist kein Elefantenbein / wan es am weissesten ist / als das Bein ihrer blinkenden Zähne war. So schöne Glätte hat kein Marmel / kein Albaster / kein Kristal / wan sie auf das beste geglättet seynd / als diese Mühlensteinlein / welche die Speisen zu schrohten die Mühle des Mundes häget / zu haben pflegten.

(164) So schön / so zierlichroht / und lieblichweis blühet keine Bluhme / wan sie am schönsten blühet /als das Fild ihrer Wangen blühete. So zährtlichroht ist keine Zukkerrose / kein Näglichen / keine Tulpe /keine Tausendschöne / noch einiges anderes Blühmlein / wan es am schönsten blühet / als das zweifache Mittelfeldichen ihrer ahrtiggestalteten Bakken zu sein pflegte. So milchweis ist keine Zibehtrose / keine Lilje / kein Näglichen / noch einige weisse Bluhme / wan sie am schönsten milchet / als die übrige weisse Haut rund üm das rohte Mittelfeldichen ihrer Wangen herüm war.

(165) So zahrt- und unbeflekt-weis ist kein Schnee /wan er erst gefallen / und noch unbeträhten ist / als der Himmel ihrer Stirne / die Burg ihres Verstandes /war. So zierlich geflamt / so anmuhtig gekrült / so ahrtig geringelt / so hübsch gescheitelt / so schön gefärbt fand man kein Haar an irgend einem Frauenbilde / wan es am schönsten geschmükt und gekünstelt war / als diese schöne Naftalerin hatte: wiewohl es ihr gantz ungekünstelt üm die Stirne so wohl / als zu beiden Seiten der Wangen zu hängen pflegte.

(166) So blank und glat ist kein Marmel / kein Albaster / so weis keine Kreide / kein Hagel / keine Milch / wan sie am [416] weissesten seind / als ihr schlanker gerader Hals / und ihre zierlicherhobene Brust war: So angenehm und so lieblich kan keine Luft sein / wan sie / mitten im heissen Sommer / am klähresten / am reinesten ist / als die Ahtemluft war; welche durch die Brust und den Hals hinauf gestiegen / ja durch den Mund ausgehauchet kahm. So anmuhtig ist kein Klang / kein Laut / kein Hal / wan er am reinesten / am hällesten klinget / als derselbe / welcher /wan sie sang / oder redete / durch ihren Mund / aus dem Halse hallete.

(167) So schön und klahr konte keine weisse Schmünke / kein blanker Anstrich sein / wan er schon am künstlichsten zugerichtet ist / als ihre zahrtschlanke nietliche Hände waren; die aus dem reinesten Kraftmähle / mit dem weissesten Zukker vermischet / auf das künstlichste gebildet und gebakken zu sein schienen. Von der Bildung ihres gantzen Heuptes / ja gantzen Liebes / und aller Glieder desselben / die übertreflich künstlich war / wie auch von den Gebährden desselben / die verwunderlich schön ihr anstunden / wil ich nicht einmahl melden.

(168) Bisher hat meine Feder zwar den Schatten ihrer Schönheit / nähmlich die euserliche Leibesschönheit / die gantz gebrächlich / gantz vergänglich /ja gantz nichts ist / beschrieben. Aber das rechte Licht ihrer Schönheit / nähmlich die inerliche Seelenschönheit / die gantz unvergänglich / ja ewig / und schier ungebrächlich war / zu beschreiben / wird eine schärfere Feder / eine geschiktere / ja wohl gar unsterbliche Zunge erfordert. Meine Zunge / welche die Sterbligkeit noch nicht abgeleget / kan hiervon nur lallen. Meine Feder / die eine sterbliche Hand führet / fället zu stumpf / zu unbehände / ja wird nicht klüglich genug gefasset / die eigendliche Beschreibung zu verfassen.

(169) Gleichwohl wil ich einen Versuch tuhn von dieser ihrer innerlichen Schönheit einen kleinen Schattenris zu machen. Ich wil die Schönheit ihrer Seele / die ewig tauret / und in ihres Taugenden bestehet / durch eine nichtige flüchtige Feder / auf ein nichtiges Blat entwerfen. Ja ich wil ihre Tugenden / als dan schönste / das beste Teil ihres Selbstandes / beschreiben. Ich wil beschreiben / wie die gantze Reihe der Tugenden ihren [417] Sitz in der schönen Naftalerin schönen Seele / gleichals in ihrem eigenen Sitze / genommen.

(170) Unter allen diesen Tugenden hatte die Liebe gleichsam den Vorsitz. Diese Haupttugend /als die erste der Tugenden / leuchtete zum allerersten und meisten aus ihr hervor. Diese machte sie tähtig zu allem Guhten. Und also liebele sie GOTT über alles. Sie liebete ihren Nächsten / als sich selbst. Ja sie liebete selbst ihre Feinde. Ach! wie schön und lieblich machte sie diese Liebe! Wie schön und lieblich ward ihre Jugend / durch diese Tugend! Wie schön und lieblich ward sie selbst in Gottes / und aller Menschen Augen! Sie schön und lieblich priesen sie selbst die Engel! So wohl gefiel ihnen ihr schönes und liebliches Wesen!

(171) Dieser ersten Haupttugend folgete die zweite; der sie sich gantz ergab. Der Glaube war ihr einiger Trost / ihr einiger Schild / ihr einiges Werk. Hierinnen stund sie so fest / daß sie nichts darvon abwendig machen konte. Hierdurch vereitelte sie die Lagen aller / die ihrer Seelen / sie zu verderben /nachstunden. Ja hierdurch nahete sie zu GOtt. Hierinnen schauete sie GOtt. Hierdurch erlangte sie die Säligkeit.

(172) Zu ihrem so festen / so starkem Glauben gesellete sich die Hofnung / die dritte Haupttugend. Diese richtete sie so beständig auf GOtt / daß sie sich weder auf sich selbst / noch einigen andern Menschen verlies. Durch diese war sie nach dem ewigen Guht so hertzverlangend / daß sie auf kein Zeitliches hoffete. In dieser stund sie so gewis / daß sie nicht zweifeln / noch straucheln konte. Auf diese bauete sie so fest / daß sie sich zu schanden zu werden nimmermehr befahren durfte.

(173) Neben diesen drei Haupttugenden wohneten in ihr auch alle die andern so wohl himlische / als irdische / so wohl geistliche / als weltliche Tugenden.Die Gottesfurcht / die Wurtzel aller Weisheit / schien ihr gleichsam verschwistert zu sein. Der wahren Gelaßenheit war sie dermaßen ergeben / daß sie ihren Willen dem Willen GOttes gantz übergab. Und also wuste sie von keiner Eigenwilligkeit / viel weniger von der Halsstarrigkeit. Diese lies ihreGehohrsamkeit nicht zu. Die [418] Frömmigkeit / die Guht- und Barmhertzigkeit ziereten ihren gantzen Wandel.

(174) War iemand demühtig / war iemandniedrig / so achtete sie die Demuht / die Niedrigkeit so hoch / daß sie ihr höchster Ehrenschmuk sein musten. War iemand sanftmühtig / so herschete die Sanftmuht in allen ihren Sinnen. War iemand Guht- und Barm-hertzig / so lies sie die Guhthertzigkeit / die Barmhertzigkeit nimmermehr aus ihrem Gemühte. War iemand langmühtig / war iemandgedultig / war iemand verträglich / so erwiese sie die Langmuht gegen alle / die ihr übels tähten / die Geduld in allen Widerwärtigkeiten / die Verträgligkeit in iedermans ümgange.

(175) In den grösten Unglüksfällen war die Großmühtigkeit ihre Stütze / die Hertzhaftigkeit ihre Grundfeste / die Unverzagtheit ihr Aufenthalt. Wider alle Verleitungen setzte sie sich mit einer unüberwindlichen Beständigkeit. Sie wakkelte / noch wankte nie. Sie blieb gantz unbeweglich. Sie war gleich als ein Fels / der keinem Sturme weichet. Sie wolte kein Rohr sein /das der geringste Wind hin und her wehet. Und also war / in diesem Stükke / nichts Weibisches an ihr.

(176) Wiewohl nun diese schöne Naftalerin beides der Seelen und dem Leibe nach so unvergleichlich schön war / so konte sie doch den Simson zu keiner Liebe bewägen. Ja ob er schon mit ihr / durch den Rechtshandel / den ihre Mutter ihrentwegen mit der diebischen Filisterin gehabt /in nahe Bekantschaft gerahten; so konte doch diese Bekantschaft ihn keines Weges vermögen ihre so ausbündige Schönheit in Betrachtung zu ziehen. Er sahe sich gleichwohl nach einer andern und gantz fremden üm. Seine Begierden trieben ihn gleichwohl abermahl nach dem Filisterlande zu / ihm alda eine neue Buhlschaft zu suchen.

(177) Man möchte zwar / dem euserlichen Scheine nach / wohl sagen / er hette solches vielleicht nur darüm getahn; weil er in Bedenken gezogen ein Frauenbild aus dem Volke Gottes / durch solche seine Liebe / die mehr geul / als keusch / mehr unzüchtig als züchtig / zu sein schien / gleichsam zu beschmützen [419] / oder vielmehr zu verunehren. Aber mich deuchtet unter diesem gantzen Handel ein sonderliches Geheimnis verborgen zu sehen. Ich laße mich bedünken /er habe so wohl hierinnen / als anderwärts / ein Vorbild unsers Heilandes sein sollen: welcher eben alsSimson / wiewohl auf eine gantz keusche / ja Götliche Weise / die Menschenkinder / da sie noch Fremdlinge waren / da sie noch im Schlamme der Sünden lagen / und so häslich aussahen / daß nichts schönes noch liebliches an ihnen zu finden / geliebet /ja gar zu seiner Braut erkohren; wie wir schon droben ausführlich gemeldet.

[420] Das zehende Buch.

Die (1) Einteilung.


SImson hatte nunmehr / in einem lustigen Tahle /gefunden / was er gesuchet. Alda hatte sein Auge das Ziel seiner dritten Lustfahrt / am Bache Sorek / erreichet. Bei diesem Bache hielt sich eine schöne Filisterin auf: wo sie nicht vielmehr eine schnöde Tausendkünstlerin zu nennen. Also befand er sie auch in der Taht. Kaum war sie seinen Augen aufgestoßen /da ward er straks gewahr / daß sie ihr Handwerk wohl gelernet. Das Loddern ihrer Augen lokasete die seinigen zur Stunde sie mit Lust anzusehen. Das Lächlen ihres Mundes machte seinen Mund lüstern / sie anzusprächen. Die Anmuhtigkeit ihrer Gebährden reitzte seinen Fuß bei ihr einzuträhten.

(2) Der Eintrit geschahe. Die Ansprache folgete.Simson ward entzükt. Er stolperte wieder in die gefährlichen Fußangeln / die ihm schon zweimahl /auf dem Pfade geuler Liebe / den Fuß verletzet. Er gedachte nicht mehr an die gelittenen Schmertzen. Mit den genäsenen Wunden / waren sie alle verschwunden. Sein Hertz war unter den Gehorsam der Augen so gar gebracht / daß es dieselbe Schönheit / daran sich jene vertgaften / straks als entzükt lieben muste.

(3) Also konte dan Simson dem Angelhaken /den ihm Delila / durch ihre verliebte Blikke / zuwarf / keines Weges entgehen. Er ward gezwungen dem Befehle seiner eigenen Augen zu gehorchen. Er wolte straks anbeissen. Er wolte das Aß / zusamt dem Haken / einschlukken. Und hiermit war er fest. Hiermit war er gefangen. Hiermit ward er verliebt.

(4) Straks entstund in ihm ein Sturm von vielerlei Neugungen. Diese tobeten und wühteten in seinem Gemühte dermaßen / daß der Raum viel zu änge ward. Bald rührete sich in ihm die Neugung / seine neue Liebste zu ümarmen. Bald ward er lüstern sie zu küssen. Bald trug er Verlangen ihrer Liebe zu genüßen / bald sie gar als eigen zu besitzen. Durch diese[421] [423] Leidenschaften / welche die geule Liebe gemeiniglich mit sich schleppet / befand er sich so beängstiget /daß er eher nicht ruhen konte / er hette dan erlanget /was er verlangte.

(5) Aber dieser Sturm währete nicht lange. Kaum war er begonnen / als er sich schon endigte. Wo kein Widerstand ist / wird die Festung bald gewonnen. Bewilfahrte Begierden seind leichtlich zu sättigen. Nach erlangtem Verlangen / darf keiner mehr seufzen. Gewährte Wünsche der Verliebten seind ihr lachendes Glük; das ihnen die Angst aller verzögerter Hofnungen / und das Leiden so vieler Folterungen benimt / ja das sie in einen Lusthimmel vol Geigen / und in eine Schatzkammer vol Freuden gleichsam einführet.

(6) Simson fand alles straks nach seinem Willen. Er hatte bei seiner Liebsten kaum angeklopfet /da stund ihm schon Tohr und Tühre zu allen seinen Neugungen offen. Er zog ein / als ein Siegesheld. Seine Begierden erstoltzten in ihrem so plötzlich erlangtem Siegesgepränge. Er selbst hielt das Freudenmahl im Schosse seiner Liebsten: die ihm den Trank der ersinlichsten Wohllüste vol einschenkte. Er genos der allersüßesten Speise / die ihm Delila in geheuften Schüßeln vorsetzte. Hier liebelten ihm die blühenden Wohllüste des Frühlings / und die gezeitigten Ergetzungen des Herbstes auf einmahl alle zusammen.

(7) Alle seine Sinne fanden alhier ihre Lustspeisen volauf. Nichts / ja gar nichts ward ihnen verweigert. Er sahe das liebliche Lächlen des Mundes / das anmuhtige Lieblen der Augen. Er hörete das hertzentzükkende Schmeichlen ihrer Zunge. Er roch die süße Zimmetluft ihres Ahtems. Er fühlete das sanfte Streucheln ihrer Hände. Und dieses alles täht er mit solcher Vergnügung / daß er sich einbildete bei der Liebe-Göttin selbsten ein Gast zu sein.

(8) Seine Begierden waren lange so groß nicht / als Delila milde zu sein schien sie zu sättigen. Sein Lusthunger befand sich lange so heftig nicht / als sie freigebig war / ihn zu stillen. Ja sie war im Erlustigen verschwänderisch / im Reden holdsälig / im Schmeicheln unvergleichlich / im Liebeuglen anmuhtig [423] / im Schertzen liebreich / in Gebährden höflich /im gantzen Wesen erfreulich.

(9) Dieses Ergetzen / dieses Erlustigen hatte kein Ende. Sie ward nimmer müde. Nimmer hörete sie auf diese Lustspiele zu treiben. Eines folgete straks dem andern. Eines hing immer am andern. In dieser zusammengegliederten langen Reihe der Lustspiele befand sich Simson so vol Freuden / daß es ihm ein Vorschmak des Paradieses / aber ach leider! nicht des Himlischen / zu sein schien. Er hatte die Liebe noch nie so erfreulich befunden. Noch nie war ihm ein Frauenbild so gar liebreich / so gar leutsälig /so gar wilfärtig vorgekommen.

(10) Aber es schien / daß ihm / im ersten Anbisse /die Liebe nur darüm so süße gemacht würde / damit sie ihm hinfort / wan er tieffer hinein geriete / üm so viel bitterer schmäkte. Gemeiniglich pflegt man die Giftküchlein mit Zukker zu überziehen; damit der Vorschmak süße / der Nachschmak aber / der den Tod würket / üm so viel herberer und bitterer sei. Gemeiniglich wird dieses wahr: Trägt der Anfang die Lust /so trägt das Ende die Last.

(11) Doch dieses gedachte Simson nicht. Er lies sich nichts Böses treumen. Er vermuhtete keines weges / daß das Glük / das ihn itzund so lieblich anlächlete / mit der Zeit eben so grausam / ja noch grausamer auf ihn zustürmen würde. Und also lies er sich nichts anfechten. Er lies keine böse Schwahnsfeder in seinem Gehirne wachsen. Er war in seiner Lust so vertieffet / daß er von nichts / als von ewigwährenden Freuden treumete. Er betauerte bloß allein / daß er aus stähtiger unaufhörlicher Ergetzung zuweilen müde würde. Es war ihm nur leid / daß er nicht alle die Lustspeisen so oft und so färtig / als sie ihm angebohten warden / einzuschlukken vermöchte.

(12) Auf diese Weise belustigte sich Simson zimlich lange. Lange Zeit stund ihm ein weites und breites Feld offen; da er / nach eignem Belieben / in voller Wohllust sich weiden mochte. Auch blieb er immerfort lüstern. Seine Begierden warden nie so sat /daß sie aufgehöret hetten ihn lüstern zu machen. Die Hitze der Delila war dermaßen stark /daß sie[424] nimmer nachlies ihnen ein Teil darvon mitzuteilen. Und also erhielt sie dieselben fort und fort in ihrem gewöhnlichen Gange.

(13) Daher kahm es / daß Simsons meister Zeitvertreib war sich bei dieser Frauen zu erlustigen. Ja er wohnete schier gar bei ihr: weil er seine Zufriedenheit nirgend besser / als in ihrem Schoße / zu finden vermochte. Diesen hielt er für sein zeitliches Himmelreich / für sein irdisches Paradies; darinnen er /der geblendete Simson / seine gantze Glüksäligkeit erlanget zu haben wähnete. Und hierdurch begab es sich / daß seine Feinde zu eben der Zeit / da er / mitten in seinen Freuden / gantz unbesorgt / und am sichersten zu sein schien / der Gelegenheit wahr nahmen / ihm die lange gedreueten Lagen zu legen.

(14) Die Filister / welche stähts auf ihn lauerten / kundschaften dieses aus. Sie wurden seines stähtigen Umganges mit der Delila gewahr. Ihre Fünffürsten selbst erfuhren es alsobald. Die Kundschaffer brachten es an. Doch ging alles in der Stille zu. Man lies sich nichts märken / aus Furcht / Simson möchte vielleicht den Brahten riechen / und ihnen eben also / wie er zu Gaza getahn / entschlüpfen.

(15) Die Fünffürsten kahmen heimlich zusammen. Sie hielten einen verborgenen Raht. Es ward bei Leibesstrafe verbohten etwas auszusagen. Unter der Rose ward alles gehandelt. Niemand unternahm sich nur ein Wort laute zu reden. Und darüm flisterten dieseFilister / mit zusammengestekten Köpfen / einander alles ins Ohr. Ja selbst das Rauschen mit den Rökken / das Scharren und Trappen mit den Füßen /das Rükken mit den Stühlen ward vermieden. So gar stille / so gar behuhtsam ging alhier alles zu!

(16) Die Erfahrung hatte sie so vielmahls gelehret /wer Simson war. Sie wusten von langer Zeit her /was er im Schilde führete. Seine mehr als Heldenmäßige Tahten konten ihnen / aus so vielen seinen Siegsgeprängen / nicht unbekant sein. ›Er sei‹ / sagten sie alle / ›listiger / als ein Fuchs; großmühtiger und tapferer / als ein Leue; stärker / als ein Nasenhörning.‹ Er achtete tausend Filister anders nicht / als tausend Stoppeln. Darüm tähte man töhricht mit ihm einen Tutz zu [425] wagen. Darüm müste man ihn zu gelegener Zeit überlistigen.

(17) Und diese Zeit schien ihnen itzund gebohren /zu sein Itzund / da er im Wohllustbette der Liebe faulentzete / schien es am füglichsten ihm einen Listrang abzugewinnen. Das Einhorn / wie die Naturkündiger uhrkunden / sol kein Jäger zu fangen wissen / als wan es seinen Kopf / aus Liebe zur Keuschheit / in einer keuschen Jungfrauen Schoß geleget /und sich alda in den Schlaf wiegen laßen. In einem solchen / wiewohl unkeuschem Schoße / gedachten sie den Simson / weil sie ihn der Unkeuschheit ergeben / und alda sicher und unbesorgt schlafen sahen / gleichmäßig zu fangen.

(18) Hierzu achteten sie kein beßeres Mittel zu sein / als durch die Delila listiglich bei ihm auszuwittern und zu erfahren / worinnen die Kraft seiner übermenschlichen Starke bestünde. Sie wolten erforschen /woher ihm die gewaltige / ja schier algewaltige Macht seines Armes / alles zu überwinden / alles zu zerreissen / und alles über einen Hauffen zu schmeissen /herkähme. Sie wolten den Grund ergründen / darauf sie den Bau seines Gefängnisses / damit es wider seine Stärke bestünde / fest genug aufzuführen vermöchten.

(19) Darüm kahmen alle Fünffürsten zu ihr. Die Herscher und Heupter des Filisterlandes selbst sprachen ihr zu. Doch dieses tähten sie heimlich / in Simsons Abwesen: dessen sie sich zuvor erkundiget. Ihr erstes Anbringen waren lauter Beschweerungen. Sie beschweerten sich / und klagten zum allerersten häftig über des Simsons Muhtwillen. Hierdurch gedachten sie den Willen dieser Frauen / in ihren Willen zu willigen / üm so viel eher zu bewegen. Darnach begunten sie dem rechten Ziele /dessentwegen sie angelanget / almählich näher zu trähten. Sie gaben ihr zu verstehen / was sie selbst verstanden: nähmlich daß sie über den Willen des Simsons allein herschete; daß niemand / als sie /in die Schatzkammer seiner Heimligkeiten einen freien Eintritt zu haben vermöchte; ja daß nur sie allein /seine Geheimnisse zu erfahren / geschikt sei.

(20) Diese Reden / welche sie / als ihr zum Ruhme gesprochen [426] / aufnahm / kützelten ihr das Ohr gewaltig. Sie tähten ihr so wohl / daß ihr Hertz für großen Freuden im Leibe gleichsam hupfete / ja daß es so groß ward / als der gröste Kuhkmagen. Sie lauschte /sie horchte / da ihr ein solches Lob ihrer Verdienste so übermäßig zugemäßen ward / nicht anders / als eine mit Unflaht übersudelte Sau / die von einer Elster gelauset wird. Ja eben also / als diese sich brüstet /wan sie mit einer güldenen Halskette behänget einhertrit / brüstete sich auch und erstoltzte die unflähtigeDelila: zuvoraus weil Fürsten selbst ihr einen solchen Ehrenschmuk zueigneten.

(21) Endlich kahm man zum Ziele selbst. Man baht sie vom Simson / bei dem sie so überaus viel vermöchte / durch ihre Liebkoserei / auszuforschen /›woher dieselbe so ungeheure Stärke / dadurch er allen Menschen ein unvermeidliches Schrökken einjagte / sich entsponnen? Was für ein Stern oder Unstern es sei / der eine so gewaltige Kraft in ihm würkte? Und ob dieselbe Kraft und Stärke nicht etwan zu gewissen Zeiten von ihm wiche?‹

(22) Delila / die von den Grösten deß Landes sich besuchet / und als gerühmet / ja gleichsam gar angeflöhet sähe / ward hierüber so Ehrgeitzig / daß sie dem Begehren ihrer Anflöher / sie zu ihren Pflichtschuldigen zu machen / anders nicht / als höflich begegnete. Ihre Weigerung / wiewohl sie sehr klein war / geschahe nur des Wohlstandes wegen. So straks und auf einen Plotz zur Verrähterin ihres Liebsten zu werden / wolte sich nicht geziemen. Zudem wolte sie erst auch mit güldenen oder silbernen Zungen angesprochen sein. Die Fleischerne / die einen so scharfen durchdringenden Klang nicht geben konten / waren zu wenig / sie zu einer völligen Bewilligung zu bewegen.

(23) Ein Weibesbild / zumahl ein solches / alsDelila war / wird zwar / durch Beweisung eiteler Ehre / zur Erfüllung eines fremden Willens gelokaset / aber nicht so straks bewogen. Es mus was anders sein / als ein eitler Ahtem / das es überteuben sol. Wan ein Esel mit Gelde beladen anklopfet / dan springet die Tühre von sich selbst auf. Jupiter muste Gold auf der Danae Wächter regnen laßen. Eher stund ihm die Tühre zu [427] dieser bewachten und eingesperreten Königlichen Fürstin nicht offen. SolteSimsons Verborgenheit ausgekundschaffet werden / so muste Delila mit Gelde bestochen sein. Solte seine Geheimniskammer den Filistern offen stehen / so musten sie mit güldenen Schlüsseln der Tührhühterin den Mund öfnen.

(24) So boht ihr dan einieder Fünffürst eilfhundert Silberlinge zur Belohnung an. Diese fünfmahl zusammengerechnet / belieffen sich auf fünftausend und fünfhundert. Wan es Priestermüntze gewesen / so waren es so viel halbe Tahler. War eb aber Bürgermüntze / so seind es so viel Ohrtstahler / nach unsrem Gelde gerechnet. Das war ein fetter Bissen / der eine solche Mätze / wie Delila war / leichtlich reitzen konte darnach zu schnappen. Ein so großes Versprächen machte sie auch zur Stunde geschäftig / das versprochene zu überkommen. Ja ihr großes Verlangen nach dieser so reichen Verehrung spörnete sie gleichsam an der Filister Begehren ie eher ie lieber zu vergnügen.

(25) Der Geldgeitz ist den Weibern angebohren. Gemeiniglich trachten sie dem Gelde nach. Gemeiniglich suchen sie Reichtuhm zu samlen. Und diesen erfordert auch ihre Hofart. Ihre Pracht in Kleidern gebietet ihnen gleichsam zu geitzen. Was für ein Wunder war es dan / daß Delila / durch den Anbot des Geldes / sich verführen lies eine Kundschafferin / und eine Verrähterin ihres eigenen Liebsten zu werden. Was neues war es dan / daß sie / aus eitelem Geldgeitze / diese schändliche Tohrheit beging.

(26) Mich deuchtet / ich sehe alhier an den Fünffürsten der Filister das Vorbild der Hohen Priester zu Jerusalem. Mich dünket / ich sehe die Delila den Verrähter Judas / und den Simson unsern Heiland vorbilden. Es ist zwischen einer und der andern Geschicht schier kein anderer Unterscheid / als dieser / daß der Heiland der gantzen Welt ungleich weniger gälten muste / dan der Heiland Israels; und daß die Fünffürsten viel milder / als die Hohenpriester / im Ausbieten / ja Delila weit geitziger / als Judas / im empfangen des Bluhtgeldes gewesen: welches sich dort auf fünftausend und fünfhundert Silberlinge / hier aber nur auf dreissig erstrekte.

[428] (27) Wan es auch wahr ist / wie die Jüdischen Meister meinen / daß dieselbe Witwe / welcher Micha /ihr eigner Sohn / eilfhundert Silberlinge gestohlen /die sie nachmahls selbsten zum Gottesdienste gewiedmet / eben diese Verrähterin Delila gewesen- so scheinet sie zugleich in diesem Stükke den VerrähterJudas / weil sie alle beide das empfangene Bluhtgeld / aus Bereuung ihrer begangenen Verrähterei /GOtte gleichsam wiedergeben wollen / vorgebildet zu haben.

(28) Die mit großen Verheissungen erkaufte Delila schritte dan alsobald zur Sache. Sie grif den Handel an: doch erstlich nur mit Liebkosen. Hatte sie zuvor geschmeuchelt / geliebelt / geliebkoset / so täht sie es itzund noch vielmehr. Hierdurch wolte sie den Simson gewinnen. Hierdurch wolte sie ihn vorbereiten zur Wilfahrung ihres Begehrens. Hierdurch wolte sie ihm sein gantzes Hertz stehlen: damit sie durch dessen volle Besitzung auch eine Besitzerin seiner Geheimnisse werden möchte. Und also wolte sie so straks nicht zuplumpen / das Augenmärk ihres Verlangens mit Worten zu berühren.

(29) Hiermit verzog sie dan so lange / bis sie sein Gemüht mit vielerhand Lustspeisen gesättiget / sein Hertz durch tausend Ergetzungen durchsüßet / seine Gedanken durch ihre verzukkerte Reden gestillet / ja den gantzen Simson gleichsam beruhiget. Aus einem ruhigen Gemühte / das mit lauter Freuden erfüllet ist / blikket die Freigebigkeit im Wilfahren allezeit ungezwungen hervor. Dieses wuste die verschlagene Delila sehr wohl. Darüm unterlies sie nichts / ja gar nichts / dadurch sie ihren Simson in solche so angenehme Gemühtsruhe versetzen könte.

(30) Sie wuste / daß großmühtige Helden besser nicht befriediget noch befreudiget würden / als durch den Lobspruch ihrer Heldentahten. Darüm vermischete sie endlich diese Wohllüste mit dergleichen Lobsprüchen / ihm sein Hertz und seine Neugungen vollend abzustehlen. Sie könte sich kaum einbilden /sagte sie / daß es wahr sei / daß es nicht ein Traum sei einen so unvergleichlichen Helden in ihren Armen zu sehen. Sie dürfte kaum glauben / daß Simson sie liebete: dessen unüberwindliche Stärke die gantze Welt erschrökte; dessen [429] mehr als menschliche Heldentahten durch den gantzen Erdkreus sich ausbreiteten / und der Ruhm darvon bis an den Himmel erschallete.

(31) Einer solchen Glüksäligkeit sei sie nicht währt. Daß Simson / der Held der Helden / sie zur Liebsten erkohren / sei sie nicht würdig. Daß nur sie die Ehre hette sein Hertz zu besitzen / verdienete sie nicht. Eine Erdgöttin sei allein würdig eines solchen Erdgottes Liebe zu geniessen: der durch den mächtigen Nachdruk seines Armes alles / was er nur anrührete / zerschmetterte; ja der / durch seinen Nahmen allein / alle / die ihn höreten / mit Furcht und Schrökken überschüttete.

(32) Ihre Schönheit sei zwar zu geringe sie in den Augen des allerfürtreflichsten Siegsheldens so hochschätzbar zu machen / daß er sie selbst einer Erdgöttin vorzöge. Gleichwohl gönte der Himmel ihr dieses Glük. Gleichwohl hette sie die Ehre denselben zu besitzen; in dessen Gegenwart die erstaunten Filister selbst als unbewegliche Bildseulen da stünden die Zurüstung seiner herlichen Siegesgepränge noch mehi zu verherlichen. Und hierüber were sie gleich als entzükket. Sie erstoltzte mitten in diesen ihren Glüksäligkeiten; da sie auf nichts anders bedacht sei / als ihre Liebe mit tausend Ergetzlichkeiten zu sättigen.

(33) »Aber diese Gedanken« / fuhr sie fort / »stöhret / mit der Freude zugleich / das fürwitzige Verlangen das mich plaget / etwas zu wissen / das ich bisher nicht melden dürfen. Noch itzund weis ich nicht / ob ich so kühne sein darf Ihm nur eine Frage vorzutragen. Dieser Zweifel benimt mir ein großes Teil der Lust ihn zu ergetzen. Ja er dürfte zuletzt das Feuer meiner Liebe wohl gar unter die Asche der Furcht begraben. Ach! ich wolte / daß ich diesen Fürwitz aus meinem Gedächtnisse vertilgen könte; weil er mich die Zeit über / da ich ihn vertuschen mus / zurükhält mich so wohl / als Ihn / wie ich sonst könte / ja wolte / recht vergnüglich zu ergetzen.«

(34) Sobald Simson diese Reden seiner Liebsten verstund / war er bemühet sie ihres Zweifelmuhtes zu benehmen. Er gab ihr die allerlieblichsten Worte. Er strählete / küssete / hertzete sie. Er begehrte nicht länger vor ihr zu vertuschen / was sie so [430] ängstiglich zu wissen verlangte. Sie solte die Frage / die sie an ihn hette / nur kühnlich heraus sagen. Sie solte dasselbe / was ihrer beider Wohllust minderte / nur alsofort aus dem Wege schaffen. Er sei schon bereit ihrem Begehren zu wilfahren.

(35) Hierauf fing dan Delila alsobald an. »Ich kenne« / sagte sie / »meinen Simson noch nicht recht / so lange mir unbekant ist / worinnen die Kraft seiner übermenschlichen Stärke bestehet. Ich weis nicht / ob er ein Mensch / oder mehr als ein Mensch ist / so lange mir der Grundris seines Wesens unbewust bleibet. Darüm geschiehet an Ihn meine flöhendliche Bitte / mir zu entdekken / aus was für einem Zeuge die Fürtreflichkeit seiner Stärke herrühret? Dieses ist das einige / das ich von ihm zu erfahren suche; damit ich ihm die Ehre / die seiner Hoheit gebühret /zu geben wisse.«

(36) Mehr sagte sie nicht. Weitern Umschweif wolte sie nicht machen. Auch lies sie bei dieser Bitte nicht alzugroßen Eifer spühren. Und dieses täht sie darüm; damit er nicht etwan in einen Argwahn geriete / daß etwas anders hinter ihrer Frage verborgen sei. Sie wolte sich bei ihrem Liebsten keines Weges verdächtig machen / als begehrte sie seine Geheimnisse zu wissen / ihn darnach in Ungelegenheit zu bringen.

(37) Simson / der vielleicht den Betrug märkte /war in Beantwortung der Frage so vorsichtig / daß er die rechte Wahrheit verschwieg. Alle die Liebkosereien / alle die hinterlistige Verstellungen / die sie angewendet ihn zu betöhren / waren so mächtig nicht /daß sie ihn hetten bewägen können sein Geheimnis zu offenbahren. Er antwortete lächlende nichts anders /als / ›er sei kein Gott. Daß er nur ein Mensch were /könte sie leichtlich gewahr werden / wan sie ihn mit sieben Seilern von frischem Baste / die noch nicht verdorret / binden würde. Und also würde seine Kraft gebunden / seine Stärke verschwunden / und er Selbsten nicht anders sein / als ein ander gebrächlicher Mensch.‹

(38) Hierauf ümarmeten sie einander beiderseits. Beide küsseten einander hertzinbrünstiglich. Simson war froh / daß er / durch eine blaue Dunst / die er ihr vor die Augen gemahlet / eine so süße Wohllust erworben. Und Delila schätzte sich zum [431] höchsten glüksälig / daß sie nunmehr dasselbe besäße / welches ihr dienen solte die Mänge der versprochenen Silberscheuben für ihre Verrähterei bald in ihren Geldkasten zu scharren.

(39) Auch frohlokten die Fünffürsten / sobald ihnen Delila kund gethan / daß sie nunmehr dasselbe / was sie begehret / ausgeforschet: indem sie sich einbildeten / die Zeit sei itzund gebohren / da sie Gelegenheit bekommen sich am Simson / nach eignem Belieben / zu rächen. Ja sie liessen die Seiler mit allem Fleisse machen / damit sie stark genug sein möchten denselben anzuhalten / den sie zu binden gedachten. Auch versuchten sie dieselben etliche mahl /ob sie fest genug weren allem Gewaltzwange zu widerstehen.

(40) Nachdem nun alle sieben auf das beste verfärtiget waren / zogen etliche wohlgewafnet damit hin /und begaben sich heimlich in der Delila Haus. Alda warteten sie / in einer Kammer / auf den gewünschten Ausgang. Sie warteten so lange / bis Delila den fest genug gebundenen Simson ihren bluhtdürstigen Händen überantworten würde. Eher wolten / noch durften sie sich an einen solchen Held nicht machen / für dessen gewaltiger Stärke / so lange sich einiger Arm an ihm regen könte / sie nicht versichert waren.

(41) Inzwischen kahm Simson auch an. Er traht wieder in dasselbe Haus / da man ihm so tükkisch nachstellete. Delila lief ihm straks entgegen. Sie empfing ihn mit einem hertzlichen Kusse; doch nur dem Scheine nach: weil er in der Taht anders nicht /als ein falscher Judaskus war. Gleichwohl gefiel er ihm so wohl / und machte seine Neugungen so lüstern / daß er sich von stunden an auf die Spuhr der eiteln Wohllüste begab. Hierinnen befand er sich endlich so vertieffet / ja selbst gleichals ermüdet / daß er sein Heupt / zum Schlafe geneugt / in dei Delila Schoß sinken lies.

(42) Unterdessen wachte die Verrähterin / als eine hungerige Katze / die den Meusen nachstellet. Sie lauschte / sie lauerte / wie ein fressichter Wolf / den Raub / auf den sie so begierig verlangte / zu erhaschen. Sie wartete / bis Simson entschlafen; damit sie ihr Vorhaben üm so viel leichter volenden könte. Als sie nun märkte / daß er fest genug schlieffe / legte sie sein Heupt [432] [434]auf das nächststehende Bette. Dieses täht sie so leise / daß er es nichtgewahr ward. Darnach schlich sie eilend hin die Seiler / welche sie verborgen hatte / zu hohlen.

(43) Diese Seiler schlug sie ihm üm die Beine so wohl / als die Aerme. Sie band beide Füße zusammen; damit er / wan er wakker würde / nicht stehen /noch gehen könte. Sie fesselte beide Hände so fest /daß sie sich nicht bewegen könten. Ja sie machte die Aerme selbst an den Leib fest. Und dieses alles verrichtete sie mit solcher Behändigkeit / ja so geschwinde / daß es der Schlafende nicht fühlete.

(44) Hierauf traht sie zu den Filistern in die Kammer. Diese suchte sie anzumuhtigen auf den nunmehr gebundenen und noch schlafenden Simson loß zu gehen. Aber sie hatten hierzu kein Ohr. Das bloße Binden konte den Muht ihnen nicht geben ihn anzufallen. Sie waren so oft gewitziget / daß sie einem so schlüpferichten Grunde nicht traueten.Simsons überschwängliche Stärke hatte sie so furchtsam gemacht / daß sie sich eher an ihm nicht reiben durften / sie weren dan zuvor versichert / daß er gantz kein Vermögen / sich loß zu reissen / mehr hette.

(45) In die Gefahr / von ihm überwältiget zu werden / so plumplings sich zu wagen / stund ihnen nicht zu rahten. Sie wolten zuvor die Stärke der Bande /wan er wakker sei worden / erfahren. Sie wolten zuvor versuchen / wie es alsdan mit dem Binden der Delila ablauffen würde. Eher wolten sie ihren heimlichen Anschlag / der ihnen zum ärgsten ausschlagen möchte / zu keiner öffendlichen Gewalttaht kommen laßen. Und darüm beschlossen sie / sich so lange vor der Tühre des Zimmers stille zu halten / bisDelila mit einer fröhlichern Bohtschaft wiederkähme den vollen Sieg über den Simson ihnen anzukündigen.

(46) Unterdessen traht die Verrähterin nach dem Bette / zu. »Auf! auf! Simson« / rief sie mit lauter Stimme: »die Filister überfallen dich.« Diese Stimme drang in einem hui / durch die Ohren / zu den Sinnen hinein. Es ward alles rege / was in und an dem bestürtzten Simson war. Er erwachte. Er stund auf. Er schüttete alles / was seine Bewägung verhinderte /von den [434] Armen und Beinen weg. Ohne weitere Gewalt sprangen die Seiler in Stükken. Er zerrisse sie /wie einen Faden / der von der Lohe versänget ist.

(47) Und also fühlete er nicht einmahl / daß er gebunden sei / bis er die Stükke der zerrissenen Seiler erblikte / ja zugleich den Betrug der Delila märkte: die er auch deswegen mit leunischen Augen anzusehen schien. Doch diese sahe viel zorniger aus. Sie gebährdete sich / als ein gestochener Bok. Es schmertzte sie / daß sie sich so schändlich geteuschet sahe. Sie war erzürnet io auf sich selbst / ja sie spiehe sich schier an / daß sie so leichtgleubig gewesen; daß sie Simsons Worten vielzuviel getrauet.

(48) Endlich gab sie den Filistern ein Zeichen des unglüklichen Ausschlages. Hierüber erschraken sie so heftig / daß sie nicht wusten / wie sie sich so straks aus dem Staube machen solten. Sie eilten schier über Hals über Kopf darvon: und sahen einander / sobald sie an einen sichern Ort gelanget / gantz bestürtzt an. Sie schnoben / sie keuchten / und liessen aus ihren verschlagenen Angesichtern eben eine solche Farbe blikken / als weren sie der eusersten Gefahr entlauffen.

(49) Weil nun Delila die Zornflammen ausSimsons Angesichte noch immerzu blikken sahe /so muste sie aus der Noht eine Tugend machen. Sie muste den Unwillen / den sie auf ihn geworfen / verbärgen. Sie muste geschmierte Worte geben / und wieder anfangen zu schmeicheln: indem sie sich befahrete / sein Zornfeuer möchte sonsten zum allerersten über sie ausbrächen.

(50) Ja sie begunte sich zu entschuldigen. Sie wendete vor: ihr Fürwitz allein hette sie bewogen / durch diese Seiler / die Wahrheit seiner Worte zu erfahren. Sie hette damit / daß sie ihn gebunden / nichts anders / auch nichts Böses im Sinne gehabt. Er solte deswegen nicht über sie zürnen. Und hiermit fiel sie ihm üm den Hals / und gab ihm einen Kus über den andern. Ja sie hielt zu küssen / und zu schmeucheln nicht eher auf / als bis sie die Heftigkeit seines Grimmes besänftiget.

(51) Also verzog sich das Zornwetter in Simsons Gesichte. So veränderten sich die düsteren Wolken in eine anmuhtige [435] Heiterkeit. Mund und Augen lächelten wieder. Der Sturm war vorbei. Die Liebesneugungen folgeten. Der Vergleich auf beiden Seiten ward getroffen. Es ging alles verträglich / alles lieblich zu. Delila schenkte dem Simson die Wohllust vol ein: und er hinwieder lies an seiner liebe nichts mangeln.

(52) Sobald Simson auf das neue verliebt worden / trachtete sie ihn auch Mitleidend zu machen. Hierdurch gedachte sie gar gewis zu ihrem Ziele zu gelangen. Hierdurch vermeinte sie dasselbe zu erreichen / was sie durch keinerlei Liebesbezeugungen zu tuhn vermocht. Sie stellete sich / mitten in ihren Ergetzungen / gantz kläglich an. Da Simson am verliebtesten zu sein schien / fing sie an sich über ihn erbärmlich zu beklagen.

(53) Kein Hertz wird mehr beweget / als dasselbe /das die Liebe hitzig / und das Mitleiden weich machet. Dieses wuste die listige Delila sehr wohl. Darüm suchte sie beides in Simsons Hertzen zu stiften. Und hiermit vermeinte sie gewonnenes Spiel zu haben. Das letztere zu befördern / brach sie aus in lauter Klagen. »Ach! mein Simson! mein Liebster!« sagte sie / »verdienet nun meine so hertzliche Liebe /die ich ihm bisher erwiesen / nichtsmehr / als daß er mich itzund so schändlich geteuschet? Wie kan ich gleuben / daß der Mund / der so vielmahls schwöret / daß er mich liebe / die Wahrheit rede; weil ich ihn itzund lügenhaftig befunden?

(54) Ich vermeinte / daß unserer beider Hertzen /durch die Liebe / so nahe zusammen verbunden weren / daß seines mir eben so wohl / als ihm das meinige /stähts offen stünde. Aber ich sehe nun viel ein anders; nachdem er sein Hertz für mir dermaßen verschlossen / daß mir / ein einiges Geheimnis daraus zu wissen /nicht zugestanden wird. Ja ich mus noch darzu erfahren / wan ich etwan lüstern werde darnach zu fragen /daß man meiner nur spottet; daß man mir eine blaue Dunst vor die Augen mahlet.

(55) Wan irgend unter meiner Frage / seinen Abschlag zu beschönen / einiger Betrug / oder einiges Unheil verborgen were / so wolte ich meine Klage selbst /als freventlich / strafen. Wan irgend meine Treue darunter zu hinken scheinen möhte / so solte mein Mund schweigen. Ich wolte darwider nichts sagen. [436] Ich wolte vielmehr guht heissen / daß er behuhtsam gehandelt / indem er mir die rechte Wahrheit vertuschet.

(56) Aber er hat sich von derselben / die ihn so hertzlich liebet / keines Betruges / keines Unheils /noch einiger Untreue zu befahren. Kan er wohl mit Wahrheit sagen / daß er mich iemahls betrügerisch oder untreu befunden? Vielmehr kan ich ihn bezüchtigen / daß er mich betrogen / daß er untreulich an mir gehandelt: indem er / an stat dankbar zu sein für meine so getreue / so stähtige Liebe / so undankbar gewesen / daß er meine Begierde die Wahrheit zu wissen / bloß mit Lügen abgespeiset.

(57) Ja ich habe mehr / als alzuviel Uhrsache mich zu beklagen / daß ich die Aufrichtigkeit seiner Liebe /deren ich mich zur Belohnung für die meinige versichert hielt / auf so ungewissem Fuße befunden. Es schmertzet / ja kränket mich / daß ich so leichtgleubig gewesen einem Manne zu trauen / bei dem keine Treue zu finden. Nun mag ich / aus eigener Erfahrung / wohl sagen / daß dieselbe recht närrisch ist / die den Männern eine andere Liebesneugung zuvertrauet / als eine solche / die bloß auf den eitelen Eigennutz der Wohllust sich gründet.«

(58) Unter alle diese Beschwerungen / unter alle diese Beschuldigungen mischete sie gleichwohl noch immerzu ihre gewöhnliche Schmeucheleien. Sie lies gleichwohl nicht nach denjenigen zu ergetzen / von dem sie noch immer begünstiget zu werden verhofte. Und hierdurch vermeinte sie den sauren Essig der Unlust / der etwan aus ihren herben Beklagungen entspringen möchte / zu versüßen.

(59) Daher konte dan Simson anders nicht tuhn / als höflich sich entschuldigen; indem er vorschützte: was er getahn / sei bloß aus Schertze geschehen. Er hette die Gedanken sie zu betrügen keines Weges gehabt. Weil er gesehen / daß ihr einfältiger Fürwitz mit einer wahrscheinlichen Antwort zu frieden gewesen /so hette er unnöhtig erachtet den Grund der Wahrheit zu entdekken. Es sei alles nur Kurtzweile gewesen. Darüm were sie in ihren Klagen alzustachelicht. Darüm deutete sie seine Gedanken alzuübel aus.

(60) Aber indem Simson sich also zu entschuldigen trachtete; [437] indem er dieses losen Weibes Beschuldigungen auf diese Weise zu begegnen suchte /gab er ihr nur frischen Anlaß / zur Volziehung ihrer Boßheit / noch einen Anfal zu wagen. Diese seine Höfligkeit machte sie sich straks zu nütze. Straks fing sie wieder an das vorige Liedlein zu singen. Sie täht wieder einen Versuch ihn zur verlangten Wilfahrung zu bereden.

(61) »Ach! mein Schatz« / sagte sie / »weil er dan bisher Belieben getragen mit mir zu schertzen / so wollen wir nun / in rechtem Ernste / miteinander handeln. Weil ich eben itzund die gewaltige Kraft seiner Stärke selbst gesehen / so bin ich noch viel vorwitziger worden / die Uhrsache dessen zu wissen Ach! er laße mich doch nur einmahl so bitsälig sein / daß ich diese Wilfahrung erlange. Er laße mein Hertz / das ihn inniglich anflöhet / keine Fehlbitte mehr tuhn.

(62) Ich begehre ja nichts mehr / als den Grund seiner Herligkeiten / als die Herstammung seiner Hoheiten zu wissen. Ich verlange ja nichts anders / als diese Wissenschaft zu erlangen; damit ich seinen Glantz gebührlich ehren / und ihn / sofern er mehr als ein Mensch ist / nach dem Währte seiner Verdienste ehren möchte. Dieses Begehren ist ja nicht unziemlich. Diese Bitte kommet ja aus einem redlichen Hertzen; das ihn höher schätzt / als alle Schätze der Welt; das ihm alle seine Liebe gewiedmet / und in dieser Liebe sein Leben zu schlüßen beschlossen.«

(63) Simsons Hertz befand sich zwar / durch diese Reden / darunter stähtige Liebesblikke spieleten / durch und durch erweichet. Gleichwohl erstrekte sich dieses Erweichen so weit nicht / daß er were bewogen worden die Wahrheit zu sagen. Er muste zwar antworten: aber die Wurtzel seiner Stärkt, verschwieg er. Diese derjenigen zu zeigen / welche sie auszurotten vorhatte / war kein Raht. Er wuste wohl / aus der Erfahrung / daß Delila die Wahrheit seiner Reden zu untersuchen nicht nachliesse. Er wuste wohl / daß er hierdurch / obschon der Versuch aus keiner Boßheit herrührete / dannoch aller seiner Stärke verlustig seyn würde.

(64) Und also stellete sich Simson / als wan er die Wahrheit sagete. Er stellete sich nur / als ob er ihr sein gantzes Hertz [438] eröfnete. Unterdessen vertuschete er doch das verlangte Geheimnis. Er sprach: ›wan man ihn mit neuen Strükken / die noch nie gebrauchet worden / bestrükte / so würde seine Kraft verschwinden / und er schwach werden / wie ein ander Mensch‹ / Und dieses wuste er ihr so wahrscheinlich vorzustellen / daß sie festiglich gleubte / sie hette nunmehr ihr Verlangen erlanget.

(65) Hierauf lies sie die Filister abermahl hohlen. Denen zeigete sie an / mit was für listigen Ränken sie ausgefischet / was sie begehret. Sie versicherte dieselben die Gewisheit des gantzen Sieges in Händen zu haben. Sie muhtigte sie zur Hofnung eines glüklichen Ausganges an. Und dieses täht sie / ihre Worte zu beglaubigen / mit unaufhöhrlichem Frohlokken / ja selbst mit stähtigem Händeklappen.

(66) Aber die Filister traueten dem Landfrieden nicht. Sie wolten sich in keine Gefahr wagen. Sie waren schon zuvor dermaßen gewitziget / daß sie das Bildnis der Furcht noch in ihren Angesichtern trugen.Delila hatte genug zu tuhn / sie wieder auf dieselbe Spuhr zu bringen / das sie das erste mahl ein so heftiges Schrökken überfallen. Den vorigen unglüklichen Ausschlag sahen sie noch vor Augen. Darüm waren sie scheu des andern zu erwarten.

(67) Nach langem besinnen machten sie sich gleichwohl auf. Endlich gab ihnen der Rachzorn so viel Muhtes / daß sie hinschlichen sich in ihrem alten Schlaufwinkel zu verstekken. Alda lauschten und lauerten sie. Alda horchten sie hinter der fest verrügelten / und mit Höbebeumen vermachten Tühre. Sie horchten / wie es ablauffen würde. Sie hielten sich so stille / daß sie kaum einen Hauch von sich gaben. Und dieses tähten sie aus Furcht / Simson möchte sie hören; er möchte sie überfallen / und das Garaus mit ihnen spielen.

(68) Unterdessen spielete Delila ihr Spiel. Sie ergetzte den Simson mit allerlei Kurtzweile. Sie liebelte / sie schmeuchelte / sie heuchelte. Sie bemühete sich ihm allerlei Lust zu machen. Und also suchte sie ihn in den Schlaf zu wiegen. Sie trachtete die Wache seines Lebens ihm zu entziehen. Und dieses ging [439] ihr so wohl an / daß sie nichts verhindern konte zur gewünschten Erfüllung ihrer Verrähterei zu gelangen.

(69) Sie nahm die Strükke. Sie schlug dieselben etliche mahl üm des schlafenden Simsons Aerme /ja selbst üm die Füße herüm. Sie zog sie so dichte zusammen / und verknüpfte sie dermaßen fest / daß es unmüglich schien / durch menschliche Hand / aufgelöset zu werden. Auch hatte sie der Seiler so stark und so dik und dichte drehen müssen / daß keine Stärke /wie groß und gewaltig sie schien / sie zu zerreissen vermochte.

(70) Aber des Seilers so wohl / als der Verstrükkerin Arbeit war alhier nur vergebens. Vergebens war alle Hofhung / alle Bemühung der Filister. Ja es schien / als hette Simsons Schutz-Engel ihnen allen die Augen verblendet: weil sie nicht straks zulieffen / da er im Schlafe gleichals gantz begraben lag / ihn zu erwürgen. Ein einiger Schwertstoß hette diesem Starken das Leben / zusamt der Stärke /bald rauben können. Viel leichter / viel geschwinder hette man ihn ümzubringen / als mit Strükken so fest zu binden vermocht.

(71) Man mus sich in Wahrheit verwundern / daß dieselben / welche der Bluhtdurst doch antrieb Simsons Tod zu suchen / bei so gewünschter Gelegenheit ihn zu töhten / so saumsälig / so zauderhaftig / so Muht- und Verstand-loß gewesen: indem sie ihn / an stat straks aus dem Wege zu reumen / erst zu binden sich bemüheten; da doch der Schlaf ihn schon genug gebunden ihre Wühterei an ihm ungehindert zu verüben.

(72) Doch dieses Versehen war nicht so sehr ihrer eigenen Blind- und Tumheit / noch auch ihrer Saumsäligkeit / und Muht- ja Verstandloßheit / als wohl der Vorsehung GOttes / zuzuschreiben: welcher den Simson / als seinen auserkohrnen Knecht / indem er schlief / durch seinen Engel bewachen lies. Dieser verhühtete / daß die Boßheit der Filister / ihm das Leben zu nehmen / so weit nicht greiffen durfte. Dieser widerstund ihren bluhtdürstigen Anschlägen /und vereitelte sie gantz.

(73) Die Gefahr derer / die GOtt erwehlet / bleibt allezeit ümschränkt. Sie darf ihre Grentzen / die ihr seine Barmhertzigkeit vorschreibet / nicht überschreiten. So haben die Trübnisse [440] der Nachfolger GOttes auch allezeit ihre gewisse Maße. Und diese wird also eingerichtet / daß die Betrübten mehr Nutzen / als Schaden / mehr Vorteil / als Nachteil darvon tragen.

(74) Wan uns die Menschliche Gebrächligkeit die Bahne zum Verderben glättet / bietet uns die Göttliche Barmhertzigkeit ihre hülfliche Hand. Wan uns aber unsere Verwägenheit zum stürtzen treibet / wendet GOtt die Hand seines Mitleidens von uns ab. Alsdan stekken und zappeln wir in der Gefahr. Alsdan rennen wir Zaumloß in dasselbe Verderben / das wir uns selbsten zubereitet.

(75) Weil Simson / aus angebohrner Gebrächligkeit / zum Sturtzfalle geneugt war / half ihm GOttes mitleidende Hand. Weil er / aus Liebe desselben Weibes / das ihm nunmehr zum zweiten mahle Falstrükke geleget / im Wege des Verderbens fort irrete / übergab ihn zwar GOtt dem Triebe seiner Neugungen / doch also / daß er zugleich die boßhaftigen Unterwindungen seiner Feinde vereitelte.

(76) Und also kahm er / als ein herlicher Uberwinder / aus der zweiten Gefahr / darein er im Schlafe gerahten / mit Ehren heraus. Sobald Delila wiederüm anfing überlaut zu rufen ihm einen Schrik einzujagen; da ermunterte sich Simson. Sobald sie gerufen /»auf! auf! die Feinde seind da«; da erwachte seine Stärke: da erhub er sich aus dem Bette mit einer solchen gewaltigen Bewägung / daß die Bande von Armen und Beinen straks absprangen.

(77) Die Knöpfe gingen loß. Die Knohten sprangen auf. Die Stränge / da sie am dikkesten waren / rissen in Stükke / nicht anders / als weren sie Zwirnsfäden gewesen. Diese lagen als Siegeszeichen vor seinen Füßen. Und er selbsten stund / als ein Siegesheld /mitten ein. So viel vermochte seine nur gewöhnliche Bewägung! So viel vermochte das bloße rekken und rütteln seiner Arme / seiner Schultern / und seiner Füsse!

(78) Inzwischen befand sich Delila zum höchsten beleidiget. Sie stund schaamroht / und bestund in diesem zweiten Betruge / wie die Butter an der Sonne. Ja sie glühete gleichsam vor Zorne / daß sie auf das neue so schändlich betrogen war. Nichts schmertzte sie mehr / als daß sie die Hofnung / welche [441] sie den Filistern so gar groß / so gar gewis eingebildet /in den Brunnen gefallen sahe. Ja es schmertzte sie noch vielmehr / daß sie den Lohn ihrer Verrähterei /den sie schon im Rachen zu haben wähnte / wider alles Vermuhten so plötzlich verlohren.

(79) Sie muste den Bösewichtern / welche sie zu diesem Schelmstükke gereitzet / abermahl ein Abzugszeichen geben Sie muste / wie ungern sie es auch tähte / sie anmahnen ihr Leben mit der Flucht zu retten. Weit darvon / war guht für den Schus. Sie lieffen / als hetten ihnen die Köpfe gebrant / eilend hinweg. Sie sprangen / wie die schüchternen Hängste / wan sie die Peitsche klatschen hören. Das Warten / das Zaudern brachte Gefahr. Geschwinde machten sie sich aus dem Staube.

(80) Unterdessen stund Delila gleichals vor den Kopf geschlagen. Weil sie mit lauter Rasereien schwanger ging / konte keine Schmeuchelei zur Ausgebuhrt kommen. Auch die Scheinliebelung selbsten wolte nicht fort. Sie gedachte nun an kein Lachen. Die Blikke / die aus ihren Augen schossen /waren nur Zornblikke. Die Worte / die aus ihrem Munde gingen / brummeten / wie der Donner. Nirgend fand sie Ruhe. Sie lief / als tolsinnig / im Zimmer herüm / und sprang / als eine gescheuchte Ziege.

(81) Aber Simson lachte mehr / als er zürnete. Es gefiel ihm überaus wohl / daß er seine Liebste nun wieder geteuschet. Doch lies er sich dessen nicht märken. Er bemühete sich vielmehr sie zu befriedigen. Erstlich ging es an ein Schertzen. Darnach folgeten die allerfreundlichsten Schmeucheleien / die ihren Zorneifer besänftigen / und ihr rachgieriges Hertz brächen solten. Endlich kahmen die Küsse darzu: welche sie unweigerlich annehmen muste; aus Furcht / er möchte seinen Stab anderswohin setzen.

(82) Und eben darüm durfte sie ihn / mit Verschmähungen / keines Weges erbittern. Sie muste zulaßen / was er begehrte. Sie hatte mit dem / daß sie ihn nun zweimahl verrahten wollen / schon zu viel getahn: wiewohl er es selbst für keine Verrähterei annahm. Mehr Erweiterungen ihrer Verbrächen zu ma chen durfte sie nicht wagen. Es war kein Raht ihn noch mehr zu [442] beleidigen. Und also muste sie sich dan freundlicher anstellen / als sie wolte / ja kaum konte.

(83) Die Weibsbilder brummen ihre Buhler / die ihnen die Geldtasche schweer machen / nimmer an /wan sie nicht wissen bald darauf ein freundliches Lächlen von sich zu geben. Nimmer runtzeln sie die Stirne zum Sauersehen / es sei dan / daß sie bald darauf wieder ein süßes Gesichte machen wolten. Ja sie grollen nie / wo sie nicht zugleich auch liebsälig sich erweisen. Nie laßen sie einigen Has blikken / wo nicht straks die Liebe darauf folget. Also behalten sie das Netze / den Vogel / der ihnen entflügen wil / zu bestrükken / stähts in der Hand.

(84) Simson erweichte die Delila / durch alle seine Liebesbezeugungen / anfangs nicht mehr /als einen Kieselstein. Er bewegte sie nicht mehr / als ein steinernes Bild / das wider alle Stürme steif und fest stehet. Ja sie schien selbst / als aus einem Felsen gehauen. So gar hart erwiese sie sich zuerst gegen alle seine Schmeuchelungen! So gar unempfindlich war sie gegen alle seine Küsse! Es verfing bei ihr kein Seufzen. Kein Wort / wie liebreich es war / mochte sie befriedigen.

(85) Endlich aber erhielt Simson / nach vielem Anhalten / eine kurtze / doch übermühtige Antwort. ›Sofern er gegen sie‹ / sagte Delila / ›noch immerzu hartnäkkig verharren würde die Wahrheit zu vertuschen / wolte sie auch immerzu gegen ihn so hart / als sie itzund were / verbleiben‹ / Sobald sie diese kützlende Worte gesprochen / sprung sie jähligen auf / und lief zum Zimmer hinaus.

(86) Flucht würkt Zuwachs der Liebe. Ie mehr die Liebste flüht / ie mehr sie den Verliebten zieht. Delila ahmete den Voglern nach; die / nach gesteltem Netze / sich auf die Seite begeben / die Vogel / die anders ungern in das Netze wollen / üm so viel eher zu berükken. Ein Wild wird nicht so leicht in das Netze gebracht / wan es den Jäger darbei siehet. Wan die Geliebte flüht / und der Verliebte nachleuft / stolpert et unvorsichtig in ihre Strükke.

(87) Der armsälige Simson stund hierüber gantz verschlagen. Er wuste nicht / was er tuhn solte. Er verzweifelte schier gar: weil der Delila Gunst anders nicht / als mit seiner [443] eusersten Gefahr / wieder zu erlangen war. Er konte nun nichts mehr erdenken /damit er ihr fürwitziges Verlangen befriedigen möchte. Er konte keine wahrscheinliche Lügen mehr finden / ihrem stähts anhaltendem Begehren zu begegnen. Es schien ihm schier unmüglich zu sein ihr einzubilden /daß man mit anderen Strükken seine Stärke bestrükken könte; nachdem sie sich schon zweimahl aus der allerfestesten Bestrükkung herausgerissen.

(88) Er konte / noch durfte sich nicht entschlüßen ihr die nakte Wahrheit zu entdekken. Das Geheimnis war zu wichtig / daß es / ohne sein gröstes Nachteil /nicht konte geoffenbahret werden. Dan hieraus stund zu vermuhten / daß ihm ein unvermeidliches Unglük aufstoßen / ja wohl gar ein unümgänglicher Tod entstehen würde. Gleichwohl mochte noch konte sie durch kein anderes Mittel zu ihrer vorigen Liebe wieder erweichet werden. Gleichwohl war es unmüglich durch einen andern Weg zur Genüssung seiner vorigen Glüksäligkeit zu gelangen.

(89) Ohne diese zu leben war ihm ein verdrüßliches Leben. Ja das Leben war ihme kein Leben. Es war ihme vielmehr ein stähtiger Tod; weil er ohne Gegenliebe liebte / und hierdurch in die eusersten Todesschmertzen versetzt ward. Kurtz / er verschmachtete für Angst. Die unerleidliche Pein / sich alles Trostes beraubet zu sehen / machte sein Hertz so matt / daß es keinen Raht erdenken konte / daß es kein Mittel zu finden vermochte sich aus diesen Todesängsten zu wikkeln.

(90) Nach langem nachsinnen fiel ihm gleichwohl endlich ein neuer Fund ein. Endlich besan er sich auf eine neue Gattung der Wahrscheinligkeiten. Durch diese / ie wahrscheinlicher sie schien / ie mehr Glauben er bei seiner Liebsten zu finden verhofte. Er war froh / daß er einen so guhten Fund erfunden / einen solchen Fund / vermittelst dessen er ihm die Tühre seiner bisher verlohrnen Ergetzlichkeiten wieder eröfnet sehen würde.

(91) In dieser Freude gleichals entzükt / rief er die Delila zu sich. Er stellete sich / als hette die Liebe sein Hertz gantz übermeistert; als hette sie ihn gezwungen ihren Fürwitz zu [444] vergnügen. Er erwiese sich gäntzlich entschlossen zu sein ihr itzund mit der lauteren Wahrheit zu wilfahren. In diesem Augenblikke solte sie erfahren / wie hertzinniglich und so gar treulich er sie liebte / daß er auch nicht vermöchte selbst das tiefste Geheimnis seines Hertzens vor ihr verborgen zu halten.

(92) Delila aber wolte seinen Worten nicht trauen. Sie blieb noch immerzu widerspänstig. Sie kehrete sich weder an seine Liebe / noch an seine Reden. Sie täht / als hörete sie nicht; als were sie taub / und stum zugleich. Ja sie sahe sich nicht einmahl nach ihm üm. So verächtlich hielte sie ihn! So wenig achtete sie /was er sagte! So gar wenig gleubte sie seinen Reden!

(93) Doch endlich fuhr sie mit dieser spitzigen Antwort heraus. Er dürfte sich / sagte sie / nicht bemühen sie zu beschwatzen / daß er ihr mit der Wahrheit zu wilfahren gedächte. Sie wüste wohl / daß seine Gedanken viel anders weren. Sie wüste wohl / daß er nichts anders könte / dan Lügen / dan teuschen / dan betrügen. Die Erfahrung hette sie solches bisher mehr als alzuviel gelehret. Er solte sich nicht einbilden /daß sie noch ferner so leichtglaubig sein würde sich bei dem Narrenseile herümführen zu laßen.

(94) Der gebrante scheuete das Feuer. Der Geritzte meidete die Dornen. Der Gestulperte flöhe das Hulprige. So müste sie auch / als eine von ihm Geteuschte seine Teuscherei flühen. Und eben darüm wolte sie künftig so einfältig / ja so närrisch nimmermehr sein die Betrügligkeit seiner Worte für Wahrheit anzunehmen. Sie wolte künftig ihm keine Gelegenheit mehr geben ihrer aufs neue zu spotten. Sie were seines Gespöttes so sat / daß sie / solches zu verhühten /auf eine viel andere Weise mit ihm ümzugehen gesonnen.

(95) Bei schlüßung dieser Worte / warf sie dem armen Simson gleichwohl einen halbfreundlichen Blik zu: welcher in seinem Hertzen so viel vermochte / daß es vollend gefangen ward. Er bildete sich schon ein wieder einen Trit in den bisher verweigerten Freudenhimmel zu tuhn. Er lies sich bedünken den Vorschmak seiner wiedererlangten Glüksäligkeit schon gekostet zu haben. Und in solcher süßen Einbildung gab er auf ihre Reden folgendes zur Antwort.

[445] (96) »Ach! meine Liebste« / sprach er / indem er sie hertzlich / ümhälsete. »Ach! mein Schatz / mein Hertzchen / mein Seelchen! wie ist sie so gar misgleubig? Wie trauet sie mir so gar wenig zu? Hat sie mich bisher zweimahl schertzende befunden / so wil ich itz und in rechtem Ernste mit ihr handeln. Ich wil ihr die klahre Wahrheit entdekken. Ich wil ihr nichts vorlügen Ich wil sie nicht teuschen / noch betrügen. Hierauf verlaße sie sich nur.

(97) Und daß ich dieses so festiglich beschlossen /bin ich veruhrsachet worden durch das heftige Verlangen / das ich trage / wieder in ihre liebe Gunst zu kommen; ohne die ich nicht leben kan. Ja ich darf wohl schwöhren / daß mir keine Zeit meines gantzen Lebens so schmertzlich gewesen / als diese / darinnen ich mich der Wohllust in ihrem Schöße zu spielen verlustig befinde. Auch darf ich wohl hoch beteuren /daß meine Seele solcher Wohllust zu genüssen / niemahls begieriger gewesen / als itzund / da sie mir gantz entzogen wird.«

(98) Weil nun Delila sahe / daß alle diese Reden aus einer gantz heishungrigen Begierde herrühreten / so wolte sie eine so gewünschte Gelegenheit zu ihrem Zwekke zu kommen / nicht entschlüpfen laßen. Und darüm trieb sie ihn tapfer fort. Sie trieb ihn ungestühmiglich an mit der versprochenen wahren Antwort ihr Verlangen zu stillen. Ja sie lies nicht nach /weil der Liebe Feuer eben itzund in ihm am heftigsten flammete / fort und fort anzuhalten / bis sie die Antwort erhalten.

(99) Und also fing dan endlich Simson an / und sagte: ›er würde gantz unvermögende sein / sobald man sieben Haarlokken seines Heuptes / mit einem Flechtbande / würde geflochten / und mit einem Nagel in den Boden geheftet haben.‹ Mit dieser Antwort schien Delila so wohl zu frieden? zu sein / daß sie nunmehr nicht zweifelte / sie hette dasjenige / was sie so ängstiglich verlanget / wahrhaftig erlanget.

(100) Auch war sie gewislich so wohl ersonnen /daß gantz keine Redensahrt / die einige Falschheit an sich hette / darinnen zu finden. Niemand konte in Zweifel ziehen / daß eher alle. Haarlokken aus dem Kopfe / als der so fest eingeschlagene [446] Nagel aus dem Boden / solten herausgerissen werden. Ja es war alles / in dieser Antwort / so wohl gestellet / so klüglich eingerichtet / daß es anders nicht schien / als daß ihre Wahrheit in der Untersuchung unfehlbar bestehen würde.

(101) Daher ward diese Schälkin überaus froh. Die Freude sahe man ihr aus den Augen / und allen Gebährden flüßen. Alles inwendige war bei ihr befriediget / alles Verlangen gestillet / alle Begierde beruhiget. Es befand sich kein Glied an ihrem Leibe / das ihres Hertzens Lust nicht anzeigete. Der Mund lachete. Die Hände klatscheten. Die Füße sprungen auf.. Der gantze Leib stund in freudiger Bewägung.

(102) Zuvoraus schien ihr Angesicht eine Schauburg der freudigen Liebespiele geworden zu sein: da die Liebe ihre Rolle so wohl spielete / daß der Anschauenden Augen und Hertzen mit lauter Freuden erfüllet warden. Und also erwekte sie in Simsons Hertzen mehr Wohllüste / mehr Ergetzlichkeiten / als er iemahls wünschen können. Ja sie schien im Geben viel freigebiger zu sein / als er im Nehmen begierig sein konte.

(103) Das Schmeucheln / das Liebkosen hatte kein Ende. Keine Venus kan ihren Adonis iemahls so überschwänglich ergetzet haben / als Delila itzund ihren Simson ergetzte. Keine liebe konte so volkommen nicht erdichtet werden / als dieselbe war /welche sie ihm / dem Scheine nach / erwiese. So künstlich wuste diese schlimme Schälkin ihr verrähterisches Gemüht mit dem Mantel der Scheinliebe zu verhüllen! So behände konte sie ihr tükkisches Hertz unter allen ihren falschen Ergetzungen verbergen!

(104) Simson ward über allen diesen so überflüßigen Ergetzungen gantz entzükt. Er wuste nicht mehr / ob er noch bei dem Bache Sorek / oder aber schon bei den Flüssen des Paradieses lustwandelte. Er bildete sich ein aus diesem irdischen Lusttahle gar in die Elisischen Felder versetzet zu sein. So gar ergetzlich kahm ihm alles vor! Er sahe / ja fühlte nichts anders / als lauter Lust / als lauter Ergetzungen. Er spührte nichts anders / als ein liebliches Wohlleben; welches er ewig zu tauren sich festiglich einbildete[447] (105) Und dieses alles / dessen er mit voller Vergnügung genosse / gebahr in ihm so viel Lust / daß er an die Unlust / die schon im Ankommen begriffen / gantz nicht gedachte. Ja er gedachte nicht einmahl / wie närrisch / wie stürrisch ihm Delila mitfahren würde /sobald sie / durch vorwitziges Bewähren seiner Worte / sich abermahl betrogen zu sein erführe. Und also war er gantz sicher. Er lebete gantz ohne Bekümmernis. Ja er vermuhtete keines Weges / daß auf diese liebliche Windstille so ein häsliches Sturmwetter folgen würde.

(106) So vertieft ist ein Verliebter in seiner Liebe /daß er üm das Zukünfftige gantz unbekümmert lebet. So erpicht ist er auf seine gegenwärtige Lust / daß er vergist auf Vorbereitschaft gegen die Unlust / die darauf folgen möchte / zu gedenken. Wan er sich nur mit dem Gegenwärtigen nach Hertzens Lust sättigen mag / so betrachtet er nicht / daß er darnach werde hungern / ja wohl gar verschmachten müssen. Der volgeschänkte Bächer der Wohllust schmäkt ihm so wohl / daß er des künftigen Durstleidens wenig achtet.

(107) Gleichwohl war der verliebte Simson / in aller seiner Wohllust / noch so vorsichtig / daß er sich auf das müglichste bearbeitete den Schlaf aus den Augen zu halten. Er wolte wach und wakker bleiben so lange / ja so viel / als er könte. Und hierdurch war erbedacht die Zeit / darinnen er lügenhaftig solte befunden werden / zurük zu schüben: damit er nicht so bald wieder in das vorige Weh unglüksälig zu werden verfallen möchte.

(108) Aber wie wach und vorsichtig er war / so schlau und listig war auch seine Verrähterin. Sie stellete sich an / als begehrte sie die Wahrheit seiner Worte keines Weges zu untersuchen: damit sie bei ihm nicht etwan in Verdacht kähme / sie trachtete /durch ihre Nachstellungen / ihn zu überlistigen; und er seine Sorgfalt / sich in acht zu nehmen / und ihre Boßheit zu verhindern / üm so viel eher fahren liesse.

(109) Zu dem Ende wartete sie auch etliche Tage. Sie verschob ihren boßhaftigen Anschlag von einer Zeit zur andern. Sie verzog eine guhte Weile das Vorhaben ihrer Grausamkeit zu volziehen. Und dieses täht sie bloß darüm; damit er / aus [448] übriger Behuhtsamkeit / des Schlusses ihrer gotlosen Boßheit nicht gewahr würde / oder zum wenigsten keinen Argwahn auf sie würfe: dadurch sie dan an der Volführung märklich konte gehindert werden.

(110) Sobald sie nun meinte / daß durch Langheit der Zeit aller Argwahn verschwunden / und kein Verdacht mehr in Simsons Gedanken sich einnisteln könte; da berief sie die Filister zum dritten mahle. Sie sperrete sie wieder in den gewöhnlichen Schlaufwinkel. Und diese Bößwichter gehorchten ihr üm so viel lieber / als sie durch die Scheinbarheit der Antwort des Simsons betöhrter waren ihm zu gleuben. Sonst würde man sie an einen solchen Ort /da sie anders nichts / als geteuschet / oder wohl gar erwürget zu werden / gewärtig sein konten / mit Schlagschlägen nicht gebracht haben.

(111) Weil sie wähneten / daß Simsons Stärke fest genagelt / und alle seine Kraft gefesselt sein würde / so waren sie zuerst des glüklichen Ausschlages dieses Handels schon so versichert / daß sie gleichals unverzagt hinzueileten. Ja sie waren schier gantz vol Muhtes / gantz vol Freuden; indem sie sich einbildeten denselben Nagel / daran Simson fest hängen solte / schon / als ein Siegeszeichen / in den Boden eingeschlagen zu sehen.

(112) Unterdessen war Simson / durch den genossenen Schlaftrunk des Wohllustweines almählich eingeschläfert. Ja er geriet endlich in einen so tieffen Schlaf / daß er / als toht und gestorben / ohne einige Bewägung da lag. Und also bekahm Delila gewünschte Gelegenheit ihr fürgenommenes Schelmstükke zu volziehen. Sie flochte dan von seinem Haare sieben Lokken zusammen in einen Zopf. Diesen schlug und heftete sie / mit einem Nagel / so fest an den Bodem des Zimmers / daß es unmüglich schien ihn loß zu reissen.

(113) Ja sie klopfte / sie hämmerte so lange / bis sie den Nagel so tief hinein geschlagen / daß er mit keiner Zange wieder heraus zu ziehen war. Auch versuchte sie selbsten mit eigenen Händen etliche mahl /ob es ihr müglich sein könte denselben heraus zu winden. Und ob sie wohl mit gantzer Gewalt wand / und alle [449] Kräfte daran sträkte / so vermochte sie ihn doch im geringsten nicht waklende zu machen.

(114) Also bildete sie sich dan ein / es sei alles wohl bestellet: sie habe den Nagel stark und tief genug ein / und den Haarzopf des Simsons fest genug angeschlagen. Sie gleubte nunmehr festiglich /Simsons Stärke sei in solchem Zwange / daß sie sich nun / noch nimmermehr / nicht wieder loß zu würken vermöchte. Aber sie wuste doch gleichwohl nicht / daß in seinen dem Scheine nach schwachen Haaren eine so starke gantz unüberwindliche Kraft /daß ihr alle die andern Kräfte weichen müsten / verborgen sei.

(115) In solcher so festen Meinung / darinnen sie schon zu siegesprangen schien / konte sie dannochdie Filister nicht überreden dergleichen zu meinen. Diese waren und blieben noch immer so kleinhertzig / daß sie sich an dem schlafenden / wiewohl auch fest genageltem Simson nicht reiben durften. Der Schrik / den ihnen desselben ungeheure Stärke vor diesem so vielmahl eingejagt / klebete noch so fest in ihren Gliedern / daß sie sich vor dem Zimmer des Simsons kaum bewegen / ich schweige / selbst hinein wagen durften.

(116) Die Erinnerung seiner allemahl glüklichen Siege vergewisserte sie / daß dieser Siegesheld / sobald er sich loß gemacht / unter ihnen eine bluhtige Niederlage anrichten würde. Das Gedächtnis seiner mehr als heldenmäßigen Tahten versicherte sie / daß er / sobald er sich nur rühren könte / sie allesamt auf einen einigen Streich zu Bodem zu schlagen vermöchte. Und darüm durften sie sich nicht erkühnen einen solchen Anfal / der den ihrigen veruhrsachen würde /mit ihrem eignen Schaden zu tuhn.

(117) Ja sie hielten es für eine Verwägenheit / oder vielmehr Tolkühnheit einem solchen Blitze sich zu nahen; welcher / ob er sich schon itzund nicht rührete / dannoch / wan er gezörget würde / mit einem greulichen Donnerwetter über sie ausbrächen könte. Daher schrieb ihnen ihre Klugheit / oder vielmehr Verzagtheit vor / so lange zu verziehen / bis man gewis erfahren / daß er aller Kraft entblößet / und so ohnmächtig sei / daß er keinem Anfalle mehr zu widerstehen vermöchte.

[450] [452](118) Delila schien über die Kleinmühtigkeit ihrer Landsleute sehr übel zu frieden zu sein. Ja sie ging mit Unwillen von ihnen; weil ihr die Zeit viel zu lang fallen wolte den Lohn ihrer Verrähterei / darnach sie so heftig verlangte / zu empfangen. Darüm sprang sie auch / mit poltern und klappern / zur Tühre hinein / nicht anders / als wan sie rasendtol were. Darüm machte sie auch das gewöhnliche Geschrei noch viel grösser / als sie zuvor iemahls gethan / den Schlafenden zur Gegenwehre zu ermahnen. Ja sie rief so laut /daß Simson aus dem Schlafe für Schrökken aufsprang / und den Nagel / mit einem einigen Schwunge des Heuptes / aus dem Boden heraus ris.

(119) Dieser Nagel hing ihm / als ein Siegeszeichen seiner übermenschlichen Stärke / noch im Zopfe / da er sich gantz entrüstet / wiewohl noch schlafirre /die Feinde zu erblikken / auf allen Seiten ümsahe. Im Anfange ward er dessen nicht gewahr: aber als er ihm / mit dem Zopfe / den Hals berührete / da ris er ihn heraus / und schmis ihn / gleichals erzürnet / vor den Füßen des Weibes dermaßen hart nieder / daß er vom Unterbodem aufsprang / und in den Oberbodem hinein fuhr.

(120) Inzwischen brante Delila für grimmigem Zorne. Die Augen wetterleuchteten erschröklich. Die Stirne stund als in vollem Feuer. Die Wangen glüheten. Der Mund donnerte. Die Zunge selbst war als ein Donnerkeil. Ja das gantze Angesicht blitzete mit lauter Zornstrahlen / mit lauter Rachflammen. Sie tobete. Sie wühtete. Sie rasete. Sie stellete sich gantz ungebährdig. Sie stampfte mit den Füßen. Sie schlug üm sich mit den Händen. Bald lief und sprung sie im Zimmer herüm. Bald stund sie gantz star und steif /als eine Bildseule.

(121) In solcher Gestalt bildete sie ab die Abscheuligkeit / die Raserei / die Rachgierigkeit / ja alles was häslich / was greulich / was erschröklich / was wühterisch / was grimmig zu sein pfleget. Also wohneten alle diese Gespenster / alle diese Spukereien in einem Leibe beieinander. Also hielten sie alhier / als in ihrer eigenen Schauburg / ihren gleichals höllischen Aufzug.

(122) Delila stund zwar Anfangs gleichals erstummet. Sie war als erstaunet; weil sie sich nun zum dritten mahle geteuschet befand. Sie konte für alzuheftigem Zorne kein Wort reden. [452] Sie schwieg stokstille. Doch darnach / als der Zorndampf ihres Mundes /der als ein Brenofen rauchete / meist vorüber war/fing sie erschröklich an zu schreien. Ihre Stimme klung / als ein Donner. Ihre Worte waren lauter Donnerkeule / lauter Wetterpfeile / die auf den armsäligen Simson hauffenweise zuschossen.

(123) Sie rief / sie schrie so laut / als sie immer konte: »du undankbahrer / du treuloser Bösewicht! Ist dieses der Dank / dadurch du meine so aufrichtige / so beständige Liebe vergiltest? Ist dieses die Treue /damit du meine so ungeschmünkte / so hertzliche Treue / die ich dir iederzeit erwiesen / erwiederst? Sol dieses die Wahrheit sein / die du mir zu entdekken schwuhrest; indem du mich abermahl mit einer so schändlichen Lügen geteuschet? Ach! du treulosester Lügner! Ach! du abgescheumter Betrüger! Was ich zu zweien mahlen als einen höflichen unbetrüglichen Schertz / auf deine Beredung / angenommen / ist nun zum dritten mahle / ach leider! in einen alzuwahren Schimpf ausgeschlagen.

(124) Dieser alzugroben / alzukenbahren Lügen wirstdu nun keinen Dekmantel mehr ümhängen können; dadurch sie / mit deiner Meineidigkeit / nicht allezeit hin zu scheinen vermöchte. Nun hastdu kein Zierfärblein mehr deine gottlose Falschheit zu vertuschen / deine heillose Betrügerei zu beschönen / deine schändliche Lügen / welche dir als angebohren zu sein scheinen / ihres Schandflekkes zu entsetzen. Ich gleube dir nun nicht mehr. Deinen Glauben hastdu bei mir gantz verlohren.

(125) Ich möchte wohl wissen / was dich bewogen mir die Wahrheit zu verhehlen; da ich dir doch nichts / ja gar nichts verhehlet? Dieses must du selbst gestehen. Dieses kanstdu nicht leugnen; wiewohl du sonst der Lügen gewohnet bist. Ja du weist / wan du es wissen wilst / sehr wohl / daß ich dir allezeit mein Hertz eröfnet.

(126) Befahrestdu dich etwan eines Unheils / wan du meinen Fürwitz mit der Wahrheit abspeisen soltest? Bistdu etwan darüm so schüchtern mir das verlangte Geheimnis zu offenbahren; weil du die Einbildung hast / es möchte dir zum Nachteile gereichen? Ach! nicht zum Nachteile! Dan dein Nachteil / und dein [453] Unheil würde das meinige mit sein. Wan du littest / würde ich mit leiden. Das Ubel / das dir begegnete / würde mir selbst so übel / so weh tuhn / daß ich daraus anders nichts / als den gewissesten Tod / zu gewarten hette.

(127) Meinestdu etwan / ich würde dir untreu werden? Gedenkestdu etwan / ich würde dich verrahten? Wähnestdu etwan / ich würde dich in die Hände der Filister überantworten? Aber denke / noch meine nicht / daß du mich also befinden werdest / wie ich dich befinde. Bistdu untreu? Ich bin es nicht. Bistdu betrügerisch? Ich nicht. Bistdu lügenhaftig? Ich nicht. Bistdu meineidig? Ich werde es nimmermehr sein. Mein Gemüht ist gantz anders gesinnet. Mein Hertz /träget Abscheu für allen diesen Lastern.

(128) Es ist anders nicht / als eine betrügliche Folgerung: weil du untreulich mit mir handelst / daß es strakt folgen müsse / ich werde dergleichen an dir tuhn. Mit dem Maße / damit man dich abmisset / kan ich nicht abgemässen werden Eines andern Untreu aus seiner eigenen schlüßen wollen / ist ein unwahrhaftiger Folgeschlus. Eines andern Gemüht aus seinem eigenen erkennen wollen / ist eine bloße Fehlerkentnis Von mir mus man in alwege anders urteilen / als von dir.

(129) Ich habe dir ja die völlige Besitzung über meinen Leib / über meinen Willen / über mein gantzes Hertz eingereumet. Ja ich habe dich selbst über mein Gemüht / und meine Seele herschen laßen. Alle meine Neugungen seind unter deiner Bohtmäßigkeit gestanden. Du hast sie geneuget und gebeuget / wie du selbst gewolt. Aber mit was für einem Danke hastdu meine so milde Wilfahrung erkennet? Hastdu hingegen mich nicht betrogen? Hastdu mich nicht geäffet? Hastdu mich nicht vor meinem gantzen Volke beleidiget? Hast du mir nicht den grösten Schimpf angetahn?

(130) Wie schön hastdu nun geschwohren mich zu lieben? Wie wahrhaftig hastdu nun mich dein Hertz /dein Leben / deine Seele / deinen Schatz genennt? Wo seind nun alle die Ehrennahmen / die du mir / als deiner einigen und eigenen Liebsten / zugeeignet / geblieben? Doch was wil ich viel sagen? Was wil ich viel fragen? Es ist nichts fremdes / noch seltsames /[454] wan derselbe / der ein Lügner von Gebuhrt ist / sich in einen schönen Engel verstellet; da er doch ein häslicher Teufel in der Taht ist.

(131) Es verdreust mich nichts mehr / als daß ich so gar einfältig gewesen deinen Lügenreden zu gleuben / ja sie gar mit den alleraufrichtigsten Liebesbezeugungen zu vergälten. Es gereuet mich nichts mehr / als daß ich so guht ja so albern gewesen deinen Worten zu trauen / da du mir / daß du mich über alles liebetest / zuschwuhrest. Ja ich verpfuje mich selbsten / daß ich einem solchen Unmenschen / den nur mich zu foltern gelüstet / nachdem er seinen Lusthunger an meinen Ergetzungen gebüßet / mich so gar zu eigen gegeben.

(132) Ich wil mehr sagen. Es tuht mir weh / wan ich daran gedenke / daß ich bisher mehr dir / als mir zuliebe gelebet / und gleichwohl dadurch nichts anders / als Spot und Verachtung / verdienet. Ja es schmertzet mich von Hertzen / daß ich so gar geäffet /geteuschet / und betrogen mus bleiben. Aber dem sei /wie ihm wolle / so bin ich doch versichert / daß ich bei allen diesen Veracht- und Verschmähungen / noch so viel Muhtes behalten / daß ich das Hertz gar wohl haben kan mich zu rächen.

(133) Ja ich wil mich gewislich rächen: doch nicht anders / als durch Veränderung meiner getreuen Liebe in einen unversühnlichen Has. Ich wil dich hassen / so lange sich ein Ahtem in mir beweget. Dieses ist mein fester / mein unveränderlicher Schlus. Und hiermit sol dir alle meine Freundschaft / alle meine Liebe / ja alles / was zur Liebe gehöret / gantz aufgekündiget sein. Hiermit solstdu ewig verbannet sein / nicht allein aus diesem meinem Schoße / von dieser meiner Brust / und aus diesem meinem Hertzen / sondern auch aus allen meinen Sinnen und Gedanken.

(134) Dein Gedächtnis wil ich bei mir gantz ausrotten. Deine Liebe wil ich / samt der Wurtzel / ausjähten. Ich wil sie ausjähten aus meinem Hertzen / mit Strumpf und Stiele. Hingegen wil ich / an deren stat /deinen ewigen Has hinein pflantzen. Ich wil dich hinfort nicht mehr achten / als meinen Liebsten. Ich [455] wil dich halten für meinen Feind. Ja ich wil deine Feindin sterben.

(135) Ich kan zwar leichtlich gedenken / daß du diesen meinen Ban / diese meine Rache / diesen meinen Has wenig achtest; indem du weder meine Liebe /noch meine Treue / noch mich selbsten achtest. Gleichwohl bin ich in der Meinung / daß ich deinen Undank / deine Falschheit / deine Teuscherei mehr als genug werde gerochen haben / wan ich verschaffet /daß du die alleraufrichtigste Treue derselben / die dich bisher so hertzlich geliebet / für ewig verlierest.«

(136) Sobald sie diese Reden volendete / volendete sie auch zugleich den Ban. Sie fing an ihre Rache zu volziehen: indem sie geschwinde zum Zimmer hinaus lief; indem sie ihm ihre Gegenwart entzog / und sich in einer abgelegenen Kammer versperrete. Ja sie lies ihm so viel Zeit nicht / daß er sich hette verantworten können. Auch wolte sie gantz keine Verantwortung /noch Entschuldigung annehmen.

(137) Simson stund als ein Stok. Er fühlete schier keine Bewägung mehr. Zorn und Bestürtzung übermeisterten ihn dermaßen / daß er gantz sinloß zu sein schien. Ja der Schmertz / den er über diesen stachlichten Worten empfing / hatte seil Gemüht so eingenommen / daß er nicht wuste / was er tuhn solte. Er sahe sich nunmehr aller seiner Freuden entsetz. Er sahe sich aus dem Paradiese der Wohllust verbannet. Er sahe sich aller Hofnung zu seiner verlohrnen Glüksäligkeit iemahls wieder zu gelangen / gantz beraubt.

(138) Die Blösse seines Angesichtes deutete die jämmerliche Beschaffenheit seines Gemühtes genug an. Auch konte man hieraus die allerschmertzlichste Pein seines Hertzens / das gleichals zwischen zwei Bretern eingeklämmet lag / leichtlich erkennen. Ihn schmertzte nichts so sehr / als daß er seinen Absagebrief albereit geschrieben / und das Banurteil über seine Liebe schon volzogen sahe.

(139) Dieses war der allergrimmigste Streich / dessen gewaltiger Nachdruck selbst bis in die Seele drung / ja sie gar / vom Leibe zu scheiden suchte. /Auch stund der arme Simson gewislich schon halbentseelet da. Er stund ohne Bewäg- und [456] Empfindung / als eine Bildseule. Er hatte die Macht nicht zu reden. So ohnmächtig war seine Zunge! So schwach war sein Ahtem! So kraftloß waren alle seine Leibesglieder!

(140) Er wuste zwar sehr wohl / wie nachteilig es seiner unvergleichlichen Hoheit were / wan er einer solchen unreinen Mätze / wie Delila war / auf dem Irwege der schnöden und unkeuschen Liebe nacheilete. Er erinnerte sich zwar sehr wohl / daß sein hohes Ansehen / das ihn über alle Männer erhub / märklich geschmählert würde / wan er sich so tief herunter liesse / daß er einem solchen verächtlichen Weibe / mit Verlust alles Ruhmes und aller Ehren / eine so flüchtige Lust und Ergetzung zu erbätteln / gleichsam zu Fuße fiele.

(141) Auch hielt sein Gemüht ihm vor / er sei / bei so beschaffenen Sachen / in alwege verpflichtet durch seine so unüberwindliche Stärke sein Ansehen zu behaupten. Hierzu kahm nachmahls die Vernunft / die ihm riet diejenige / die ihn doch nur in eine jämmerliche Dienstbarkeit zu stürtzen vorhette / fahren zu laßen. Endlich traht das Urteil herbei. Dieses trachtete / durch Anzeigung tausenterlei Unglüks / ihm die unzüchtige Delila dermaßen zu verleiden / daß er sich / dieselbe / die ihn erst verschmähen / wieder zu verschmähen / ja gar aus seinem Hertzen zu verbannen / entschlüßen möchte.

(142) Aber weder das Gemüht / noch die Vernunft / noch auch das Urteil waren so mächtig den Eingebungen der ungestühmen Liebe zu widerstehen. Was jene / durch unterliche Hülfe / gebauet / warf ein jähligen entstandener Sturm verliebter Gedanken straks wieder über einen Hauffen. Und also konte nichts heilsames in Simsons Hertzen beschlossen werden: welches ein heftiger Schwarm unsäliger Schlüsse dermaßen verunruhigte / daß kein Mittel zu finden war diesem so großem Unheile zu steuern.

(143) Ja die Liebe schwatzte dem Simson so viel Liebliches vor / daß er sich nicht entziehen konte sie zu höhren. Bald redete sie von der Holdsäligkeit der Delila. Bald mahlete sie die Anmuhtigkeit ihrer Augen ab. Bald beschrieb sie die Ahrtigkeit ihrer Schmeucheleien. Bald priese sie die Süßigkeit ihrer Ergetzungen. Und hierdurch machte sie seinen Mund immer [457] wässerichter / seine Wunden immer tieffer / seine Begierden immer hitziger.

(144) »Bistdu nicht töhricht« / sagte sie / »daß du deinen durch eigne Verwahrlosung verlohrnen Schatz wiederzusuchen so verzögerst? Bistdu nicht närrisch /daß du einen solchen Schatz / darinnen alle deine Glüksäligkeiten / alle deine Wohllüste bestehen / so schändlich verschertzest? Wilstdu dich dan so muhtwillig desselben Angesichtes berauben / darinnen man alle Schönheiten des Himmels / als in einem kurtzen Begriffe / beschauet? Wilstdu nun ohne Sonnenschein / in der Fünsternis leben; weil du dich von desselben zwo Augensonnen entfernest?

(145) Wo wilstdu deinen Liebesdurst leschen / wan deine trukne Lippen von dem Honigseim ihres Mundes / nieht mehr können trunken werden? Und wo deinen Lusthunger stillen / wan du nicht mehr in dem Garten ihrer Schönheit Hertz und Augen wirst lustsättigen dürfen? Dan die Labung und Weide / deren du alhier so oft genossen / wirst du anderswo so süße /so anmutig / so überflüßig / ja so unversagt / nicht antreffen.

(146) Bei welcher andern wird dir ein so köstliches / ein so anmuhtiges / mit tausenterlei Liebkosungen angerichtetes Lustmahl vorgesetzet werden? AlleinDelila ist es / die alle deine Sinne zur besten Weide führet und einleitet / deren du auch schon so oft mit Wohllust genossen. Eine andere möchte dir mehr versprechen / als sie geben kan: bei der Delila suchestdu sicherlich / was du bei ihr schon so oft gefunden.

(147) Du kanst wohl bei irgend einer andern Haken anschlagen. Aber du wirst gleichwohl immer zurük gedenken. Deine Delila wird dir doch immer im Sinne liegen. Du wirst dieselbe / der du alle deine Neugungen gewiedmet / gleichwohl noch immerzu in deinen Gedanken finden. Und also wjtd dir alle Speise / weil sie die Liebe nicht würtzet / nur bitter schmäkken / wie süße sie sonsten ansich selbsten sein möchte.

(148) Ich wil mehr sagen. Du möchtest auch wohl an etwan eine gerahten / derer Ubermuht / ich wil nicht sagen Muhtwille / dich vielleicht eine langezeit auf die Folterbank schleppen / und unmenschlich peinigen würde / ehe sie dir erleubte die [458] verlangte Lustkost zu kosten. Würdestdu nicht alsdan für Reue / daß du deine Delila so unvorsichtig verlaßen / wie ein Reif zerflüßen / und wie ein Kraut / dem sein Saft /aus Mangel der Feuchtigkeit / entgehet / verdorren?

(149) Ja du möchtest auch wohl zu noch einer anderen gelangen; derer Geldgeitz dir deine Lust überflüßig verpfeffern / oder teuer genug anschlagen würde. Alsdan würdestdu / bei allen und ieden Ergetzungen / den Bluhtiegel / den Bluht und Geld dir auszusaugen gelüstet / wohl fühlen. Alsdan würdestdu /aber zu spähte / wünschen / du werest bei deinerDelila geblieben.

(150) Darüm / o Simson / kehre wieder! kehre wieder! Die Zeit hierzu ist noch nicht gar verflossen. Der Weg stehet dir noch offen zu derselben wiederzukehren / die allezeit willig und bereit gewesen dich mit aller Wohllust nach der Fülle zu sättigen. Wan du diese Zeit verseumest / und aus diesem Wege weichest / so wird dir darnach nichts / als Unruhe deines Hertzens / nichts / als Kummer und Hertzleid aufstoßen. Du wirst deine Plagegeister / ja deinen Tod selbsten stähts vor deinen Augen sehen.«

(151) Auf diesen Einspruch der Liebe / weil erdem Simson in allen Stükken wahrscheinlich /wo nicht selbst wahrhaftig zu sein vorkahm / folgete von Stunden an eine gleichals aberwitzige Verwürrung seiner Gedanken. Diese verbasterte die Vernunft / die seinem Willen widerstrebete. Diese widerstund dem Urteile / das seine betöhrte Neugungen einzuzeumen trachtete. Ja sie stieg so hoch / daß sie den unglüksäügen Simson in einen jämmerlichen Zustand versetzte.

(152) Seine Seele saß ihm schon auf der Zunge /die ihm den so Tod ankündigte. Sein Leben hing an einem dünnen und broschem Fadem; und hiermit lief es nach dem Ende zu. Es konte gewislich auch anders nicht sein: weil seine Gemühtsregungen alles rege machten / alles in ruhr stelleten / was in und an ihm war / und ihn dermaßen beängstigten / daß sein Geist ausgetrieben zu werden sich augenblicklich befahrete.

(153) Aus dergleichen Zufällen der Verliebten scheinet es / daß die Dichtmeister / welche die Liebe nur mit Pfeilen gewafnet [459] / zu wenig getahn: weil sie zugleich auch Donnerkeule führet; damit sie / als eine Donnergöttin / zuweilen die Verliebten gar zu Boden schläget und töhtet. Der Zustand eines Verliebten /wan er die Glüksäligkeit seines Verlangens nicht erlanget / ist also beschaffen / daß er augenbliklich dem Tode zueilet. Die Liebe / sooft sie mit Grausamkeit sich rüstet / lesset sich mit verliebten Gedanken allein nicht befriedigen. Sie wil / ja mus zugleich auch den Willen haben ihren Befehl zu volbringen. Wo sie diesen nicht erlanget / da wirft sie mit Donnerkeulen üm sich / und den Verliebten jämmerlich darnieder.

(154) So zischelte dan der verliebte Simson /von der Peitsche so ungestühmer Plagegeister angetrieben / auf dieser Glander seines Verderbens fort. Er entschlos sich derselben / die er / durch Weigerung ihrer Bitte / zu seinem höchsten Nachteile beleidiget /einen demühtigen Fußfal zu tuhn. Er wolte derselben /die seines Hertzens Abgöttin war / weil et ihrem Willen so ungehorsam gewesen / daß er darüm so grausam müste gestraft werden / mit einer Abbitte begegnen.

(155) Und in diesem entschlüßen begab er sich nach der Kammer zu / darinnen sie sich eingesperret befand. Unter wegens zeigten ihm seine Betrachtungen den Unstern / der ihm sein künftiges Unglük weissagete. Ja sie zeigten ihm an / daß dieser Gang das Mittel sei dahin zu gelangen / dahin ihn die Schweere seines Verhängnisses zu schleppen trachtete. Und darüm bemüheten sie sich ihn zu warnen; damit ihn seine eigene Füße nicht mitten in das Verderben hinein tragen möchten.

(156) Hingegen trieb ihn der ungestühme Trieb seiner Sinne noch immer fort. Die noch immer anhaltende Schmertzen / die ihm Delila / durch ihr Entfernen / veruhrsachet / dreueten ihm / wo er seines Lebens verlohrne Glüksäligkeit nicht bald wieder erlangte / den endlichen Tod. Ja alle seine Gemühtsneugungen stimmeten mitzu. Daher entstund in ihm ein solcher Sturm / daß er / sein eignes Unglük zu suchen / nach der Kammer / zu nicht geschleppet /sondern gejaget ward.

(157) Und also kahm er / eh er es wuste / darvor an. Er [460] klopfte / mit leisem Klopfe / gegen die Tühre. Er lösete / durch einen tiefgehohlten Seufzer / die Zunge. Darauf folgete das Flöhen. Er baht / man möchte doch das Zimmer eröfnen / darinnen er seineDelila / mit aller seiner Glüksäligkeit / eingeschlossen zu sein wüste. Ja er hielt inständig an ihm den Eintrit zu derselben / ohne die er nicht leben könte / noch wolte / zu vergönnen.

(158) Delila lies ihn eine lange weile klopfen. Sie lies ihn / als etwan einen unverschähmten Bätler /eine guhte Zeit bätteln. Sie weigerte sich ihm die Tühre zu eröfnen. Den verlangten Zutrit ihm zu vergönnen hatte sie kein Ohr. Sie antwortete weder Böses / noch Guhtes. Sie schwieg gantz stille. Nicht ein einiges Wörtlein kahm aus ihrem Munde. Und also stellete sie sich / als were sie taub und stum zugleich.

(159) Also macht es ein Weibesbild / dessen Hochmuht / weil es weis / daß es geliebet wird / ihm einbildet eine Göttin zu sein. Also stellet es sich gegen seinen verliebten Beleidiger unerbitlich. Also peinigt es ihn mit solchen immerwährenden Schmertzen / daß es ihm scheinet mehr eine Hänkerin / ja Teufelin / als eine liebsälige Göttin zu sein. Ja es dünkt ihn nicht anders / als wan sich sein Paradies / darinnen er sich / bei Genüßung aller Wohllüste / zuvor befunden /in eine Hölle verwandelt.

(160) Endlich machte sie gleichwohl / nach langem Anhalten / die Kammer auf. Sie vergönte dem Simson den Zutrit. Sie lies seinen Augen zu / ihr Antlitz zu schauen. Diese schweiften und flatterten gleichsam bald üm ihren Mund / bald üm die Augen /bald üm ihr gantzes Angesicht Zaumloß herüm.

(161) Aber er spührete von stunden an / daß die Ernsthaftigkeit ihres Angesichtes ihn auf das neue zu peinigen gesonnen. Daher stund er im Zweifel / ob es rahtsam sei desselben Gewölke / daraus lauter Zornstrahlen geschossen kahmen / beständig anzublikken: zuvoraus als er märkte / daß ihr Kopf mit Meusenestern / und ihr Gehirn mit Spingeweben erfüllet war. Dieses alles hielt ihn auch zurük mit vielen Worten sie anzuflöhen.

(162) Und also entschlos er sich nur allein mit einem Fußfalle [461] zu versuchen / ob er ihre Gnade wieder erlangen künte: weil er in den Gedanken stund /daß diese seine Demuht die meiste Kraft haben würde den Hoch- und Uber-muht ihres Hertzens zu überwinden. Ja er bükte sich schon / er neugte die Kniehe schon vor ihr niederzusinken / als sie befahl seine Bitte stehende /und nicht kniehende zu verrichten.

(163) »Mit dieser Ehre« / sagte sie / »ist mir nicht gedienet. Ich verlange nicht angebähtet / aber wohl aufrichtig geliebet zu sein. Ich bin nicht Ehrgeitzig /aber wohl Liebebegierig. Auch rühret dieser mein Zorn aus keiner Hofart her. Darüm vermag ihn kein Fußfal zu stillen. Es mus etwas anders sein / das meinen schier unerleidlichen Schmertzen ein gewünschtes Ende machen sol. Mein Verlangen wird mit keinem Rauche gesättiget. Alle deine Demuht / alle deine Niedrigkeit / die du mir zu erweisen gedenkest / kan es nicht vergnügen: wan das Wahrzeichen der verlangten Genugtuhung nicht darzu komt.

(164) Ich begehre gewilfahrt / und nicht angebähtet zu sein. Jenes komt mir / als deiner Liebsten / und dieses nur einer Göttin zu. Ich verlange nach keiner Götlichen Ehre / die im Anbähten / in Fußfällen bestehet. Ich heische nur allein das Recht / das die Liebe mir gestattet / das unsere unterliche Liebe mir zuerkennet. Das andere ist nur ein Uberflus eines schalkhaftigen / und kein Zeichen eines getreulich lieben den Hertzens.

(165) Mein Wille wil durchaus bewilfahret sein. Du solst / ja du must / unserer Liebe wegen / die dich dahin verpflichtet / in den Willen deiner Liebsten ein willigen. Wan du dieses zu tuhn dich noch länger streubest / so wisse / daß dein Urteil schon ausgesprochen ist: es mag dir sauer / oder süsse scheinen. Hiermit hast du deine letzte Frist. Wan diese vorüber gestrichen so sein wird / kanstdu keine Gnade mehr erwerben.

(166) Wodurch ich begehre gewilfahret zu werden /ist dir schon so vielmahls gesagt / daß mich ekelt mehr Worte darvon zu machen. Wilstdu in deiner Halsstarrigkeit noch länger verharren; und wilstdu nicht tuhn / was ich getahn haben wil; so pakke dich dan immerhin / so sei dan ewig von meiner Gunst ausgeschlossen / ja ewig von meiner Gegenwart verstoßen. Diese Worte / die ich itzt gesprochen / und noch spräche / [462] sollen die letzten sein. Anders werden zu dir keine mehr aus meinem Munde gehen; es sei dan / daß du gegen dieselbe / die du zu lieben vorgiebest / dich halsstarrig zu erweisen aufhörest.«

(167) Der unglüklich Verliebte vernahm diese Worte mit euserster Bestürtzung. Die Angst seines Hertzens war so überschwänglich groß / daß er nicht wuste / wessen er sich entschlüßen solte. Aus zween eusersten Wegen muste der beste gewehlet / der schlimste vermieden werden. Beide zugleich zu bewandeln war unmüglich. Sein Geheimnis nicht zu offenbahren / und gleichwohl auch zugleich seiner Delila Gunst zu erhalten / waren zwei widereinander streitende Dinge / die sich beide zugleich nicht tuhn liessen.

(168) Simson wuste sehr wohl / wan er sein Geheimnis / seiner Liebsten Gunst zu erhalten / offenbahrte / daß ihm dadurch die höchste Gefahr Leibes und Lebens zustoßen würde. Hingegen sahe er auch /wan er solches nicht straks tähte / daß ihn diesen Augenblik seine Liebste von ihr ewig zu verbannen /und also in die euserste Todes- und Höllen-angst zu stürtzen beschlossen. Aus diesen zwei eusersten Ubeln das erleidlichste zu erwehlen fiel ihm / als einem euserst Verliebtem / viel zu schweer. Hierzu rieht zwar die Vernunft / zusamt dem Urteile. Aber die Liebe vereitelte diesen Raht / und gab / ja drang ihm auf den schlimsten.

(169) So entschlos er sich dan / auf ungestühmes einblasen der Liebe / lieber / durch Entdekkung dieses Geheimnisses / seine Liebste zu vergnügen / und also ihre Gunst zu erhalten / als durch Verschweigung dessen / sie noch ferner zu beleidigen / und ewig von ihr verstoßen zu leben: wiewohl er gewis wuste / daß er durch jenes seine Herligkeit / ja wohl das Leben darzu verlieren würde. Und eben hierzu brachte ihn seine so gar ungezeumt- und ungezähmte Leidenschaft; welche wir / in einem so großen Helden / ja von GOTT selbst erkohrnem Erlöser seines Volkes / billich mit Verwunderung betrachten.

(170) Er eröfnete der Delila / mit kurtzen / wiewohl auch gnugsamen Worten / den lange verlangtenUhrsprung seiner mächtigen Stärke. Er gab ihr zu verstehen / ›sie rühre [463] bloß von GOtt her: welcher ihm / als seinem Verlobten / gleichwohl ausdrüklich befohlen / zur Erhaltung derselben / sein Haar nie verkürtzen zu laßen‹ / Aus diesem Haare /fuhr er fort / entstünde den Filistern der unauflöseliche Unglüksknohten. Und dieses bekräftigte er mit oftwiederhohleten Schwühren.

(171) Doch die Schwühre weren alhier nicht nöhtig gewesen die ausgesprochene Wahrheit damit zu versiegeln.Weil Simson aus der Erfahrung wuste /daß er durch Lügen seinen Tod veruhrsachte; so trug er nunmehr Abscheu sich dardurch noch ferner in Gefahr zu stürtzen. Und eben darüm durfte man itzund keinen Argwahn der Lügen auf ihn werfen. Das Hertz kan einem solchen Munde / der ihm durch seine Zunge / wan es mit dem Tode ringet / zu Hülfe kömt /keine Lügen eingeben.

(172) Man durfte nicht gedenken / daß derselbe /der / durch Verkauffang falscher Wahren / in die euserste Lebensgefahr gerahten / von neuem dergleichen Wahren verkauffen würde Simson war schon dreimahl / der Lügen wegen / gewitziget. Darüm entzog er sich das vierde mahl zu lügen. Ein inbrünstig Verliebter unterstehet sich nicht mehr / die Wahrheit derselben zu verschweigen / die ihn deswegen albereit in die euserste Todesnoht gebracht.

(173) Delila begunte sich unter diesen des Simsons Worten algemach zu stillen. Sie begab sich in Ruhe. Sie befand sich befriediget. Die Heftigkeit des Zornes lies nach. Das düstere Gewölke / das den Glantz ihres Angesichtes verdunkelte / verzog sich. Die Augensonnen fingen an wieder hervorzublikken. Sie spitzte die Ohren. Sie lauschte / sie horchte fleissig? zu. Sie gab achtung auf den innerlichen Verstand aller Worte / die aus dem tiefsten Grunde des Hertzens heraus zu kommen schienen.

(174) Hierüber ward sie so vergnügt / daß sie alle Zornstrahlen / die sich unter die Schönheit ihres Angesichtes vermischet befanden / verbannete. Die Liebe / die bisher bei ihr als erstorben gelegen / begunte nunmehr wieder zu blühen. Auch lies sie dieselbedem Simson gantz ehrerbietig blikken. Wie lieblich die wiederaufgeklährte Luft / nach verzogenem Sturme / gleichsam lachet / so lieblich / so anmuhtig /so freundlich [464] lachten auch alle ihre Gebährden. Alle ihre Worte waren gleichals mit Zukker bestreuet /gleichals mit Seide bekleidet / gleichals mit Bluhmen gezieret. So süße / so sanfte / so liebreich geschmükt gingen sie aus ihrem lächlenden Munde!

(175) Simson ward über diese so plötzliche Veränderung seiner Liebsten gantz entzükt. Er war zum höchsten erfreuet / daß dieselbe / die ihm bisher eine zornige Rachgöttin zu sein geschienen / in eine liebreiche Huldgöttin verändert worden. Und eben darüm veränderte sich auch sein gantzer Schmertz in lauter Lust. Er vergaß alles seines Kummers. Er gedachte nicht einmahl mehr an das heftige Wehleiden /das ihm ihre närrische Widerspänstigkeit bisnochzu veruhrsachet. Ja er vergrub alles / was vorgegangen /in das Grab der ewigen Undacht.

(176) Nunmehr war er auf nichts mehr bedacht / als alles dessen zu genüßen / was ein Verliebter zu begehren / und eine Geliebte zu gewähren vermag. Er schifte nunmehr / in überchwänglichen Freuden / auf dem vollen Meere der Wohllust / mit guhtem nachwinde. Alles ging nach Willen und Wunsche glüklich fort. Er war kaum so begierig zu nehmen / als seineDelila zu geben sich freigebig erwiese. Er befand sich kaum so lüstern nach ihren Begünstigungen / als sie im Ausspenden derselben verschwänderisch war.

(177) Unterdessen bemühete sich die Gotlose Frau abermahl die Filister einzutagen. Sie trachtete dieselben aufs neue zu versamlen. Doch diese hatten Schwahnsfedern in den Ohren. Sie besorgeten sich wieder geteuschet zu werden. Und darüm wolten sie nicht kommen. An stat sich einladen zu laßen / schikten sie der Delila die schmählichsten Worte zu. Sie beschuldigten sie einer närrischen Leichtgleubigkeit. Sie verwiesen ihr / daß sie allen Lügen zu gleuben so gar einfältig / so gar albern sei. Ja sie hielten ihr schimpflich vor / daß sie sich so leichtlich / so lüderlich über den Tülpel werfen liesse.

(178) Sie konten / noch wolten nicht begreiffen /daß in den Haaren / die nur aus den Dämpfen und Dünsten des Heuptes entstünden / eine so wunderbahre Stärke stekken solte. Sie wolten nicht gleuben / daß die Göttliche Almacht / derer [465] Geheimnisse sie nicht verstunden / eine solche Kraft / selbst durch ein schwaches Haar / irgend einem Menschen mitteilen könte. Ja sie hielten es gantz für unmüglich. Und darüm verlachten und verspotteten sie nur alles / wasDelila sagte.

(179) Aber diese Schälkin urteilte gantz anders. Sie wuste wohl / wie schweer es zugegangen / diese Worte dem Simson aus dem Munde zu lokken. Sie hatte gnugsam verspühret / was für ein Selbstreit und Widerwille bei ihm entstanden / ehe sie ihn dahin bringen können sie auszusprächen. Und darüm sei es wohl gleublich / daß sie mit dem Safte der Wahrheit angefüllet weren.

(180) Wie bald / und wie leichtlich die Lügen verschwinden / so bald und so leichtlich springen sie auch über die Zunge. Aber die Wahrheit / die in den tiefsten Winkeln des Hertzens verborgen lieget / eusert sich so bald / und so leichtlich nicht. Es gehet mit ihrem Ausbruche sehr schweerlich / sehr langsam zu; weil sie den Has der Lügen liebenden Welt flühet /und sich daher in eine so tieffe Kluft verbürget.

(181) Delila lies nicht nach die schläferigenFilister aufzumuntern. Sie hielt immer an die Ungleubigen gleubig / und die Zweiflenden Hofnungsvol zu machen. Und hierzu führete sie ihnen so kräftige Bewägreden zu Gemühte / daß sie ihr endlich musten gewonnen geben. Endlich überwältigte sie dan die Ungestühmigkeit ihres Anhaltens. Endlich liessen sie die Abrahtungen ihres eigenen Urteils fahren / und begaben sich auf die Spuhr / die ihnen Delila zeigete / des glüklichen Ausschlages ihrer gemachten Hofnung zu erwarten.

(182) Sie gingen wieder in die gewöhnliche Kammer / die ihnen einen sicheren Schlaufwinkel für Simsons Grimme, verhies. Straks darauf begunte sie zu schmeucheln. Straks fing sie an zu liebkosen. Straks ergetzte sie ihn mit den allerersinlichsten Liebespielen. Sie boht ihm ihren Schoß zum Hauptküssen an /damit sie ihn üm so viel eher in den Schlaf wiegen möchte. Auch konte die Verrähterei keine bessere Wiege finden / als diese / die ein unglükliches Grab ist der unvorsichtig Verliebten.

(183) Die Ergetzungen / die Simson alda kostete / waren [466] ihm so süße / daß er von dar in das Paradies entzükt zu sein schien. Ja er war auch gäntzlich entzükt. Er befand sich nicht mehr bei sich selbst: weil der Schlaf ihn mit solcher Gewalt überfiel / daß alles Empfinden von ihm wiche. Er fühlete nun nichts mehr. Er schlief gantz sicher und unbesorgt. Selbst schlief er so fest / daß er mehr toht / als lebendig zu sein schien: indem man nichts lebendiges an ihm spührte / dan das bloße Röcheln und Schnarchen.

(184) Mitler weile setzte Delila die Schähre verrähterisch an. Sie schnitte das glüksfällige Haar vom Heupte herunter.

In sieben Schnitten lag es auf ihrem Schoße. Und hiermit verwüstete sie dasselbe Haar / das die Wunder Göttlicher Almacht in Simsons Stärke / so lange es auf seinem Heupte gestanden / erhalten hatte. Ja hiermit lag es / samt dieser übermenschlichen Stärke /vom Leibe geschieden.

(185) Also hatte dan der armsälige Simson dieselbe Hoheit / die ihn über alle Menschen erhub / so lüderlich verlohren. Also war er nunmehr der Menschlichen Schwachheit unterworfen; weil er sich seiner übermenschlichen Stärke verlustig gemacht sahe. Also war dan derselbe / der an Herligkeit / an Kraft und Macht alle Sterblichen so weit übertraf /daß er alle ihre Macht / alle ihre Kraft vereitelte / nunmehr anders nicht / als ein ander gebrächlicher Mensch.

(186) Alhier erblikken wir / in dieser Begäbnis /die Wahrheit dessen / das man saget: Menschliche Hoheiten hängen an einem zahrten Hährlein. Menschliche Herligkeiten kleben an einem dünnen Drähtlein. Sobald dieses Hährlein / dieses Drähtlein bricht / lieget die Hoheit / lieget die Herligkeit gefället. SobaldSimsons Haar / das seine Hoheit / seine Herligkeit / seine Macht und Kraft bewahrete / zerbrach / oder vielmehr ab-oder zerschnitten ward; da hatten alle diese Fürtrefligkeiten / alle diese Schätzbarkeiten bei ihm ein Ende.

(187) Was ist zährter / was ist dünner / was ist zerbrächlicher / was kan leichter versänget / und zerstükket werden / als ein Haar? Ach! wie eine schwache Stütze war dieses / den ehmals glüksäligen Simson bei solcher seiner überschwänglichen Glüksäligkeit zu erhalten! Ach! wie bald kan das Glükshaar [467] / das wir mit unsern Händen vermeinen fest zu halten / zerbrächen! Ach! wie bald werden die Wohllüste dieser Welt / die nichts / als Haare / das ist eitel Eitelkeiten seind! durch Trübsalen unterbrochen / ja gar vereitelt!

(188) Darüm möchte man sich nicht unbillig wundern / daß der Entzug dieser Eitelkeiten uns so gar entstellet / daß das Gemühte dadurch alle seine Ruhe verlieret / desselben Neugungen aufrührisch gemacht /und die Gedanken zum unterlichen Kriege gereitzet werden: darauf dan nichts / als Unlust / als Schmertzhafigkeit / ja nichts / als Verzweiflung folget. Zu diesen Jammern führet uns die Gewalttähtigkeit unserer Gemühtstriften / ja stürtzet uns endlich wohl gar in das euserste Verderben.

(189) Wie mancher entziehet sich nicht üm den Verlust eines Hährleins alle seine Wohlfahrt und Ehre / ja das Leben selbst zu verschertzen! Wie mancher peiniget sich selbsten mit schmertzlicher Unruhe / ja begehet wohl gar einen Selbmord / wan er siehet / daß er dasselbe / darnach ihn verlanget / nicht zu erlangen vermag! Wie manchen betrübet eine nichtswürdige Buhlschaft / die ihm nicht werden kan / so heftig / daß er darüber in euserste Verzweifelung / oder wohl gar in Todesnoht verfält!

(190) Ein solcher in seiner eigenen Lustsucht ersoffener eigensinniger Starkopf war auch Simson: der aller seiner Hoheit / aller seiner Herligkeit / aller seiner Wohlfahrt / und Ruhe viellieber entbähren wolte /als einer einigen eigensinnigen Lust: darauf er dermaßen erpicht war / daß er sich selbst zu foltern eher nicht nachlies / als bis er sie / mit unersetzlichem Verluste seiner Ehren / ja seiner Augen selbst / erlangte.

(191) Als er nun / über dem Schreien und Rufen seiner Liebsten / oder vielmehr seiner Ate / sie eigendlicher zu nennen / erwachte / da gedachte er: »ich wil ausreissen / wie ich ehmahls getahn. Ich wil meinen Feinden entflühen.« Aber er wuste nicht / daß der HERR von ihm gewichen. Er wuste nicht / daß er seine Kraft verlohren / und gantz schwach / wie andere Menschen / geworden. Dieses vernahm er erst / als er seine sieben Lokken auf dem Boden erblikte. Hieraus ward ihm der [468] Verlust seiner Stärke straks kund. Hieraus nahm er straks ab / daß er verrahten sei.

(192) Nunmehr erblikte man an ihm die Wahrzeichen der Schwäche. Sein Angesicht ward gantz blas. Seine Hände böbeten. Die Furcht schien ihm aus den Augen. Das Schrökken lies sich an allen seinen Gliedmaßen sehen. Der gantze Leib zitterte. Er richtete sich zwar auf die Füße. Doch dieses ging so schweerlich zu / daß er den Verlust seiner Kraft märklich spührete; weil er kaum so viel Ahtems hatte sich zu bewägen.

(193) Er blikte sich selbst gantz bestürtzt / gantz beschähmt / mit traurigen Augen / an. Bestürtzt war er über sich selbst / daß er / der kurtz zuvor unter allen Sterblichen der Stärkeste gewesen / nunmehr schier der Schwächste sein müste. Beschähmt war er /daß er seine Stärke selbsten verwahrloset / selbsten verschertzet; ja daß er sie / durch seinen eigenen Muhtwillen / so gar lüderlich verschertzet. Darüm war er auch so traurig / so betrübt. Darüm sahe er so kümmerlich aus.

(194) Durch diese Märkzeichen der Schwachheit warden die Filister ermuntert ihn anzufallen. Sie gaben ihrer gewöhnlichen Zaghaftigkeit Uhrlaub /und fasseten einen ungemeinen Muht einen so grossen Feind zu dämpfen. Sie rüsteten sich mit Grausamkeit zur Rache. Endlich fielen sie über ihn her mit solcher Grimmigkeit / als wolten sie ihn gantz zerfleischen /zergliedern / und in tausend Stükke zerreissen.

(195) Inzwischen stund der arme Simson gantz ohne Bewägung. Er hatte das Hertz nicht sich nur im geringsten zu wehren. Seine Gemühtsmuhtigkeit war fort. Seine Tapferkeit verlies ihn. Die Mattigkeit herschete über seinen gantzen Leib. Er knikbeinete für Schwachheit der Gelenke / wie ein Trunkenbold. In seiner Faust / die sonst alles zerschmetterte / war itzund schier so viel Kraft nicht / daß er sie aufhöben konte. Ja sein Arm / der so viel Ritterliche Tahten verübet / so viel mächtige Feinde geschlagen / so viel herliche Siege / mit großen Ehren / erhalten / hing als gelähmet am Leibe herunter.

(196) Ich wil mehr sagen. Die ungeheure Bildseule / darinnen die Kraft und Stärke der tapfersten Helden / als in einem kurtzen Begriffe / beieinander war / und die Herligkeit Götlicher Almacht [469] sich blikken ließen /war itzund so schwach / so ohnmächtig / daß sie dem geringsten Anlauffe dieser tobenden Feinde nicht widerstehen konnte. Und also muste derselbe / der ehemahls ihre Peitsche gewesen / sie / als seine Hänker /hänkermäßig mit ihm ümspringen laßen.

(197) Sie stachen ihm die Augen aus. Und dieses tähten sie vielleicht darüm; weil nichts erschröklichers an ihm war / als eben dieselben / wan sie /durch ihre Blikke / Zornflammen aus-streueten: oder aber weil sie / als Anstifter des Aufruhrs wider Simsons Hoheit / allein ein solches Todesurteil verdienet. Sonst tähten sie ihm nichts weder an seinem Leibe / noch an seinem Leben. Sie führeten ihn nur also geblendet / und in Fessel geschlagen nachGaza.

(198) Sobald man mit ihm vor die Stadt gelanget /lief schon eine grosse Mänge Volkes heraus / denselben / der sich unterstehen dürfen ihr Stadttohr über einen Hauffen zu schmeissen / und dessen Tohrflügel darvon zu tragen / gefangen und gebunden zu sehen. Es konte kein Siegeseinzug mit grösserem Frohlokken / und Freudengeschrei gehalten werden / als dieserder Filister / mit dem unglüksäligen überwundenem Simson.

(199) In der Stadt selbsten ward der Zulauf noch zehenmahl grösser. Es blieb schier kein Mensch in den Heusern; ohne nur in denen Gassen / da man ihn durchführete. Alhier waren alle Heuser volgepfropft mit Menschen. Alle Dächer stunden so dichte mit Volke besetzt / daß sie eine so schweere Last kaum tragen konten. Man drängete / ja zertraht schier einander auf den Gassen. So dichte lieffen die Leute / klein und groß / zusammen / wo Simson hinkahm!

(200) Dieselben / die ihn gefesselt führeten / trahten einher mit stoltzem Tritte / und prangeten mit ihm / als die tapfersten Siegshelden mit etwan einem gefangenen Fürsten / in den her-lichsten Siegsgeprängen. Also ward dan der armsälige Simson / unter dem erschröklichen Klange der Spotreden / und Schmähworte / darbei ihn auch einer hier / der andere dort zupfete / nach dem Gefängnisse gebracht. Alhier war es / da er / als ein [470] geblendetes Pferd / oder ein Esel / in der Stampfmühle das Rad ümtreiben muste.

(201) Man kan leichtlich gedenken / wie dem armen Simson / bei so plötzlicher Glüks- und Standes-veränderung / mus zu muhte gewesen sein: indem er aus einem Stahtsrichter des gantzen Volks GOttes / ja aus einem so unüberwindlichen Helden ein so gar verachteter Mühlenesel hat werden müssen. Man kan leichtlich erachten / wie heftig es ihn geschmertzet / daß er / seiner herlichen Hoheit und hohen Herligkeit beraubt / nicht in einen Knechtischen /nicht in einen Gefänglichen / sondern gar in den Stand eines verächtlichen Lasttieres herunter gestürtzet worden.

(202) Doch dieses alles könte man nicht besser beschreiben / als aus seinen eigenen Reden / die er mit sich selbst gesprochen; oder aus seinen eigenen Gedanken / die er dazumahl / in seinem Elende / gehabt. Unter andern / weis ich gewis / wird er sich / als einen töhrichten Anbähter derselben stünkenden Götzin /die ihn in diesen Jammerstand gestürtzet / selbsten gescholten / verpfujet / und angespiehen haben.

(203) Ja mich dünkt / ich höre noch itzund ihn also reden: »O unglüksäliger Simson! wo ist nun dein Ruhm / daß du ein Wunder der Welt gewesen / geblieben? Wo ist nun deine Hoheit / deine Herligkeit /dein Ansehen / das du gehabt deiner unüberwindlichen Stärke wegen von iederman gefürchtet / ja von denen / welche die Vielheit der Gottheiten gestehen /gar für einen Gott gehalten zu werden / hingekommen? Ach! wie ist alles dieses verschwunden; nachdem du ein verächtliches Schauspiel der Welt / eine Zielscheibe des Spottes und höhnischen Gelächters geworden!

(204) Was hülft es dich nun / daß du so viel Helden- ja Wunder-tahten getahn? Was hülft es dich eine so unvergleichliche Stärke gehabt zu haben / daß du /ohne Beistand einiger Menschen / gantze Kriegsheere verheeret / so viel Feinde geschlagen / und allezeit ein Uberwinder gewesen; weil nun deine Stärke gefesselt / und du selbst / in einem schweeren Gefängnisse / der Rachgierigkeit deiner Feinde Zielmärk sein must?

[471] (205) Aber was wil ich viel sagen? Was wil ich viel klagen? Daß ich aus einer euser- sten Glüksäligkeit in diesen eusersten Unglüksstand so tief herunter gestürtzt bin / daran hat niemand Schuld / als ich selbst. Ich bin selbst die Uhrsache meines Verderbens: indem ich meinen unbändigen Gemühtsneugungen den Zügel zu lang gelaßen; indem ich ein unreines Weibsbild / das nichts kan / als Lügen und Betrügen / mich leiten / oder vielmehr verleiten laßen. Von dar komt mir alles Elend her. Dieses ist der Uhrsprung meines Verderbens.

(206) Ich wuste wohl / daß ein solches Weibesbild in ihrem Schilde die Verrähterei / in ihrem Wapen die Untreue führete. Ich wuste / daß alle Gänge / die ich zu ihr tähte / mich mit ihren Scheinliebelungen zu ergetzen / nur lauter Sturtzfälle weren; dadurch ich mein hohes Ansehen verlieren / und aller meiner Herligkeit mich beraubet sehen würde. Noch dannoch war ich so hartnäkkig / daß ich weder die Vernunft / noch das Urteil / die mich darvon abrieten / iemahls hörete; daß ich nur allein meinen bösen Lüsten folgete.

(207) Ich wil mehr sagen. Die Erfahrung selbst warnete mich für der Verrähterei dieser Gottlosen Mätze. Doch gleichwohl war ich so achtloß mich zu hühten / und ihren betrügerischen Lagen zu entflühen. Ach! weh mir / daß ich so leichtsinnig / so leichtgleubig / ja gegen eine solche Betrügerin so gar guht- und offen-hertzig gewesen / daß ich ihr alle Geheimnisse meines Hertzens geoffenbahret! Ach! weh mir / daß ich einer solchen Ertzbetrügerin / üm eine Hand vol eiteler Wohllüste / so gar mein Hertz verpfänden /meine Sinne wiedmen / meine Liebe zueignen / ja mich selbst so lüderlich verkauffen müssen / daß ich nunmehr in die schmählichste Leibeigenschaft gerahten!

(208) Ich wil hiermit alle Jünglinge treulich warnen sich für solchen Weibsbildern zu hühten; derer Schönheit sie nachlauffen ein Paradies zu suchen /und doch nur eine Hölle finden. Ich wil sie / durch dieses mein Beispiel / warnen / sich in solcher Liebe /die den Mund mit Honige / das Hertz aber mit Galle beschmieret / und so einen trübsäligen Ausgang gewinnet / nicht zu vertieffen. An mir können sie sich spiegeln. Mit [472] meinem Schaden können sie lernen den ihrigen zu verhühten.«

(209) Diese und dergleichen Jammergedanken /oder vielmehr Jammerreden / führete Simson in und mit sich selbst / als er eine große Mänge Spötter /seine Schmertzen zu vervielfältigen / vor seinem Gefängnisse stehen sahe. Hierdurch / indem man ihn mit den allerschärfsten Schmähworten zu beladen immerfort anhielt / ward sein Grim in ihm dermaßen aufgereitzet / daß er schier rasendtol zu werden begunte. Ja er schien auch zu rasen / als die Einbildung ihm zum Troste vorhielt / er sei nicht derselbe Simson / dessen Glüksäligkeit ehmahls so herlich geblühet. Und eben daher war er üm so viel weniger betrübt / daß er itzund so unglüksälig sei.

(210) Seiner Feinde Vorsatz war ihn nicht zu tönten. Sie vermeinten ihrer Grausamkeit ein grösseres Genügen zu tuhn / wan sie ihn lange Zeit folterten /als wan sie ihn straks auf ein-mahl hinrichteten. Und dieses scheinet auch die Almacht GOttes verhindert zu haben; damit er sich vor seinem Ende noch kräftiger / als er iemahls getahn / rächen möchte. Ja darüm ward ihm sein Haar / zum Wahrzeichen seiner wiederanwachsenden Stärke / selbst im Gefängnisse wiedergegeben.

(211) Unterdessen beschlossen die Fünffürsten der Filister ihrem Korn- und Fladen-götzen / dem Dagon /ein algemeines Dankfest zu halten; weil er ihnen ihren Feind Simson in ihre Hände gegeben. Die Vorbereitung hierzu war schon volbracht. Das Götzenhaus stund auf das prächtigste / mit vielerhand Schmukke /versehen. Ja alles stund färtig / als die Fünffürsten /mit einem großen Gepränge / den Einzug hielten.

(212) Mitten im Götzenhause fanden sie eine lange Tafel gedekt. Alda solten sie / mit den Priestern / ein Freudenmahl halten. Alda setzte man sich nach der Reihe herüm. Die Speisemeister liessen die Speisen /in etlichen Gängen / auftragen. Diese hatte man alle zum köstlichsten / zum nietlichsten zugerichtet. Die Üppigkeit und der Uberflus waren Tafeldiener. Der Mäßigkeit / der Rahtsamkeit vergönte man keinen Zutrit. Bei diesem Freudenmahle sich finden zu laßen war ihnen verbohten.

(213) Die Tafelreden / die alhier vorgingen / waren schier [473] allein vom gefangenen Simson / und seiner Verrähterin. Jener ward jämmerlich durch die Spothechel gezogen / und diese / ihrer wohlausgeführten Verrähterei wegen / gar bis in den Himmel erhoben. Niemand war zugegen / der hierüber nicht von Hertzen gefrohlokket / gejauchzet / und mit großen Worten geprahlet hette. Und also mochte dieses Mahl billich ein Freudenmahl heissen: doch nur so lange / bis es Simson dem gantzen Filisterlande nachmahls zu einem jämmerlichen Trauermahle machte.

(214) Als sie sich nun alle wohl gemästet und wohl bezechet hatten / da stund man auf sich mit allerhand Spielen / wie bei Schlüßung dergleichen Feiertage gebreuchlich / zu erlustigen. Zu diesen Spielen ward auch Simson / ihr gröster Spielnarre zu sein / gehohlet. Das gantze Volk frohlokte / bei seiner Ankunft /mit einem so überausgroßem Geschrei / daß das Götzenhaus darvon vol ward. Auch lobete man den Abgott Dagon / daß er so mächtig und so gühtig gewesen den Filistern ihren Feind / der ihr Land verderbet /und so viel Einwohner erschlagen / in ihre Hand zu geben.

(215) Simson ward dan / durch einen Knaben /in das Götzenhaus hinein geführet: welches die Schauburg seiner Verspottung / doch auch zugleich die Siegesburg seiner wiedererlangten Stärke / wo nicht auch das Grabmahl der Filister sein solte. Eine schier unzählbare Mänge der Menschen war alda schon von allen Enden her zusammen gelauffen. Man wartete seiner mit großem Verlangen. Und als er durch den Drang mitten in das Götzenhaus hinein ging / da ward er von einem hier / vom andern dort bald gezupfet / bald verspottet.

(216) Das Lachen / das Spotten / das Hohnekken /das Lästern / das Schmähen / das Beschimpfen hatte kein Ende. Rund üm ihn her / auf allen Seiten / ja selbst von oben / vom Dache herunter vernahm man nichts / als lauter Beleidigungen / als lauter Stichelreden / die dem armen Manne / gleichals spitzige Pfeile / das Hertz schier töhtlich verwundeten. Daher stund er von der Mänge so vieler Schmertzen gleichals beteubt. [474] Er stund / in voller Bestürtzung / gleichals unbewäglich / gleichals unempfindlich.

(217) Unterdessen vergaß gleichwohl seines GOttes die Seele nicht. Sie bewägte sich Ihn / als ihr Endziel / eifrig zu suchen; weil sie unter den Menschen nichts / als Trübsaal / als Verfolgung litte. Ja sie bewägte sich in Simsons Hertzen dermaßen / daß er von stunden an Muht fassete die Almacht GOttes / die seine Schmaach allein rächen / und seine verlohrne Kraft ihm allein wiedergeben könte / hertzinniglich anzuflöhen.

(218) »Ach! mein GOTT« / sprach er bei sich selbst / »wilstdu dan ewig über mich zürnen? Sol dan dein Grim / weil ich gesündiget / fort und fort währen? Ach! ich habe gesündiget. An dir habe ich gesündiget. Das weis ich / das bekenne ich / das betrübet mich / das ängstiget mich / das reuet mich. Ach ja! es reuet mich / daß ich so schweerlich gesündiget. Darüm hoffe ich auch / Du werdest meine Sünde vertilgen. Ja ich habe das Vertrauen zu deiner grundlosen Gühte / Du werdest deine Gnade wieder über mir aufgehen laßen.

(219) Ich bin ja dein Knecht. Ich bin das Heupt deines Volkes / zu dessen Erlösung Du mich selbst erkohren. Ich bin ja derselbe Simson / der vom Beginne seiner Gebuhrt an das Vorrecht gehabt / in der Rolle deiner Liebsten zu stehen. Du hast mir gleichwohl das Amt anvertrauet deinen auserwehlten Kindern die Wunder deiner Almacht kund zu tuhn. Warüm sol mich dan nun einieder deines Schutzes beraubt / und in der Gewalt dieser deiner Feinde verlaßen sehen?

(220) Du sihest ja selbsten / wie boßhaftig sie mit mir handeln. Ja du siehest / der Du alles siehest /mein euserstes Elend.Dieses sehen / und sich nicht erbarmen; dieses anschauen / und keine Rettung leisten / ist der Uberschwängligkeit deiner liebe / ja der unendlichen Grosse deiner Barmhertzigkeit alzunachteilig. Darüm darf ich auch nicht zweifeln / Du werdest mir zu derselben Rache / die ich deiner / meiner / und deines Volkes Schmaach wegen / an diesen Gottlosen auszuüben verlange / diejenige Stärke / die Du mir entzogen / wieder verleihen.

[475] (221) Ei! so verziehe dan nicht / mein Helfer! Teile deinem Diener ein Gnadenstüklein aus der Schatzkammer deiner Almacht mit! Stärke diesen Arm! Bekräftige diese Faust! Gib diesem Leibe neue Stärke /neue Kraft / neues Vermögen; damit ich Dich und mich / vor meinem Ende / noch emmahl räche! Es sterbe Simson / mit den Filistern / das Verdienst deiner Herligkeit / durch seinen / und ihren Tod / zu ehren! Es sterbe Simson / wan er nur / durch Ertöhtung vieler seiner Feinde / ein ruhmherlicher Uberwinder kan werden!

(222) Ich bin des Lebens müde. Die Erfahrung so vieler Trübsalen verleidet es mir. Daher wird es mir lieber sein in meiner Rache zu sterben / als in der Peinigung länger zu leben. Zu dieser Rache treibet mich nicht so sehr an mein eigener Grol / als der Eifer für deine Ehre. Darüm verleihe mir / mein GOtt / aus dem Schoße deiner Almacht so viel Stärke / daß ich das letzte Wunder / zum Zeugnisse deiner Gottheit /und deines Beistandes / glüklich volende!«

(223) Nachdem er diese Reden ausgesprochen /fühlete sich seine Stärke von stunden an erneuert. Ja er fühlete / daß seine Glieder kräftiger / sein Arm stärker / und sein Hertz muhtiger zu werden begunte. Und darüm baht er den Knaben / der ihn leitete / daß er ihn zu einer der zwo Hauptseulen / darauf das Götzenhaus stund / bringen möchte / seinen ermüdeten Leib daran zu lähnen. Diese Bitte ward straks volzogen. Auch war niemand / der es verhinderte; weil dieselbe Gegend vielleicht dienlicher schien den Simson vor aller Augen spielen zu sehen.

(224) Sobald er dahin gelanget / erneuerte er seine Bitte zu seinem GOtte / welcher der Kraftgeber zur Volziehung einer so so herlichen Wundertaht sein solte. Er flöhete / mit innerlicher Andacht / Ihn an /seinen Arm zu stärken / und seine Faust zu führen; damit er diese seine Feinde teils lebendig begraben /teils im Begraben entseelen mochte. Hierauf fing er alsobald an zu einem so ruhmwürdigen Anschlage /der in einem Stieiche sein Leben / und zugleich seine Siege schlüßen solte / sich färtig zu machen.

(225) Er ümarmete die zwo Seulen / auf denen der gantze [476] Bau ruhete / die eine mit seinem rechten / die andere mit seinem linken Arme. Diese hielt er so fest /und schüttelte sie so gewaltig / daß das gantze Gebeu kaum zu wakkeln begunte / als man es schon über einen Hauffen gefallen sahe. Und also schien es / daß er / als ein Erlöser des Volkes Gottes / mit solchen seinen aus- und voneinander-gesträkten Armen dasselbe Kreutz vorbilden wolte / daran der Erlöser der gantzen Welt hängen / und das allerherlichste Siegsgepränge über die höllischen Filister / in seinem Tode selbst halten solte.

(226) Ja es schien / als wolte dieses durch das gewaltige schütteln bewägte böbende / knakkende und krachende Götzenhaus selbsten das Schütteln und Bewägen der Grundfeste des Erdbodems bei dem allerheiligsten Leiden und Sterben unsers algemeinen Erlösers und Heilandes vorbilden: da zugleich der Vorhang im Hause GOttes in zwei Stükke zerris / von oben an bis unten aus; da die Felsen zersprangen / die Gräber sich auftähten / und viel Leiber der Heiligen /auch Simson selbsten / wie etliche der Kirchenlehrer gemeinet / aufstunden. Und also scheinet schier alles /was in Simsons Leben bis in seinen Tod vorging /ausgenommen sein sündliches Wesen / das allheiligste Leben / Leiden und Sterben unsers Heilandes gleichsam vorgebildet zu haben.

(227) Die Filister warden Anfangs über dieser des Simsons kreutzweise gemachten Stellung veranlaßet / ihn fast eben also / wie unserem leidenden gekreutzigtem Heilande geschahe / zu verhohnekken /zu verspotten / und auf das schmählichste zu verschimpfen. Aber ihr höhnisches Gelächter verkehrte sich bald in Weinen. Ihr spöttisches Frohlokken verwandelte sich bald in ein trauriges Jammergeschrei. Ihr schmähliches Narrenspiel veränderte sich bald in ein erschrökliches Schauspiel. So bald sie das Gebeu wakkeln sahen / und desselben knakken / knakken /krachen und prasseln höreten; da sahen sie schon ihr Grab vor Augen / da höreten sie schon die Bohtschaft / die ihnen den Tod verkündigte.

(228) Simson hatte den zweiten Ruk mit gewaltiger Stärke kaum getahn; kaum war dieses Wort / es sterbe Simson / mit den Filistern / aus seinem Munde: da wichen die Seulen [477] [479]und Balken aus ihrem Stande: da fiel das Dach / darauf bei dreitausend Männer und Weiber stunden / plötzlich herunter / und das gantze Götzenhaus / darinnen die Fünffürsten selbst waren / mit allen Umgängen / über einen Hauffen. Also stürmete Simson dem Dagon sein Haus /gleichwie Kristus nachmahls dem höllischen Dagon sein Raubschlos gestürmet. Also ward er / in seinem Tode selbst / ein Siegesheld über die Filister / gleichwie Kristus / in seinem Tode / ein Siegesfürst über die höllischen Filister / den Teufel und Tod / geworden. So viel vermochte der Grim eines Menschen! So viel würkte GOttes Gerechtigkeit!

(229) Das Geheule / das Geschrei / das Jammern der gedrükten / der verletzten / und halberschlagenenFilister erfüllete zur Stunde die Luft. Die andern /die entweder für Furcht / oder unter der Last des Gebeues straks toht blieben / hielten ein ewiges Stilschweigen. Und dieser zehlete man über dreitausend. Also warden / mit ihm / und in seinem Tode / ungleich mehr Menschen getöhtet / als er / in seinem Leben / und in allen seinen Schlachten / erschlagen. Also ward dieses Götzenhaus das allerberühmteste Wundergrab / darinnen der Dagonsgötze selbst / mitten unter seinen Götzendienern / begraben sein muste.

(230) Dagon ward gebildet / als ein Fisch / mit eines Menschen Kopfe / Füßen / und Händen / oder vielleicht mehr mit einer Fischhaut überzogen. Diese Fischgestalt deutet auch Samuel an / wan er saget: daß Dagon / in Gegenwart der Lade des Bundes / seinen Kopf / und beide Hände verlohren / aber die Gestalt des Fisches behalten; wie es die Ebräischen Sprachmeister erklähren. Ja der Nahme Dagon selbst zeiget eben dieselbe Gestalt an. So kahm dan eben dieser Nahme so wohl / als die Gestalt selbsten /einem Götzen als eigen zu; weil alle solche Götzen nichts anders / als stumme Bildseulen / und eben so stum / als die Fische / seind: wiewohl etliche dem Dagon auch eine Menschliche Sprache zuschreiben /ja wohl gar sagen dürfen / er habe die Menschen den Akkerbau gelehret; daher es auch vielleicht kommen /daß ihn seine Götzendiener / als einen Gott der Feldfrüchte geehret.

[479] (231) Simson scheuete sich für einem so jämmerlichen Tode gantz nicht: weil er wuste / daß er der Filister Tod sein solte. Er flohe nicht die Sense des Todes; weil er wuste / daß sie sowohl seinen Feinden / als ihm selbsten / den Lebensfaden abschneiden solte. Derselbe Tod / der den Tod der Feinde befördert / ist besser / als das Leben selbst / welches in stähter Gefahr stehet geraubet zu werden. Es ist rühmlicher und glüksäliger mit Ehren sterben / als in Schmaach und Schande leben; da das Leben selbst ein Tod ist.

(232) Ein solches Ende nahm derselbe Mensch /den alle / die nicht wusten / daß er eine Wundergebuhrt der Almacht GOttes sei / seiner übermenschlichen Macht wegen alr einen Gott ehren musten. Ein solches Ende nahm Simson / dessen Herligkeiten so hoch gestiegen / auch so tief wieder herunter gefallen / daß ihn die Nachwelt selbst als ein Weltwunder /ja zugleich als ein Beispiel des vergänglichen Wesens Menschlicher Hoheit / und der grausamen Wühterei unserer Gemühtstriebe fort und fort so wohl mit höchster Verwunderung / als mitleidender Bestürtzung betrachten mus.

(233) Wie unglüklich er kurtz vor seinem Ende war / so glüklich ward er wieder im Ende selbst. Dieses machte er treflich guht. Er starb / als ein Siegesheld /in vollem Siegesgepränge. Er lies einen solchen Ruhm / ein solches Wunderzeichen seiner Stärke hinter sich / daß man dessen ewig gedenken wird Mitten in seinem Siegesgepränge fand er sein Grab / das ihm seine Hände selbst aus den Zeichen seines Sieges gebauet. Die erschlagene Leichen ziereten es / gleihals so viel tausend Bildseulen / so überaus herlich / als kein königliches Grabmahl / so lange die Welt gestanden / iemahls hat können gezieret werden.

(234) Ich wil mehr sagen. Es war ein großes Vorteil seines Ruhmes / daß niemand / als er selbst / dieses Heldenwunder / welches niemahls ohne Niederlage seiner Feinde gefochten / niemahls ohne Siegeseroberung gestritten / erlegt zu haben sich rühmen konte. Von seinem selbst eigenem Arme bekahm er den Todesstreich / eben als er den allerhöchsten /allerstahtlichsten / allerruhmwürdigsten Sieg darvon trug / ja einen solchen Sieg / [480] von dem man reden und schreiben wird / so lange die Sonne / die dazumahl Zuschauerin war eines so großen Wunderwerkes / den Erdkreus bescheinet.

(235) Und obschon der Verlust seiner Säligkeit /aus diesem scheinbarem Selbmorde / könte gemuhtmaßet werden; so wollen wir doch lieber der unendlichen Gühte GOttes das Wort reden / als gleuben / daß dieser algemeine Richter den Richter von Israel /einiger Sünde wegen / nach seiner gestrengen Gerechtigkeit / solte verurteilet haben: zumahl weil Er ihn iederzeit von seiner Gebuhrt an / aus eigenem Triebe /so sonderlich beschirmet / ja ihm auch überdas eine so gar sonderliche Stärke / dadurch er alle Menschen weit übertraf / verliehen / daß er sich selbsten wider alle Gewalt der mächtigsten Kriegsheere zu beschirmen vermochte.

(236) Ja was noch mehr ist / ob Er ihn schon / seines Verbrächens wegen / auf eine gar kurtze Zeit dieser Stärke beraubet / und selbst in der Feinde Hand übergegeben; so hat Er ihn doch / auf sein ängstliches Bitten und Flöhen / straks wieder dermaßen gestärket / daß er an seinen Feinden eine so große Rache volbringen können / unangesehen er selbst das Leben miteingebüßet. In Betrachtung alles dessen wird auch niemand gleuben / daß der grundgühtige GOTT denselben / den Er so hoch begnadiget / in eben der Zeit / da Er ihm seine Hülfe so kräftiglich blikken lies / solte verlaßen / und seine Seele dem höllischen Reuber zum Raube gegeben haben.

(237) Zudem weil GOTT ihn zum Erlöser und Rächer seines Volkes / ja zugleich zur Geissel derFilister erwehlet / und er keine andere Gelegenheit hatte / als mit Verlierung seines Lebens / diese von seinem Gesetze niemahls verbohtene / ja von GOtt vielmehr gebohtene Rache zu verüben; so war es nur ein Zufal sein Selbmörder zu werden. Und also hat er sich / durch diese Taht / keiner Sünde mehr teilhaftig gemacht / als irgend ein ander Held / der nicht aus Verzweifelung / sondern aus Tapfermühtigkeit /sich mitten in die Feinde hinein wagt / und dahinein setzt / da er seinen gewissen Tod vor Augen siehet.

[481] (238) Ein solcher hat den Vorsatz nicht seinen Tod zu befördern / sondern den Feind zu erlegen. Darüm ist er auch kein Selbmörder / wan er schon das Leben einbüßet; sondern ein tapferer Kriegesman / welcher /weil er seine Kriegespflicht getreulich beobachtet /billich zu preisen. Den Tod nicht achten ist kein selbstangetahner Tod. Auch ist es keine Sünde / sondern ein Zeichen einer Großmühtigkeit / das aus der Tugend herrühret. Dem sei nun / wie ihm wolle / so kan doch kein Zweifel / worauf er sich auch immermehr gründen mag / den großen Ruhm des Simsons verkleinern. Sein Lebenslauf wird dannoch ein klahrer Spiegel sein / darinnen man die Hoheit der Menschligkeit viel höher erblikket / als sie in aller andern Menschen Lebensgeschicht erblikket kan werden.

(239) Dieses zu beschlüßen fügen wir noch hinzu /daß Simsons Gebrächen / dadurch er sich sonst versündigt? zu haben möchte bezüchtiget werden / nur Liebegebrächen gewesen: Kein Irtuhm verdienet mehr entschuldiget zu werden / als der aus Liebe geschiehet. Die Liebe ist den Menschet so eigen / daß die Menschligkeit ohne sie nicht zu bestehen vermag. Wo die liebe aufhöret / höret das Menschliche Leben auf. Darüm ist es nicht fremde / wan wir / durch den Anblik einer Schönheit / verliebt werden.

(240) Das schön und lieblich ist / nicht lieben wollen / fält unsrem Willen alzuschweer; weil ihm das Gesetz dasselbe / was ihm die Vernunft als ein solches vorhält / zu ergreiffen / gleichsam eingebohren ist. Lieben ist an und vor sich selbsten keine Sünde /kein Laster. Es ist vielmehr eine Tugend. Die Sünde stekt im alzuviel: ja sie stekt in der Unordnung. Alzuviel lieben / und in der Liebe die Geschöpfe dem Schöpfer vorziehen / das ist Sünde.

(241) Wan der Wille / durch die Nohtwendigkeit das Schöne zu lieben angereitzet / die Schranken der Liebe / welche die Vernunft ihm vorschreibet / zaumloß überschreitet: das ist das Alzuviel / und die Unordnung / welches wir für Sünde rechnen.

(242) Ach! wie gern wolte der Mensch sich rechtfärtigen / er fehle nicht / wan er ein Weibesbild liebet; oder zum wenigsten erweisen / dieser Fehler verdiene Verzeihung / weil er den [482] Nohtzwang zum Vorsprecher hat. Die Macht der Weibesbilder / deren sie sich über unsere Gemühtsneugungen anmaßen / ist auch in Wahrheit so groß / daß keine andere Macht zu finden / die uns so gewalttähtig / als der Weibsbilder ihre /begegnet.

(243) Darum handelt derselbe klüglich / der die Liebe zu rechter Zeit zeumet / und ihr selbsten Maß und Ziel vorschreibet. Der Schiffer / der sich unvorsichtig oder muhtwillig in den Sturm begiebt / verdienet nicht beklaget / vielweniger entschuldiget zu werden / wan er Schifbruch gelitten: weil er seinem Urteile folgen sollen / das ihm gerahten aus dem Sturme zu bleiben. Wer die Gefahr meidet / die er vor Augen siehet / und meiden kan / der tuht weislich. Hingegen handelt derselbe töhricht / der mit vollen Springen darnachzu eilet / ob er schon vorher weis / daß er in das Verderben rennet.

(244) Aber es schien unziemlich zu sein / daß ein solcher Rüstzeug GOttes / als Simson war / unter den Gottlosen liegen solte. Es schien einem Richter /ja Erlöser des Volkes GOttes nachteilig zu sein / daß er in einem solchen Grabe / darein die Göttliche Rache den Hochmuht der Heiden durch ihn gestürtzet / wiewohl er es ihm zugleich selbst gebauet / solte begraben bleiben. GOtt wolte den Leichnam desselben /der sein Verlobter / und unter die Zahl seiner Liebsten gezehlet war / in der Gewalt seiner Feinde nicht laßen. Er wolte nicht zulaßen / daß er / mitten unter den Leichen der Unbeschnittenen / unter dem Schutte dieses niedergestürtzten Götzenhauses / an einer so unheiligen Stätte / bei einem so greulichen Götzen /seiner Verwäsung erwarten solte.

(245) Es war genug / daß Simson alda sein letztes Siegsgepränge volbracht. Er hatte nun / nach seinem sieghaften Tode / dieser allerruhmherlichsten Siegsehre lange genug genossen / als seine Brüder sich aufmachten seinen Leichnam abzuhohlen. Sein gantzes Väterliche Haus machte sich auf. Alle seine Befreundte zogen gen Gaza. Alda huben sie ihn auf / und führeten ihn in ihr Land. Die Filister durften nichts darwider sagen. Sie durften es nicht verhindern; weil es GOTT also haben wolte.

[483] (246) Und also brachten sie ihn ungehindert zum Grabmahle seines Vaters Manoah / welches zwischen Estaol / und Zarea lag. Alhier setzten sie ihn bei. Alhier solte Simson / dem Leibe nach / ruhen. Alhier solte dieser ruhmherliche Richter des Volks GOttes der letzten Zukunft / wo nicht der Auferstehung / seines und aller Menschen Richters erwarten. Alhier blieb er dan / zu seinen Eltern versamlet / liegen; nachdem er das Volk GOttes zwanzig Jahr mit Ruhm und Ehren / wiewohl auch mit vielen Mühsäligkeiten beladen / gerichtet.


ENDE.

[484] Die Fehler /

Derer sich eine zimliche Anzahl / weil ich / aus Abwesenheit / den ersten Abdruk nicht lesen können / in diesem Werke / nach ihrer gemeinen Gewohnheit /unverhuhts eingeschlichen / solten zwar billich allesamt angezeiget werden. Weil sie aber zuviel Raumes wegnehmen würden / wil ich nur die fürnehmsten /die im eilfärtigen nachlesen / meinen Augen aufgestossen / anher setzen. ( ...)

(...) Was sonsten in denen auf keit ausgehenden Wörtern / da das Endglied lich / als in herlich / lieblich / zierlich / u.d.m. durch die Endung keit erlängert worden / versehen ist; indem man vielmahls / Herlichkeit Lieblichkeit / Zierlichkeit / usf. meiner Schreibahrt / und der besten Aussprache zuwider / gesetzet: darvon mus ich nohtwendig erinnern / daß der Wohlklang den anstoßenden Ubelklang des gemeldten Endgliedes lich aus der Mitte dergleichen verlängerten Wörter / in der gantzen Meisnischen / Ober Sächsischen / ja in allen andern wohlklingenden Sprachen / von uhralten Zeiten her allezeit ausgebannet / und solches Endglied lich / so oft es in der mitte solte zu stehen kommen / in lig / weil dieses in der Mittelstelle lieblicher klinget / auch flüchtiger von der Zunge schüßet / verändert. Und also mus man nicht Herlichkeit / Häslichkeit / sondern Herligkeit /Häsligkeit / wie der Wohlklang und die gemeine beste Gewohnheit solche Wörter wollen ausgesprochen haben / auch allezeit schreiben. Dieses erinnere ich darüm; damit ich / wan man dergleichen neue so wohl / als wider den Wohlklang lauffende Schreibahrt in meinen Büchern sehen würde / nicht einer Neurung oder Wankelmühtigkeit im Schreiben möchte beschuldiget werden. Eben also ist der Unterscheid des lieblich zischenden ß in laßen / stoßen / süßen / und des hart klingenden ss / in hassen / rossen / [485] müssen / udg. nicht allezeit / wie ich wohl gern gewünschet / beobachtet / sondern eines vielmahls für das andere gesetzt worden. Doch dieses wird mir der günstige Leser nicht zumässen: den ich hiermit dem Schutze des Allerhöchsten anbefehle!

Anmärkungen

[486] [488]Zugabe oder Anmärkungen über seinen Simson /

zur nohtwendigen Erklähr- und Bewährung

etlicher Dunkelen und sonderlichen

Reden desselben / den Lieb-

habern zum besten zu

Lichte gegeben.

[488][491]

Den guhthertzigen Lesern

Den guhthertzigen Lesern.

Mein Simson hat nunmehr sein Grab verlaßen. Er hat sich in die heitere Luft begeben. Er ist aus der Nacht zu Lichte gegeträhten. Nichtsdeszuweniger scheinet Er / mitten in der offenen Luft / noch halb begraben. Doch dünkt mich / Er sei mit der nächtlichen Dunkelheit noch etwas ümhüllet. Doch gleichwohl deucht mich / Ihm fehle noch hier und dar / mitten im Lichte / das Licht. Dannoch darf ich zweifeln /ob Ihm / im Tage selbsten / nicht zuweilen der Tag mangele. Nicht zwar der Scharfsichtigen wegen; denen ein kleiner Schein genug ist: sondern der schwachen und blöden Gesichter wegen; denen die Macht und Kühnheit / samt der Kunst und Wissenschaft alles zu sehen gebricht. Ob nun schon jene /derer so gar wenig seind / keines fremden Lichtes bedürfen; indem ihnen ihr eigenes Licht genug leuchten kan: so mus ich doch diesen zu liebe / derer überaus große Mänge vermuhtlich lüsterner sein wird diesenWunderheld so wohl von innen / als von aussen zu beschauen / ja ihm selbst / so zu reden / ins Hertze zu schauen / ein sonderliches Licht / ihnen die Augen des Verstandes aufzuklähren / anzünden. Ja ich mus meinem durch Hoch-deutschland reisendem Simson / ob er schon Hoch-deutsch zu reden von mir begriffen / einen Sprachdeuter / oder vielmehr Erklährer seiner Reden zufügen: welche den Ungelehrten / und so mancherlei Wissenschaften noch Unkündigen / ihrer Kürtzbündigkeit wegen / auch sonsten etwas dunkel und undeutlich vorkommen möchten. Und hierzu sollen ihm folgende Anmärkungen dienen: welche nicht allein den Nebel etlicher dunkelen Reden zertreiben / sondern auch zugleich anzeigen werden / woher eine oder die andere geflossen / auch wohin sie zielet. Doch diese begleiten Ihn /nicht die Gelehrten / sondern die Ungelehrten zu unterweisen. Nur den Unwissenden zu gefallen hat sie diese Feder aufgesetzt. Den Wissenden redet Simson selbst Deutsch und deutlich genug. Sie bedürfen keines Anmärkens / noch erklährens. [491] Gleichwohl stehet es ihnen frei / neben dem Simson / auch zugleich seinen Geleitsman zu hören. Ich mag es wohl leiden: doch mit dem Bedinge / daß sie ihn / mit eben der Guhthertzigkeit hören / als er redet; und mit keiner ungewaschenen Zunge sich über ihn zu Splitterrichtern machen: indem es ihnen vielleicht scheinen möchte / daß er in etlichen, Dingen alzuweitschweiffig / in andern alzukurtz redete / ja viel nöhtiges mit Stilschweigen gar überhüpfte. Was dieses letztere betrift / mus ich freilich bekennen / daß wegen änge der Zeit / und Heuffigkeit meiner so mancherlei Geschäfte / nicht alles also / wie mein Wille war / hat können erklähret werden. Auch war mit / bei gleichsam gestohlener Zeit / anders nicht vergönnet / als nur obenhin / und mit gantz flüchtig-färtiger Feder folgende Märkzeilen aufzusetzen. Gleichwohl darf ich hoffen /man werde / dieser Entschuldigung zu liebe / alles im besten aufnehmen. Und in solcher so guhten Hofnung / wil ich diese Voransprache schlüßen / und meine Leser / nächst befehlung in GOttes Obhuht / auf was mehres / gegen künftige Zeit / sofern der Ewiglebende mein Leben fristet / hiermit vertröstet haben.

[492]

Anmärkungen des ersten Buches

Anmärkungen über seinen Simson.

Zur ersten Einteilung

Des ersten Buches.

Fürst Abdon] der eilfte Richter über Israels Kinder nach Mose / war ein Sohn Hillels oder Elels / wie ihn Flavius Josef / der Jüdische Geschichtschreiber nennet / von Pireaton oder Faraton / aus Efraims Stamme / bürtig. Er hatte vierzig Söhne / und dreissig Kindskinder / die allesamt auf jungen Eselsfüllen / als Landesjunkern / einher trabeten. Seine Herschaft über das Volk Gottes währete nicht länger / als acht jahre: wie im Buche der Richter / am Ende des 12 Hauptstükkes zu lesen. Und hierzu füget obgemeldter Geschichtschreiber / in der 9 Abteilung seines 5 Buches von den Jüdischen Altheiten / noch dieses: Bei ihm (dem Abdon) finden wir nichts Denkwürdiges / als die Vielheit seiner Kinder. Dan der Friede / der zu seiner Zeit in höchster Blühte stund / gab ihm keine Gelegenheit etwas tapferes und ruhmwürdiges zu verrichten. Er hatte vierzig Söhne / und dreissig Enkel: und ward / wan er ausritte / mit diesen siebenzig auserlesenen Reitern begleitet. Die hinterlies er alle bei Leben / üm das 1191 Jahr vor der Heilgebuhrt.

Die Boßheit nahm Oberhand.] Der Begin des 13 Hauptstükkes im 1 Buche der Richter lautet hiervon also: die Kinder Israels tähten fürder übel vor dem HErrn: und der HErr gab sie in die Hände der Filister vierzig Jahre. Flavius Josef aber gedenket keiner Boßheit / deswegen das Volk GOttes diese Strafe leiden müssen; indem er / in der 10 Abteilung obangeführten [493] Ortes / folgender gestalt schreibet: nach dieses (des Abdons) Tode / überwältigten die Filister das Israelische Volk / und machten es ihnen schatzbar vierzig Jahre lang.


Zur 2 Einteilung.


Aus diesem Frieden keumete die Wohllust auf /] die ein. Lokaas ist zu allem Bösen / zu allem Muhtwillen / zu allen Untugenden: weil dadurch die Menschen /eben als durch einen Hahmen die Fische / gefangen werden; wie / dem Plato zur folge / Plautus und Tullius von ihr gantz einstimmig / und schier mit einerlei Worten urteilen / wan sie sagen / und zwar jener / in seinem Kaufmanne / VOLUPTAS EST MALORUM ESCA, QUÒD EÂ NON MINUS HOMINES, QUÁM HAMO CAPIANTUR PISCES; dieser aber /in seinem Kato dem ältern / MALORUM ESCA VOLUPTAS, QUÂ HOMINES CAPIUNTUR, UT HAMÔ PISCES. Nichts anders wil auch eben derselbe Tullius andeuten / wan er in seinem 5 Buche an den Attikus schreibet: MAXIMAS VIRTUTES jacere OPORTET, VOLUPTATE DOMINANTE, wo die Wohllust herschet / müssen die grösten Tugenden unterliegen: und im 2 Buche seiner Freundespflichte /VOLUPTATES, BLANDISSIMÆ DOMINÆ, SÆPE MAJORES PARTES ANIMÆ À VIRTUTE DETOR QUENT, die Wohllüste seind so liebreitzende / so hertzentzükkende Herscherinnen / daß sie oftmahls die meisten Teile der Seele von der Tugend abziehen: wie auch in seinem Kato dem altern / IN VOLUPTATIS REGNO VIRTUS CONSISTERE NON POTEST, im Reiche der Wohllust kan die Tugend nicht bestehen: welchen Spruch Salust folgender gestalt etwas kurtzbündiger gefasset / IN REGNO VOLUPTATIS VIRTUTI NON EST LOCUS, im Wohllustreiche findet die Tugend keine stat: weil den Wohllüsten / und der Tugend zugleich niemand zu dienen vermag; wie man anderswo lieset. Ja eben dahin zielet Seneka / wan er in seinem 52 Sendeschreiben schreibet: QUIDAM SE VOLUPTATIBUS IMMERGUNT, QUIBUS IN CONSUETUDINEM ADDUCTIS, CARERE NON POSSUNT: & OB HOC MISERRIMI SUNT, etliche vertieffen sich in den Wohllüsten / durch Angewohnheit so sehr / daß sie derer nicht entbähren können: und daher seind [494] sie die armsäligsten Menschen: wie auch mehrgemeldter Tullius / wan er die Wohllust / in seinem 1 Buche von den Satzungen / also abmahlet: IMITATRIX EST BONI VOLUPTAS, MALORUM MATER OMNIUM, CUJUS BLANDITIIS CORRUMPUNTUR, QUÆ NFATURÂ SUNT BONA, die Wohllust ahmet dem Guhten nach / wiewohl sie eine Mutter ist alles Bösen; die durch ihre Schmeuchlungen / was von Gebuhrt Guht ist / verbastert. Daher hat die Natur / wie Erasmus von Roterdam meinet / die Menschen keiner töhtlichern Haupt- und Gift-seuche / dan der Wohllust / unterwerfen können; indem aus diesem Brunnen /alle Laster / und alles Elend Menschlichen Lebens hervorkwällen. Aber / was noch am allerschlimsten ist / wie süße sie sich bei uns eingeschlichen / so bitteren Nachschmak / wan sie den Rükken kehret / lesset sie hintersich: ja sie flühet / und uns bleibet / an ihre stat / aller der Jammer bei / darein sie uns gestürtzet. Darum ist es wohl alzuwahr / was mehrerwähnter Tullius / aus dem Musonius / schreibet: SI QUID FECERIS HONESTUM, CUM LABORE, LABOR ABIT, HONESTUM MANET: SI QUID TURPE, CUM VOLUPTATE, TURPITUDO MANET, VOLUPTAS ABIT, wan du was Ehrliches / mit Arbeit /ausgerichtet hast / so verschwindet die Arbeit / und die Ehre bleibt: aber auf eine schändliche Taht / mit Wohllust verrichtet / bleibet die Schande / und die Wohllust verschwindet. Darüm INDURANDUS EST ANIMUS, & À BLANDIMENTIS VOLUPTATUM PROCUL ABSTRAHENDUS, sol man das Gemüht gleich als erhärten / und von den Schmeuchlungen der Wohllüste weit abziehen / schreibet Seneka in seinem Sendeschreiben.


Diese Stille war ihm ein Lokaas zum Bösen.] Eben dahin zielet zugleich mit dieser des Kato Spruch:


NAM DIUTURNA QUIES VITIIS ALIMENTA MINISTRAT.
Der Unfug nährt und mehrt und heuft sich eben /
wan wir zu lang' in stiller Ruhe leben.

wie auch der Redner Demostenes / wan er saget: ie sicherer und ruhiger man ist / ie eher sündiget man.

So schläget auch das Guhte.] BONARUM RERUM CONSUETUDO PESSIMA, Gunter Dinge Gewohnheit schläget zum schlimsten [495] aus / saget fast auf diesen Schlag Publius Sirus / in seinen Gaukel-und Possen-sprüchen. Auch zielet fast eben dahin der Franzosen NUL SOULAS SANS HELAS, keine Freuden ohne Leiden / oder den Freuden folgt Leiden. Eben hierher gehöret mit / was Tullius / in seinem Buche von den Satzungen / saget: BONUS ANIMUS IN RE MALÂ. DIMIDIUM MALI, ein guhtes Gemüht in einer bösen Sache / befindet sich halb Böse /oder ist die Helfte des Bösen.


Zur 3 Einteilung.


Zu gar zu guhten und friedlichen Tagen gehören starke Schultern.] Dan das Alzuviel / das Garzuviel / oder das Ubermaß des Guhten ist so ein Böses Ding / daß alle Boßheit daraus entstehet; wie Teognis in seinen Sprüchen spricht. Daher saget auch Plautus: NIMIA OMNIA NIMIUM EXHIBENT NEGOTIUM, alles Alzuviel macht dem Menschen alzuviel zu schaffen. Ja die Uberviel- und Ubervolheit ist eine Mutter alles Trotzes / und Muhtwillens. Τίκτει Κόρος ὕβριν, SATIETAS FEROCIAM SIVE PETULANTIAM PARIT, seind Solons / und aus ihm des Teognis Worte / bei dem Timäus. Selbst ist sie eine Feindin der Natur. So urteilet von eben derselben Hippokrates / wan er im 2 Buch seiner Artzneisätze setzet: πᾶν τὸ Πολυ τη Φύσει πολέμιον OMNE NIMIUM NATURAE INIMICUM. Daher schreibet Tullius / in seinen Tuskelischen Fragen: AJUNT NIMIA RESECARI OPORTERE, NATURALIA RELINQUI, man sagt /das Alzuviele müsse man abschneiden / und das Natürliche bleiben laßen: wie auch Plutarch / in seinem Kamillus: ἡ δὲ ευλάβεια, καὶ Τὸ Μηδὲν ἄγαν ἄριστον, die Frömmigkeit / und das Nichtzuviel ist das allerbeste. Dieses Nichtzuviel / Μηδὲν ἄγαν, welches Terentz / in seinen Schauspielen / auf lateinisch NE QUID NIMIS gegeben / ist / nach dem Urteile des Sokrates / wie Laertz meldet / die eigne Tugend der Jünglinge: ja es stund / als ein sonderlicher Lehrspruch / im Delfischen Götzenhause / mit unter andern ausbündigsten Sprüchen angeschrieben. Wir Hochdeutschen sagen darvor gemeiniglich: Alzuviel ist ungesund / Alzuviel zerreist den Sak / Alzuvieles[496] Spannen zerbricht den Bogen / Alzuscharf macht scharticht / und dergleichen: welche sämtlich eben so viel bedeuten / als Nichtzuviel; weil man durch beiderlei Sprüchwortsweisen von der Un- oder Uber-mäßigkeit ab- und zur Mäßigkeit an-zumahnen pfleget. Auch gehöret zu gemeldtem Nichtzuviel oder Nichtzusehr dieses des Juvenahls Dichtband aus seinem 11 Schimpfgedichte:


ATQUE VOLUPTATES COMMENDAT RARIOR USUS,

Der seltne Wohllustbrauch macht nur die Wohllust gut;
die sonst vol Boßheit stekt / und Böses würkt / und tuht.

Noch gehöret hierher / was ich zum 11 / und 36 Gemälde des 1 Teils meiner Horazischen Sittenlehre gefüget:


1. Die Wohllust wohnt in dir / nicht in der Schöhnheit Zierde /
Natur hat keine Schuld. Sie gibt zwar die Begierde /
doch durch Gewicht und Maß. Wer mehr tuht / als sie wil /
der findt / in seiner Lust / noch Wind / noch Wetter stil.
2. Die Ubertaht in Pracht / im Tantz' / in Lieb' / im Weine
hat vor so kurtze Wonn' ein alzulanges Leid.
Schmertz / Reu / und Weh gehn auf nach diesem Wohllustscheine /
wie nach der Sonne folgt der Wolken Düsterheit.

Zur 4 Einteilung.


Müßiggang würkt aller Tugenden Untergang.] Σχολὴ τερπνὸν κακόν, der Müßiggang ist ein angenehmes Ubel / sagt Euripides / in seinem Hippolitus. Ja der Müßiggang ist es / der die Wohllust / und aller ahrt Boßheit / wie ihn der gelehrte Roterdammer beschrieben / zur Friedenszeit nähret: dessen anmuhtiges Gift die Tugend erstikket / dessen Ledigkeit nichts Guhtes schaffet / doch dem Menschen so viel zu schaffen giebet / daß er sich aus allen den Unheilen / darein er ihn gleichsam eingewikkelt / schweerlich wieder auszuwiklen vermag. Daher hat jener Dichtmeister sehr wohl gesagt:


BLANDÆQUE VENENO
DESIDIÆ VIRTUS, PAULATIM EVICTA, SENESCIT.
[497]
Des Ledigganges süßes Gift /
das Hertz und Muht und Seele trift /
wird algemach der Tugend mächtig /
und macht sie alt / und schwach und schmächtig.

wie auch Sofokles / wan er von diesem guhtscheinendem Ubel also geurteilet: der ledige Lediggang gebähret nichts Guhtes. Auch ist GOtt von den Lediggängern entfernet. Eben dahin zielet auch Lukan / wan er / in seinem 4 Buche / spricht: PRAVAM SEMPER DANT OTIA MENTEM, der Müßiggang giebt allezeit ein verkehrtes Gemüht. Dan wie der Fleis reich machet / so macht der Unfleis / im Lediggehen / ein verdorbenes Gemüht / sagt schier eben also der Verfasser des Buches an den Herennius; dessen eigene Worte folgende seind: DILIGENTIA COMPARAT DIVITIAS, NEGLIGENTIA CORRUMPIT ANIMUM. Hierher gehöret dieses bekante Sprichwort: HOMINES NIHIL AGENDO MALÈ AGERE DISCUNT, die Menschen lernen / durch nichts tuhn / böses tuhn: wie auch / was Ennius sagte: OTIO QUI NESCIT UTI, PLUS NEGOTII HABET, QUÀM CÙM EST NEGOTIUM IN NEGOTIO, Wer der Muße nicht zu gebrauchen weis / der hat mehr Unmuße / dan in der Unmuße selbsten ist / oder der macht ihm mehr Mühe / als wan die Mühe mitten in der Mühe ist: welches die Griechen / bei dem Suidas /in diese drei Worte gefasset / Πράγματ᾽ ἐξ ἀπραξίας, EX OTIO NEGOTIUM (OTIUM NEGANS OTIUM) aus der Muße komt Unmuße / oder Muße hägt Unmuße; dem unser Hochdeutsches Lust häget Last / welches ich ümgekehret / Last häget Lust / in der Edlen Rosenzunft / zu meinem Zunftspruche gewehlet /nicht ungleich. Nirgend andershin zielet auch eben derselbe Ennius / in den Atehnischen Nächten des Gellius / oder Agellius / wie ihn etliche nennen / wan er spricht: OTIUM QUI MALÈ COLLOCAT, PLUS MOLESTIAE SIBI EX IGNAVIÂ ADSCISCIT, wer die Muße übelanwendet / der wendet ihm / aus dem Müßiggange / nur Unmuße zu / oder der schaffet ihm / im Lediggange / mehr zu schaffen / als ihm die Geschäfte selbst schaffen.

Durch ihn werden die Muhtigsten Muht- die Mächtigsten Macheloß.] Der Franzosen Sprichwort ist: NE SOIS PAS [498] PARESSEUX, SI NE VEUX ESTRE DISERTEUX; welches ich also erklähre:


Wan du wilst Muht und Bluht und Guht erhalten /
so laß bei dir die Faulheit ja nicht schalten.
dem seind diese folgende zwei des Kato nicht ungleich:
CONSERVA POTIUS, QUÆ SUNT TIBI PARTA LABORE.
CUM LABOR IN DAMNO EST, CRESCIT MORTALIS EGESTAS.
Erhalte / was du hast / durch Fleis und Schweis / erworben:
komt der erst nach Verlast / so bist du schon verdorben.

Der Sin ist: es fället dir viel leichter das mit Arbeit erworbene / durch Arbeit / zu erhalten / als durch eben dieselbe das mit Faulheit verlohrne zu ersetzen; weil alsdan das Armuht sich mehret.


SEGNITIEM FUGITO, QUÆ VITÆ IGNAVIA FERTUR:
NAM CÙM ANIMUS LANGUET, CONSUMIT INERTIA CORPUS.
Ergib dich nie dem müßig-faulem Leben /
das weder Muht / noch Stärke dir kan geben.

Durch ihn gerahten die stärksten Stahtswesen zum Falle.] IGNAVIA PESTIS MAXIMA REIPUBLICÆ, die Faulheit ist die gröste Giftseuche des gemeinen Wesens / sagt der gelehrte Roterdammer. Und Katul schreibet an seine Lesbie: OTIUM REGES PRIUS, & BEATAS PERDIDIT URBES, das Faulentzen in lediger Zeit hat die Könige / samt den glüksäligen Städten / in das Verderben gestürtzt. Hierher zielet auch Demostenes / wan er saget: der Glüksfal fället behände von einer Seite zur andern /bald auf die guhte / bald auf die böse: was aber durch der Menschen Faulheit und Nachläßigkeit geschiehet /dem folget die gewisse Niederlage / mit dem endlichen Verderben. Ein so gar böser Unstern feuret / bei so süßer lediger Zeit / über unserem Heupte / daß er uns alles Böses / was in einigem Stahtswesen kan gefunden werden / verkündiget / oder vielmehr andreuet. Da heisset es dan wohl recht / NUL OR SANS ESCUME, kein Gold ohne Schaum; wie die Franzosen sprichwortsweise zu sagen pflegen: indem der güldne Freudenblik der [499] Friedensmuße so ein abgescheumtes verderbliches Wesen / wiewohl durch unsere selbsteigene Verwahrlosung / mit sich schleppet. Dan da werden die Stahtsordnungen verunachtsamet / ja fallen endlich gar über einen Hauffen. Da heist es dan wieder / OU MANQUE POLICE, ABONDE MALICE,


Wo der Staht verliert den Zaum /
da findt alle Boßheit Raum /

nach dem Französischen / und unserem Sprichworte. Da werden alle heilsame Satzungen mit Füßen geträhten. Da tuht einieder / was ihn lüstet. Da lebet /ja herschet schier einieder nach seinem verkehrten eigenem Sinne. Und dan heist es abermahl: OU SENSUALITÉ DOMINE, EST FORT PROCHE LA RUINE, wo die Sinligkeit herschet / ist der Untergang sehr nahe.


Herscht der eigne Kopf und Sin /
fält der Staht zu Trümmern hin.

Dagegen stehet ein Staht / dessen Volk in stähter Arbeit bleibet.] Dan die Arbeit / sagt Xenofon / im 2 seiner Lehrbücher / ist eine Führerin des glüksäligen Lebens. Und πόνου χωρὶς ουδὲν ευτυχει, ohne die Arbeit ist nichts glüklich / seind des Sofokles Worte / in seiner Elektra: der auch dieses Lehrgebot giebet: μοχϑειν ἀνάγκη τους ϑέλοντας, die glüksälig sein wollen / müssen arbeiten: welches Salust im Lateinischen mit folgenden Worten ausgedrükket: QUI FELICES ALIQUANDO ESSE VOLUNT, LABORARE DEBENT. Zur Arbeit wird auch der Mensch /nach Adams Falle gebohren; wie der Vogel zum Flügen. Ja GOtt selbst hat ihm / schon im Paradiese / die Arbeit auferlegt / daß er / im Schweisse seines Angesichtes / sein Broht essen solte. Hieraus flüßen gleichsam diese / des Epicharms Worte / bei dem Stobäus:Τῶν πόνων πολοῦσιν ἡμιν πάντα τ᾽ ἀγαϑὰ οἱ ϑεοί, durch die Arbeit verkauffen uns die Götter alles / was Guht ist: wie auch / was Timokles / bei eben demselben Stobäus / spricht: ἄνϑρωπός ἐστι ζωον ἐπίπονον φύσει, der Mensch ist / seiner Gebuhrt nach / ein arbeitsames (wo nicht vielmehr arbeitsäliges) Tier. Keine gebrahtene Taube komt ihm in den Mund geflogen. Kein Ding erlangt er / ohne [500] die Arbeit / sagt Fozilides: Und Xenofon / im 6 B. seiner Griechischen Begäbnisse: alles / was süße / was angenehm ist /wird durch Arbeit zu wege gebracht. Alles / was schön ist / wird durch unendliche Arbeit erlangt /seind des Euripides Worte; welche Diodor der Sikuler also erklähret: alles / was schön / und dem Menschen wunderbar ist / wird durch Arbeit / und Gefahr erhalten. Seneka stimmet mit ein / wan er schreibet: NATURA PULCHERRIMAE CUIQUE REI LABO REM PRAEPOSUIT, die Zeugerin der Dinge hat über oder für ein iedes der schönsten unter ihnen die Arbeit gesetzt. Ja die Arbeit ist selbst eine Mutter des ehrlichen Nahmens; wie sie Euripides nennet. Darümφεύγων πόνους, φεύγει καὶ τιμάς, wer Arbeit ausschläget / schläget auch die Ehre aus / sagte Tuzidides.


ATRIA PRIMA LABOR, TECTI PENITRALIA VIRTUS,
SERVAT. IN EXTREMÂ PARTE LOCATUR HONOR.
seind des Mantuans Dichtbände / die wir also erklähren:
Die Arbeit geht voran / die Tugend in der Mitte:
die Ehre folgt zu letzt / mit langsam-leisem Tritte.
Eben derselbe giebt uns auch / im 2 B. seiner Wälder / folgenden Saffischen Satz:
OTIUM CLARI FUGIUNT HONORES.
NOBILES DUCIT LABOR AD TRIUMPHOS.
SUDOR INSIGNES ITER AD CORONAS MONSTRAT APERTUM.
Kein' Ruhm / noch Ehre wird / durch Müßiggang / erlanget /
Kein' edle Siegespracht. Daß man mit Krohnen pranget /
mit Ehre / Ruhm / und Preis' / im Siegsgepränge geht /
das macht die Arbeit nur / die niemahls stille steht.
Fast auf diesen Schlag schläget sein Seitenspiel der gelehrte Verien:
NON NISI PER MAGNOS AD PRÆMIA MAGNA LABORES
ITUR: AT IGNAVIS NULLA CORONA DATUR.
Nicht / als durch sauren Fleis und Schweis /
erlangt man einen süßen Preis.
Kein fauler Kopf verdient die Krohne /
die bloß der Arbeit wird zu Lohne.

[501] Auch zielet abermahl eben dahin / wiewohl auf geistliche Weise / mehrangezogener Mantuan / wan er also singet:


NON NISI PER MULTOS VOLUIT DEUS ESSE LABORES
AD SUA REGNA VIAM, NEC SLDERA SEGNIBUS OFFERT.
GOTT wil den Weg zum Himmel hin
nicht ohne Mühe wandeln laßen.
Kein träger Fuß / kein fauler Sin
naht iemahls sich den Sternenstraßen.

Zur 5 Einteilung.


Von diesem Solon schreibet Alex(ander) von Alex(ander) in seinem 3 B. daß er dieselben / welche / durch Faulentzen / und böse Tükke / den Leuten überlästig waren / allezeit mit schweeren Strafen zu belegen erkennet. Eben derselbe gedenkt auch alda /im 13 Hauptst. des Drakonischen Gesetzes wider den Müßiggang.

Von den Sardischen Gesetzen meldet Elian / im 4 B. seiner mancherlei Geschichte.

Der Atehner Satzung führet / unter andern Einsetzungen der Alten / in seinem 2 B. Valerius Maximus mit an; wie auch Stobäus / in seiner 42 Rede.

Von den Nabatäern giebet uns Nachricht obgemeldter Alex(ander) von Alex(ander) im 13 Hauptst. seines 3 B.


Zur 6 Einteilung.


Der Lukaner strengen Satzung wider das Laster des Faulentzens / und üppigen Lebens gedenket Nikolaus / in seinem Buche von den Sitten der Völker; wie auch Stobäus / in seiner 42 Rede.

Die den Müßiggängern.] Wer diesen Leuten guhtes tuht / der entzihet ihm dadurch selbst das Guhte / ja tuht ihm selbst Böses. Daher sagt Teognis:


Δείλους δ᾽ εὖ ερδοντι δύω κακά: τῶν τε λὰρ αυτοῦ
χηρώσει πολλῶν, καί χάρις ουδεμία.
[502]
Zwei Ubel schaff' ich mir / der Faulen Guhtes tuh:
die Mindrung meines Guhts / und Undank noch darzu.

Von den Massiliern bezeuget dieses Valer(ius) Max(imus) im 2 B. von den Satzungen der Alten.

Keiser Wentzel ward / seiner Faulheit wegen / vom Reichsgebiete verstoßen: wie Volaterran / im 23 Buche / wie auch Nikolaus Witte von Liljenau / unter den Deutschgesinten der Selbliche / in seinem Röhmischen Adler / und Kuspinian / im 2 Teil von den Röm(ischen) Keisern / bezeugen. Eben dieselben haben auch geuhrkundet / daß Keiser Romahn der Jüngere / des Romahns Laukapenus des ältern Tochtersohn / seines faulen und wohllüstigen Lebens wegen / dem Heerführer Josef Bringen das Reich übergeben müssen.


Zur 7 Einteilung.


Der dreiköpfichte Höllenhund / Kerver oder Zerber /Κέρβερος oder CERBERUS, wie er von den Dichtmeistern insgemein genennet wird / war eigendlich eine selbsterdichtete oder zum wenigsten ümgestaltete vielköpfichte Schlange / oder vielmehr ein Schlangenhund; welcher vor Plutons Höllenburg / in einer fünsteren Höhle / das Höllentohr zu bewahren / sol gelegen / und den Eingehenden überaus geschmeuchelt /die Ausgehenden aber gefressen / oder doch / mit erschröklichem Geklaffe / ihnen den Ausgang verwehret haben. Daher schreibet Hesiodus / in seinem Gedichte von der Göttergebuhrt / von der 769 Zeile bis auf die 775 / unter andern folgender Gestalt:


δεινὸς δὲ κύων προπάροιϑε φυλάσσει;
νηλειής, τέχνην δὲ κακὴν ἔχει: ἐς μὲν ἰόντας
σαίνει ὁμῶς ουρη τε καὶ οὔασιν ἀμφοτέροισιν:
ἐξελϑειν δ᾽ ουκ αὖτις ἐᾷ πάλιν, ἀλλα δοκεύων
ἐσϑίει, ὅν κε λάβησι πυλέων ἔκτοσϑεν ἰόντα
ἰφϑίμου τ᾽Ἀίδεω καὶ ἐπαινῆς Περσεφονείης.

welches / schier von Worten zu Worten verhochdeutscht / also lautet: aber ein rauer grimmiger Hund hühtet vor der Tühre; der eine böse tükkische Ahrt an sich hat. Den Eingängern [503] schmeuchelt er zwar mit dem Schwantze so wohl / als mit beiden Ohren: aber er lesset sie nicht wieder hinaus gehen; sondern lauret / und frisset einen ieden / den er / im ausgehen aus der Tühre des starken Plutons / und der ansehnlichen Proserpine / betrappet.

Diese greuliche Schlange hat Homerus / wie Pausanias bezeuget / zum allerersten einen Hund genennet; vielleicht daher / weil sie voran drei Köpfe / die den Hundesköpfen nicht ungleich / sol gehabt haben: wiewohl er sonsten von ihrer Gestalt nichts gemeldet /gleichwie die folgende Dichter getahn: die ihr so viel /doch der eine mehr / der andere weniger Köpfe / ja selbst den Nahmen Kerver oder Zerber zugeeignet.

Von gemeldten drei Hundesköpfen scheinet es auch entsprossen zu sein / daß die meisten alten Dichtmeister / ja Tullius selbsten / in seinen Tuskelischen Fragen / diesem Ungeheuer nicht mehr / als nur drei Köpfe / zugeschrieben / und es darüm gemeiniglich das dreiköpfichte / dreischnauzichte / wie auch dreizüngichte / und dreihälsichte genennet. Als / unter andern / Sofokles / wan er / in seinem Trachinischen Heldenspiele / also saget: τόνδ᾽ ὑπὸ χϑονὸς Ἅιδου τρίκρανον σκύλακ᾽ ἀπρόσμαχον τέρας δεινῆς Εχίϑνης ϑρέμμα; welches Tullius / im 2 B. seiner Tuskelischen Fragen / mit folgenden Lateinischen steigenden Bänden ausgedrükt:


HÆC À TARTAREÂ TENEBRICÂ ABSTRACTUM PLAGÂ
TRICIPITEM DUXIT HYDRÂ GENERATUM CANEM.

das ist / diese Faust hat den dreiköpfichten Hund /den die Schlange (Echidna / die Schlangenfrau / die Halbschlange / Halbfraue war / dem Tifon) gebohren / aus der fünsteren Hölle hervorgezogen; wie auch Virgiel / im 6 B. vom Eneas:


CERBERUS HÆC INGENS LATRATU REGNA TRIFAUCI
PERSONAT, ADVERSO RECUBANS IMMANIS IN ANTRO,

der ungeheure Höllenhund Zerber erfüllet dieses Höllenreich mit dem Gebälle seines dreifachen oder dreischnauzichten Rachens; indem er in der nächstgelegenen Höhle lieget / und lauret: und Tibullus / in seinem 3 Buche:


[504]
NEC CANIS ANGUINEÂ REDIMITUS TERGA CATENÂ
CUI TRES SUNT LLNGU Æ, TERGEMINUMQUE CAPUT.

Auch nicht der Höllenhund / dessen Rükken mit einer Schlangenkette ümgeben / und der drei Zungen / und einen dreifachen Kopf hat. Ja Horatz selbsten beschreibet diesen Höllenwächter / wiewol er ihn anderwärts ein hundertköpfichtes Untier nennet / im 3 B. seiner Leierlieder / gleichesfals mit drei Zungen / wan er saget:


CESSIT IMMANIS TIBI BLANDIENTI
JANITOR AULÆ
CERBERUS: QUAMVIS FURIALE CENTUM
MUNIANT ANGUES CAPUT EJUS, ATQUE
SPIRITUS TETER, SANIESQUE MANAT
ORE TRILINGUI.

Zerber / der abscheulich-greulichen Höllenburg Tohrhühter / wich dir selbst aus dem Wege / da du ihm liebkosetest: wiewohl üm seinen grimmigen Kopf herüm hundert Schlangen schlingern / auch ein giftiger Ahtem / und stünkender Eiterschaum aus seinem dreizüngichtem Rachen flüßet.

Eben also eignet ihm Ovidius auch drei Zungen oder vielmehr drei Hälse zu / wan er spricht:


EXORANDA CANIS TRIA SUNT LATRANTIA COLLA,

Man mus des Höllenhundes drei bällende Hälse / das ist drei Köpfe / darzu erbitten.

Weil aber mehrgemeldtes Greueltier / nach dem gemeinen Wahne / wie es Apollodor / in seinem 2 B. beschreibet / einen Drachen- oder Schlang-schwantz /und nicht allein drei Hundesköpfe / sondern auch auf dem Rükken unterschiedliche Schlangenköpfe gehabt; daher Katullus / am itzt angeführten Orte / seinen Rükken mit einer Schlangenkette gleichsam ümwunden / ja Horatz auch seinen Kopf mit hundert Schlangen / die üm denselben / an Haare stat / gezottelt und geschlottert / abgemahlet: so hat ihm Hesiodus fünfzig Köpfe zugeeignet. Seine Worte lauten / in seiner Göttergebuhrt / hiervon also:


[505]
Δεύτερον αὖτις ἐτίκτεν ἀμήχανον, οὔτι φατειόν,
Κέρβερον, ὠμηστὴν, Ἀίδεω Κύνα χαλκεόφωνον,
πεντηκοντακάρανον, ἀναιδέα τε, κρατερόν τε,

darnach gebahr sie (die eben itzund erwähnte Halbjungfrau Echidna / aus dem Beischlafe des Sturmwindes Tifons) wieder den grimmigen / unfreundlichen /und fressichten Zerber / des Plutons gewaltigbällenden / funfzigköpfichten / unverschähmten und starken Hund.

Ja Isazius dichtet ihm gar noch eins so viel an /nähmlich hundert Köpfe / wan er also schreibet: alda /(in der Hölle) sagen sie / sollen der Menschen Seelen sein; welche des Plutons Hund / der hundert Köpfe hat / bewahret. Sie sagen auch überdas / er heisse die Ankommenden Seelen mit liebeln wilkommen: aber die Ausgehenden treibe er zurük. Darüm wan sich etwan eine zu entschnappen unterstünde / die ergriffe er straks / und freße sie auf.

Hiemit stimmet auch Horatz überein / wan er / im 2 B. seiner Leiergesänge gemeldten Hundes mit folgenden Worten gedenket:


QUID MIRUM? UBI ILLIS CARMINIBUS STUPENS
DEMITTIT ATRAS BELLUA CENTICEPS
AURES; & INTORTI CAPILLIS
EUMENIDUM RECREANTUR ANGUES,

was für ein Wunder ist es? indem das hundertköpfichte Tier / über diese Lieder (der Saffo / und des Alzäus) bestürtzt / seine schwartze Ohren lest hängen; und die Schlangen / die in den Haaren der Rasereien /oder Höllischen Plagegespänster verwürret liegen /und krübbeln / sich daran erlustigen.

Wiewohl nun alles dieses / was die alten Dichter ihrem Kerver oder Zerber zueignen / sie mögen ihn als einen Drachen oder eine Schlange / oder aber als einen Hund / oder auch als einen Schlangenhund / das ist Halbhund / und Halbschlange / beschreiben / überal für ein Mährlein und Dichtwerk gehalten wird; so scheinen sie doch den Faden hierzu nicht bloß aub ihrem müßigen Gehirne / sondern zugleich und zuförderst aus zweierlei wahrhaftigen Geschichten / welche sie / ein einiges [506] Mährlein daraus zu schmieden / ihrer Gewohnheit nach / zusammen und durcheinander gemischet / angesponnen zu haben.

Nähmlich wan sie ihren Kerver oder Zerber / als eine Schlange oder Halbschlange / oder aber als ein Untier / mit vielen Schlangen und Nattern gleichsam bewachsen / beschrieben / das ist aus der Lakonischen Geschicht von der ungeheuren Tenarischen Schlange geflossen: welche / wie Pausanias und Hekatäus uhrkunden / in einer tieffen / schlammichten / und fünstern Kluft oder Gruft / vol abscheulichen Geheules und Gereusches / des Tenarischen Vorgebürges /nicht weit von Sparta / ihr Schlaufloch gehabt / und so giftig gewesen / daß sie / durch ihren Bis / iederman / der ihr zu nahe gekommen / von Stunden an getöhtet; daher sie auch ohne Zweifel den Nahmen Kerver / Κέρβερος, welches aus, Κρεόβορος, das ist Fleischfresser gebildet zu sein scheinet / indem sie zu gleich das Fleisch der ertöhteten Menschen und Tiere gefressen / bekommen / ja endlich gar der Höllische Hund / von ihrem abscheulichtöhnenden und gleich als klaffendem Gezische / genennet worden. Ja es stärket mich in solcher Meinung noch dieses / daß die Alten gemeldte Kluft für den Eingang zur Hölle gehalten; wie / unter andern / Virgiel seinen Wahn hiervon frei heraus bekennet / wan er / im 4 B. seines Gedichtes vom Feldbau / mit folgenden Worten sich hören lesset:


TÆNACRIAS ETIAM FAUCES, ALTA OSTIA DLTIS,


das ist / auch den Tenakrischen Schlund / das hohe Tohr des Höllenwühterichs. Hierzu komt auch / daß man gedichtet / Herkules habe diese Schlange / durch eben dieselbe Tenakrische Kluft oder Höhle / herauf aus der Hölle geführet: da sie dan / so bald sie das Tagesliecht erblikket / einen abscheulichen giftigen Schaum auf das Erdreich gespiehen; daraus die Tol-oder Teufels-wurtz / welche sonst auch Wolfswurtz /und Eisenhuht / von den Griechen aber und Lateinern ACONITIS genennet wird / sei aufgewachsen: wie Strabo / in seinem 8 Buche / bezeuget.

Wan sie aber eben demselben Kerver die Gestalt eines Hundes [507] angedichtet / oder ihm einen dreifachen Hundeskopf zugeeignet / des haben sie aus der Begäbnis des Piritous / welcher Ixions / des unglüklichen Königes der Lapiter in Tessalien / eben so unglüklicher Sohn und Nachsas im Reiche war / genommen. Dieser Piritous entführete / mit dem Teseus / des Atehnischen Königes Egeus / aus der Etra / Sohne /und Nachsassen / wie Strabo im 9 B. meldet / die weltberufene schöne Helene: die nachmahls auch Paris geraubet; da dan / aus ihren durch Reue entstandenen Trähnen / das zur Liebe reitzende Kraut / wan es im Weine getrunken wird / welches / nach ihrem Nahmen / die Griechen ελένιον, die Lateinei auch HELENIUM, ja wir selbsten / wiewohl etwas verändert / Aland / als sagte man Helend / nennen / entsprossen zu sein Alexander Kornelius / in seinen Frigischen Begäbnissen / aufgezeichnet.

Weil aber Piritous die Geraubte seinem Gefährten /dem Teseus / der sie durch das Loß gewonnen / zu besitzen überlaßen muste; so muste Teseus dagegen /aus Kraft ihrer zuvor erneuerten und fester geschlossenen Freundschaft / und ihres, unterlichen mit einem Eidschwuhre bekräftigten Vergleichs / dem Piritous /im entführen einer andern dergleichen Schönheit /wiederüm hülfliche Hand leisten. Dem zur folge begab sich dan dieses getreue Freundepaar in das Epirische oder Tesprotische Reich / zum Könige der Molossen / dem Adoneus / welcher zugleich Pluto und Dis / oder Aistes und Orkus Ines / dessen aus der Zeres fürtreflich schöne Königliche Tochter Proserpine zu rauben. Dan weil der Königliche Vater / unter andern großen und starken Hunden / die man in Molossien / daher es auch diesen Nahmen bekommen / in großer Mänge fand / einen gewaltig-ungeheuren Kettenhund / der Kerver hies / hatte / mit dem alle Freuer der Proserpine zuvor fechten musten / ehe man den Zutrit ihnen vergönte; da sie dan von ihm / sofern sie den kürtzern zogen / alsobald gefressen warden: so wolte Piritous sein Leben keines weges so lüderlich auf die Wageschahle setzen; sondern entschlos sich itztgenente Königliche Schöne mit List zu entführen. Doch diese List mislung. Der Anschlag schlug fehl. Die Sache brach aus. Beide / Piritous und Teseus /warden gefangen: ja jener dem Kerverhunde [508] / der ihn auch auffraß / wie Seneka / in seinem Herkules / meldet / straks vorgeworfen; dieser aber / weil ihn die Sache des Piritous selbst nicht eigendlich anging / mit dem Leben begnadigt / doch gleichwohl / bis auf des Herkules Ankunft / der ihn erlösete / gefänglich gehalten.

Auf itzterzehlte Weise haben diese Begäbnis zwar Plutarch / in seinem Teseus / und Zezes / im 2 hunderte seiner Geschichte / der Nachwelt hinterlaßen. Aber Pausanias meldet / in seinen Attischen Händeln / daß Piritous und Teseus die Proserpine nicht mit List zu rauben sich unterfangen; sondern sie hetten den König der Molosser mit gewafneter Macht / ihm die Königliche Tochter abzuzwingen / überfallen: da dan Piritous / mit seinen meisten Völkern / in der Schlacht geblieben / Teseus aber gefangen worden.

Aus dieser Begäbnis haben die alten Dichter nachmahls / unter andern / gedichtet / daß gemeldte beide Helden sich, hinunter in die Hölle begeben / und dem Pluto seine Gemahlin die Proserpine zu entführen unterwunden: welches dan Virgiel / in seinem 6 B. vom Eneas / selbsten berühret / wan er also spricht:


NEC VERÖ ALCIDEM ME SUM LÆTATUS EUNTEM
ACCEPISSE LACU; NEC THESEA, PIRITHOUMQUE:
DÎS QUANQUAM GENITI, ATQUE INVICTI VIRIBUS ESSENT.
TARTAREUM ILLE MANU CUSTODEM IN VINCLA PETIVTT,
IPSIUS À SOLIO REGIS TRAXITQUE TREMENTEM.
HI DOMINAM DITIS THALAMO DEDUCERE ADORTI.

Auch war es mir nicht lieb (redet der Höllische Fährman Karon) den ankommenden Herkules wie auch den Teseus / und Piritous mit auf den Höllenflus zu nehmen: ob sie schon von den Göttern gezeuget / und einer unüberwindlichen Tapferkeit waren. Dan jener hat den Höllischen Wächter (Kerver) in die Fessel geschlagen / und von des Höllischen Königes Reichsstuhle selbst / dahin er sich zitternde begab / weggerissen: ja beide haben sich gar die Gemahlin des Plutons aus seinem Ehbette zu entführen unterfangen.

[509] Zudem haben auch eben dieselben Dichtmeister ihren Höllenflus Acheron selbsten aus dieser Gegend / da sich gemeldte Geschicht mit dem Piritous und Teseus begeben / genommen. Dan daß ein sogenenter Flus aus dem Epirischen Seebusem Acheruse / bei der Stadt Heraklee / nicht weit von Sinape / sich ergossen / und bei demselben ein Ort / den man für den Eingang zur Hölle gehalten / gewesen / dadurch auch Herkules den Höllenhund Kerver sol herauf geschleppet haben / bezeuget Aretades / im 2 B. seiner Mazedonischen Geschichte / und Apollonius / in seinem 2 Buche / sowohl selbst / als dessen / und Nikanders Anmärker / wie auch Pomponius / Nimfis / und Strabo / im 5 Buche.

So sehen wir dan alhier / aus itzt angeführten / augenscheinlich genug / daß der alten Dichtmeister Künstelwerk nicht allezeit ein solches eiteles und leeres Dicht- oder Mährlein-werk sei / darunter gar nichts wahres verborgen / wie etwan die alten Spinweiber herzuschwatzen pflegen; sondern mehrern teils entweder aus wahrhaftigen Geschichten / oder aus der Angebohrenheit der Dinge / oder auch aus der Sittenlehre / ja zuweilen aus allen dreien zugleich geflossen.

Was die Angebohrenheit oder angebohrene Kraft der Dinge betrift / so darf ich schier sagen / daß sie durch ihren dreischnauzichten Höllenhund Kerber /indem sie gedichtet / daß ihn Tifon / dadurch sie die Hitze der Sonne verstehen / mit der Echidna / das eine Natter heisset / die ein gantz kaltes Ungeziefer ist /gezeuget / die Gebuhrt der Natürlichen Dinge gleichsam abbilden wollen: weil diese Gebuhrt aus der Vermischung solcher hitzigen und kalten Eigenschaft oder Sotabnigkeit eigendlich entstehet.

Wan sie ferner dichten / daß der Höllenhund den Eingehenden geschmeuchelt / und die Ausgehenden abgeschrökket und zurük getrieben; so scheinet es /daß sie dadurch die Eigenschaft der Natur bezeichnen wollen: welche den Eingehenden in das Leben liebkoset / den Ausgehenden aber widerstrebet / als eine solche / die aus eigner Ahrt das Sterben scheuet.

Auch kan die fünstere schlammichte Höhle / darinnen Kerver sein Lager gehabt / auf die Unwissenheit seiner selbst / [510] und den Unflaht / daraus alles entsprüßet / gedeutet werden: wo man hierdurch nicht lieber die fünsteren Gräber verstehen wil; darinnen auch die Nattern / welche man dem Kerver angedichtet / gern zu wohnen / und das Fleisch der Abgeseelten / wie von ihm gemeldet wird / zu verzehren pflegen: daher auch der Höllenhund Kerver / das ist Fleischfresser /genennet zu sein scheinet.

Was endlich die Sittenlehre betrift / darinnen kan mehrgemeldter Höllenhund nichts besser und eigendlicher abbilden / als den Geldgeitz / und die Begierde des Reichtuhmes: weil sein Herr selbsten sowohl / als dessen Sohn / der auch deswegen / wie Aristofanes /und Timokreon melden / vom Jupiter geblendet zu sein scheinet / wiewohl es Teokritus / und Plato leugnen / über die Reichtühmer geherschet: daher dan jener Pluto und Dis / dieser aber Plutus / beide vom Reichtuhme genennet worden. Dan wie Kerver den Ankommenden Seelen sein Wohlgefallen / mit Ohrenspitzen und Schwantzwedeln / den Weggehenden aber sein Misfallen / mit erschröklichem Bällen / bezeuget: so empfänget der Geitzhals den ankommenden Reichtuhm mit großen Freudenbezeigungen; wan er aber nur etwas darvon missen / und ausgeben sol / ob es auch schon die höchste Nohtwendigkeit erfordert /alsdan ist er so karg / so filtzicht / so hündisch / und ahrtet dem Höllenhunde so eigendlich nach / daß er darwider bället / und bälvert / ja für Widerwillen schier tol zu werden beginnet.

Wie ferner aus diesem Untiere schier unzehliche Schlangen und Schlangenköpfe hervorrageten; so sprüßen aus dem Geitze / dem eigenen Brunnen alles Ubels / schier unzehlige Laster und Sünden / ja nicht weniger Gefährligkeiten. Wie eben dasselbe in einem düsteren unflähtigem Schlaufloche hausete; so hauset auch der Geitz / als das allerhäslichste Laster / in einer fünstern und garstigen Seele / ja der Geitzige gesellet sich zu keinen / als unflätigen Garsthämmeln /und lieget / mit der Sündennacht ümfangen / gleich als im stünkenden Modder aller Untugenden versunken: da er weder ihm / noch dem Nächsten dienet /und weder seine / noch eines andern Ehre suchet.

[511] Wie endlich mehrgemeldtes Greueltier mit drei Hundesköpfen zugleich bället / zugleich beisset / zugleich frisset; so siehet man den Geitzhals / mit dem dreifachen Hauptlaster der Vergessenheit GOttes / des Nächsten / und seiner selbst / sich zugleich wider GOtt / zugleich wider seinen Nächsten / und zugleich wider sich selbst versündigen: wo man nicht vielmehr durch seine drei Hundesschnautzen / mit meinem Simson / den Müßiggang / die Sünde / und den Zorn GOttes / das dreifache Ubel im Menschlichen Leben; oder aber noch vielmehr / mit dem seeligen Luhter /die Sünde / das Gesetz / und den Tod / darunter die erste zur Geschicht / das zweite zur Sittenlehre / der dritte zur Natur kan gezogen werden / verstehen wolle.


Zur 8 Einteilung.


Nichts in der Welt ist leichter / als Sündigen.] Der Weg zur Untugend / seind des Plato Worte / ist leicht / aber zur Tugend schweer: weil wir alle von Natur heimlich und öffendlich zu sündigen geneugt seind; wie Diodor saget. Hierher gehören mit diese des Tullius Worte: HUMANUM EST ERRARE, SED FERINUM PERSEVERARE IN ERRORE, Irren ist Menschlich; aber im Irtuhme verharren ist Viehisch: welche anderwärts eben derselbe / etwas verändert /folgender gestalt ausspricht: CUIVIS EST HOMINIS ERRARE: NULLIUS, NISI INSIPIENTIS, PERSEVERARE IN ERRORE, einieder Mensch irret: aber keiner / als ein Tohr / bleibet im Irtuhme. QUILIBET MORTALIUM ERRORIBUS OBNOXIUS, einieder unter den Sterblichen ist den Irtühmern unterworfen /sagt fast auf eben den Schlag Guikziardien. Salomon zielet eben dahin / wan er / im 20 h. seiner Sprüchwörter / also spricht: wer kan sagen / ich bin rein in meinem Hertzen / und lauter von meinen Sünden? Wie auch Job im 24 Hauptst. seines Buchs: wer wil einen Reinen finden / da keiner rein ist: und Esaias im 64 h. seiner Weissagung: Wir seind alzumahl / wie die Unreinen / und alle unsere Gerechtigkeit ist vor GOtt / wie ein unflähtiges Kleid.


[512] Zur 9 Einteilung.


An ihres GOttes stat ehreten sie fremde Götzen.] TURBATA RELIGIO POLITIAM TURBAT, der verunruhigte Gottesdienst verunruhigt den Staht / sagt Lipsius / in seinem Buche vom Gottesdienste. Ja er füget hinzu: À NULLÂ RE MAJUS PERICULUM IMPERIIS & SCEPTRIS, QUÀM AB INNOVATÂ & INSIMULATÂ RELIGIONE, nichts bringt den Herschaften und Königen grössere Gefahr / als der veränderte und heuchlerische Gottesdienst. Hierher gehöret auch dieses des Tullius: PIETATE ADVERSUS DEOS SUBLATÂ, FIDES ETIAM, & SOCIETAS GENERIS HUMANI, & UNA EXCELLENTTSSIMA VIRTUS, JUSTITIA, TOLLATUR NECESSE EST, wo der Gottesdienst aufgehaben wird / da mus auch die Treue / mit der Geselschaft des Menschlichen Geschlächts / und, die fürtreflichste Tugend / die Gerechtigkeit / zugleich nohtwendig aufgehoben werden.

Darum übergab Er sie.] FELIX GRIMINIBUS NULLUS ERIT DIU, keiner / der sich mit Lastern beschmützet / wird lange glüksälig sein / sagt Ausonius: dem Juvenal / in seinem 4 Schimpfgedichte zustimmet / wan er schreibet: NEMO MALUS FELIX, kein Böser ist glüksälig. Hierher gehöret auch dieser Stahtsspruch: CRESCENTIBUS PECCATIS, INDE USQUE AB INITIO CREVIT SERVITUS, & IMPERIORUM ASPERITAS, wo die Sünde zunimt / da hat allezeit vom Begin an die Dienstbarkeit / und harte Herschaft zugenommen: NUL VICE SANS SUPPLICE, kein Laster ohne Strafe / ist der Franzosen Sprichwort: dem nicht ungleich / was Horatz in seinem 5 Leierliede des 4 B. saget: CULPAM PŒNA PREMIT COMES, die Strafe folgt der Sünde straks auf den Hakken nach. Ja es reimet sich hierher am allerbesten / was ebenderselbe im 2 Leierliede seines 3 B. singet:


SÆPE DIESPITER
NEGLECTUS, INCESTO ADDIDIT INTEGRUM.
RARÒ ANTECEDENTEM SCELESTUM
DESERUIT PEDE PŒNA CLAUDO,

Der verunachtsamte Gott Jupiter hat oftmahls den Keuschen / mit dem Unkeuschen / den Unschuldigen /mit dem Schuldigen [513] / gestraft. Die verzügerte Strafe /wiewohl sie gleich als auf Steltzen gehet / folget dem Bösewichte doch allezeit auf dem Fuße nach. Auf diese Worte habe ich auch mein Absehen gehabt / als ich zum 20 Gemälde meiner Horazischen Sittenlehre /folgende Reimbände fügte:


Die Rache schleicht dir nach / gleich als mit Kröplem Gange:
doch steht sie nimmer stil. Verweilt sie sich was lange /
so streicht sie schärfer zu / und bringt die Straf' und Pein /
dir / der du andre strafst / doch endlich zweifach ein.

Zur 12 Einteilung.


Dessen Gebuhrt.] Hiervon meldet das Buch der Richter im 13 Hauptst. wie auch der mehrangeführte Jüdische Geschichtschreiber Flav[ius] Jos[ef] in der 10 Abteil. seines 5 Buches.

Ja als der Sonne selbst ihres Heiles.] Durch hiesige Worte zielen wir so wohl auf Simsons Nahmen / als auf Jakobs des Ertzvaters Weissagung. Diese lautet /im 48 Hauptst. des 1 B. Mos(e) / da er seinen letzten Willen oder vielmehr Segen seinen Söhnen giebet /also: Dan wird Richter sein in seinem Volke / wie ein anderes Geschlächt in Israel. Dan wird eine Schlange werden auf dem Wege / und eine Natter auf dem Steige / und das Pferd in die Ferschen beissen / daß sein Reiter zurükfalle. HERR / ich warte auf dein HEIL. Hiervon kan Val(erius) Herberger / in der 58 Uberdenkung seines 4 Teiles von den Großen Tahten GOttes / gelesen werden. Der Nahme Simson aber heisset in seiner Grundsprache / nach der meisten Gottsgelehrten Verdeutschung / soviel als Sonneman / oder /wie ihn andere erklähren / ihre / nähmlich der Israeler / Sonne / oder aber die Sonne derselben / SOL EORUM: weil er / Simson selbsten / des Volkes Israels Landessonne sein solte / und solcher sein Nahme שמשון zweifelsfrei aus dem Worte שמש, das ist Sonne / gebildet; darinnen auch dieses שמשות FENESTRÆ, die Fenster / da die Sonne durchhinscheinet / seinen Uhrsprung findet: wiewol Flav(ius) Josef / und ihm zur folge der Wälsche Pallavizien / in seinem Simson / diesen Nahmen vom Ebräischen [514] Worte שמיר, oder /wie es Sebast(ian) Münster schreibet / שמר, das bei dem Jeremias / im 17 Hauptstükke / so viel heisset /als שמן ROBUSTUS, TERRIBILIS, stark / erschröklich / oderaber als חזק FORTTS, ROBUSTUS, tapfer, kräftig / wie auch / im 3 Hauptst. des Ezechiels /ein Demant / herzuleiten scheinen; daher sie ihn dan beiderseits SAMSON, als wan im Ebräischen geschrieben stünde שמשון, und nicht SIMSON aussprechen. Des Pallaviziens / durch den Herrn von Stubenberg / unter den Durchleuchtigen Fruchtbringenden den Unglüksäligen / verhochdeutschte Worte seind hiervon folgende: mit dem Nahmen SAMSON / welcher Kräftig oder Stark heisset / richteten sie ihm die Ehrenseule auf / ehe dan er noch das Fußgestelle seiner herlichen Siege gelegt hatte. Fast eben also schreibet auch Flav(ius) Josef im 5 B. der Jüdischen Altheiten: NATO DEINDE INFANTI SAMSON EST NOMEN INDITUM, QUOD ROBUSTUM SIGNIFICAT: QUI MOX EGREGIÂ ANIMI AC CORPORIS INDOLE PRÆDITUS, PRO-MISSO CAPILLITIO, VICTUS QUE SOBRIETATE DIVINUM NESCIO QÜID PRÆ SE FEREBAT, dem erstgebohrnem Knaben ward nachmahls der Nahme Samson /welches stark heisset / gegeben: und er / dessen Gemühts- und Leibes-gaben fürtreflich waren / schien straks ich weis nicht was götliches / durch sein abhängendes langes Haar / und seine sehr mäßige Lebensweise / anzuzeigen.


Zur 13 Einteilung.


Simson Danssohn.] Also verdeutschen wir des Simsons Ebräischen Bei- oder Zu-nahmen בדן, BEDAN, den ihm der Verfasser des 1 Buchs Samuels / im 12 Hauptst. giebet / und der seelige Luhter selbst / in seiner Hochdeutschen Ubersetzung behalten / wan er also schreibet: da sandte der HERR Jerub Baal /Bedan / Jeftah / und Samueln; und er errettete euch von eurer Feinde Händen ümher / u.s.f. Dieser Nahme Bedan / das ist der Sohn des Dans / ist aus zwei Wörtlein בן und דן, Ben und Dan zusammengezogen /und darinnen das erste נ oder N / hinter dem Wörtlein oder Wortgliede בן, BEN, das ist Sohn / weggeworfen. Dergleichen Ausstoßung des נ oder N bei gemeldtem Wörtlein / die in der Ebräischen Sprache / [515] sonderlich in Bildung der Eignen Nahmen / nichts neues oder ungemeines ist / befindet sich / unter andern /auch im Kartagischen Nahmen בענק, BEANAK; welches volkommen ענק־בן, BEN-ANAK, das ist der Sohn Anaks oder Anakssohn / wie man sonst eigendlich einen Riesen / sonderlich einen solchen / der einer aus Anaks Nachkommen ist / zu nennen pfleget /heissen solte. Ja selbst im Wörtlein,בת, BATH, das ist eine Tochter / welches aus בנת, BENETH gebildet / fället eben dasselbe vor. Hierbei können wir nicht unterlaßen beileuftig zu erinnern / daß die Griechen /aus dem eben itzund angeführten verzwiktem WORTE BEANAK, erstlich / wie es scheinet / nach ihrer gewöhnlichen Weise / PHEANAK, darnach garφοίνιξ, und aus diesem die Lateiner wiederüm PHŒNIX, ja selbst ihr PŒNUS und PUNICUS gebildet. Und also ist endlich ausfündig gemacht / daß der Föniker oder Fönizier Nahme / über dessen Erklährung Skaliger / Füller / und viel andere hochgelehrte Sprachengrübler ihre Köpfe tapfer zerbrochen / nirgend andersher gebildet worden / als aus dem einigen ענק־בן, BEN-ANAK, das ist Anakssohn / oder ענק־בני, BENE-ANAK, das ist Anakskinder.


Zur 14 Einteilung.


Tugend kennet keinen Haustrümmel.] Hierher gehöret / was Putean / in seiner 9 Rede saget: CÙM NIMIUM DESIDET DITIORIS INDOLIS VIGOR IN SINU MATERNO, CONTABESCIT. PEREGRINA-TIONE DELENDA PARENTUM INDULGENTIA, UT À PUERITIÂ JUVENTUTIS ILLE GENIUS DISCERNATUR. ALIOS ANNOS ALII MORES DECENT, & ALIOS MORES ALII ANNI DOCENT. SEMPER ILLE PUER, QUI DOMI EST; QUI EXTRA PATERNI AGELLI AMBITUM SOLEM NON VIDIT, wan ein wakkeres Gemüht / im mütterlichen Schoße / zu lange faulentzet / wird es schläfferig und schmächtig. Durch Reisen in die Fremde /mus man der Eltern Verzährt- und Verhähtschelung entwohnen; damit der Jugendgeist von der Kindheit unterschieden werde. Anderen Jahren geziemen andere Sitten / und anderen Sitten dienen andere Jahre. Der zu Hause lieget / und ausserhalb seines väterlichen Erbländleins die Sonne nicht siehet / bleibt alzeit ein Kind: [516] wie auch was eben derselbe / an gemeldtem Orte / weiter redet: OPUT HERBAS & FRUCTUS NATURÆ DELQUIO SEROTINAS, PRO-CURATO CALORE, PRÆCOCES REDDIMUS; ITA MENTEM LICETPORTUNÂ PEREGRI NATIONE, wie man Kreuter und Früchte / die aus eigner eingebohrner Schwachheit spähte zu zeitigen pflegen / indem man ihnen Wärme verschaffet / zeitig machet; so wird auch das Gemüht / durch Reisen zu rechter Zeit / in der Fremde gezeitiget.


Zur 15 Einteilung.


Sein Zarea.] So heisset Simsons Gebuhrtsstadt / da sein Vater Manoah oder / wie ihn Flav(ius) Josef nennet / Manoches / aus dem Geschlächte Dans bürtig /wie im 13 Hauptstükke des Buchs der Richter gemeldet wird / wohnete. Zwischen dieser Stadt / und Estaol war das Dannische Läger.


Zur 19 Einteilung.


Als er das erste Morgenroht hinter ihm schimmern sahe.] Hier sagen wir nicht ohne Uhrsache / hinter ihm. Dan Simson / der in das Filisterland zog / welches / nach seinem Vaterlande zu rechnen / gegen Abend zu lag / hatte freilich den Morgen oder Aufgang der Sonne hinter seinem Rükken: wie aus des Esaias Worten erscheinet / wan er in seinem 9 Hauptst. also schreibet: der HERR wird ihre Feinde zu Hauffe rotten / die Sirer / (die nach dem Morgen zu liegen) vornen her / und die Filister / (die gegen Abend an sie grentzen) von hinten zu / daß sie Israel fressen / u.s.w.


Zur 20 Einteilung.


Die fünf Kreuse des Filisterlandes.] Daß dieses Land in fünf sonderliche Fürstentühmer oder Kreuse sei unterschieden gewesen / kan man / unter andern / aus dem Beginne des dritten Hauptst. im B. der Richter leichtlich abnehmen; da der Verfasser desselben also schreibet: Dis seind die Heiden / die der HERR lies bleiben / daß Er an ihnen Israel versuchte; das nicht[517] wuste üm die Kriege Kanaans: und daß die Geschlächter der Kinder Israels wüsten und lerneten streiten / die vorhin nichts darüm wusten. Nähmlich die fünf Fürsten der Filister / u.a.m. Ja noch deutlicher meldet hiervon Samuel im 6 Haubtst. seines 1 Buchs; da zugleich die fünf Hauptstädte des Filisterlandes / in denen die fünf Kreusfürsten Hof hielten /nahmkündig gemacht werden. Seine Worte seind diese: da die fünf Fürsten der Filister zugesehen hatten / zogen sie wieder gen Ekron. Dis seind aber die güldenen Aerse / welche die Filister dem HERRN zum Schuldopfer gaben: Asdod oder Azot einen /Gasa oder Gaza einen / Asklon oder Askalon einen /Gat oder Get einen / und Ekron oder Akkaron einen: und die güldenen Meuse / nach der Zahl aller Städte der Filister unter den fünf Fürsten / u.s.f. Daß aber gemeldte fünf Kreuse der Filister sich dazumahl zu Timnat versamlet gehabt / bezeuget Flav(ius) Josef /in seinem 5 Buche / mit folgenden Worten; als er (Simson) erwachsen war / begleitete er seine Eltern nach Tamna (wie er Timnat nennet) da die Filister eben ihre Zusammenkunft hielten.


Zur 21 Einteilung.


Timnat heisset ein Bild.] Wir lesen in heiliger Schrift von vier unterschiedlichen Städten / welche diesen oder dergleichen Nahmen geführet. Die erste / deren im 1 Hauptst. des 1 Buchs der Zeitgeschichte gedacht wird / war die Hauptstadt der Kinder Edoms / und ein Sitz ihrer Fürsten. Althammer nennet sie / in seinem Buche von den Eigenen Nahmen der heiligen Schrift /THIMNA, Hieronimus aber / in einem dergleichen Werklein / THAMNA. Die andern drei waren / durch das Loß / drei unterschiedlichen Geschlächtern der Kinder des Israels zugefallen: nähmlich die eine dem Stamme des Juda / die andere dem Stamme des Efraims / die dritte dem Stamme des Dans; wiewohl dieser Stam / zu Simsons Zeiten / die seinige noch nicht in würkliche Besitzung gebracht. Die erste dieser drei nennet das Buch des Josua / schier am Ende des Hauptst. Timna / Hieronimus aber / in seinem Werklein von den Ebräischen Oertern / Tamna oder THAMNA, sonsten vom [518] Schafeschähren des Ertzvaters Juda bekant. Die zweite / die an der Nordseite des Berges Gaas / auf dem Gebürge der Kinder des Efraims lag / und dem Josua / dessen Begräbnis sich auch alda befunden / zum Erbteile gegeben worden / ward von den Filistern nicht nur schlechthin Timnat / sondern auch / und öfter Timnat-Heres / חרס־תמנת das ist ein Sonnenbild / oder die Stadt des Bildes der Sonne / von den Israelern aber nachmahls /indem sie das Wörtlein Heres ümkehreten / oder hintersich zurüklasen / סרח־תמנת Timnat-Serah / oder Timnat-Sarah / das ist ein stünkendes Bild / oder eine Stadt des stünkenden Bildes / wie im Buche des Josua das 24 Hauptst. andeutet / genennet. Die dritte /nähmlich dieselbe / die dem Stamme des Dans zugeteilet war / und von der alhier gehandelt wird / nennet das Buch der Richter straks im beginne des 14 Hauptst. Timnat / das Buch des Josua aber im 19 Hauptst. Timnata / und Althammer / in seinem obangeführten Buche / ebenmäßig THIMNATHA, auch Tamna /Flav(ius) Josef Tamna. Und hierbei / darf ich schier sagen / haben die Filister oder auch Israeler allezeit das Wort קרית, das ist eine Stadt / verstanden; also daß der volkommene Nahme vielleicht תמנת־קרית, Kirjat-Timnat / das ist die Stadt des Bildes / heissen sollen: weil sie sonsten solches Wort bei etlichen an dern Nahmen ihrer Städte stähts auszusprächen pflegten: als wan sie sagten /, ספר־קרית Kirjat-Sefer / das ist die Stadt der Lehre / oder סנה־קרית, Kirjat-Sanna /die Stadt des Gesetzes / oder ארכי־קרית, Kirjat-Arche /URBS ARCHIVORUM, die Stadt des Ertzschreines; welche drei Nahmen die einige Stadt Debir / im Stamme des Juda / führete: wie auch ארבע־קרית, Kirjat-Arba / die Stadt der Viere / oder des Arba / der sie erbauet; die ebenmäßig im Stamme des Juda lag / und nachmahls den Kindern des Levi eingereumet ward: welche sie / nach dem Nahmen des Sohns Kalebs /Hebron הברון genennet: und den בעל־קרית, Kirjat-Baal / sonst auch בעלה und יערים־קרית, eine Stadt der Hiveer / im Stamme des Juda. Ja wer wil in Abrede sein / daß oberwähnte vier Städte nicht darum also genennet worden; weil man in dieser dieses / in jener jenes Götzenbild / oder auch etliche zugleich / für andern Städten geehret.


[519] Zur 23 Einteilung.


Hebe / welche vor Alters / wie Pausanias / in seinen Korintischen Geschichten / meldet / auch Ganimede /und nachmahls bei den Lateinern JUVENTAS, das ist die Jugend / weil man sie für eine Göttin und Vorsteherin der Jugend / und des jugendlichen Wohllebens hielt / genennet worden / war eine Tochter des Frigischen Jupiters / des Tros / Königes zu Trojen / oder /wie Echemenes gemeinet zu haben scheinet / des Kretischen Jupiters / des Minos / und der Frigischen /oder aber Kretischen Juno / das ist Königin: welche /nachdem sie sich / im Gastmahle des Apollons / durch starken Wein zu sehr erhitzet / einen Lattichsalat gegessen / und damit die überflüßige Hitze / die sie zur Empfängnis und Gebuhrt untüchtig / und unfruchtbar gemacht / gleichsam abgekühlet / und so wohl gemäßiget / daß sie mit dieser Hebe schwanger geworden. Weil nun die gebohrne Tochter überaus schön war /hat sie gemeldter Jupiter / wie Homerus / im 4 Buche seines Heldengedichtes von Trojen / meldet / nicht allein zu seiner Tafeldienerin und Mundschenkin bestellet / sondern auch gar zur Vorsteherin der Jugend gemacht / und nachmahls selbst dem Herkules / wie eben derselbe Homerus / im 11 Buche seines Heldengedichtes vom Ulisses / bezeuget / sobald er in den Himmel aufgenommen worden / vermählet. Daß sie aber / im Tafeldienen / sol gestulpert / und einen solchen Fal getahn haben / daß sie das jenige / was die natürliche Zucht verborgen haben wil / ohnvorsichtig / im beisein aller Umstehenden / entblößet / und der schöne Jüngling Ganimedes deswegen an ihre stat /zum Mundschenken bestellet worden; hierdurch haben die Alten Dichtmeister ohne Zweifel auf den Abgang der Jugend / und des Sommers / den Hebe bezeichnet / und die Ankunft des Alters / und Winters /dadurch Ganimedes verstanden wird / ein Auge gehabt: wo man nicht lieber sagen wil / daß Hebe /damit ihr hinfort solches Unglük nicht wieder zustoßen möchte / ihre leichten und leichtlich aufflügenden Frauenkleider in Manskleider verändern / und sich also in einen Ganimedes gleichsam verstellen müssen. Aber hiervon wird [520] mein Dichterischer Sternhimmel am 92. 93. und 94 Bl. im Wassermanne / und im Antinous am 180 Bl. wie auch Natalis Komes / im 5 Hauptst. seines 2 Buches von den Erklährungen der Dichterischen Mährlein / und Ravisius Textor / im 8 B. seines Schauplatzes / am 839 Bl. ein mehres berichten.

Omfale / eine Königin in Lidien / hatte den Herkules / durch ihre Schönheit / dermaßen entzükt / daß er / ihr zu gefallen / wie Donatus / bei dem Terentz / angemärket / selbst gesponnen; indem sie / an stat des Spinkorbes und Wokkens / Pfeil und Keule / ja an stat Weiberkleider / die Leuenhaut / welche sonst Herkules zu tragen pflegte / zur Dekke gebrauchete: welches ihm dan seine Dejanire / bei dem Oviden /sehr hoch aufgemutzet / und als eine große Schande zugerechnet. Daher schreibet auch Propertz / in seinem 3 Buche:


OMPHALE IN TANTUM FORMÆ PROCESSIT HONOREM,
LYDIA GYGÆO TINCTA PUELLA LACU,
UT QUI PACATO STATUISSET IN ORBE COLUMNAS,
TAM DURÂ TRAHERET MOLLIA PENSA MANU.

Omfale / die Lidische Jungfrau / die im Gigischen Seebusem sich gebadet / hat die Schönheit ihrer Gestalt zu so hohen Ehren gebracht / daß derselbe / der die zwo Seulen in der befriedigten Welt aufgerichtet /das ist Herkules / mit so harter Faust den weichen Wokken zog.

Jole war des Euritus / Königes in Etolien Tochter; die dem Herkules versprochen / aber nachmahls wieder versaget ward: weil ihr Bruder / der ihn beschuldigte / daß er seine vorige Frau / die Megäre / zusamt den Kindern / die er mit ihr gezeuget / umgebracht /solches abgerahten. Daher verwandelte sich dan die Liebe des Herkules in einen so heftigen Zorn / daß er der Geliebten Vaterland zu grunde verwüstete / ja den Vater selbsten / mit seinen Söhnen / töhtete; wie Virgiel / im 8 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas /bezeuget / und Servius darbei noch ein mehres angemärket. Nach dieser grausamen Taht / oder vielleicht noch mitten in derselben / sol sich die Königliche Tochter Jole selbst von der Mauer herab gestürtzet haben; wie Plutarch aufgezeichnet.

[521] Briseis war eine sehr anmuhtige schöne Jungfrau /oder vielmehr Magd von Laresse / aus Frigien; welche / nachdem sie gefangen worden / dem Achilles /des Königlichen Fürstens Peleus / und der Tetis Sohne / dem Tapfersten aller Griechen / wie ihn Homerus / im 9 B. seines Heldengedichtes von Trojen /beschreibet / und derselben Feldherrn vor Trojen /durch das Loß zufiel; aber ihm nachmahls / durch den Mizenischen König Agamemnon / des Königs Menelaus Bruder / den Tullius einen König aller Könige nennet / abhändig gemacht ward: daher dan Achilles /aus großem Unwillen / wie sehr man ihn gebähten /wie reichlich man ihn beschenket / ja selbst bedreuet /keines Weges mehr fechten wollen / bis er endlich vernommen / daß sein liebster Spiesgeselle / durch den Hektor / erschlagen sei. Dessen gedenket Horatz /im 4 Leierliede seines 2 Buches / mit folgenden Worten:


– – PRIUS INSOLENTEM.
SERVA BRISEIS NIVEO COLORE
MOVIT ACHILLEM.

Die Magd Briseis bewegte / durch ihre schneeweisse Farbe / den zuvor verwägenen und tapfermühtigen Achilles: wie auch Mantuan / wan er spricht:


ÆSTUAT, AMISSÂ BRISEIDE, MAGNUS ACHILLES,
LANGUET, & ARGOLICIS FERRE RECUSAT OPEM.

Der große Achilles brennet für Zorne / ja er lesset die Hände sinken; und versaget den Argoliern seine Hülfe; nachdem er seine Briseis verlohren. Hiervon kan auch Homerus / im 1 B. seines Heldengedichtes von Trojen / wie auch Ovidius / im 11 seiner Verwandlungsbücher / und im 8 seiner Sendeschreiben /gelesen werden.

Andromede war des Mohrenkönigs Zefeus / und der Kassiope Tochter; welche bei der Stadt Joppe /wegen der Hofart ihrer Mutter / die sich gerühmet die Nereinnen an Schönheit zu überträffen / an eine Klippe fest gebunden / und einem ungeheuren Walfische zu verschlingen vorgesetzt / vom Argolischen Königlichen Fürsten aber / dem Perseus / des Argischen Jupiters Prötus / und der Danae Sohne / von dieser Gefahr [522] erlöset / und geehliget ward: wie Herodotus / im 7 B. Euripides / in seiner Andromede / Kares / im 2 B. Strabo / im 1 und 16 B. Plinius / im 13 und 31 Hauptst. des 5 B. und im 5 Hauptst. des 9 Buchs seiner Natürlichen Geschichte / Vossius / im 30 Hauptst. des 1 B. vom Götzendienste / wie auch Aristides / Dionisiokles / Pindarus / Hesiodus / Simonides / in seinem Perseus / Ovidius / Libanius / Verulamius / und viel andere so wohl Geschicht- als Gedicht-schreiber mehr bezeugen. Aus dieser des Perseus / und der Adromede glüklichen Ehe ward / unter andern Kindern /derselbe Perseus gebohren / von dem die Perser / wie Herodotus / im 7 B. uhrkundet / ihren Uhrsprung gewonnen / und die Pfeile / wie Plinius im 56 Hauptst. seines 7 B. bezeuget / zum allerersten erfunden worden. Sonsten gedenket auch dieser Geschicht Propertz / im 1 B. mit diesen Worten:


QUALIS & ACCUBUIT PRIMO CEPHEIA SOMNO,
LIBERA JAM DURIS COTIBUS ANDROMEDA.
und dan im 2 B. wan er spricht:
ANDROMEDE MONSTRIS FUERAT DEVOTA MARINIS.
HÆC EADEM PERSEI NOBILIS UXOR ERAT.

Daß endlich nicht nur Andromede / mit ihrem Perseus / sondern auch ihr Königlicher Vater Zefeus / ja selbst ihre Mutter / die übermühtige Kassiope / an den Himmel / unter das Gestirn / gesetzt worden / darvon geben uns Nachricht Aratus / Higinus / Manilius /Dezimator / und alle dieselben / die von den Gestirnen oder Sternzeichen geschrieben. Zuvoraus aber kan hierbei mein Dichterischer Sternhimmel / da ich alles weitleuftig ausgeführet / und was noch erdichtetes in hiesiger Geschicht etwan sein möchte / durch dasselbe / was sich wahrhaftig begeben zu haben scheinet / zu erklähren mich bemühet / bei den Sternzeichen des Zefeus / der Kassiope / der Andromede / und des Perseus / vom 114 Blatte / bis auf das 124; wie auch mein Güldener Regen / ein Gedicht dem Göttlichen Ferdinanden dem Dritten Kristsäligsten Andenkens /auf dem Reichstage zu Regensburg / im 1653 Jahre gewiedmet / gelesen werden.


[523] Zur 24 Einteilung.


Sobald dem Gesichte der Zügel gelaßen wird.] Darüm sagt Isokrates / oder / wie andere wollen / Perikles /als er den Sofokles / einen schönen Jüngling / alzusehr loben höhrete / wie Plutarch im Lebenslauffe der zehen Redner angemärcket: ου μόνον δει τὰς χειρας ἔχειν παρ᾽ αυτω, ἀλλὰ καὶ τους ὀφϑαλμους, es geziemet sich nicht allein die Hände / sondern auch die Augen in seiner Gewalt zu haben.


Zur 31 Einteilung.

Der Weinstok ümarmet ja / aus Liebe / den Ulmbaum.] Daher sagt Ovidius:
HÆC QUOQUE QUÆ JUNCTÂ VITIS REQUIESCIT IN ULMO,
SI NON JUNCTA FORET, TERRÆ ACCLINATA JACERET.

Auch dieser Weinstok / der an der angefügten Rüster ruhet / wan er nicht angefüget were / würde zur Erde niedergesunken ligen. Der Ulmbaum / oder die Ulme /der Ilmenbaum oder die Ilme / welche Wörter / alle viere vom Lateinischen ULMUS gebildet / wird auch gewislich / aus keiner andern Uhrsache / bei uns / mit unserem eigenen rechtdeutschem Worte / Rüster oder Rustbaum / das ist Ruhebaum / genennet / als weil der Weinstok / mit seinen Reben / so gern an der Rüster hänget / und ruhet oder rustet. Es wollen zwar etliche zwischen den Ilmen / und Rüstern einen Unterscheid machen / als wan es zweierlei Beume weren: aber sie irren; indem jener Nahme / wie schon gesagt /aus dem Lateinischen ULMUS flüßet / dieser aber der Hochdeutschen eigener ist / damit sie eben denselben Baum / den die Griechen πτελέα, die Lateiner ULMUS, auch wir zu weilen / ihnen zur Folge / Ulmbaum / Ulme oder Ilmenbaum / oder auch Ilme / nen nen / zu benahmen pflegen. Die Franzosen heissen ihn ORME, die Wälschen OLME, beide gleichmäßig nach dem Lateinischen ULMUS; die Niederdeutschen aber gemeiniglich IEPENBOOM, welches aus dem Hochdeutschen Iffenbaum oder Iffenholtz / oder vielmer Jeper / wie eben derselbe Ulm- oder Rust-baum an etlichen Oertern des Hochdeutschlandes auch heisset / gebildet ist. Sonst gebrauchen die Niederdeutschen [524] gleich so wohl / als wir / das Wort RUSTBOOM, das ist Ruhebaum: dan Rust / als sagte man Ruhest / Ruhst / daher Rühester / Rühster / oder auch Rast heisset bei ihnen / wie bei uns / eben so viel / als Ruhe; wiewohl es bei unsrem gemeinen Völklein öfter für Rost / RUBIGO, FERRUGO, ÆERUGO, den das Eisen / aus langer Rust oder Ruhe / wan es nicht genützet wird / zu bekommen pfleget / verstanden wird. Doch die Niederdeutschen schreiben nicht RUST oder RUSTE, wan es so viel heissen sol / als Rost / RUBIGO; sondern, ROEST, zum Unterscheide des Wortes RUSTE, welches bei ihnen so viel / als Ruhe / bedeutet. Zu unsern Zeiten ist es zwar / so viel als ich gesehen / nicht gebreuchlich / daß man die Wein- oder Reben-stökke neben die Rüstern zu pflantzen pfleget / und sie an denselben hinauf wachsen lesset: gleichwohl ist es nicht zu leugnen / daß sie / aus einer verborgenen unterlichen Liebe / beide gern beieinander stehen und wachsen wollen; da hingegen die Weinstökke / wan man sie zu nahe neben andere Beume pflantzet / ausgehen und verdorren. Und daß es vor Alters üblich gewesen / haben wir eben itzund aus des Ovidius Worten vernommen. Ja neben mehr andern so wohl Geschicht- als Gedicht-schreibern /bezeuget es noch eigendlicher Virgiel selbsten / der ein fürtreflicher Ahrtforscher gewesen / wan er spricht:


SEMIPUTATA TIBI FRONDOSA VITIS IN ULMO EST.


Du hast einen halbbeschnittenen Weinstok an einer grühnenden Rühster stehen.

Der Magneht oder Liebestein.] Wir nennen alhier diesen Stein den Liebestein: weil er aus einer sonderlichen verborgenen Kraft und Eigenschaft / ja gleich als aus einem heimlichen Triebe der Liebe / das Eisen an sich ziehet / oder / wo es ihm zu schweer / und unbeweglich fället / gleichwohl allezeit sich darnachzu wendet: wie man in dem Schifzeiger siehet / da die Spitze der Nahtel / mit einem solchen Steine versehen / stähts nach Mitternacht zu weiset. Ja man drehe und kehre den Schifzeiger / wie man wolle / so wird diese Spitze gleichwohl wieder nach dem Nordstriche /dahin der Stein so begierig verlanget / zulauffen: vielleicht darüm / weil nach Mitternacht zu / wie die [525] Naturkündiger gemeiniglich meinen / das meiste Eisenwerk pfleget gegraben zu werden. Aus diesen und keinen andern Uhrsachen haben ihm auch die Franzosen eben einen solchen Nahmen gegeben / nähmlich AIMANT, das ist Liebende / als wolten sie sagen / der liebende Stein / das eben so viel ist / als Liebestein. Und darüm irret derselbe gröblich / der / in einem Französischen Wortbuche / das Wort AIMANTIN, eben als wan es aus DIAMANTIN gebildet worden /auf Lateinisch ADAMANTINUS giebet; wie auch FOI AIMANTINE, FIDEM ADAMANTINAM, für MAGNETICAM, das ist ein magnetischer / Gott gleichsam mit starker Kraft an sich ziehender Glaube / und nicht Demantischer; wiewohl er seiner harten Tauerhaftigkeit und Beständigkeit wegen / sonsten auch also könte genennet werden. Anders nennen ihn die Hochdeutschen auch einen Segelstein / und die Niederteutschen SEYLSTEEN; weil die Schiffer nach desselben Anweisung im itztgemeldten Schifzeiger so wohl bei Nacht / als bei Tage / mitten auf der weitesten und breitesten See / da sie sonst nicht wissen könten / wo sie weren / ohne Sorge fortsegeln können. Aber sein gemeinester Nahme / den er bei uns hat /nähmlich Magneht / ist vom Griechischen μαγνῆτις des Galenus / oder μάγνης des Porfirius / oder aberμάγνησσα des Kallimachs Worte / oder auch aus dem Lateinischen MAGNES, MAGNÉTIS, gebildet: wel che sämtlich ihren Uhrsprung vom Völkernahmen der Magneten / oder dem Landesnahmen Magnesien / da dieser Stein in großer Mänge wächset / wie Laertz meinet / oder wie Plinius im 16 B. schreibet / von seinem Erfinder / der Magnus geheissen / bekommen. Von seiner ziehenden Wunderkraft / wie ihm gleichwohl der Knoblauch / wan er mit desselben Safte bestrichen wird / wie Plutarch in seinen Aufgaben angemärket / benimt / scheinet er bei dem Plinius im 10 Hauptst. des 37 B. auch SIDERITIS, σιδερίτης genennet zu sein; eben wie von der Stadt Heraklee ἡρακλεῶτις bei dem Hesichius / oder ἡρακλεια, HERACLIUS LAPIS, der Heraklische Stein / oder der Herakleer. CALAMITA PIETRA ist sein Nahme bei den Wälschen: wiewohl CALAMITES bei den Lateinern ein ander Stein ist.

Ja selbst der Salmander.] So ist der gemeineste Nahme dieses [526] giftigen Ungeziefers / das im Feuer zu leben gewähnet wird / und einer Heidexe nicht ungleich ist / in allen Europischen Sprachen; daher wir ihn auch alhier behalten wollen: unangesehen / daß es im Hochdeutschlande sonsten auch ein Molch / und an etlichen Oertern ein Mahlen / oder Moldwurm /und Olm genennet wird. Neben dem σαλαμάνδρα, daher der Lateinische SALAMANDRA, und unser Salmander sprüßet / hat er bei den Griechen zugleich den Nahmen μόγγη; bei den Franzosen aber PLUVI NE, das ist ein Regenwurm / weil er den Regen verkündiget / und MIRTIL, wie auch SOURD, vielleicht weil er taub / auch als stum / dahin vermuhtlich der Nahme μόγγη zielet / zu sein scheinet. Von dessen Eigenschaft kan Aristoteles / Galenus / Plinius / Elian /und Dioskorides / im 67 Hauptst. seines 2 B. wie auch im 5 Hauptst. des 6 B. gelesen werden.


Zur 34 Einteilung.


Die Augen / als Fenster zum Hertzen.] Derer Gestalt und Blikke des Hertzens Gedanken / ja alle desselben Heimligkeiten verrahten. Dahin zielet Filostratus /wan er saget: Πολλὰ μὲν ὀφϑαλμοὶ τῶν ἀνϑρωπίνων ἤϑων ερμηνεύουσι, die Augen zeigen die Menschlichen Sitten gemeiniglich an.


Zur 40 Einteilung.


Fehlet es dan deinem Geschlächte an Jungfrauen.] Hiervon redet das Buch der Richter im 14 Hauptst. wie folget: Sein Vater und seine Mutter sprachen zu ihm: ist dan nun kein Weib unter den Töchtern deiner Brüder / und in deinem gantzen Volke / daß du hingehest / und nimst ein Weib bei den Filistern / die unbeschnitten seind? Und hierbei hat L(ukas) Osiander angemärket: als wolten sie sagen / wir verwundern uns /was du damit meinest / daß / da du wohl köntest eine ehrliche Jungfrau aus deinem Stamme / oder doch sonst aus dem Israelischen Volke bekommen / du dir dannoch unter dem Gottlosen Volke der Filister ein Weib aussuchest / welches von dem Bunde Gottes /der durch die Beschneidung bestähtiget worden / entfernet ist. Auch schreibet eben hiervon [527] Flavius Josef also: als die Eltern sich weigerten / indem sie ihm vorhielten / sie sei eines andern und gantz widerwärtigen Geschlächtes / wie auch / daß der Gottesdienst eine solche Hochzeit nicht zuliesse; da überwand sie gleichwohl des Jünglings Hartnäkkigkeit / und brachte es so weit / daß die Jungfrau mit ihm verlobet ward.


Zur 46 Einteilung.


War es dem Josef.] Diese Heurraht des Josefs beschreibet Moses in seinem 41 Hauptst. des 1 Buchs. Auch wird eben dieselbe in meiner Assenat weitleuftiger ausgeführet.


Zur 47 Einteilung.


Scheuete sich Moses.] Diese gantze Geschicht erzehlet eben derselbe Moses im 2 und 18 Hauptst. seines 2 Buches / wie auch im 12 Hauptst. des 4 Buches.


Zur 48 und 52 Einteilung.


Die meinen Augen gefället.] Hiermit wird gezielet auf Simsons eigene Worte / die er zu seinen Eltern redet /wan er / im erstangezogenem Orte des Buchs der Richter / also saget: gib mir diese; dan sie gefället meinen Augen.


Zur 58 Einteilung.


Aber es war beiden Eltern noch zur Zeit verhohlen.] Hiervon meldet ebenmäßig das Buch der Richter / in der folge / folgender Gestalt: aber sein Vater / und seine Mutter wusten nicht / daß es vom HERRN were. Dan Er suchte Uhrsache an den Filistern. Die Filister aber herscheten zu der Zeit über Israel.


Zur 59 Einteilung.


Da den Fal des ersten Mansbildes / und zugleich aller nach ihm das allererste Weibesbild veruhrsachte.] Durch dieses Weibesbild verstehen wir die Eva: welche vom Homerus / im 19 B. seines Heldengedichtes von Trojen / Ate / und vom [528] Hesiodus / in seinem ersten Buche der Werke und Tage / Pandore genennet wird. Des Homerus Worte seind diese:


Πρέσβα Δίος ϑυγατήρ Ἄτη, ἥ πάντας ἀᾶται
ουλομένη, etc.
FILIA PRIMA JOVIS, QUÆQUE OMNES PERDIDIT, ATE
PERNITIOSA, etc.

Die erste Tochter des Jupiters / die schädliche Ate /die alle (Menschen) ins Verderben gebracht. Diesen Nahmen Ἄτη, Ate hat Homerus ohne Zweifel aus Adam / als wolte er Ade / Ada / oder Adame / das ist die Adamin / sagen / gebildet; weil er vielleicht vom rechten Nahmen dieser ersten Fraue / der Eva war /nicht gehöret. Sonst stimmet er mit der Geschicht des Adams und der Even zimlich überein; indem er saget /daß Ate / die der Anfang und Uhrsprung alles Böses sei / den Klügesten unter allen Menschen betrogen. Fast eben also tuht an gemeldtem Orte Hesiodus / der auch im 3 Buche von der Göttergebuhrt / das Weib aus dem Zorne Gottes gebohren zu sein saget / und esκαλὸν κακόν, das ist das guhte Ubel / nennet; wie es Zirillus wider den Julian mitangeführet: wiewohl Paläfatus / und Fulgentz sein Gedichte von der Pandore ander wärtshin ziehen.


Zur 60 Einteilung.


Jesabel / Achabs des Königs in Israel Gemahlin /deren Geschicht das 19 und 24 Hauptst. des 1 Buches der Könige beschreibet.

Atalia / Jorams des Königes in Juda Gemahlin /und Tochter des Amri / Königs in Israel; welche vom Flav(ius) Josef / im 7 Hauptst. des 9 B. von den Altheiten der Jüden / Gotalia / und Achabs Tochter / weil sie desselben verkehrten Sitten folgete / genennet wird. Was sie für ein Gott- und heil-loses Leben geführet / zeiget das 8 und 11 Hauptst. des 2 B. der Könige / wie auch das 22 und 23 Hauptst. des 2 B. der Zeitgeschichte genug an.

Helene / des Tindars / eines Oebalischen oder Lakonischen Königs / und der Lede Tochter / des Pollux Schwester / [529] und Gemahlin des Menelaus / Königes zu Sparta. Diese ward / ihrer überausgroßen Schönheit wegen / zweimahl entführet: erstlich / als ein Freulein / vom Teseus / wie wir droben / bei der 7 Einteilung /schon angemärket; darnach / als eine Gemahlin des Spartischen Königes / vom Paris / des Priams / Königes der Trojer / und der Hekube Sohne / den man nachmahls / seiner tapferen Tahten wegen / Alexandern genennet. Aus hiesiger letzten Entführung entstund der zehenjährige Krieg der Griechen mit den Trojern: in welchem auch die gewaltige Stadt Troje selbst eingeäschert ward. Die gantze Geschicht hat Homerus / unter andern / sehr herlich beschrieben. Auch gedenket derselben Ovidius in seinen Gedichten sehr oft; desgleichen Propertz / wan er in seinem 2 Buche schreibet:


OLIM MIRABAR, QUÒD TANTI AD PERGAMA BELLI
EUROPÆ ATQUE ASIÆ CAUSA PUELLA FUIT.

Vor diesem war ich verwundert / daß eine junge Frau (nähmlich die Helene) eines so gewaltigen Europischen und Asischen Krieges vor Pergama (das ist Troja) Uhrsache gewesen.

Hippodamie / eine Tochter des Oenomaus / Königes der Elider und Piser; welchen Pelops / der Frigische König / weil er ihm diese Tochter zu vermählen abgeschlagen / mit einer großen Kriegesmacht überfiel.

Noch eine andere Hippodamie / des Piritous Gemahlin / welche die vom Weine trunkene Zentauren entführet / veruhrsachte den gewaltigen Krieg / der zwischen ihrem Ehherrn / und den Entführern entstund. Daher nennet sie auch Propertz / in seinen Gedichten / Isomachen / das ist eine Stteitführerin / wan er schreibet:


QUALIS & ISOMACHE LAPITHÆ GENUS HEROINE
CENTAURIS MEDIO GRATA RAPINA MERO.

Aspasie / eine gelehrte Mileserin / und Beischläferin des Perikles / welcher das Atehnische Stahtswesen vierzig Jahre beherschet / war die Uhrsache zu zween heftigen Kriegen: nähmlich zum Samischen / weil die Samier den Milesern feind waren; und dem Peloponnesischen / wie Plutarch / und Aristofanes bezeugen.

[530] Lavinie / des Königs Latinus Tochter / und Gemahlin des Eneas / veruhrsachte den bluhtigen Krieg zwischen dem Eneas / und Turnus / ihren beiden Freuern; wie Pontan / im 4 Buche von den Sternen angezeichnet.

Arsinoe / des Egiptischen Königes Ptolemäus Tochter / und des Mazedonischen Lisimachs Gemahlin / verreitzte ihren Ehherrn so weit / daß er den Agatokles / ihren Stiefsohn / unangesehen daß er dem Vater viel Kriege glüklich ausgeführet / mit Gifte hinrichtete; wie Volaterran meldet.

Anaxarete / eine wunderschöne Jungfrau / die aus Königlichem Bluhte herentsprossen / fiel dem Ifis /der sie überaus liebete / so hart / daß er vor ihrer Tühre sich erhing; wie Ovidius im 14 seiner Verwandlungsbücher erzehlet.

Deianire / des Etolischen Königes Tochter / war nicht allein die Uhrsache des Krieges zwischen dem Herkules / und Achelous / wie auch des Gefechtes zwischen eben demselben Herkules / und dem Nessus / sondern auch dieselbe / die den Herkules / ihren Ehherrn selbsten ümbrachte; wie Sofokles in seinem Rasenden Herkules / als auch. Perottus / und Seneka /der Heldenspielschreiber / bezeugen. Der letztere bricht unter andern mit diesen Worten heraus.


O TURPE FATUM! FÆMINA
HERCULEÆ NECIS AUCTOR FERTUR.

O welch ein schändlicher Glüksfal! Eine Frau wird gesagt des Herkulischen Todes Veruhrsacherin zu sein.

Berenize / des Seleuks / welcher / nach Alexanders des Großen Tode / König in Sirien ward / Stiefmutter / und Schwester des Ptolemäus / Königes in Egipten /war eine Anstifterin des Krieges zwischen ihrem Bruder / und Stiefsohne; wie Justinus im 27 Buche bezeuget.

Eurifile / des Amfiaraus / eines Griechischen Wahrsagers / Ehfraue / verriet ihren Ehherrn dem Argirischen Könige / Adrast / der ihn mit sich in den Krieg vor Tehbe führen wolte; nachdem er sie mit einem güldnen Armbande bestochen. Dan weil Amfiaraus / vermittelst seiner Wahrsagerkunst / wohl[531] wuste / daß er in diesem Kriege ümkommen solte; so hielt er sich an einem heimlichen Orte verborgen. Als er aber / durch die Verrähterei seiner Fraue / gefunden / und gezwungen ward mitzuziehen; da begegnete ihm das Unglük / das er ihm selbst geweissaget / indem er von der Erde / die sich voneinander spaltete / verschlungen ward. Dieser Geschicht gedenket Statz in seinem 1 Buche vom Tebischen Kriege / wie auch Strabo im 9 Buche / und Euformion am 267 Bl. seines 2 Teiles.

Nikostrata / des Evanders aus Arkadien Mutter /eine Wahrsagerin / und Dichterin / welche diesen ihren Sohn zum Vatermorde verreitzete; wie Tortellius meldet. Sonst wird sie von den Lateinern auch CARMENTA oder CARMENTIS genennet: weil sie die Aussprüche der Götter in Gedichte gebracht. Daher ist ein Tohr zu Rohm CARMENTALIS PORTA genennet worden / dessen Virgiel / im 8 B. seines Heldengedichtes vom Eneas / gedenket / wan er also schreibet:


ET CARMENTALEM ROMANO NOMINE PORTAM.


Nachmahls aber hat man dieses Tohr PORTAM SCELERATAM geheissen: weil dadurch dreihundert und sechs Fabier / mit fünf tausend der ihrigen / wider die Hetrusker ausgezogen / und allesamt erschlagen warden; wie Strabo / im 5 B. und Solinus / in seiner Beschreibung der Stadt Rohm / angezeichnet.

Fedra war des Kretischen Königes Minos / und der Pasifae Tochter / auch des Teseus Gemahlin. Diese hatte sich in ihren Stiefsohn / den Hippolitus / dermaßen verliebet / daß sie aus Unmuht und Verzweifelung / indem sie ihn zur Gegenliebe keines Weges bewegen konte / sich selbsten erhing; und ihn / in einem hinterlaßenen Schreiben an den Teseus / beschuldigte / daß er sie notzüchtigen wollen / und der Uhrhöber ihres Todes so sei. Daher gedachte der erzürnete Vater den Hippolitus zu erwürgen: der aber / indem er ihm entflühen wolte / von den wühtenden Pferden zerträhten ward. Dieser Begäbnis gedenken / wiewohl auf unterschiedliche Weise / Servius / Ausonius /Ovidius / u.a.m.

Hermione / des Menelaus Königs von Sparta zweite Tochter aus der Helene. Diese war so schön / daß sie / durch ihre [532] Schönheit / wonicht vielmehr Wankelmühtigkeit / den Orestes / des Agamemnons Sohn /dem sie erstlich versprochen war / bewog / den nachmahls geehligten Pirrus / des Achilles Sohn / zu töhten; damit er ihrer Besitzung genüßen möchte. Daher schreibet Marzial im 3 Buche:


DIC MIHI, QUID SIMILE EST, THAIS, & HERMIONE?


Zille / des Megarischen Königes Nisus Tochter /hatte sich in den Minos / König von Kreta / dermaßen verliebet / daß sie ihm ihren eigenen Vater / den er bekriegete / verriet; indem sie ihm sein Haar / an dessen Verluste der Verlust des Reiches hing / abgeschnitten / und seinem Feinde zugeschikt. Weil sie aber nachmahls vom Minos verschmähet ward / sol sie für großer Betrübnis / eben wie auch ihr Vater Nisus / in einen Vogel verwandelt sein worden / und zwar jene in einen uns unbekanten ihres Nahmens /dieser aber in einen Sperber / den der Nahme Nisus bezeichnet; welche beide Vogel noch heute zu Tage /dieser Begäbnis wegen / in stähter Feindschaft leben sollen: wie Servius / bei dem 6 Hürtengedichte des Virgiels / angemärket. Auch gedenket dessen / unter andern / Ovidius / mit diesen Worten:


FILIA NEVE MAGIS CAPITI SIT FIDA PARENTIS,
QUÀM TUA VEL PTERELA, VEL TUA, NISE FUIT.

Kleopatre / eine Egiptische Königliche Tochter und nachmahlige Königin / war nicht allein die Uhrsache des gewaltigen Krieges zwischen ihrem Königlichen Vater / und dem Sirischen Könige Alexandern; sondern veruhrsachte darnach auch dasselbe Kriegesunwetter / das zwischen dem Antohn / und dem Keiser Augusten entstund: indem sie den Antohn / der dazumahl Römischer Feldherr in Afriken war / beredete sie zu ehligen / und des Augusts Schwester / die seine Gemahlin war / zu verstoßen. Dan dieses nahm der Keiser so übel auf / daß er von stunden an beschlos ihn zu bekriegen. Aber Antohn kahm ihm zuvor / und machte sich mit einer gewaltigen Heersmacht auf /den August zu überrumpeln. Doch dieser schlug ihn /in einer gewaltigen Seeschlacht / und bekahm die Kleopatre [533] gefangen. Ja Antohn selbst muste sein Leben einbüßen, Gemeldtes Seetreffen beschreibet /unter andern / Virgiel / im 8 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / überaus ahrtig.

Tullia / des Servius Tullius / des sechsten Röhmischen Königes / Tochter / brachte bei dem Tarkwien dem Hofärtigen so viel zu wege / daß er ihren Vater ümbrachte / und sich des Reichs bemächtigte.

Fridegunde / Hülfrichs / der des Klohtars Sohn war / Gemahlin / hatte die Uhrsache / daß ihr Ehherr auf der Jagt sein Leben einbüßen muste.

Isabelle / Luchiens / eines Wälschen Grafens Gemahlin / welche Ugolien Gonzaga geschändet / war die Uhrsache des Krieges / den ihr Ehherr wider den Schänder führete.


Zur 63 Einteilung.


Tais / welche von der Hofahrt des Pfauens / der bei den Griechen Ταώς heisset / diesen Nahmen bekommen zu haben scheinet / war eine Huhre von Alexandrien / welche die Atehnische Jugend verführete / und den grausamen Brand in der Stadt Persepolis anrichtete. Hiervon schreibet / unter andern / Kurtz / in seinem Buche / wie auch Zelius / im 35 Hauptst. seines 8 Buches: und Menander / ein Griechischer Dichtmeister / hat sie / in seinen Gedichten / dermaßen heraus gestrichen / daß sie die Menandrische Tais genennet ward. Daher schreibet Propertz:


TURBA MENANDREÆ FUERAT NEC THAIDOS OLIM
TANTA, IN QUA POPULUS LUSIT ERICHTHONIUS.

Das Gedränge üm die Menandrische Tais / darinnen das Volk zu Atehn spielete / war ehmahls so groß nicht.


Zur 74 Einteilung.


Ein Leue / wan er erzürnet wird.] Hiervon schreibet Val(erius) Herberger / im 57 Hauptst. des 11 Teiles seines Werkes von den großen Tahten GOttes.

[534] Indem der Geist GOttes seinen Muht bemuhtigte.] Im 14 Hauptst. des Buches der Richter stehen hiervon diese Worte: Und der Geist des HERRN geriet über ihn / und er zerris ihn / wie man ein Böklein zerreisset: und hatte doch gar nichts in seiner Hand.


Zur 76 Einteilung.


Nachdem er ihn in die Streucher verstekt hatte.] Flav(ius) Josef schreibet hiervon / im 10 Hauptst. seines 5 Buches / also: und er warf das Aß desselben in ein Dorngehäkke / nahe bei dem Wege.


Zur 77 Einteilung.


Von einer so kühnen Taht schwieg dieser Leuenkämpfer stok-stille.] Das Buch der Richter führet hiervon diese Worte: und (Simson) sagte nicht an seinem Vater / noch seiner Mutter / was er getahn hatte. Hieraus ist zugleich genugsam abzunehmen / daß Simson seine Eltern / wie in meinem Simson angeführet wird / vor den Weinbergen verlaßen / und einen andern Weg / hinter denselben hin / genommen: ob es schon der Schreiber des itztangezogenen Buches / der Kürtze wegen / nicht ausdrüklich gemeldet.


Zur 84 Einteilung.


Auch füget sich das Wort / das dieses Band bindet /nur aus zween Buchstaben zusammen.] Dieses Wort ist / JA / darinnen der erste Buchstab / nähmlich das j / ein Mitlauter / und Weiblich ist / der zweite / nähmlich das a / dagegen ein Selblauter / und Mänlich.


Zur 110 Einteilung.


Was unter der Rose bleiben sol.] Die Rose war vor Alters ein Sinbild der Verschwiegenheit. Und darum pflegte man über die Tafeln oder Tische / sonderlich in heimlichen Raht- auch wohl Gülde-stuben / eine Rose zu mahlen / oder aus Holtze geschnitten [535] zu hängen; damit einieder sich dabei seiner Pflicht verschwiegen zu sein / sooft er sie anblikte / erinnern möchte. Und dieser Gebrauch ist ohne Zweifel daher entsprossen: weil die Rose der Liebe / derer Werke heimlich und verschwiegen wollen gehalten sein / geheiliget ist; wie aus folgenden Dichtbänden zu sehen:


EST ROSA FLOS VENERIS, CUJUS QUÒ FURTA LATERENT,
HARPOCRATI MATRIS DONA DICAVIT AMOR.
INDE ROSAM MENSIS HOSPES SUSPENDIT AMICIS,
CONVIVÆ UT SUB EÂ DICTA TACENDA SCIANT.

Die Rose ist eine Bluhme der Liebe / derer Diebstal verborgen zu halten hat sie selbsten ihrer Mutter Geschenk dem Harpokrates / das ist der Verschwiegenheit / geheiliget. Daher pfleget der Würt seinen Gästen eine Rose über den Tisch zu hängen; damit sie /was unter derselben geredet würde / zu verschweigen wüsten. Hierbei mus ich auch des Gedichtes / welches ich unlängst auf Herrn Filip Jakob Zeiters / unter den Deutschgesinten des Verschwiegenen / Hochfürstlichen Würtenbergischen Geheimverpflegers und Ertzschreinbewahrers / Zunftzeichen / Zunftnahmen und Zunftspruch verfärtigte / gedenken; weil es schier nach dem itztangeführten Lateinischen seinen Anfang gewinnet. Es lautet aber wie folget:


Die Rose / die noch roht vom Bluhte des Adonen /
auch wohl der Venus selbst / der sie geheiligt blieb /
hat Liebereitz verehrt / dem unsre Buhler frohnen /
dem Schweiger Harpokrat; damit der kleine Dieb /
und was er in der Lieb' ausübt / verschwiegen bliebe.
Drüm wird Verschwiegenheit durch Rosen vorgebildt /
durch Rosen / die zugleich ein Zeichen seind der Liebe.
Drüm ziert die Ros' auch oft der Tafeln Oberschild.
Drüm führt sie gleich also Herr Filip Jakob Zeiter /
wiewohl mit Näglichen / die weis seind / gantz ümringt /
im Schilde / das Ihm dient zu einem Tugendleiter:
darbei sein Zunftwort auch / Hierunter bleib' es / klingt.
Der Fürsten Heimligkeit mus unter Rosen bleiben /
mus mit Verschwiegenheit durchaus gehandhabt sein.

[536] Wer dieses tuht / der mag sich den Verschwiegnen schreiben mit recht und ohne scheu; der ziert den Rosenschrein. Dieser Harpokrates ist ein Weisemeister gewesen / welcher gelehret: die Verschwiegenheit sei die gröste Tugend. Daher ist sein Bildnis / welches /mit seinen auf den Mund gelegten Fingern / wie die Göttin Angerone zu Rohm / zur Verschwiegenheit anmahnete / bei dem Götzendienste der Isis / und des Serapis gebraucht worden. Daß er aus der Insel Farien bürtig gewesen / zeiget Alziat in folgenden Bänden an:


CÙM TACET, HAUD QUICQUAM DIFFERT SAPIENTIBUS, AMENS,
STULTITIÆ EST INDEX LINGUAQUE VOXQUE SUÆ.
ERGO PREMAT LABIUM, DIGITOQUE SILENTIA SIGNET,
& SESE PHARIUM VERTAT IN HARPOCRATEM.

Zur 121 Einteilung.


Daß die Bienen desselben Rachen zum Honigstokke gemacht.] Am mehrgemeldten Orte des Buches der Richter lauten die Worte hiervon also: und er traht aus dem Wege / daß er das Aß des Leuen besähe. Sihe! da war ein Bienenschwarm im Ase des Leuen /und Honig. Und er nahm es in seine Hand / und aß darvon unter Wegens: und ging zu seinem Vater / und zu seiner Mutter / und gab ihnen / daß sie auch aßen. Er sagte ihnen aber nicht an / daß er den Honig von des Leuen Ase genommen hatte.


Zur 125 Einteilung.


Auch vergaß er hierbei seiner Liebsten nicht.] Flavius Josef schreibet hiervon / im 10 Hauptst. seines 5 Buches / also: und er nahm daraus drei Honigscheiben /und überreichte sie / neben andern Geschenken / seiner Liebsten.


Zur 129 Einteilung.


Er ist die große Sonne der Gerechtigkeit.] So nennet unsern HErrn und Heiland Maleachi / wan er im 4 Hauptst. seines Buches saget: Euch aber / die ihr meinen Nahmen fürchtet / sol [537] aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit. Eben dasselbe wil auch Johannes sagen /wan er im 21 Hauptst. seiner Offenbahrung / also spricht: und die Stadt darf keiner Sonne / noch des Mohnes / daß sie ihr scheinen. Dan die Herligkeit Gottes erleuchtet sie / und ihre Leuchte ist das Lam. Und die Heiden / die da sälig werden / wandeln in demselben Lichte. Ja der Heiland selbst wil dieses sagen / wan Er / im 8 Hauptst. der Heilverkündigung des Johannes / saget: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolget / wird nicht in der Fünsternis wandeln; sondern das Licht des Lebens haben.

Wie der Engel von ihm mit Vorbedacht sagte.] Nähmlich im 13 Hauptst. des B. der Richter: und er (Simson) wird anfangen Israel zu erlösen aus der Filister Hand.

Eine gantz volkommene und ewige Erlösung.] Hiervon redet das Sendeschreiben an die Ebräer / im 9 Hauptst. wie folget: Kristus ist kommen / daß Er ein Hoher Priester der zukünftigen Gühter sei / durch eine grössere und volkomnere Hütte. Auch ist Er nicht durch der Kälber oder Bökke Bluht / sondern durch sein eigenes einmahl in das Heilige eingegangen / und hat eine ewige Erlösung erfunden. Ja Er hat die ewige Gerechtigkeit gebracht; wie Daniel / im 9 Hauptst. seiner Weissagung / redet.


Zur 132 Einteilung.


Das heilige Kind Gottes.] Also nennen die Jünger des HErrn unsern Heiland / in ihrem Gebähte / wan sie zu Gotte dem Vater folgender Gestalt bähten: sie haben sich versamlet über dein Heiliges Kind JESUS; welchen Du gesalbet hast / u.s.f. wie die Apostelgeschicht / im 4 Hauptstükke / bezeuget. Ja der Engel Gabriel nennet Ihn gar den Allerheiligsten / wan er zum Daniel / in dessen 9 Hauptstükke spricht: siebenzig Wochen seind bestimt über dein Volk / und über deine heilige Stadt: da wird dem Uberträhten gewehret / und die Sünde zugesiegelt / und die Missetaht versühnet / – – – und der Allerheiligste gesalbet werden. Eben derselbe Gabriel ist es / der Ihn auch das Heilige Kind nennet / wan er zur Jungfrauen Marien /bei dem Lukas / im 1 Hauptstükke / folgender Gestalt spricht: der [538] Heilige Geist wird über dich kommen /und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darüm sol auch das Heilige / das von dir gebohren wird / Gottes Sohn genennet werden.

Ja Er heiligte sich selbst für uns.] Dieses bezeuget unser Heiland von sich selbst / in seinem Gebähte zu seinem Vater / wan Er / bei dem Heilverkündiger Johannes / im 17 Hauptst. unter andern spricht: heilige sie in der Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit. Ich heilige mich selbst für sie; aufdaß auch sie geheiliget seind in der Wahrheit / u.s.f. Eben derselbe Johannes bezeuget auch in seinem 8 Hauptst. was / in meinem Simson / straks hierauf folget. Ja er führet zugleich /im 6 Hauptst. diese des Heilandes eigene Worte mit an: Ich bin vom Himmel kommen / nicht / daß Ich meinen Willen tuhe / sondern Dessen / der Mich gesandt hat / u.s.w. Das übrige findet man bei dem Lukas / 2. Esaias / 9.1 Pet(rus) 5. Matt(eus) 4. Offenb(arung) Joh(annes) 5. Esa(ias) 7. u.a.m.


Zur 134 Einteilung.


Sie lauerte darauf / mit unverwanten Blikken.] Hierher zielet / was Mantuan / im 1 seiner Hürtengedichte saget:


NON CELARE SUAS, NEC VINCERE FŒMINA CURAS,
NEC DIFFERRE POTEST. TANTUM LEVITATIS IN ILLÂ EST.

Zur 138 Einteilung.


Dreissig der muhtigsten Timnattischen Jünglinge.] Das Buch der Richter meldet hiervon / im 14 Hauptst. folgender Gestalt: und da sie ihn sahen / gaben sie ihm dreissig Gesellen zu / die bei ihm sein solten. Diese Worte werden / im oftangezogenem 5 Buche des Flavius Josefs / also erklähret: darnach lud er zur Hochzeit die Timnatter: welche dem Jünglinge / weil sie ihn / seiner Stärke wegen / verdächtig hielten /zum scheine der Ehren / dreissig Brautdiener aus derer Zahl / die ihm Alters halben gleich waren / zufügten / mit dem Befehle / daß sie auf ihn acht schlügen / damit er nicht etwan einen Muhtwillen verübete.


[539] Zur 142 Einteilung.


Uber Lehi.] So ward derselbe Ort genennet / da Simson nicht lange hiernach tausend Filister / mit einem Eselskinbakken erschlug; wie das 15 Hauptst. des B. der Richter / schier am Ende / beschreibet. Dagons Götzenhaus war dasselbe / das Simson über einen Hauffen warf / und dadurch mehr Filister töhtete / als er zuvor iemahls getahn; wiewohl er selbst sein Leben darbei einbüßen muste; wie im 16 Hauptst. des itzt angezogenen Buches zu lesen.

[540] Anmärkungen des zweiten Buches

Zur 1 Einteilung.


Gesichtskreus / das ist derselbe Kreus und Umschweif des Erdbodems / der sich so weit erstrekket / als wir mit unsern Augen sehen können. Sonst wird er bei uns auch Gesichtsendiger / und bei den Griechen und Lateinern HORIZON, ja selbst bei den letzteren FINITOR, oder FINIENS genennet.

Gegenfüßer / das seind dieselben Menschen / welche / auf der Unterfläche des Erdbodems / unsern Füßen ihre Füße zukehren. Sonst werden sie auch Gegengänger / Gegenwandler / aber so eigendlich nicht /genennet. Die Griechen und Lateiner gebrauchen beide das Wort ANTIPODES, wie auch ANTICHTHONES. Hiervon kan Plinius / im 65 Hauptstükke seines 2 Buches / wie auch im 22 Hauptst. des 6 Buches gelesen werden.


Zur 6 Einteilung.


Die Französischen Haarstulpen.] Das ist ein falsches Haar / oder eine Hauptzierde von falschen Haaren /welche von den Franzosen PERRUQUE, oder vielmehr FAUSSE PERRUQUE, MENTITA CÆSA RIES genennet / und über das rechte angebohrne Haar / oder das Heupt / als eine Haarmütze / oder Haarhaube / gleichsam hingestülpet wird. Simson trug lieber sein eigenes langgewachsenes Haar / wie die Sparter /und Lazedemonier; denen dort Likurgus / hier Agesilaus eine Satzung vorgeschrieben ihre Haare wachsen zu laßen: weil ein langgewachsenes Haar ein Zierraht sei / der wenig kostete; wie Nikander / und ebengemeldter Agesilaus gemeinet.


Zur 8 Einteilung.


Es geziemet keinen Man.] Hierher zielet Ovidius /wan er schreibet;
[541]
SINT PROCUL À VOBIS JUVENES UT FŒMINA COMTI.
FINE COLI MODICO FORMA VIRILIS AMAT.

Zur 13, 14, und 16 Einteilung.


Ich wil euch ein Rähtsel aufgeben.] Hiervon redet das Buch der Richter / im 14 Hauptst. also; Simson sprach zu ihnen: ich wil euch ein Rähtsel aufgeben. Wan ihr mir das errahtet / und treffet / diese sieben Tage der Hochzeit; so wil ich euch dreissig Hemden geben / und dreissig Feierkleider. Könt ihr es aber nicht errahten / so solt ihr mir dreissig Hemden / und dreissig Feierkleider geben. Und sie sprachen zu ihm: gib dein Rähtsel auf / laß es uns hören. Er sprach zu ihnen: Speise ging von dem Frässer / und Süßigkeit von dem Starken, u.a.m.


Zur 22 Einteilung.


Aus den immergebährenden Bergen.] Hier haben wir auf das Dichtband des Horaz gesehen:

PARTURIUNT MONTES, NASCETUR RIDICULUS MUS.


Wie auch auf dieses Griechische Sprichwort: ὤδινε οὖρος, ειτα μῦν ἀπέκτικεν, MONS PARTURIBAT, DEINDE MUREM PRODIDIT, der Berg lag in Kindesnöhten / darnach gab er eine Maus hervor.


Zur 91 Einteilung.


Den die trüpfende Regentropfen ermürben.] Hiermit haben wir auf des Ovidius Dichtband ein Absehen gehabt:


GUTTA CAVAT LAPIDEM, CONSUMITUR ANNULUS USU.


Wie auch auf folgenden Spruch bei dem Stobäus: durch die vielen Tropfen / die fort und fort trüpfen /wird auch ein Stein selbsten so ausgehöhlet / daß er endlich zerspaltet. Dieses giebt Tullius gantz kurtzbündig: ASSIDUA GUTTA LAPIDEM EXCAVAT, ein [542] stähtstrüpfender Tropfe trüpfet den Stein in Stükken / und höhlet ihn aus: und einander also:


GUTTA CAVAT LAPIDEM CONTINUATA CADENS.


Zur 141 Einteilung.


Der Krammetsvogel.] Alhier sehen wir auf das gemeine Sprüchwort der Griechen: κίχλα χίζει αυτοῦ κακόν, TURDUS SIBI IPSI MALUM CACAT. Dieser Vogel / der sonsten auch ein Ziemer oder Wacholdervogel / weil er die Wacholderbeere so gerne frisset / genennet wird / pfleget seinen Mist / wieman saget /gemeiniglich auf die bemoseten Zakken der Aepfelbeume zu werfen: da dan ein Baumgewächse /mit weissen klebrichten Beeren / daraus der Vogelleim gesotten wird / entsprüsset. In Meissen wird dieses Baumgewächse Kenster genennet / und meistenteils auf den alten Aepfelbeumen gefunden: wiewohl es zuweilen auf den Eichen / da man es den Eichenmispeln oder vielmehr Eichenmisteln nennet / zu sehen (ist). Dieser der Ziemer Mist / weil aus ihm gemeldte Vogelbeere / daraus der Leim zum Vogelfangen gekocht wird / samt ihrem gantzen Gewächse /wachsen / hat also Ursache zu gemeldtem Sprichworte gegeben; welches von denen / die ihnen selbst ein Unglük verursachen / gesagt wird.

Hette Simson der Eingebung seiner Liebe gefolget.] Von diesem gantzen Handel führet das Buch der Richter / am 14 Hauptst. keine Worte mehr / als diese: Aber Simson sprach zu ihnen: wan ihr nicht hettet mit meinem Kalbe gepflüget / ihr hettet mein Rähtsel nicht getroffen. Und der Geist des HErrn geriet über ihn: und er ging hinab gen Asklon / und schlug dreissig Männer unter ihnen / und nahm ihr Gewand / und gab Feierkleider denen / die das Rähtsel errahten hatten. Auch ergrimmete er in seinem Zorne / und ging hinauf in seines Vaters Haus. Daß durch diese letzten Worte Simsons Grol / den er auf seine Liebste / weil sie sein Geheimnis geoffenbahret / geworfen / wie auch daß er sie deswegen eine Zeit lang verlaßen wollen / gemeinet sei / können wir aus der folge leichtlich [543] schlüßen: nähmlich da sein Schwiegervater zu ihm also spricht: ich meinete / du werest ihr (meiner Tochter) gram worden / u.a.m.


Zur 142 Einteilung.


Das Mittelmaß ist das beste.] Eben dasselbe wil Tullius andeuten / wan er in seinem Buche von den Freundespflichten saget: MEDIOCRITAS REGULA OPTIMA, die Mittelmäßigkeit ist die beste Richtschnur / oder das Mittelmaß ist das beste Maß: welches gleichsoviel gesagt ist / als des Apollodorus Spruch bei dem Stobäus / ἡ μεσότης ἐν πᾶσιν ἀσφαλεστέρα. Marzial zielet eben hierher / wan er spricht:


ILLUD, QUOD MEDIUM EST, ATQUE INTER UTRUMQUE, PROBATUR.

wie auch Ovidius mit diesem halben Dichtbande:
– – MEDIO TUTISSIMUS IBIS,

auf der Mittelstraße ist der sicherste Weg / oder in der Mitte gehestdu am sichersten. Dan

VIRTUS EST MEDIUM VITIORUM UTRINQUE REDUCTUM, HOC EST, VIRTUS EST MEDIA INTER DUO EXTREMA VITIOSA; wie Horatz urteilet.

Durch alzugroße Guhtwilligkeit.] Tullius saget / in seiner Rede an den Brutus: MODUS EST OPTIMUS, DECUS IPSUM TENERE, NEC PROGREDI LON GIUS, den Wohlstand beobachten / und nicht alzuweit fortschreiten / ist das beste Maß. Ja eben derselbe drükt die Meinung dessen noch deutlicher aus /wan er anderwärts spricht: SUUS CUIQUE MODUS EST; TAMEN MAGIS OFFENDIT NIMIUM, QUÀM PARUM, einiedes hat seine Maße: doch schadet das Alzuviel mehr / als das Alzuwenig.

Anmärkungen des dritten Buches

[544] Anmärkungen des dritten Buches.

Zur 5 Einteilung.


Mit deiner Gebuhrt ging es gantz wunderlich zu.] Im 13 Hauptst. des Buchs der Richter findet man / unter andern. / diese Worte: und der Engel des HErrn (der in der folge sich selbst Wundersam nennet / auch mit der Schlachtgabe wunderlich ümging) erschin dem Weibe des Manoah / und sprach zu ihr: siehe! du bist unfruchtbar / und gebierest nichts; aber du wirst schwanger werden / und einen Sohn gebähren. So hühte dich nun / daß du nicht Wein / noch starkes Getränke trinkest / und nichts Unreines essest. Dan du wirst schwanger werden / und einen Sohn gebähren /dem kein Schährmesser auf das Heupt kommen sol: dan der Knabe wird ein Verlobter Gottes sein von Mutterleibe / und er wird anfangen Israel zu erlösen aus der Filister Hand.


Zur 10 Einteilung.


Die Schönheit deiner Mutter / die dazumahl überaus schön war.] Hiervon redet Flavius Josef / im 10 Hauptstükke des 5 Buchs / unter andern also: Manoches / ein fürtreflicher Man unter Dans Kindern / und ohne Widersprächen ein Fürst seines Vaterlandes /hatte eine so überaus schöne Frau / daß sie an Schönheit alle Weibsbilder zu ihrer Zeit übertraf / u.s.f. Er liebete sie aber so übermäßig / daß er für großer Liebe schier tol ward. Auch war er auf das heftigste Liebeseifrig.

Ja er zog sie selbst in Verdacht.] Dieses ist aus des itztgemeldten Flavius Josefs Worten genommen; der in der folge solcher gestalt fortredet: Sie gab ihrem Ehherrn / sobald sie wieder zu ihm kahm / des Engels Worte zu verstehen. Auch priese sie desselben jugendliche Leibesgestalt und Schönheit dermaßen /daß ihr Ehherr / durch ein solches Lob / zum [545] Liebeseifer / und die Keuschheit seines Weibes in einen Argwahn zu ziehen bewogen ward. Weil sie nun dem Manne seinen närrischen Unmuht zu benähmen gedachte / rief sie Gott inständig an / Er wolle doch den Engel noch einmahl erscheinen laßen: damit ihn ihr Man auch sehen möchte / u.s.f.


Zur 11 Einteilung.


Den nennete sie einen Man Gottes.] Im Buche der Richter stehen / am obangezogenem Orte / folgende Reden: Es kahm ein Man Gottes zu mir / und seine Gestalt war anzusehen / wie eines Engels Gottes / fast erschröklich / daß ich Ihn nicht fragte / woher? oder wohin? und er sagte mir nicht / wie er hiesse.


Zur 23 Einteilung.


Sie war ungleich muhtiger und behertzter / als dein Vater.] Hiervon seind an mehrgedachtem Orte / des Buchs der Richter / folgende Worte zu lesen: da erkante Manoah / daß es ein Engel des HErrn war / und sprach zu seinem Weibe: wir müssen des Todes sterben / weil wir GOtt gesehen haben. Aber sein Weib antwortete ihm: wan der HErr Lust hette uns zu töhten / so hette Er das Brandopfer und Speisopfer nicht genommen von unsern Händen; Er hette uns auch nicht solches alles erzeiget / noch uns solches hören laßen / wie itzt geschehen ist.


Zur 47 Einteilung.


Sie war veränderlicher / als die Rattenheidexe.] Dieses Ungeziefer / welches bei den Griechen und Lateinern CHAMÆLEON, bei uns aber / weil es mit den Füßen und dem Schwantze der Ratte / doch mit dem übrigen Leibe der Heidexe gleichet / eine Rattenheidexe heisset / und seiner Furchtsamkeit wegen / wie Plinius im 8 Buche meldet / bald diese / bald jene Farbe annimt / hat Alziat / bei seinen Sinbildern / mit den Heuchlern und Schmeuchlern sehr artig verglichen / wan er also schreibet:


[546]
SEMPER HIAT, SEMPER TENUEM, QUÂ VESCITUR, AURAM
RECIPROCAT CHAMÆLEON:
& MUTAT FACIEM, VARIOS SUMITQUE COLORES:
PRÆTER RUBRUM, VEL CANDIDUM.
SIC & ADULATOR POPULARI VESCITUR AURÂ,
HIANSQUE CUNCTA DEVORAT:
& SOLÙM MORES IMITATUR PRINCIPIS ATROS,
ALBI ET PUDICI NESCIUS.

Die Rattenheidexe ziehet / mit aufgesperter Schnautze / die Luft / dadurch sie sich erhohlet / allezeit nach sich. Auch, verändert sie ihre Gestalt / und nimt mancherlei Farben an / ohne die Rohte und Weisse. Also schnappet der Heuchler nach der Luft des gemeinen Völkleins / und verschlinget / mit aufgespertem Rachen / alles / was ihm vorkömt: ja er ahmet den schwartzen Sitten der Fürsten nach / und weis von der weissen Farbe der Aufrichtigkeit / und der Röhte der Schaam nichts.

Die Kreutlein der Liebe / Vergismeinnicht / und Ielängerielieber.] Dieses wird von den Griechen χαμαίπιτυς, und ὑπερικόν, von den Lateinern AJUGA, oder ABIGA, CUCURBITULARIS, und bei dem Plinius THUS TERRÆ, von den Wälschen IUA, CHAMEPITIO, von den Franzosen IUE MOSCATE oder ARTHETIQUE, und von den Spaniern PENILHO der IUA ARTHETICA genennet. Es hat einen Geruch schier / wie das Fiechtenhartz / und wird vom Dioskorides / im 171 Hauptst. seines 3 Buches / beschrieben. Jenes aber wird sonst auch Gamanderlin / und bei den Lateinern QUERCULA MINOR genennet. Es ist ein blau- und lieblichblühendes Kreutlein / mit zahrten Blühmlein / wiewol etwas harten Stängeln.


Zur 53 Einteilung.


Wie es jenem Mahler müglich war.] Dieser Mahler war Apelles / der alle Schönheiten der Jungfrauen zu Kroton zusammensamlete / und in einem einigen Bilde der Venus entwarf / damit es unvergleichlich schön sein möchte.


[547] Zur 69 Einteilung.


Sie sei schon einem andern verheurrahtet.] Flavius Josef führet hiervon / an oftangezogenem Orte / diese Worte: aber die verschmähete Frau / damit sie ihm wieder einen Possen spielen möchte / verheurrahtete sich an einen seiner Mitgesellen / welcher die vorige Heurraht gemacht.


Zur 75 Einteilung.


Zu dem Ende schlug er ihm seine jüngere Tochter zur Ehe vor.] Im 15 Hauptst. des Buchs der Richter spricht Simsons Schwiegervater also: sie hat aber eine jüngere Schwester / die schöner ist / dan sie: die laß dein sein für diese.


Zur 82 Einteilung.


Weil man dergleichen schon zu des Noah Zeiten erfahren.] Diese Geschicht beschreibet Moses / im 6 und 7 Hauptstükke seines Buches von der Schöpfung / ausführlich.


Zur 84 Einteilung.


Daß die Holländer den Fund ihrer Brandschiffe.] Diese Bränder oder Brandschiffe sind in der gewaltigen Seeschlacht in Duins vor Engelland zum allerersten gebraucht worden / die Spanische mächtige Kriegsfluht / welche mit der Englischen der Königin Elisabet in ein hartes Treffen gerahten / zu verbrennen: wie Famian Strada / in seinem Buche vom Niederdeutschen Kriege / da er zugleich die erschrökkliche Gewalt solcher Bränder sehr ahrtig beschrieben / bezeuget.


Zur 88 Einteilung.


Nähmlich der Fariseer / Saduzeer / und Esseer.] Hiervon kan Val(erius) Herberger / in seinem 11 Teile von den großen Tahten Gottes / über das 15 Hauptst. des Buchs der Richter gelesen werden.


[548] Zur 94 Einteilung.


Er weidete seine Begierde selbst in den Weinbergen.] Dieses giebet das Buch der Richter klahr genug zu verstehen / wan desselben Schreiber / im 11 Hauptst. folgender Gestalt spricht: Er zündete (die Bränder) an mit Feuer / und lies sie unter das Korn der Filister: und zündete also an die Mandeln / samt dem stehenden Korne / und Weinberge / und Oehlbeume.


Zur 96 Einteilung.


Uber Sodoma und Gomorra.] Die Verwüstung dieser zween Städte durch Feuer / Pech / und Schwefel / beschreibet uns Moses im 18 und 19 Hauptst. des Buches der Schöpfung,


Zur 107 Einteilung.


Die Vermuhtungen gerieten endlich gar stark auf den einigen Simson.] Hiervon redet das Buch der Richter /im 15 Hauptstükke / wie folget: da sprachen die Filister: wer hat das getahn? Da sagte man: Simson / der Eidam des Timnatters / darüm daß er ihm sein Weib genommen / und seinem Freunde gegeben hat. Da zogen die Filister hinauf / und verbranten sie / samt ihrem Vater / mit Feuer. Aber Flavius Josef erzehlet diese Begäbnis etwas anders / wan er / im 10 Hauptstükke des 5 Buches der Jüdischen Altheiten / also spricht: nachdem die Fürsten des Volkes dieses erfahren / wie auch was den Simson hierzu bewogen ausgeforschet / da schikten sie ihre Beamteten nach Timnat / und liessen Simsons gewesene Frau / mit ihren Verwanten / die man schuldig befunden / öffentlich verbrennen.

Anmärkungen des vierden Buches

[549] [551]Anmärkungen des vierden Buches.

Zur 4 Einteilung.


Im Agrigentischen glühendem Ofen.] Diesen hat Perillus / ein Künstler von Atehn / auf Befehl des Falaris / Königes von Agrigent / den Tullius den grausamsten aller Wühtriche nennet / aus Ertze gegossen / und so künstlich erfunden / daß die Menschen / die man darinnen versperret brahten lies / eben als ein Ochse /wie Plinius / im 8 Hauptst. seines 34 Buches / meldet / zu bölken schienen. Daher schreibet Ovidius / im seiner Trauergedichte:


IPSE PERILLÆO PHALARIS PERMISIT IN ÆRE
EDERE MUGITUS, & BOVIS ORE QUERI.
wie auch anderwärts:
ÆRE PERILLÆO VEROS IMITERE JUVENCOS,
AD FORMAM TAURI CONVENIENTE SONO.

Aber der Erfinder / als er vom Falaris / der an dergleichen neuen Peinwerkzeugen sich überaus ergetzte /eine Verehrung forderte / muste der erste sein / welcher / auf Befehl des Wühterichs / darinnen verbrant ward. Ja Falaris ward endlich selbst / samt seiner Gemahlin / und den Kindern / durch das aufrührisch gemachte Volk / in eben demselben Ochsen hingerichtet; wie es ebenmäßig Ovidius mit folgenden Worten berühret:


UTQUE FEROX PHALARIS, LINGUÂ PRIUS ENSE RESECTÂ,
MORE BOVIS PHARIO CLAUSUS IN ÆRE GEMAS.

Zur 5 Einteilung.


Kreuse / die auch Glauke genennet wird / des Korintischen Königs Kreons Tochter / welche Jason geehliget / nachdem er die Medee / des Kolchischen Königs Eta Tochter / verlaßen: [551] darüm dan diese / sich zu rächen / jener ein Kästlein / darinnen sich ein verborgenes Feuer befand / zur Verehrung geschickt; aus welchem / sobald man es eröfnet / das eingeschlossene Feuer heraus gefahren / und das gantze Schlos /mit der Kreuse / verbrant. Daher schreibet Propertz im 2 Buche seiner Gedichte:


ASPICE, QUID DONIS ERYPHILA INVENIT AMARIS,
ARSERIT & QUANTIS NUPTA CREUSA MALIS.

Siehe doch / was Erifile / das ist Medee / mit ihren bitteren Geschenken erfunden / und wie die Gemahlin Kreuse so unglüklich verbrant worden. Aber Nigidius schreibet / daß Kreuse / dem Feuer und Gifte der Medee zu entflühen / sich zu Korint in einen Brunnen / den man nachmahls Glauke genennet / solte gesturtzt haben.

Alzibiades / ein fürtreflicher Kriegs- und Stahts-man zu Atehn / der so große Tugenden / und zugleich auch so große Laster an sich hatte / daß man zweifelte / ob er mehr zu preisen / oder zu schälten sei / war überaus wohl gestaltet / und mit einer sonderlichen Schönheit begabet / zu derer Erhalt-oder Vermehrung / er die wilde Ochsenzunge / eine Gattung der Rohten / die sonst ANCHUSA, nach ihm aber ἀλκιβιάδιον, das ist Alzibiadeskraut / genennet worden. Dieser /als er Atehn verlaßen / und sich in Frigien aufhalten muste / ward alda von denen / die ihn zu verfolgen ausgeschikt waren / in seinem Bette verbrant; wie Plutarch / Elian / Justien / im 5 Buche / und Plinius /im 22 Hauptstükke seines 34 Buches / angezeichnet.

Pitagoras war der weltbekante fromme Samische Weisemeister / dessen Lob Ovidius / im 15 seiner Verwandlungssbücher also erhöbet:


MENTE DEOS ADIIT, & QUÆ NATURA NEGAVIT
USIBUS HUMANIS, OCULIS EA PECTORIS HAUSIT.

Von diesem meldet Laertz / daß er / im Wälschlande zu Kroton / da er zur Zeit des Servius Tullius / wie Livius / Suidas / und Dionisius schreiben / gelehret /in des Nikokles oder Milons Hause / von einem Jünglinge / den er in seine Schuhle nicht [552] aufnehmen wollen / verbrant / oder vielmehr / nachdem er aus dem brennenden Hause geflohen / ermordet worden. Aber Plutarch beschuldiget hiermit / in seinem Buche vom Sokratischen Geiste / die Kiklonier; indem er meldet /daß eben diese den fürtreflichen Man zu Metapont /welches eine Griechische Stadt war / in / und samt dem Hause seiner Geselschaft / eingeäschert. Hingegen wird vom Dizearch / bei dem Laertz / gegleubet /daß er nicht verbrant / auch nicht ermordet / sondern im Heiligtuhme der Musen zu Metapont / dahin er geflohen / nachdem er vierzig Tage gefastet / im achtzigsten Jahre seines Alters / wie Heraklides / bei dem Laertz / angemärket / gestorben sei. Man hielt ihn /seines überaus mäßigen und halbgötlichen Lebens wegen / so hoch / daß er auch nach seinem Tode /gleichals ein Gott geehret / und seine Wohnung zum Götzenhause gemacht ward; wie Trogus im 20 Buche bezeuget.


Zur 24 Einteilung.


Wie Bitus und Bachius.] Diese / derer Swetohn gedenket / waren zween fürtrefliche Fechter / die weder an Kühnheit / noch Kunst einander nicht wichen. Dan nachdem sie viel andere Fechter niedergemacht / gingen sie endlich auch auf einander selbst loß / und erstachen sich / nach langem Fechten / alle beide. Daher sagt Horatz:


UT NON COMPOSITI MELIUS CUM BITHO BACCHIUS.


Hiervon komt das Sprichwort / Bitus wider den Bachius: welches gebraucht wird / wan zween Böse mit gleicher Boßheit einander begegnen.


Zur 26 Einteilung.


Arba / der Enaker oder Enakskinder Stamvater / den Jakob Kapelle / weil ארבע, ARBA, bei den Ebräern so viel als Viere bedeutet / und das Wort אמנת, das ist ein Ellebogen / darbei solte verstanden werden / vier Ellebogen lang gewesen zu sein meinet. Aber er hat diesen Nahmen / indem eine Länge von [553] vier Ellebogen zu einem solchen Riesen / welcher der gröste unter den Enakskindern / wie es in der Grundsprache lautet / im 14 Hauptst. des Buchs des Josua / genennet wird / viel zu wenig ist / durch das Wort Ellebogen gantz nicht recht erklähret. Dan weil dieser Arba gleichsam ein Vater der vier Riesen war / nähmlich des Enaks / Achimans / Sesai / und des Telmai / derer drei letzten im 1 Hauptstükke des Buchs der Richter gedacht wird / so kan man anders nicht urteilen / als daß dieser Nähme volkömlich ארבע־אבי, ABI-ARBA, das ist der Vater der Viere / nähmlich der Vier Riesen / heissen sol. Dergleichen Beispiel finden wir im 26 Hauptst. des 4 der Bücher des Moses / am Nahmen Hieser oder Ihezer / den das Buch des Josua im 17 Hauptst. volkommen Abiezer ausspricht. Dieses Ihesers oder vielmehr Abiesers Vater war Gilead / und Großvater Machir / der Sohn des Manasse.


Zur 27 Einteilung.


Kirjat-Arba / ארבע־קרית, das ist des Arba Stadt.] Diese lag auf dem Gebürge des Juda / und war eine von den sechs Freistädten der Kinder des Israels / wie Josua im 20 Hauptst. seines Buches anzeiget: wie auch eine von den Städten der Kinder des Levi; darvon das 21 Hauptstükk des gemeldten Buches also spricht: so gaben sie ihnen (den Kindern Aarons / des Geschlächts der Kahatiter / aus den Kindern des Levi) Kirjat-Arba / die des Vaters Enaks war / das ist Hebron / auf dem Gebürge des Juda. Ja eben dieselbe Stadt war es / die erstlich dem Kaleb / dem Sohne des Jefunne / straks nach ihrer Eroberung / der Stam des Juda erblich zu besitzen übergab. Die Worte des 1 Hauptstükkes des Buchs der Richter lauten hiervon also: und Juda zog hin wider die Kananiter / die zu Hebron wohneten (Hebron aber hies vor Zeiten Kirjat-Arba) und schlug den Sesai / und Achiman / oder Ahiman / und Talmai. Und sie gaben dem Kaleb Hebron / wie Moses gesagt hatte. Und er vertrieb daraus die drei Söhne des Enak. Eben dasselbe meldet auch das 15 Hauptst. des Buches des Josua. Hierbei kan zugleich nachgelesen werden das 14 Hauptst. itztangezogenen [554] Buchs / wie auch was wir droben bei der 21 Einteilung unsers ersten Buches / und Matt(eus) Aurogallus / in seinem Buche von den Eignen Nahmen der Ebräer / hiervon erinnert. Kirjat-Arche / das ist der Uhrkunden Stadt.] Von den dreierlei Nahmen dieser Stadt haben wir droben / bei der 21 Einteilung unsers 1 Buches schon etwas angemärket. Den itztgemeldten findet man in der Kaldäischen Ubersetzung aus dem Arabischen. Daß ihr aber der Nähme Debir / das ist Dornenstadt / wie es Althammer / in seinem Walde der Eignen Schriftnahmen / erklähret / erst nach der Zeit / da sie von den Kindern des Israels erobert worden / gegeben sei / erscheinet aus dem 15 Hauptst. des Buchs des Josua / und aus dem 1 Hauptst. des Buchs der Richter / da man diese Worte lieset: Und Juda zog von dannen / wider die Einwohner zu Debir. Debir aber hies vor Zeiten Kirjat-Sefer. Und Kaleb sprach: wer Kirjat-Sefer schläget / und gewinnet / dem wil ich meine Tochter Achsa zum Weibe geben / u.a.m. Auch saget das itztgemeldte 15 Hauptst. des Buches des Josua ferner / und weiter nach dem Ende zu: Kirjat-Sanna / das ist Debir.


Zur 28 Einteilung.


Enak oder Anak.] ענק, das ist ein Halsschmukträger /Halskettenträger / TORQUATOS, war ein Uhrhöber der ענקים, ANAKIM, der Anaker oder Enaker / oder der ענק־בני, Anakskinder oder Enakskinder. Jenes gedenket die heilige Schrift an vielen Oertern: nähmlich im 4 B. des Moses 13; 29;34: im 5 B. Mos(e) 9; 2: und im Buche des Josua / 15; 13, 14: 21; 12: wie auch im Buche der Richter / 1; 20: dieser aber / im 5 B. des Moses 1; 28: und im B. des Josua / 11; 21, 22: 14; 12, 15. Auch nennet eben dieselbe die drei Söhne des Enaks / aus denen alle die andern eigendlich also genenten Enaker oder Enakskinder entsprossen / im 4 B. des Moses 13; 23: wie auch im Buche des Josua /15; 4: und im B. der Richter / 1; 10, 20, ausdrüklich mit Nahmen. Am erstangeführten Orte stehen hiervon diese Worte: da (zu Hebron) war Achiman / Sesai /und Talmai / die Kinder des Enak. Hebron aber war sieben Jahr gebauet vor Zoan in Egipten / u.a.m.

[555] Der Föniker oder Fönizier / oder auch Pöner / und Puniker Nahme.] Hiervon kan droben unsere Anmärkung / bei der 13 Einteilung unsers 1 Buchs nachgelesen werden.

Darunter man nicht allein die Riesen von Kanaan.] Daß aber die Föniker ins gemein für Anakskinder oder Anaker haben wollen gehalten sein / obschon die wenigsten von Anak herstammeten / siehet man /unter andern / deutlich genug am Nahmen der Stadt Kartago / welche sie gebauet / und in ihrer Sprache CHADRE-ANAK, ענק־חדרי, das ist den Sitz der Anaker / genennet: wie / im 2 Aufzuge der 5 Handlung seines so genenten PŒNULUS, Plautus anzeiget /und Bochard / in seinem Kanaan / am 804 Bl. weitleuftig angemärket. Auch ist es kein Wunder; weil es schier bei allen Völkern gebreuchlich / daß sie nach ihrem edlesten und berühmtesten Teile sich zu nennen pflegen.


Zur 29 und 30 Einteilung.


Achiman / אחימן wird von den Ebräischen Sprachmeistern solcher Gestalt erklähret / als wan es aus אח und ימין gebildet were / und als hiesse es מיומן שבאחין, das ist durch die Faust 20 den Brüdern überlägen. Sesai / ששי, war der mitteste Sohn des Enaks / wiewohl ihn das Buch des Josua / und der Richter voran setzet. Talmai / תלמי, scheinet aus תלם das ist eine Furche /oder Akkerfuhre / gebildet zu sein.


Zur 31 Einteilung.

Des Landes Einwohner.] Diese Worte stehen im 4 Buche des Moses /13; 29, 32, 33, 34.

Zur 32 Einteilung.

Gleichwohl überwand sie Josua.] Hiervon handelt das 11 Hauptst. des Buches des Josua also: zu der Zeit kahm Josua / und rottete aus die Enakim von dem Gebürge / von Hebron / von Debir / von Anab / von allem Gebürge des Juda / und von allem Gebürge Israels / und verbannete sie / mit ihren Städten; [556] und lies keinen der Enakim übrig bleiben / im Lande der Kinder Israels / ohne zu Gaza / zu Gad / zu Asdod: da blieben sie übrig.

Der Riese Goliat.] Von diesem handelt das 17 Hauptst. des 1 Buchs Samuels: da unter andern stehet / daß gemeldter Riese einen ehernen Helm auf seinem Heupte / und ein schupichtes Pantzer getragen / dessen Gewicht 5000 Sekkel Ertzes gewesen. Auch hab' er ein ehernes Beinharnisch an seinen Schenkeln / und ein ehernes Schild auf seiner Schulter gehabt. Und der Schaft seines Spiesses sei wie ein Weberbaum gewesen / dessen Eisen 600 Sekkel gewogen. Hierbei hat M(agister) Johan Vogel / in Joh(an) Kassions Berichte von den Riesen / folgendes angemärket: wan man verstehet / schreibt er / SICLUM τετράδραχμον, und ihn auf ein Loht rechnet / so machen 5000 Sekkel 156 Pfund / und ein Vierteil. Lesset man es aber / wie vermuhtlich ist / auch nur SICLUM PROFANUM oder τετράδραχμον sein / so macht es gleichwohl 78 Pfund / und ein halbes Vierteil. Also machen auch die 600 Sekkel zum Eisen am Spiesse / SICLO SANCTUARII, 19 Pfund / und anderthalbes Vierteil.

Vom Lahemi findet man im 21 Hauptst. des 1 Buchs der Zeitgeschichte folgende Worte: da schlug Elhanan / der Sohn Jairs / den Lahemi / den Bruder Goliats / den Gatiter / welcher eine Spiesstange hatte /wie ein Weberbaum. Sibai oder Sippai / der auch einer aus den Kindern der Riesen war / wird an eben demselben Orte mitangezogen. Vom Isbibenob stehet / im Hauptst. des 2 B. Samuels / also: und Isbi zu Nob / welcher war der Kinder Rafa einer / und das Gewücht seines Speers war 300 Gewücht Ertzes / und hatte neue Warfen: der gedachte David zu schlagen Aber Abisai / der Sohn des Zeruja half ihm / und schlug den Filister toht. In der Folge dieses Hauptstükkes wird auch des Sippai / der alda Saf heisset /und des Lachemi / unter Goliats seines Bruders Nahmen / wie auch desselben Riesen mit den vielen Zeen und Fingern gedacht. Vom letzteren lauten die Worte / wie folget: und es erhub sich wieder ein Krieg zu Gat. Da war ein langer Man / der hatte sechs Finger an seinen Händen / und sechs Zeen an seinen Füßen /das ist vier und zwanzig an der Zahl; und er war auch[557] gebohren von Rafa. Und da er Israel hohn sprach /schlug ihn Jonatan / der Sohn des Simea / des Bruders Davids. Diese viere waren dem Rafa zu Gat gebohren / oder von den Riesen zu Gat / wie im 21 Hauptst. des 1 B. der Zeitgeschichte stehet / und fielen durch die Hand Davids / und seiner Knechte.


Zur 33 Einteilung.


Der Egiptische Riese von fünf Ellen.] Von diesem /und seinem Uberwinder dem Benaja / dem Sohne des Jojada / handelt / unter andern / das 12 Hauptst. des 1 Buchs der Zeitgeschichte.


Zur 34 Einteilung.


Das erste war Basan.] Hiervon handelt das 21 Hauptstük des 4 Buchs des Moses; wie auch das 3. und 29 Hauptst. des 5 B. Mos(e).


Zur 35 Einteilung.

Den Kindern Ammons / und Moabs.] Hiervon zeuget das 2 Hauptstük des 5 B. des Moses.

Die Emer.] Von diesen Riesen lauten / im itztgemeldten Hauptstükke / die Worte / wie folget: Ich habe Ar den Kindern Lots zu besitzen gegeben. Die Emim haben vor Zeiten darinnen gewohnet. Das war ein großes / starkes / und hohes Volk / wie die Enakim. Man hielt sie auch für Riesen / gleichwie die Enakim: und die Moabiter heissen sie auch Emim.

Die Sammesumer.] Hiervon findet man / in eben demselben Hauptstükke / diese Worte: Ich wil dir des Landes der Kinder Ammons nichts zu besitzen geben: dan ich hab es den Kindern Lots zu besitzen gegeben. Es ist auch geschätzt für der Riesen Land. Auch haben vor Zeiten Riesen darinnen gewohnet: und die Ammoniter heissen sie Sammesumim. Das war ein großes / starkes / und hohes Volk / wie die Enakim /u.s.f.


[558] Zur 36 Einteilung.


Das vierde gemeldter Riesenländer.] Hiervon spricht mehrgemeldtes Hauptstük ebenfals. Dessen eigene Worte lauten / wie folget: auch wohneten vor Zeiten in Seir die Horiter: und die Kinder des Esau vertrieben und vertilgeten sie von ihnen / und wohneten an ihre stat.


Zur 37 Einteilung.


Jener Französische Riese.] Von diesem schreibet Livius / im 4 B. des 1 Teils / und aus ihm Joh(an) Kassion / im 5 Hauptst. von den Riesen. Der Röhmer Manlius / welcher gemeldten Riesen straks im ersten Gange / wiewohl er nicht halb so lang / und noch sehr jung war / erlegte / ist eben derselbe / der seinen eignen Sohn / nachdem er ihn zuvor mit Ruhten gestrichen / entheupten lies / nur allein darüm / weil er /wider seinen Befehl / mit den Samniten / die ihn ausgefordert / geschlagen / unangesehen / daß er den Sieg darvon getragen. Daher spricht Virgiel / im 6 B. seines Heldengedichtes vom Eneas:


– SÆVUMQUE SECURI
ASPICE TORQUATUM.

Ja daher / scheinet es / hat er auch zu dem ersten Zunahmen TORQUATUS, der nachmahls sein Geschlächtsnahme ward / noch einen bekommen /indem er IMPERIOSUS, das ist der Gebietende oder Herscherische genennet worden; wie Gellius / im 13 Hauptst. seines 9 Buches / und Livius an gemeldtem Orte / bezeugen.


Zur 39 Einteilung.


Dan als die Kuhrkinder GOttes.] Hiervon meldet die heilige Schrift im 6 Hauptst. des Buches der Schöpfung also: Als sich die Menschen zu mehren begunten auf Erden / und zeugeten ihnen Töchter; da sahen die Kinder GOttes nach den Töchtern der Menschen / wie sie schön waren / und nahmen zu Weibern / welche sie wolten. Es waren auch zu der Zeit Tirannen auf[559] Erden. Dan da die Kinder GOttes die Töchter der Menschen beschlieffen / und Kinder zeugeten / wurden daraus Gewaltige in der Welt / und berühmte Leute. Da aber der HERR sahe / daß der Menschen Boßheit groß war auf Erden / und alles Dichten und Trachten ihres Hertzens nur böse fort und fort; da reuete es Ihn / daß Er die Menschen gemacht hatte /und es bekümmerte Ihn in seinem Hertzen; und Er sprach: Ich wil die Menschen / die Ich geschaffen habe / vertilgen von der Erde / u.s.f. Noah fand Gnade vor dem HERRN. Aber die Erde war verderbet vor GOttes Augen / und vol Frevels / u.s.f. Da sprachGOTT zu Noah: alles Fleisches Ende ist vor Mich kommen. Dan die Erde ist vol Frevels von ihnen: und siehe da! Ich wil sie verderben / mit der Erde / u.s.f.


Zur 40 Einteilung.


Nimrod / der erste König zu Babel / da eine große Mänge des edlesten Weines wuchs / und er also mit rechte ein Herr des Weines heissen mochte / war eben derselbe / den die Griechen Βάκχος, und die Lateiner / ihnen zur folge / BACCHUS, wie auch die Deutschen Bachus nennen. Und diesen Nahmen haben sie aus כוש־בר BAR-CHUS, das ist der Sohn Kus / gebildet; indem die Griechen nur allein das r in Bar / das so viel / als Sohn / bedeutet / in ein oder k / und die Lateiner in ein C verwandelt / die Deutschen aber gantz weggeworfen. Er war auch warhaftig ein Sohn Kus oder CHUS, und ein Sohnssohn des Hams / oder Jupiter Ammons; wie den Harn die Götzendiener nachmahls benahmet: wie auch ein Vater des Ninus /der die gewaltige Stadt Ninive gestiftet. Daher ward auch dieser Bachus oder Sohn des Kus bei den Griechen zugleich Διόνυσος, als sagte man Διὸς ὑιός, das ist Gottes Sohn / FILIUS JOVIS, und bei den Lateinern ebenmäßig DIONISUS, wie auch seiner Fürtreflichkeit wegen / schlechthin LIBER, das ist ein Kind oder Sohn / genennet. Ja der Nahme Nimrod selbst hat den Dichtern Anlaß gegeben / daß sie ihren Weingötzen / den Bachus / auch Nebrod / Νεβρώδεα, undνεβριδόπεπλον hiessen; gleich als were er mit Hirsch-oder Reh-fellen / wie das Griechische Wort [560] νεβρίς bedeutet / bekleidet / und zugleich ein gewaltiger Jäger gewesen: wiewohl ihm andere / doch eben daher / an stat der Hirsch- oder Reh-felle / Tiegerfelle / weil NIMRA, נמרא bei den Kaldäern ein Tieger heisset /angedichtet: ja selbst seinen Wagen mit Tiegern bespannet. Gleichwie auch Nimrod / im Hauptst. des Buchs der Schöpfung / ein gewaltiger Jäger vor Gott genennet wird / also haben die Dichter ihrem Weingötzen den Nahmen Ζαγρεύς, der eben so viel heisset / nähmlich ein starker oder gewaltiger Jäger / gegeben. Wie endlich Nimrod in den Morgenländern / und bis in Indien Kriege geführet / so dichten sie auch eben solche Kriege dem Weingötzen Bachus an. Aber weil wir dieses alles / in den Anmärkungen über unsere Assenat / vom 356 Bl. bis auf das 362. ausführlich erörtert / so wollen wir den Leser eben dahin gewiesen haben.


Zur 45 Einteilung.


Nasenhörning oder Nasenhorn nennen wir dasselbe starke und gewaltige Indische Tier / das im Wasser so wohl / als auf dem Lande / lebet / und bei den Griechen ῥινόκερως, RHINOCERUS, weil es ein kurtzes / doch zimlich starkes und spitziges Horn auf der Nase führet / oder vielmehr eine Hörnerne Nase hat /heisset. Sonst wird es auch bei uns von etlichen Elefantenmeister / ELEPHATIS VICTOR benahmet: weil es mit dem Elefanten / als seinem gleichsam gebohrnem Feinde / zu fechten / und ihm mit seinem andern Horne / das weiter hinauf nach dem Rükken zu stehet / nachdem er es an den Steinen geschärfet /unten in den Pansch stoßet / da er die weicheste Haut hat / und ihn also mit Gewalt aufreisset; wie Plinius /im 20 Hauptst. seines 8 B. der Natürlichen Geschichte / Solinus / im 63 Hauptst. Elian / im 44 Hauptst. des 16 B. seiner Tiergeschichte / Jonstohn / am 19 Bl. seiner Natürlichen Begäbnisse / Aldrovand / Gesner /und andere in dergleichen Schriften aufgezeichnet.


Zur 46 Einteilung.


Den Nahmen Enak / oder Anak.] Hiervon kan Bochard / im 1 Hauptst. des 1 B. seines Kanaans / wie auch mein Dichterischer Sternhimmel./ im Zeichen der Zwillinge gelesen werden.


[561] Zur 47 Einteilung.


Der Rise Abkamazi.] Hiervon schreibet der Ebräer Benjamin von Tudele / in seinem Reisebuche / am 16 Bl.


Zur 48 Einteilung.


Antäus.] Von diesem meldet Volaterran / daß er /durch den Herkules / indem dieser gemärket / daß jener / sobald er das Erdreich berührete / straks wieder zu völligen Kräften gelangte / in die Luft / oder in die Höhe / wie Natalis Komes im 1 Hauptst. seines 7 B. saget / sei gezogen / und alda getöhtet worden. Daher schreibet von ihm Lukahn / im 4 B. seiner Dichtereien:


HOC QUOQUE TAM VASTAS CUMULAVIT MUNERE VIRES
TERRA SUI FŒTUS, QUOD QUAM TETIGERE PARENTEM,
JAM DEFECTA VIGENT RENOVATO CORPORE MEMBRA

Dahin zielet auch Seneka / wan er in seinem Herkules / also saget: NULLUS ANTÆUS ANIMAM RESUMIT. Daß aber Antäus / sobald er / im fechten mit dem Herkules / seine Mutter / die Erde / berühret /seine geschwächten Kräfte sol wiederbekommen haben: das verstehen wir vom Seegefechte desselben mit dem Herkules in der Libischen See; da er zwar vielmahls geschlagen / aber auf dem Libischen Erdbodem / von dannen er bürtig war / sich allezeit wieder gestätket: deswegen ihn Herkules auch endlich in die Höhe des Meeres / das ist ferne vom Libischen Lande weg / und weit in die See hinein gezogen / ja ihm also den Weg / frische Völker in Libien zu hohlen / abgeschnitten; damit er ihn üm so viel eher übermeistern möchte.


Zur 49 Einteilung.


Die Güldenen Aepfel / in den Hesperischen Gärten.] Hiesige Gärte / darinnen / wie man gedichtet / die Güldene der Venus geheiligte Aepfel stunden / kahmen den Hesperinnen zu. Diese waren Jungfrauen /und Töchter des Hespers; von denen man schreibet /daß er auf seines Bruders des Atlas Berge / da er das[562] Gestirn beschauet / in den Abendstern sol verwandelt sein: wiewohl Eubulus / und Servius sie für Töchter des Atlas selbst / und andere für des Forkus ausgeben. Die meisten nennen sie Egle / Aretuse / Hespertuse /Veste / und Eritie. Den Drachen / der Ladon hies /und diese Güldenen Aepfel beschirmete / hatte der Riese Tifon / aus der Echidna / gezeuget. Er war mit hundert Köpfen versehen / und gab mancherlei Stimmen von sich; wie des Apollonius Anmärker erzehlet. Ohne Zweifel wird hierdurch der Riese / und Riesen-oder Anaks-sohn Antäus / mit seinen hundert Schiffen / und vielerlei Sprachen / die er redete / verstanden: gleichwie durch die Hesperinnen / die / als Priesterinnen oder Nonnen / das Hesperische Götzenhaus bewahreten / und den Drachen warteten / etliche Edele /ja Königliche Jungfrauen / die den Schatz des Antäus in ihrer Huht hatten / und ihn selbst / zur Seereise /mit Lebensmitteln versahen. Daß aber gemeldte Gärte nicht in Wälschlande / dahin sie etliche / weil es vom Hesper den Nahmen Hesperien / wie Higinus meldet /bekommen / zu setzen pflegen / sondern / nach der meisten Meinung / im Mohrenlande / und zwar im eusersten Ende desselben / nach dem Abende zu / unfern von der Stadt Lixen / auch nicht weit von Meroe / und dem Rohten Meere / sich befunden / ist zugleich aus des Virgiels Worten zu schlüßen / wan er / im 4 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / also saget:


OCEANI FINEM JUXTA, SOLEMQUE CADENTEM
ULTIMUS ÆTHIOPUM LOCUS EST; UBI MAXIMUS ATLAS
AXEM HUMERO TORQUET STELLIS ARDENTIBUS APTUM.
HINC MIHI MASSYLÆ GENTIS MONSTRATA SACERDOS,
HESPERIDUM TEMPLI CUSTOS, EPULASQUE DRACONI
QUÆ DABAT, ET SACROS SERVABAT IN ARBORE FRUCTUS.

Dan eben alda / da der Mohrenberg Atlas / oder der Mohrenkönig Atlas selbst den Himmel mit seinen Schultern zu unterstützen gedichtet ward / wohneten /an der eusersten Grentze des Landes / die Hesperinnen; wie Dionisius / in seinem Buche [563] von der Gelegenheit der Welt / bezeuget. Seine Worte lauten / in der Lateinischen Ubersetzung / also:


SUSTINET HIC ATLAS COELUM. SIC FATA JUBEBANT.
ULTIMUS HESPERIDUM LOCUS EST IN MARGINE TEERÆ:
HIC CAPITE & MANIBUS FERT VASTI PONDERA MUNDI.

Auch bezeuget Ferezides / in seinem 10 Buche / da er das Beilager der Juno beschreibet / welche dem Jupiter die Hesperischen Aepfelbeume / die güldene Aepfel trugen / verehrete / daß das nächst bei der Weltsee / nach dem Niedergange zu / gelegene Land goldfärbige Aepfel getragen: welche nachmahls Herkules / auf Befehl des Argolischen Jupiters oder Königes Euristus / nachdem er den Drachen erschlagen / geraubet; wie Luzian bezeuget / wan er spricht:


ABSTULIT ARBORIBUS PRETIUM, NEMORIQUE DECORUM
ALCIDES: PASSUSQUE INOPES SINE PONDERE RAMOS,
RETTULIT ARGOLICO FULGENTIA POMA TYRANNO.

Aber Agretas schreibet / in seinen Libischen Begäbnissen / daß es keine Güldene Aepfel gewesen / die Herkules geraubet / sondern Schafe mit güldener oder goldgälber Wolle: von denen man vorgegeben / weil sie ein grober unmenschlicher Schäfer gehühtet / daß sie ein Drache beschirmete. Daher sagt auch Servius bei dem Virgiel: es seind aber in Wahrheit Edele Jungfrauen gewesen / derer Heerden Herkules weggetrieben / nachdem er ihren Hühter getöhtet. Und Natalis Kornes erzehlet / nicht weis ich aus wem diese Begäbnis noch ausführlicher / wiewohl mit etwas andern Umständen / als sie sonsten erzehlet wird; indem er schreibet: es sind zween berühmte Brüder gewesen /Hesper / und Atlas. Diese hatten überausschöne gälbe oder goldfärbigte Schaf. Hesper zeugete mit seiner Ehegattin eine Tochter / die Hesperide / und gab sie /nachdem sie erwachsen / seinem Bruder zur Ehe. Nach dieser nennete man das Land Hesperitis oder Hesperien. Sie gebahr aber dem Atlas sechs Töchter /welche vom Vater her Atlantinnen / und von der Mutter her Hesperinnen benahmet [564] warden. Diese waren /ihrer Schönheit wegen / so berühmt / daß Busiris (des Neptuns und der Libie Sohn / wie Eusebius im Buche von den Zeiten meldet / und zur Zeit des Danaus / der Archiver König / wie Augustien / im Buche von der Stadt Gottes / bezeuget) durch unmäßige Liebe bewogen / etliche Seereuber ausschikte sie entführen zu laßen / eben damahls / als Herkules mit dem Antäus stritte. Die Seereuber fanden sie spielen / in einem Garten / und schlepten sie mit Gewalt auf ihr Schif /mit ihnen darvon zu fahren. Aber Herkules / der solches erfahren / überfiel die Seereuber / indem sie am Seeufer Mahlzeit hielten / und erwürgete sie alle. Also erlösete er die Gefangenen / und brachte sie wieder zu ihrem Vater: der ihm / zur Vergältung einer so hohen Wohltaht / überaus schöne Schafe / samt vielen andern Geschenken / verehrete. Ja er teilete ihm zugleich die Sternkunst mit: die er mit sich in Griechenland brachte. Und daher ist der Ruf erschollen / daß Herkules / an des Atlas stat / den Himmel auf seinen Schultern getragen.

Dem sei nun / wie ihm wolle / so siehet man doch aus allem / was wir alhier nur kürtzlich / und gleichsam bei Brokken angeführet / augenscheinlich / daß die alten Dichter in ihrem Dichtwerke von den Hesperinnen / und Hesperischen Gärten / mehr als eine Geschicht zusammengeflikt: welches ausfündig zu machen / wol ein gantzes Buch erforderte / und alhier / da wir die Weitleuftigkeit nohtwendig meiden müssen / unsers Tuhns nicht ist. Gleichwohl ist nöhtig /ehe wir die Feder hiervon abziehen / noch dieses zuerinnern: nähmlich daß die zwei Arabischen Wörter מאל, MAL, und מאלן, MALON oder MELON, deren das erste so viel als Vieh / das andere Reichtuhm oder Geld und Guht bezeichnet / ja noch mehr das Griechische μῆλον oder / nach der Dorischen Mundahrt /μᾶλον, weil es beides einen Apfel / den die Lateiner gleichesfals MALUM nennen / und ein Schaf / auch wohl allerlei Vieh / ja selbst die Liebe / darüm daß der Apfel der Liebe heilig / und eine Bakke oder Wange / welche / der Gestalt nach / dem Apfel gleichet / bedeutet / den Dichtmeistem / indem der eine gemeldte Wörter auf diese / der andere auf jene Weise verstanden / fast den [565] meisten Anlaß gegeben / daß sie diese Begåbnis von den Hesperinnen auf so vielerlei unterschiedliche Ahrt ümgekünstelt / und so mancherlei Mährlein daraus gemacht. Dan etliche haben den Hesperinnen / nach der Bedeutung des Arabischen Wortes MALON, einen Schatz / andere / wieder nach dem Arabischen MAL, und der zweiten Bedeutung des Griechischen Wortes μῆλον oder μᾶλον, die Schafe oder anderes Vieh / noch andere / nach der ersten Bedeutung des Griechischen / die Aepfel zu bewahren gegeben. Hierbei dünket uns gleichwol der ersten Vorstellung vom Schatze oder Reichtuhme die wahrhaftigste zu sein: weil sie aus dem Arabischen Worte MALON, oder vielmehr aus desselben Bedeutung geflossen / und die Hesperischen Gärte viel weiter von den Griechen / als von den Arabern / lagen; daher auch diese solche Begäbnis ohne Zweifel viel eher und wahrhaftiger / als jene / beschreiben können. Aber hiervon kan zugleich unser Dichterischer Sternhimmel / im Zeichen des Widers / gelesen werden.


Zur 50 Einteilung.


Nattern- oder Schlangen-füßer.] Also nennet die Riesen Ovidius / im 1 seiner Verwandlungsbücher / wan er spricht:


– QUÆ CENTUM QUISQUE PARABAT
INJICERE ANGUIPEDUM CAPTIVO BRACHIA CŒLO.
wie auch Pontan / im folgenden Dichtbande:

TUNE DEUS, TÚNE ANGUIPEDES VICTURE GIGANTES?


Schlangen- oder Drachen-gebuhrten.] So heisset sie eben derselbe Ovidius / in seinem vierden Buche der Traurigen / wan er schreibet:


SPHINGAUQE & HARPYIAS, SERPENTIGENOSQUE GIGANTES.


Wiewohl sie etliche aus der Erde.] Daher nennet Lukan die Riesen TERRIGENAS, das ist aus der Erde gebohrne / oder Erdenkinder / wan er also schreibet:


AUT SI TERRIGENÆ TENTARENT ASTRA GIGANTES.

Dahin zielet auch eben er / im 4 Buch seiner Gedichte / wan er also saget:

NONDUM POST GENITOS TELLUS EFFŒTA GIGANTES, etc.


[566] Die Gebuhrt derselben aus der Erde / durch des Himmels Bluht gleichsam geschwängert / zeiget Hesiodus / in seiner Göttergebuhrt / folgender Gestalt an:


όσσαι γὰρ ῥαϑαμίγγες ἀπέσσυϑεν αἱματόεσσαι,
πάσας δέξατο Γαια. περιπλομένων δ᾽ἐνιαυτῶν,
γείνατ᾽ Εριννῦς τε κρατερὰς, μεγάλους δε Γίγαντας

SANGUINEÆ QUOTQUOT GUTTÆ CECIDERE, RECEPIT
TERRA OMNES: EADEM RURSUS VOLVENTIBUS ANNIS
HORRENDAS PEPERIT FURIAS, MAGNOSQUE GIGANTES, etc.

Alle Bluhtstropffen / die aus des Himmels Schaam /welche sein Sohn Saturn mit einer Sichel abgeschnitten / geflossen kahmen / empfing die Erde / und gebahr / nach verlauffe der Zeit / die gewaltigen Hölhuhren / mit den ungeheuren Riesen. Fast eben dasselbe hat Orfeus in seinem 8 B. wie auch Akusilaus geschrieben: dessen Meinung des Apollonius Anmärker mit aufgezeichnet. Dargegen meinet Apollodor /in seinem 1 Buche / daß die Riesen nur allein von der Erde solten entsprossen sein: welche die Schmaach /die von den Göttern ihr zugefüget worden / indem sie die Titanen / das ist die Riesen vor der Sündfluht /durch das Wasser vertilget / zu rächen / andere Riesen nach der Sündfluht gebohren. Ja es zielet fast eben dahin Hesiodus selbst / in seiner Göttergebuhrt / da er gantz weitleuftig von beiderlei Riesen handelt: wie auch Apollonius / wan er also spricht:


AST HIC HORRIBILIVE TYPHOËO, PIGNORIBUSVE
TERRÆ PERSIMILIS; QUÆ TELLUS EDIDIT OLIM
ALMOIRATA JOVI, etc.

Zur 51 Einteilung.


Daß Noah / der Uhrhöber des Menschlichen Geschlächts nach der Sündfluht.] Diese Geschicht beschreibet uns Moses / im 9 Hauptstükke seines 1 Buches / also: Noah aber fing an / und ward ein Akerman / und pflantzete Weinberge. Und da er des Morgens trank / ward er trunken / und lag in der Hütten[567] aufgedekt. Da nun Ham / Kanaans Vater / seines Vaters Schaam sahe / sagte er es seinen beiden Brüdern draussen. Da nahm Sem und Jafet ein Kleid / und legtens auf ihre beide Schultern / und gingen rüklings hinzu / und dekten ihres Vaters Schaam zu / daß sie ihres Vaters Schaam nicht sahen. Als nun Noah erwachte / und erfuhr / was ihm sein kleiner Sohn getahn hatte; da sprach er: Verflucht sei Kanaan / und sei ein Knecht aller Knechte unter seinen Brüdern /u.s.f.


Zur 53 Einteilung.


Von den ersten Riesen vor / und von den andern nach der Sündfluht.] Von jenen handelt Hesiodus / in seiner Göttergebuhrt / vom 147 Dichtbande bis auf das 169; von diesen aber / in eben demselben Buche /vom gemeldten 169 Bande bis auf das 186.

Für Kinder des Himmels / und der Erde.] Daher sagt Orfeus in seinen Himmelsliedern:


Τιτῆνες Γαίης τε καὶ Οἀρανοῦ ἀγλαὰ τέκνα.

TITANES CŒLI AC TERRÆ CLARISSIMA PROLES.


Eben also nennet die Titanen Eschiel in seinem Prometeus / Ουρανοῦ τε καὶ χϑονὸς τέκνα, das ist des Himmels / und der Erde Kinder.


Zur 54 Einteilung.


Seiner drei getreuesten Nachfolger.] Vom ersten derselben handelt das 4 und 5 Hauptst. von dem zweiten ebenmäßig das 5 Hauptst. und vom dritten wieder das 5, wie auch 6, 7, 8, 9 und 10 Hauptst. des Buches der Schöpfung.


Zur 55 Einteilung.


Uber einer aufgerichteten Reucherhöhe.] Hiervon schreibet des Aratus Anmärker also: es bezeuget aber Eratostenes / daß diese Reucherhöhe / die unter dem Gestirne stehet / eben dieselbe sei / welche die Ziklopen / des Vulkans Schmiedeknechte / gebauet / und über welcher die Götter zuvor schwöhren [568] müssen /ehe sich Jupiter zum Kriege wider die Titaner gefast gemacht.

Aus der Geschicht des Noah entlehnet.] Diese Geschicht beschreibet Moses / im 8 und 9 Hauptstükke seines 1 Buches.


Zur 57 Einteilung.


Daß aus dem Bluhte der Titaner.] Dieses findet man /unter andern / bei dem Nikander / welcher also schreibet:


Ἀλλ᾽ ἤτοι κακοεργὰ Φαλάγγια συν καὶ ἄνιγρους, etc.

SERPENTES, PARITERQUE PHALANGIA NOXIA, & ATRUM
VIPERUM GENUS, ET QUÆ TERRÆ PLURIMA MONSTRA
PRODUCUNT, SUNT TITANUM DE SANGUINE NATA.

Die Schlangen / die giftige Erdspinnen / die schwartze Nattern / und was für giftiges Ungeziefers die Erde mehr erzielet / seind alle aus dem Bluhte der Titaner gebohren.


Zur 58 Einteilung.


Daß sie den Himmel zu stürmen.] Den Riesenkrieg wider die Götter beschreibet Ovidius / im 5 seiner Jahrbücher / nicht unahrtig / wan er spricht:


TERRA FEROS PARTUS, IMMANIA MONSTRA, GIGANTES

EDIDIT AUSUROS IN JOVIS IRE DOMUM.
MILLE MANUS ILLIS DEDIT, & PRO CRURIBUS ANGUES;
ATQUE AIT: IN MAGNOS ARMA MOVETE DEOS.
EXTRUERE HI MONTES AD SIDERA SUMMA PARABANT,
& MAGNUM BELLO SOLLICITARE JOVEM.
FULMINA DE CŒLI JACULATUS JUPITER ARCE

VERTIT IN AUCTORES PONDERA VASTA SUOS.


So tuht auch Homerus / in seinem Heldengedichte vom Ulisses / da er die Riesen / den Otus / und Efialtes / für Kinder des Neptuns / und der Ifimedee ausgiebet / wan er spricht:


– POST HANC EST IPHIMEDEA
VISA MIHI: QUÆ NEPTUNO DUO PIGNORA MAGNO
EDIDIT, HI PARVI SUNT PRIMO TEMPORE NATI:
[569]
OTUS DIVINUS, VALDE INCLYTUS INDE EPHIALTES.
ATQUE NOVEM CUBITOS AMBO CREVERE NOVENNES
IN LATUM, LONGUMQUE NOVEM CORPUS FUIT ULNAS.
HI SUPERIS PUGNAM GRAVEM, BELLUMQUE MINATI,
PRÆGRANDES MONTES, UT CŒLUM POSSET ADIRI,
INVOLVERE, OSSAM FRONDOSUM, MOX & OLYMPUM
CUM SYLVIS, STABULISQUE SUPER TE PELION ALTUM.

Aber wir wollen auch hören / was Isazius hiervon meldet. Die Erde / sagt er / die das Verfahren der Götter mit den Titanen sehr übel aufnahm / hat / in den Flegrischen Feldern / bei Pallene / die mit Schlangenfüßen / strauben Haaren / und großen Bährten versehene Riesen gebohren: welche gantze brennende Eichen / und ungeheure große Steine nach dem Himmel zu geschleidert. Ihre fürnehmsten waren Porfirio / und Alzioneus. Daß aber dieser Himmelsstürmer und Götterbekrieger eine große Mänge gewesen sei / kan aus den Worten des Sofokles geschlossen werden / wan er spricht:


οὔϑ᾽ ὁ γηγενὴς στρατὸς Γιγάντων


NEQUE TERRIGENUM EXERCITUS GIGANTUM.


Selbst Virgiel gedenket unterschiedlicher dieser Riesen / und ihres Krieges / sonderlich im 1 Buche von der Feldarbeit / da er unter andern also spricht:


– TUM PARTU TERRA NEFANDO

CÆUMQUE, JAPETUMQUE CREAT, SÆVUMQUE TYPHŒA,
& CONJURATOS CŒLUM CONSCENDERE FRATRES.
TER SUNT CONATI IMPONERE PELIO OSSAM,
SCILICET ATQUE OSSÆ FRONDOSUM IMPONERE OLYMPUM.
TER PATER EXTRUCTOS DEJECIT FULMINE MONTES.

Aus denen dieselben / die auf die See gefallen / zu Inseln / die aber auf die Erde fielen / zu Bergen sollen geworden sein.] Dieses bezeuget / unter andern /Duris der Samier.

Das haben sie aus der Geschicht der Nachkömlinge des Noah.] Hiervon meldet Moses / im 11 Hauptstükke seines 1 Buchs / also: es hatte aber alle Welt einerlei Zungen und Sprache. Da sie nun zogen gegen Morgen / funden sie ein [570] ebenes Land / im Lande Sinear / und wohneten daselbst. Und sprachen untereinander: wohlauf! laßt uns Ziegel streichen / und brennen. Und sie nahmen Ziegel zu Steinen / und Tohn zu Kalke / und sprachen: wohlauf! laßet uns eine Stadt /und einen Turn bauen / dessen Spitze bis an den Himmel reiche / daß wir uns einen Nahmen machen: dan wir werden vielleicht zerstreuet in alle Länder. Da fuhr der HERR hernieder / daß Er sehe die Stadt / und den Turn / welche die Menschenkinder baueten. Und der HERR sprach: siehe! es ist einerlei Volk / und einerlei Sprache unter ihnen allen / und haben das angefangen zu tuhn. Sie werden nicht ablaßen von allem /was sie fürgenommen zu tuhn. Wohlauf! laßt uns hernieder fahren / und ihre Sprache daselbst verwürren /daß keiner des andern Sprache vernehme. Also zerstreuet sie der HErr von dannen in alle Länder / daß sie musten aufhören die Stadt zu bauen. Daher heist ihr Nahme Babel / daß der HErr daselbst verwürret hatte aller Länder Sprache / und sie zerstreuet von dannen in alle Länder.

Und hierbei wird Nimrod.] Von diesem schreibet Johan Kassion / im 2 Buche seines Berichtes von den Riesen fast eben dasselbe gantz weitleuftig. Auch ist es aus den Worten des Hauptst. im Buche der Schöpfung / da von diesem Nimrod gehandelt wird / nicht unschweer zu schlüßen.


Zur 59 Einteilung.

Porfier den Pangäischen / und Adamaster den Rodope.] Dieses bezeuget Sidonius / wan er spricht:
HIC ROTAT EXCUSSUM VIBRANS IN SIDERA PINDUM
ENCELADUS, RAPIDO FIT MISSILIS OSSA TYPHŒO,
PORPHYRIO PANGÆA RAPIT, RODOPENQUE ADAMASTER.

Die Asträe.] Von dieser meldet Aratus / daß zu ihrer Zeit / da sie noch auf der Erde gewohnet / und die Menschen sich von ihr lenken laßen / die Eintracht überal geblühet / wan er spricht:


NONDUM VESANOS RABIES NUDAVERAT ENSES,
NEC CONSANGUINEIS FUERAT DISCORDIA NOTA, etc.

[571] Aber nachmahls / als die Ungerechtigkeit überhand nahm / und die Laster wuchsen / flohe sie nach dem Himmel zu; wie eben derselbe / mit den folgenden zwei Dichtbänden / andeutet:


ET CŒLI SORTITA LOCUM, QUO PROXIMUS ILLI
TARDUS IN OCCASUM SEQUITUR SUA PLA USTRA BOOTES.

Doch hiervon haben wir / in unsrem Dichterischen Sternhimmel / bei dem Himmelszeichen der Wage /mit mehr Umständen gehandelt.


Zur 60 Einteilung.

Es scheinet zwar lächerlich.] Hiervon schreibet Ovidius / im 5 seiner Verwandlungsbücher / also:

BELLA CANIT SUPERUM, FALSOQUE IN HONORE GIGANTES
PONIT, & EXTENUAT MAGNORUM FACTA DEORUM;
EMISSUMQUE IMÂ DE SEDE TYPHOËA TERRÆ
CŒLITIBUS FECISSE METUM, CUNCTOSQUE DEDISSE
TERGA FUGÆ, DONEC FESSOS ÆGYPTIA TELLUS
CEPERIT, & SEPTEM DISCRETUS IN OSTIA NILUS.
HUC QUOQUE TERRIGENAM VENISSE TYPHOËA NARRAT,
& SE MENTITIS SUPEROS CELASSE FIGURIS,
DUXQUE GREGIS, DIXIT, FIT JUPITER: UNDE RECURVIS
NUNC QUOQUE FORMATUS LIBYS EST CUM CORNIBUS HAMMON.
DELIUS IN CORVO, PROLES SEMELIA CAPRÔ,
FELE SOROR PHŒBI, NIVEÂ SATURNIA VACCÂ,
PISCE VENUS LATUIT, CYLLENIUS IBIDIS ALIS.

Er singet die Kriege der Götter / und dichtet den Riesen einen falschen Ruhm an: indem er die Tahten der großen Götter so gar klein machet / und vorgiebet / daß Tifoeus / aus dem Abgrunde herauf geschikt /die Götter dermaßen erschrökket / daß sie alle die Flucht genommen / bis sie endlich in Egipten / bei dem siebenströhmigen Niele / gantz ermüdet angelanget. Ja er saget / daß Tifoeus auch hierher gekommen sei / und die Götter gezwungen sich unter einer andern Gestalt zu verbärgen: indem sich Jupiter in einen Wider / daher Hammon noch itzund [572] in Libien mit Hörnern gebildet ist / Apollo in einen Raben / Bachus in einen Bok / Diane in eine Katze / Juno in eine weisse Kuh / Venus in einen Fisch / Merkuhr in einen schwartzen Egiptischen Storch verwandeln müssen. Auch gedenket dieser der Venus ümgestaltung in einen Fisch Manilius / wan er / im 4 Buche seines Werkes von den Gestirnen / also schreibet:


SCILICET IN PISCEM SESE CYTHEREA NOVAVIT,
CÙM BABYLONIACAS SUBMERSA PROFUGIT IN UNDAS
ANGUIPEDEM ALATIS HUMERIS TYPHONA FURENTEM;
INSERUITQUE SUOS SQUAMOSIS PISCIBUS IGNES.

Hierbei kan auch unser Dichterischer Sternhimmel / im Sternzeichen der Fische / am 97, 98 und 99 Bl. gelesen werden.

In der Geschicht Abrahams und Jakobs.] Diese beschreibet uns Moses / im 12 und 15 Hauptst. seines 1 Buches / und im 46 / und folgenden Hauptstükken eben desselben Buches.

Daß die Egipter ihre Götter unter mancherlei Tiere Gestalt geehret.] Hiervon schreibet Johan Ravisius Textor / in seinem Schauplatze / am 126 / und 821 Bl. Auch meldet Herodotus / in seinem 2 Buche / daß die Egipter / eben daher / die gestorbenen Katzen zu beweinen / in ihre Heiligtühmer / sie alda einzusaltzen / zu tragen / und dan in Bubast zu begraben pflegten. Eben also tähten sie auch mit den gestorbenen Bähren / Wölfen / und Krokodilen; welche sie alle götlich ehreten / doch nicht zu Bubast begruben.

Daß sie den Josef / Jakobs Sohn.] Hiervon kan unser Dichterischer Sternhimmel / am 37 Bl. bei dem Gestirne des Stiers / wie auch unsere Assenat / im 7 Buche / gelesen werden.


Zur 63 Einteilung.


Des nimmernüchternen Silenus Esel.] Von diesem meldet Natalis Komes / im 4 Buche seines Mährleinwerkes / am 640 / und 641 Bl. Von Bileams redendem Esel aber handelt Moses / im 22 Hauptst. seines 4 Buches.


[573] Zur 64 Einteilung.


Daß endlich mehrerwähnte Riesen.] Hiervon schreiben Ovidius im 5 seiner Verwandlungsbücher / Virgiel / im 10 seines Heldengedichtes vom Eneas / Hesiodus / u.a.m.

Was sie aber vom Riesen Enzeladus dichten.] Von diesem redet Virgiel / in seinem Gedichte vom Berge Etna / also:


MURMURE TRINACRIO MORIENTEM JUPITER ÆTNÂ
OBRUIT ENCELADUM, ETC.
Auch gedenket er dessen / im 3 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / mit diesen Worten:

FAMA EST ENCELADI SEMIUSTUM FULMINE CORPUS
URGERI MOLE HAC, INGENTEMQUE INSUPER ÆTNAM
IMPOSITAM RUPTIS FLAMMAM EXPIRARE CAMINIS:
& FESSUM QUOTIES MOTAT LATUS, INTREMERE OMNEM
MURMURE TRINACRIAM, & CŒLUM SUBTEXERE FUMO.

Vom Riesen Tifoeus aber schreibet eben derselbe /wie folget:

VASTA GIGANTEIS INGESTA EST INSULA MEMBRIS
TRINACRIS, & MAGNIS SUBJECTUM MOLIBUS URGET,
ÆTHERIAS AUSUM SPIRARE TYPHOËA SEDES.
NITITUR ILLE EQUIDEM, PUGNATQUE RESURGERE SÆPE:
DEXTRA SED AUSONIO MANUS EST SUBJECTA PELORO,
LÆVA, PACHINE, TIBI, LILYBÆO CRURA PREMUNTUR;
PRÆGRAVAT ÆTNA CAPUT, etc.

Ja er erwähnet auch des Titius / den Apollo / weil er die Latone nohtzüchtigen wollen / mit seinen Pfeilen durchschossen / wan er / in seinem 6 Buche vom Eneas / also spricht:


NEC NON & TYTIUM, TERRÆ OMNIPARENTIS ALUMNUM,
CERNERE ERAT; CUI TOTA NOVEM PER JUGERA CORPUS
PORRIGITUR, ROSTROQUE IMMANIS VULTUR ADUNCO
IMMORTALE JECUR TUNDENS, FŒCUNDAQUE PŒNIS
VISCERA, NEC VIBRIS REQUIES DATUR ULLA RENATIS.

Zur 65 Einteilung.


Daß etliche Riesen wohl hundert Hände sollen gehabt haben.] Unter diesen seind gewesen Egeon / und Briareus. Von jenem [574] meldet es Virgiel / im 10 Buche sei nes Heldengedichtes vom Eneas / da er also spricht:


ÆGÆON QUALIS, CENTUM CUI BRACHIA DICUNT,
CENTENASQUE MANUS, QUINQUAGINTA ORIBUS IGNEM
PECTORIBUS ARSISSE, JOVIS CUM FULMINA CONTRA
TOT PARIBUS STREPERET CLYPEIS, TOT STRINGERET ENSES.

Von diesem aber Klaudian / in folgenden Dichtbänden:
– QUÆ BRACHIA CENTUM
BRIAREUS ALIIS NUMERO CRESCENTE LACERTIS
TOT SIMUL OBJECTIS POSSET CONFLIGERE REBUS.

Gleich also urteilen wir von dem Riesengebeine.] Von diesem meldet Johan Ravisius Textor in seinem Schauplatze der erdichteten so wohl / als wahrhaftigen Geschichte / im 37 Hauptst. des 2 Buches / am 127 Bl.


Zur 66 Einteilung.


Wan man dem Mohrischen Riesen und Könige / dem Atlas.] Man findet drei unterschiedliche Könige dieses Nahmens. Der erste Atlas / der ein Vater der Elektra gewesen / herschete im Wälschlande: der andere /der Maje / die den Merkuhr gebohren / Vater / in Arkadien: und der dritte / der unter allen der gröste sol gewesen sein / wie Servius / des Virgiels Anmärker /meldet / im Mohrenlande. Dieser letztere ist eben derselbe der die Sternkunst / wie Plinius aufgezeichnet /erfunden / und in den höchsten Libischen oder Mohrischen Berg / den die Einwohner / wie Herodotus bezeuget / des Himmels Stütze nennen / verwandelt zu sein gedichtet wird. Daher eignet auch diesem Berge /der von gemeldtem Könige den Nahmen Atlas führet /Virgiel die Gestalt eines Mannes zu / wan er also schreibet:


JAMQUE VOLANS APICEM, & LATERA ARDUA CERNIT
ATLANTIS DURI, CŒLUM QUI VERTICE FULCIT:
ATLANTIS, CINCTUM ASSIDUÈ CUI NUBIBUS ATRIS
PINIFERUM CAPUT & VENTO PULSATUR, & IMBRI.
NIX HUMEROS INFUSA TEGIT, TUM FLUMINA MENTO
PRÆCIPITAT SENIS, & GLACIE RIGET HORRIDA BARBA.

[575] Daß er auf seinen Schultern den Himmel getragen /deutet eben derselbe Virgiel noch deutlicher an / wan er im 4 Buche seines Heldengedichtes spricht:


– – UBI CŒLIFER ATLAS
AXEM HUMERIS TORQUET STELLIS ARDENTIBUS APTUM.
Eben dasselbe tuht auch Eschiel / in seinem Prometeus / in folgenden verlateinischten Worten:
HOC SIC PROFECTÒ TORQUET INFORTUNIUM
ATLANTIS INDE FRATRIS. ILLE PONDERA
SOLEM AD CADENTEM SUSTINET PRÆGRANDIA,
CŒLI COLUMNAM, TOTIUS TERRÆQUE ONUS.

Daß ferner die Pleione / der Tetis Tochter / dieses Atlas Gemahlin gewesen bezeuget Ovidius / im 5 seiner Jahrbücher:


DUXERAT OCEANUS QUANDAM TITANIDA THETYN;
QUI TERRAM LIQUIDIS, QUA PATET, AMBIT AQUIS.
HINC SATA PLEIONE CUM STELLIFERO ATLANTE
JUNGITUR, UT FAMA EST, PLEIADESQUE PARIT.

Hiesige Plejaden oder Pleioinnen / des Atlas und der Pleione Töchter / sollen an der Zahl sieben gewesen /und fünf Jahre nacheinander / durch den Orion / zum Beischlafe / samt der Mutter / angetrieben worden sein: daher sie dan Jupiter / aus Mitleiden / und durch ihr flöhen bewogen / in Sterne verwandelt / an den Sternhimmel gesetzet / und sie also aus der Gewalt des Orions errettet. Aratus nennet sie alle mit Nahmen / wan er / nach unser Verhochdeutschung / also spricht: man sagt / daß ihrer sieben seind / wiewohl man nur sechs Sterne darvon siehet: nähmlich Alzione / Merope / Zeleno / Elektra / Sterope / Taigete und Maje. Sie stehen aber alle am Kopfe des Himlischen Stiers; indem zween die Augen / andere zween die Naselöcher / noch andere zween die Hörner bezeichnen / und dan einer vor der Stirne des Stiers / da die Haare sich drehen / stehet. Wie sie nun Aratus / und Ovidius eben itzund PLEIADES, das ist Pleioinnen /von der Mutter der Pleione / genennet; so nennet sie Virgiel / im 1 Buche seines Feldgedichtes / nach[576] ihrem Vater dem Atlas / ATLANTIADES, das ist Atlassinnen. Die übrigen fünf Töchter aber / welche der König Atlas / ausser diesen gemeldten sieben / gezeuget / seind des Hias Schwestern / und wie es scheinet /von einer andern Mutter gewesen: daher sie zwar /eben wie jene / Atlassinnen / aber nicht zugleich Pleioinnen genennet warden. Hesiodus heisset sie /hiergegen mit dem algemeinen Nahmen / ὑάδας, HYADES, das ist Hiaden / oder viel mehr Hiassinnen /Hiessinnen / oder Hiainnen; und giebet ihnen auch zugleich folgende absonderliche fünf Nahmen. Nähmlich die erste nennet er Feole oder Fajole / die zweite Koronis / die dritte Kleia oder Kleeia / die vierde Feo oder Fajo / und die fünfte Eudore. Doch andere geben ihnen andere Nahmen / nähmlich Ambrosie / Dione /Esile / Prolixo / und Fileto; auch wohl Tiene / und Proidile. Den algemeinen Nahmen / HYADES, scheinen sie entweder vom Dionisus / der auch Hies geheissen / und von ihnen sol erzogen sein / oder aber von ihrem Bruder / dem Hias / dessen Tod / den ihm ein Schlangenbis veruhrsachet / sie so lange beweinet /bis sie gestorben / und vom Jupiter in fünf Sterne verwandelt worden / bekommen zu haben. Von diesen fünf Sternen / die man das Regengestirn / weil dessen Aufgang den Regen andeutet / zu nennen pfleget /seind ihrer Zahl wegen unterschiedliche Meinungen. Tahles der Milesier zehlet derer nur zween / davon der eine der Nordliche / der andere der Sudliche hiesse: Euripides / in seinem Schauspiele vom Faeton /drei: Achäus vier; und Ferezides gar sechs. Doch hiervon kan auch unser Dichterischer Sternhimmel / bei dem Zeichen des Stiers gelesen werden.


Zur 68 Einteilung.

Gemagog.] Von diesem Riesen schreibet Architrenius folgender Gestalt:
– – CUBITIS TER QUATUOR ALTUM
GEMAGOG HERCULEÂ SUSPENDIT IN AËRE LUCTÂ.

Ganges /] ein Etiopischer König und Riese / von dem der große Indische Flus Ganges / wie Suidas meldet / seinen [577] Nahmen bekommen. Von diesem Flusse bezeuget Ovidius / daß er Indien ümströhmete / wan er im 4 seiner Verwandlungsbücher also spricht:


DECOLOR EXTREMO QUA CINGITUR INDIA GANGE,


Daher wird auch Indien das Gangische Land / GANGETICA TELLUS, bei dem Lukan genennet. Seine Worte seind diese:


ET QUAS SENTIT ARABS, & QUAS GANGETICA TELLUS.


Hartbeen / den Saxo der Sprachlehrenschreiber HARTHLENUM, vielleicht wil er HARTHBENUM sagen / nennet / war so ein wüster und unmenschlicher grausamer Riese / daß er es ihm für einen Ruhm schätzte / wan er Königliche Töchter schändete / und alle dieselben / die ihm seine Unzucht wehren wolten / straks erwürgete; wie / im 5 Hauptstükke des Berichts von den Riesen / bei dem Johan Kassion zu lesen.

Orestes / dessen Tohtengebeine man / auf Befehl der Göttersprache / lies aufgraben / war dazumahl noch sieben Ellebogen lang; wie Plinius anzeiget. Daher sagt Architrenius:


STATURAM CUBITIS SEPTEM DISTENDIT ORESTES.


Dieser Orestes / und Pilades / des Fozeers Strofius Sohn / hatten eine so nahe und unvergleichliche Freundschaft untereinander / daß Tullius selbsten dieselbe zu beschreiben die Feder anfassete. Daher sagt Ovidius:


NON ITA VIXERUNT STROPHIÔ, & AGAMEMNONE NATI.


Wie auch:

ADFUIT INSANO JUVENI PHOCÆUS ORESTI.


Des Orestes Unsinnigkeit aber rührete daher; weil er seine eigene Mutter / die den Vater ümgebracht / und im Heiligtuhme selbsten / den König Pirrus erwürget / damit ihm die Hermione / seine Gemahlin / möchte zu teile werden. Marzial gedenket beider ebenmäßig /wan er im 6 B. spricht:


UT PRÆSTEM PYLADEN, ALIQUIS, MIHI PRÆSTET ORESTEM.


Ein Sirer.] Von diesem Sirischen Riesen meldet Nizeforus / im 37 Hauptst. des 12 Buches seiner Kirchengeschichte / daß [578] er krumme Schenkel gehabt / die dermaßen eingebogen gestanden / daß sie seiner übrigen Leibesgestalt wenig ähnlich gewesen.

Eleazar / ein Jüde.] Diesen schikte der König zu Babel / Artaban / dem Keiser Tiberius zum Geschenke; wie Flavius Josef / im 8 Hauptst. seines 18 Buches von den Altheiten der Jüden / bezeuget.

Ein Märkischer Bauer.] Von diesem schreibet Magister Johan Vogel / in seinen Anmärkungen zum Berichte von den Riesen Johan Kassions.

Artachäus / ein Perser.] Von diesem meldet Herodotus in seinem 7 Buche.

König Porus.] Dessen Grösse beschreibet Ravisius / im 37 Hauptst. des 2 Buchs / und Arrian im 5 Buche.

Pusio / und Sekundilla.] Von diesen Leutchen meldet Plinius / im 16 Hauptst. des 7 Buches.

Gabbaras ward aus Arabien nach Rohm zur schaue gebracht; wie eben derselbe Plinius am itzt-angeführten Orte bezeuget. Dessen gedenket auch Architrenius mit folgenden Worten:


IN HIS QUINQUE PEDES PRODUXIT GABBARUS ARTUS.


Agato.] Von diesem schreibet Filostratus / im Lebenslauffe des Herodes von Atehn also: er / als ein Jüngling / war in seiner ersten Jugend dem großen Gallier gleich / und acht Füße lang. Er hatte ein starkes Haar / rauhe und gleich als in eins zusammengewachsene Augen / und eine Habichtnase / mit einem fröhlichen Angesichte / u.a.m. Auch gedenkket eben desselben Volaterran / im 13 Buche.


Zur 71 Einteilung.


Keiser Julius Maximinus / der ältere.] Von diesem schreibet / unter andern / Julius Kapitolinus / daß ihn der Keiser Aurelius Alexander Severus / der sich über seiner / als eines Schäferknechtes / Grösse nicht wenig verwundert / durch die allerstärkesten Küchenrökel erstlich tapfer abrichten laßen: da er dan / in einer Hitze / derer sechszehen mit Ringen überwunden / [579] und eben so viel Verehrungen darvon getragen. Darnach hette der Keiser auch versuchen wollen / was er im Lauffen vermöchte: da er dan einen muhtigen Gaul eine lange Zeit in einem Kreuse herüm getummelt / und gleichwohl nicht müde geworden. Ja er hette straks darauf sieben der allermuhtigsten und stärkesten / die der Keiser mit ihm ringen laßen / schier in einem Augenblikke bezwungen: daher ihn der Keiser nicht allein mit etlichen silbernen Müntzen /sondern auch mit einer güldenen Kette beschenket / ja gar zum Trabanten und Lakkeien bestellet. Was er für ein gewaltiger Seuffer und Fresser gewesen / bezeuget Kordus / und viel andere. Auch wird gemeldet / daß er seines Wassers auf einmahl bei drei Nößeln in ein Geschir gelaßen / und damit gleichsam gepranget. Seine gröste Lust war / wan er mit den allertapfersten und muhtigsten Kriegshelden ringen solte. Und derselben konte er / selbst in seinem hohen Alter / oft fünfe / ja wohl sieben nacheinander zu Bodem werfen. Ja er war so stark / und seine Faust hatte einen solchen Nachdruk / daß einem Pferde / wan er es damit an den Kopf schlug / die Zähne wakkelten / wo sie nicht gar ausfielen. Schlug er es aber an einen Schenkel / so brach derselbe straks inzwei. Sein Schuch am Stiefel ist einen gantzen Schuch längergewesen / als anderer gemeiner Leute. Und daher allein kan man leichtlich schlüßen / wie groß und stark sein gantzer Leib mus gewesen sein. Aber von diesem Ungeheuer wird man im Röhmischen Adler des Selblichen / wie auch in Michel Sachsens / und andern Zeitbüchern von den Keisern / wie auch im 8 Hauptst. des Berichtes von den Riesen Johan Kassions / mehr zu lesen finden.


Zur 72 Einteilung.


Der so genente Firmius.] Von diesem Riesen / der üm das 275 Jahr nach der Heilgebuhrt gewühtet / schreibet Flavius Vopiskus / daß er ein großer langer Man /dem die Augen aus dem Kopfe gestanden / und über den gantzen Leib rauch und vol Haare gewesen.


[580] Zur 75 Einteilung.


Zwärglein / sonst auch Ellenbogener / und Dreispanlinge.] Πυγμαιοι, PYGMÆI, werden sie von den Griechen und Lateinern genennet; von πυγμή, das ist eine zusammgezogene Hand / oder Faust / oder auch die Länge zwischen dem Gelenke des Ellenbogens und den geschlossenen Fingern; welches das Wortπῆχυς ebenmäßig bezeichnet: daher πηχυαιος, QUI UNIUS CUBITI EST, der eines Ellenbogens lang ist. Aber andere wollen das Wort πυγμαιος zugleich vonπυγμή, wan es so viel heist / als ein Streit / Gefechte /herleiten: weil die Zwärglein sehr geschikte Streiter und Fechter weren; wie Hieronimus bei dem 27 Hauptst. Ezechiels angemärket: daher auch ein Indischer König / wie Kassion schreibet / dieser Zwärglein drei tausend üm sich gehabt / und sie zu seinen Bogenschützen gebrauchet. Strabo nennet sie /in seinem 2 Buche / sonsten auch τρισπιϑάμους, das ist dreispännige / weil sie gemeiniglich dreier Spannen lang weren. Eben dasselbe tuht auch Plinius im 2, und 15 Hauptst. seines 7 Buches.

Einen überaus scharfsinnigen Verstand.] Daß solches wahr sei / kan man aus der Beschreibung des Sisifus / und eines Egiptischen Zwärgleins / derer straks wird gedacht werden / wie auch anderer dergleichen /genugsam schlüßen.

Sisifus.] Hiervon meldet Johan Kassion / im 12 Hauptst. seines Berichts von den Riesen. Er war aber ein gantz anderer Sisifus / als derselbe / den Teseus /als einen Straßenreuber / erschlug / und Ovidius / im 4 seiner Verwandlungsbücher / also anspricht:


AUT PETIS, AUT URGES REDITURUM, SISYPHE, SAXUM.


Dan dieser Sisifus ward / seiner begangenen Ubeltahten wegen / zu einer solchen Strafe verdammet / daß er / in der Hölle / fort und fort einen großen Felsenstein auf einen hohen Berg hinauf wältzen muste; weil eben der Stein / sobald er ihn auf die Spitze gebracht /immer wieder herunter rollete. Dahin hat auch Virgiel gesehen / wan er / im 6 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / also saget:


[581]
SAXUM INGENS VOLVUNT ALII, RADIISQUE ROTARUM
DISTRICTI PENDENT.

Ein anderes befand sich in Egipten.] Dessen gedenket Nizeforus / im 37 Hauptstükke des 12 Buches seiner Kirchengeschichte. Hierbei kan zugleich gelesen werden / was Martin Borraus über das 21 Hauptst. Samuels angemärket. Zu diesen Zwärglein gehören auch Manius Maximus / und Markus Tullius / zween Edle Röhmer / die zween Ellebogen lang waren; wie Varro bei dem Plinius meldet: wie auch Konopas /Luzius / die zween Moloner. Konopas war zween Füße und einer Handbreite lang / wie Plinius schreibet / und ward von der Julia / des Keisers Augusts Enkelin / zur Lust gehalten. Luzius / den August auf den Schauplatz bringen lies / war ein Jüngling von fürtreflichen Eltern / und noch nicht zween Füße lang. Andromede / welcher Julia Augusta die Freiheit geschenket / war zween Füße und einer Zwerghand lang. Die zween Moloner / daher das Sprichwort entstanden / PUSILLUS, QUANTUS MOLON, so klein / als Molon / waren gantz kleine Menschen / deren der eine ein Gaukelspieler / der andere ein berufener Reuber gewesen.


Zur 76 Einteilung.


Die man vor Zeiten in Trazien.] Daß diese Zwergahrt eine lange Zeit in Trazien / in der Stadt Geranea / sich aufgehalten / aber von dar von den Kranchen vertrieben worden / bezeuget Plinius / im 11 Hauptst. seines 4 Buches. Eben dasselbe hat auch Juvenal andeuten wollen / wan er in seinem 13 Schimpfgedichte schreibet:


AD SUBITAS THRACUM VOLUCRES, NUBEMQUE SONORAM
PYGMÆUS PARVIS CURRIT BELLATOR IN ARMIS,
MOX IMPAR HOSTI, RAPTUSQUE PER AËRA CURVIS
UNGIBUS, À SÆVÂ FERTUR GRUE. SI VIDEAS HOC
GENTIBUS IN NOSTRIS, RISU QUATIÉRE: SED ILLIC,
QUANQUAM EADEM ASSIDUÈ SPECTENTUR PRÆLIA, RIDET
NEMO: UBI TOTA COHORS PEDE NON EST ALTIOR UNO.

[582] Darüm ist auch klein sein unter den Zwärglein keine Schande; wie Mantuan meinet / wan er also schreibet:


INTER PYGMÆOS NON PUDET ESSE BREVEM.


An der Egiptischen See.] Aristoteles bezeuget / im 12 Hauptst. seines 8 Buches von den Tieren / daß die Kranche aus den Zitischen Flachfeldern an die Obersee / daher der Niel gelauffen kähme / in Egipten zu flügen / und in derselben Gegend mit den Zwärglein zu streiten pflegten. Ja er setzet ausdrüklich darzu /daß solches kein Mährlein / sondern die lautere Wahrheit sei / und daß alda solche kleine Menschlein / und Pferdlein gewislich weren / und in Löchern und Erdhöhlen sich aufhielten: daher sie auch Trogloditen /das ist Grubenheimer oder Höhlenwohner genennet worden. Aber andere schreiben / daß sie ihnen kleine Hütlein von Leimen machten / und dieselben mit Eierschahlen und Vogelfedern ausfütterten.

Wie auch üm ein Indianisches Gebürge.] Johan Ravisius Textor schreibet / im 44 Hauptst. des 2 Buches seines Schauplatzes: die Zwärglein wohnen im eusersten Teile der Indischen Berge. Ihre Weiberchen gebähren im fünften Jahre / und werden alt im achten. So meldet auch Plinius / im 2 Hauptst. des 7 Buches /daß zu euserst in Indien Leutlein üm das Gebürge wohneten / welche nicht über drei Spannen / oder fünftehalb Vierteil einer Elle lang weren. Aber Ktesias setzet sie mitten in Indien hinein / und beschreibet sie mit Flätschnasen / und gantz ungestalten Angesichtern / wie auch langen Haaren / und Bährten.

Daß sie ihr Haar hinten / und den Bahrt vornen.] Dieses meldet von den Zwärgen / die vielleicht daher Albertus für keine Menschen / sondern für eine Affenahrt halten wil / Augustien / im 16 Buche von der Stadt GOttes: da er / unter andern / auch saget / daß sie sich im Frühlinge mit großen Hauffen aufmachten / an das Meer zögen / und den Kranchen ihre Jungen und Eier verderbeten: weil sie anders keinen Raht wüsten einer so großen Mänge der Kranche zu widerstehen. Und zu diesem Meerszuge pflegeten sie alle Jahr drei Mohnden zu nehmen. Wer mehr von den Zwärglein zu wissen begehret / [583] der lese / was Homerus / der ihrer am allerersten erwähnet / im dritten Buche seines Heldengedichtes von Troje / wie auch Strabo darvon schreibet.


Zur 78 Einteilung.


Das Gerippe des Orestes.] Hiervon schreibet Herodotus / im ersten Buche / und Kassion / aus ihm / im 9 Hauptst. seines Berichts von den Riesen.

Und dasselbe von 22 Schuhen.] Dieses Riesengerippes gedenket Johan Marius in seinem Buche von Frankreich. Eben dieselbe Länge hat das Riesengerippe im Hertzogtuhme Safojen / in einem Kloster der Predigermünche / an der Mauer abgemahlet; welches Budäus und Kassion / als Augenzeugen / beschrieben. Der Kopf ist zween Ellebogen / oder guhter anderthalben Elle dikke. Die Schultern seind fast vier Ellebogen / oder bei drei Ellen breit. Es ist aber gewis /seind des Kassions eigene Worte / daß man solche große Riesengebeine vor Zeiten etwan daherüm gefunden / und sie nicht / als etwas erdichtetes / nur Lust halben / sondern vielmehr darüm also daselbst abgemahlet / damit es bei den Nachkommen zum ewigen Gedächtnisse bleiben solte.

Wie auch des Pallas / den Turnus erleget:] wie Virgiel / im 10 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / beschreibet. Daß die Wunde / die Turnus gemeldtem Riesen in die Brust gegeben / fünftehalben Schuch /oder neun Vierteile von einer Elle sei lang gewesen /bezeuget Vinzenz von Beluak / im 16 Buche seines Geschichtspiegels: da er zugleich meldet / daß man in seinem Grabe / bei dem Heupte / ein ewigbrennendes Liecht gefunden; welches nicht eher verleschen können / als bis man / mit einer Pfrieme / den Tacht untergraben / also daß die Luft hineingedrungen / und das Flämlein ausgewehet. Hiervon kan auch Baptista Fulgosus / im 6 Hauptst. seines 1 Buches / gelesen werden. Hierbei mus ich auch der großen marmelsteinernen Bildseule / die zu Antorf oder Antwerpen / am Rahthause stehet / gedenken. Diese sol / wie man saget / eines Riesen Bildnis sein: der vor Zeiten / in einem Sumpfe bei [584] der Schelde / sein Schlos gehabt /und alle Kaufleute / die etwan einige Wahren über gemeldten Flus führen laßen / gezwungen ihm die Helfte darvon / an Zolles stat / zu geben. Erfuhr er aber / daß iemand seine Wahren nicht allesamt angegeben / so behielt er alles / was er hatte / und hieb ihm noch darzu die Faust ab. Doch endlich war ihm einer zu stark / der ihm selbst die Faust abschlug / und sie straks ins Wasser warf. Von diesem Handwurfe sol auch gemeldte Stadt den Nahmen Antwerpen oder Handwerpen / nach der alda gebreuchlichen Mundahrt / ja selbst die abgehauene Faust in ihr Wapen bekommen haben.


Zur 79 Einteilung.


Was man aber von Kandien oder Krete meldet.] Dieses findet man bei dem Plinius / im 16 Hauptst. seines 7 Buches. Hierbei kan auch Filostratus / in seinen Heldengeschichten / da er viel wunderseltsame Dinge von den Riesen schreibet / gelesen werden; wie auch Sabellikus / und Solinus.

Des droben erwähnten Antäus von 60 Ellebogen:] zu dessen Grabe der Röhmer Sertorius reumen laßen. Hiervon schreibet Strabo / in seinem 17 Buche vom Weltkreuse.

Ein Zahn darvon / der einen Schuch lang / und vier Finger breit war.] Die gantze Geschicht beschreibet Johan Kassion / in seinem 11 Hauptst. des Berichtes von den Riesen gantz weitleuftig. Darbei kan auch Kalamäus / in seinen Büchern von den Biturigern /und Baptista Fulgosus / im 6 Hauptst. seines 1 Buches / gelesen werden. Einen dergleichen ungeheuren Riesenzahn hat Augustien / wie er / im 9 Hauptst. sei nes 15 Buches von der Stadt GOttes / schreibet / am Ufer der See bei der Stadt Utike selbsten gesehen. Dieser / der ein Bakkenzahn war / befand sich so groß / daß man viel hundert gemeine Zähne / wie er selbsten bezeuget / daraus machen können. Aber was Ludwich Vives von einem ungeheuren Bakkenzahne des heiligen Kristoffels / den er zum Heiligen Kristoffel / als er dahin auf die Walfahrt gezogen / angetroffen / bei [585] gemeldtem Orte des Augustiens angemärket; das kömt mir von einem so weisen Manne / weil es gewis ist / daß kein solcher Kristoffel iemahls in der Welt gewesen / sehr wunderlich vor.


Zur 80 Einteilung.


Noch vielmehr könte man denselben Sizilischen Riesen.] Von diesem schreibet Johan Bokatz / im 68 Hauptstükke seines 4 Buches von der Göttergebuhrt /gantz weitleuftig. Unter andern erzehlet er auch / daß etliche Sizilische Bauern / indem sie den Grund eines Hürtenhauses unten am Berge suchen wollen / dieses Riesens Höhle mit dem Spahten von ohngefähr eröfnet / und ihn weit hinein sitzend gefunden. Doch sei sein Leib / wiewohl er noch gantz und unversehret gewesen / dazumahl in Staub und Asche / darinnen man drei erschröklichgroße Zähne gefunden / und an einem eisernen Drahte zu Drepan / in der Kirche / zum ewigen Andenken aufgehänget / zerfallen. Auch sei ein Teil seiner Hirnschahle / und ein Schienbein noch zimlich gantz und unverweset gefunden worden.


Zur 81 Einteilung.


Daß dasselbe Meusegerippe.] Hiervon meldet Magister Johan Vogel in seiner Anmärkung bei dem 11 Buche von den Riesen des Kassions / der in seinem Werke selbsten mehr dergleichen Gerippen von Eseln und Meusen gedenket.


Zur 84 Einteilung.


Daß alle geschaffene Dinge die Kraft ihrer Jugend schon längst verlohren.] Hierbei kan Johan Kassion /im 12 Hauptst. seines Berichts von den Riesen / wie auch Ziprian / und Augustien gelesen werden.


Zur 86 Einteilung.


Unter denen die Gohten Keiser Justinian deswegen zu preisen pflegte.] Hiervon schreibet / unter andern Prokopius. Hingegen meldet Julius Zeser / daß die Röhmer von den Franzosen oder [586] Galliern darüm seind verhöhnet worden; weil sie so kleine Leute weren.


Zur 95 Einteilung.


Mein Zorn / sprach er / ist noch nicht gesättiget.] Hiervon redet das 15 Hauptst. des Buchs der Richter also: Simson aber sprach zu ihnen: ob ihr schon das getahn habet / so wil ich mich doch an euch selbst rächen; und darnach aufhören.


Zur 96 Einteilung.


Mit langsamen Tritte schreitet auch ihre Rachbegierde fort.] Hier wird auf des Valerius Maximus schönen Spruch / LENTO QUIDEM GRADU PROCEDIT VINDICTA DIVINA, SED TARDITATEM GRAVITATE COMPENSAT, gesehen.


Zur 104 Einteilung.


Ward Totila / der Gotten König.] Von diesem schreibet Johan Ravisius Textor / im 33 Hauptstükke des 5 Buches seines Schauplatzes: da er unter andern auch meldet / daß er die Stadt Rohm erobert / ihre Mauren geschleiffet / und ihr Rahthaus angezündet.

Der Ungrische König Attila.] Dieser war derselbe /welcher Aken verwüstete / und die euserste Grausamkeit / wo er hin kahm / verübete; wie itztgemeldter Ravisius / an gemeldtem Orte / bezeuget.


Zur 106 Einteilung.


Hatte Samgar.] Von dieses Heldentaht redet das Buch der Richter / am Ende des 3 Hauptstükkes / also: darnach war Samgar / der Sohn des Anat. Der schlug sechshundert Filister mit einem Ochsenstekken / und erlösete Israel.

Anmärkungen des fünften Buches

[587] [589]Anmärkungen des fünften Buches.

Zur 11 Einteilung.


Als ein Lehrling in des Pitagoras Schuhle.] Dieser Pitagoras / des Demaratus Sohn / der aus Samos bürtig / zu Metopont gestorben / wie Frantz Petrarcha bezeuget / hat nach vielem hin und wiederreisen und untersuchen heilsamer Gesetze / die Wälschen zu Kroton zur Mäßigkeit gebracht / die Frauen zur Schaamhaftigkeit / und die Jünglinge zur Zucht ermahnet. Ja er bewog die Weibsbilder / durch die Heiligkeit und Eingezogenheit seines Lebens / so weit / daß sie ihre mit Golde gezierte Kleider / und allen ihren übermäßigen Schmuk der Alsgöttin Juno weiheten / und in ihrem Götzenhause aufhingen. Daher kahm er auch überal in ein solches Ansehen / daß man aus seiner Wohnung ein Götzenhaus machte / ja ihn selbst als einen Gott ehrete; wie Trogus / in seinem 20 Buche /Laertz / und Suidas / die seinen Lebenslauf beschrieben / und andere / die ihn zum höchsten rühmen / in ihren Schriften / aufgezeichnet. Niemand aber hat ihn mehr gerühmet / als Ovidius / der im 15 seiner Verwandlungsbücher ihm / unter andern / dieses herliche Zeugnis giebet:


MENTE DEOS ADIIT, & QUÆ NATURA NEGAVIT
VISIBUS HUMANIS, OCULIS EA PECTORIS HAUSIT.

Er lehrete zu Kroton / zu eben der Zeit / da Servius Tullius im Wälschlande herschete; wie Livius / und Dionisius bezeugen. Wan er einen Lehrling / nachdem er seine Geburtsahrt untersuchet / in seine Schuhlgeselschaft aufnahm / da war das erste Schuhlgesetz / das er ihm gab: er solte zween Jahre schweigen / und unterdessen nichts tuhn / als hören; wie Gellius / im 9 Hauptst. seines 1 Buches der Attischen Nächte [589] meldet. Wan er ihn aber wieder von sich lies / da muste er zuvor diese Wort hersagen:


Πῇ παρέβην, τι δ᾽ ἔρεξα, τί μοι δέον ουκ ἐτελέσϑη.


QUO TRANSGRESSUS SUM? QUID VERO EFFECI? QUID MIHI DECENS NON PERFECTUMEST? Wohin bin ich gegangen? Was aber hab' ich begangen? Wie weit bin ich von dem / das mich geziemete / abgegangen? Und also achtete Pitagoras die Verschwiegenheit für die gröste Tugend / darzu ein Jüngling sich gewöhnen solte. Ja ihm folgete hierinnen sein Lehrling Agato / den der König Archelaus /wie Elian meldet / so gern üm sich hatte / dermaßen eifrig nach / daß er einen Stein / damit er das Stilschweigen lernete / drei Jahre lang im Munde zu halten pflegete. Eben also schwieg auch der berühmte Tohmas / der Akwiner / schier allezeit / und hörete nur allein / was man sagte: daher ihn auch seine Mitlehrlinge nicht anders / als einen stummen Ochsen nenten. Also schwieg / auf Befehl seines Lehrmeisters / des Einsiedlers Paulus des ersten / drei gantzer Jahre lang Paulus Simplex so hartnäkkig / daß er auch nicht ein Wort redete. Also enthielt sich der Rede Zeno /welchen Tullius / in seinem Redner / für den Urhöber der Ernstsittigen ausgiebet / als er des Königs Antigonus Gesanten / die er nach Atehn geschikt / neben etlichen Weisemeistern / mit einem Gastmahle bewürtete / so gar / daß er anders nichts redete / als da er von seinen Gästen / die ihre Gelehrtheit mit überflüßigen Worten sehen liessen / was die Uhrsache seines Stilschweigens sei gefragt ward / nur allein zur Antwort gab: den Mund halten sei unter allen Dingen das schweereste. Ja also schwieg ewig stil der Weisemeister Sekundus / nachdem er Bluhtschande mit seiner eigenen Mutter getrieben / und sie sich deswegen / als sie aus der Stimme des Beischläfers vernommen / daß es ihr Sohn sei / für großem Hertzleide selbsten ermordet: damit er seine Stimme / die ihn der Mutter verrahten / strafen möchte; wie Diogenes Laertz aufgezeichnet.

Den Nahmen Etam.] Etam heisset in der Ebräischen Sprache so viel / als Vogelreich.

Wie irgend ein Melampus.] Dieser war ein berühmter Artzt / [590] und Wahrsager aus dem Vogelgeschrei / und ein Sohn des Amitaons; wie Homerus /im 15 Buche seines Heldengedichtes vom Ulisses /anzeiget. Nach seinem Nahmen scheinet die Schwartze Niesewurtzel / darvon Plinius im 5 Hauptst. seines 25 B. handelt / μελαμπόδιον, MELAMPODIUM genennet zu sein: weil er mit diesem Kraude des Prötus / Königes der Argiver / vier Töchter / welche Juno /mit Unsinnigkeit geschlagen / wieder / zu recht gebracht; daher eben dasselbe Kraut auch προίτιον, PRÆTIUM heisset. Virgiel scheinet / im 3 Buche seines Feldgedichtes / da er von den Artzneien wider die Sterbeseuche handelt / auch eben hierher gezielet zu haben. Des Melampus selbsten gedenket / unter andern / Propertz / im 2 Buche seiner Gedichte. Daß aber des Königs Prötus Töchter / von der Göttin oder vielmehr Königin Juno / weil sie schöner sein wollen / als dieselbe Juno / so rasend und unsinnig gemacht worden / daß sie sich Kühe zu sein eingebildet / und aus Furcht / sie möchten etwan vor den Pflug gespannet werden / in den Wald geflohen; dieses alles bezeuget Ferezides. Auch zielet eben hierher Virgiel / wan er / in seinem Gedichte vom Silenus / also schreibet.


PRŒTIDES IMPLERUNT FALSIS MUGITIBUS AGROS.


Zur 26 Einteilung.


Man rükte gantz unvermuhtlich auf das Jüdische Land zu.] Hiervon lautet die Geschicht im 15 Hauptstükke des Buchs der Richter also: da zogen die Filister hinauf / und belägerten Juda / und liessen sich nieder zu Lehi.


Zur 27 Einteilung.


Die Uhrsachen eines so unversehenen Uberfals zu erfahren.] Dieses zeiget der itztangezogene Ort mit folgenden Worten an: aber die von Juda sprachen: Warüm seid ihr wider uns herauf gezogen? Sie antworteten: wir seind herauf kommen / den Simson zu binden / daß wir ihm tuhn / wie er uns getahn hat.


[591] Zur 34, 37, und 38 Einteilung.


Sie selbst wolten hinziehen ihn zu greiffen.] Die Worte hiervon lauten / am schon itztangeführtem Orte des Buchs der Richter / also: da zogen drei tausend Männer von Juda hinab in die Steinkluft zu Etam /und sprachen zum Simson / weissestdu nicht / daß die Filister über uns herschen? Warum hastdu dan das an uns getahn?


Zur 38 und 40 Einteilung.


Der ihnen anders nicht getahn / als wie sie erstlich tähten.] So lauten die Worte der Geschicht im oftgemeldtem Buche der Richter: Er sprach zu ihnen: wie sie mir getahn haben / so habe ich ihnen wieder getahn. Sie sprachen zu ihm: Wir seind herab gekommen dich zu binden / und in der Filister Hände zu geben.


Zur 45, 46, und 47 Einteilung.


Weil nun Simson / aus Eingebung des Geistes GOttes / wohl wuste.] Das Buch der Richter schleust dieses alles in folgende kurtze Worte zusammen: Simson sprach zu ihnen: so schwöhret mir / daß ihr mir nicht wehren wollet. Sie antworteten ihm: wir wollen dir nicht wehren; sondern wollen dich nur binden / und in ihre Hände geben / und wollen dich nicht töhten.


Zur 51 Einteilung.


Also ward dan ein zweifacher Strük.] Hiervon spricht das vielgemeldete Buch der Richter abermahl kurtzbündig: und sie banden ihn mit zween neuen Strükken / und führeten ihn herauf vom Felsen.


Zur 54, 55, 57, und 60 Einteilung.


Sobald die Filister von ferne den Simson erblikten.] Die heilige Schrift fasset dieses alles / an oftangeführtem Orte / wieder gantz kurtz zusammen / wan sie also spricht: und da er kahm bis gen Lehi / jauchzeten die Filister zu ihm zu. Aber der [592] Geist des HErrn geriet über ihn / und die Strükke an seinen Armen warden wie Faden / die das Feuer versänget hat / daß die Bande an seinen Händen zerschmaltzen.


Zur 64, 65, und 85 Einteilung.


Simson erblikte von ohngefähr alda einen faulen Eselskinbakken.] Hiervon redet das 15 Hauptstükke des Buchs der Richter folgender Gestalt / ebenmäßig mit gantz kurtzen Worten: und er fand einen faulen Eselskinbakken. Da rekte er seine Hand aus / und schlug damit tausend Männer.


Zur 87 und folgenden Einteilungen.


Da er zu denen vom Stamme des Juda sagte.] Alle diese Reden deutet das Buch der Richter wiederüm mit gantz kurtzen Worten an / wann es also spricht: und Simson sprach: da liegen sie bei Hauffen. Ich habe / durch einen Eselskinbakken / tausend Männer erschlagen.


Zur 106 und 107 Einteilung.


Kaum hatte Simson seine Rede zu denen aus dem Stamme des Juda volendet.] Hiervon führet der Schreiber des Buches der Richter / nur allein diese wenige Worte: und da er das ausgeredet hatte / warf er den Kinbakken aus seiner Hand / und hies die Stätte Ramat Lehi. Da ihn aber sehr dürstete / rief er den HErrn an / und sprach / u.s.f.


Zur 116 Einteilung.


Eben also verschmachtete für Durste der Große Rohland.]

Von diesem / wie auch von den Glogauischen Rahtsherren / die auf Befehl Hertzog Johans von Sagan / im 1488 Jahre gefänglich gehalten warden /und in einem Schreiben / mit Dinte von Lichtputzenschwärtze gemacht / geschrieben / ihren unerleidlichen Durst selbst zu verstehen gaben / meldet Valerius Herberger im 60 Hauptst. des 11 Teils seiner Großen Tahten GOttes.

[593] Wie dort des Reichen Wanstes.] Diese Geschicht vom Reichen Manne findet man am Ende des 16 Hauptstükkes bei dem Heilverkündiger Lukas.


Zur 117 Einteilung.


Die Geschicht vom Einzuge des Heilandes zu Jerusalem auf einem Esel.] Diese beschreibet Matteus im 21, und Markus / im 11 seiner Heilverkündigung.


Zur 122 und 123 Einteilung.


Ach! HErr / rief er mit wehmühtigem Hertzen.] Dieses des Simsons Gebähtes erwähnet der Schreiber des Buches der Richter nur mit kurtzen Worten / wan er also schreibet: und Simson sprach: Du hast ein solches großes Heil gegeben / durch deinen Knecht. Nun aber mus ich Durstes sterben / und in der Unbeschnittenen Hände fallen.


Zur 128 Einteilung.


So bohrte dan seine Almacht in eben den Eselskinbaken.] Hiervon redet das Buch der Richter / am Ende des 15 Hauptstükkes / also: da spaltete GOtt einen Bakkenzahn im Kinbakken / daß Wasser heraus flos. Und als er trank / kahm sein Geist wieder / und ward erkwikt. Darüm heist er noch heutiges Tages des Anrufers Brun / der im Kinbakken ward.


Zur 129 Einteilung.


Eben einen solchen Wunderbrun.] Von diesem schreibet Moses selbsten / im 17 Hauptstükke seines 2 Buches.


Zur 131 Einteilung.


Ein solcher Brun / darnach Davids Hertz dürstete.] Hiervon lauten die Worte des 2 Buchs Samuels / im 23 Hauptstükke / wie folget: und David ward lüstern /und sprach: wer wil mir zu trinken hohlen des Wassers aus dem Brunnen zu Betlehem unter dem Tohre?

Anmärkungen des sechsten Buches

[594] Anmärkungen des sechsten Buches.

Zur 15 Einteilung.


Kein Herkules vermag sich für den Liebesblikken einer Omfale.] Von der Zahl derer / die den Nahmen Herkules geführet / seind unterschiedliche Meinungen. Diodor der Sikuler zehlet ihrer drei: Tullius / im 3 Buche von der Götter Natur / sechse. Der erste sol derselbe gewesen sein / der mit dem Apollo üm den güldenen Tisch gestritten; wie Pausanias meldet: der zweite vom Berge Ida: der dritte / Jupiters / und der Asterie / die eine Schwester der Latone war / und in eine Wachtel / ja endlich gar in eine Klippe sol verwandelt sein / Sohn / den fürnähmlich die Tirer geehret: der vierde / ein Egipter / aus dem Niele gebohren / der die Frigischen Buchstaben erfunden / und einer von den zwölf Egiptischen Göttern gewesen / von dem die Griechen den Nahmen entlehnet / und ihrem Herkules / des Amfitruons Sohne / wie Herodotus schreibet / gegeben: der fünfte / ein Indier / der sonst auch Belus geheissen: der sechste / von Tehbe / des dritten Jupiters / und der Alkmene / die des Amfitruons Fraue / und des Elektrions Tochter war /Sohn; dem die Griechen aller der andern Tahten zugeeignet. Ja Varro rechnet derer wohl drei und vierzig her; die aber alle diesen Nahmen vom Griechischen Herkules / dem Sohne der Alkumene / welche Jupiter / in Gestalt ihres Ehmannes / des Amfitruons / geschwängert / wie Plautus meldet / bekommen. Makrobius hingegen wil behaupten / daß die Sonne der rechte Herkules sei: weil sie / unter andern / wie Herkules zwölferlei Arbeit solte verrichtet haben / also in einem Jahre die zwölf Himlischen Zeichen durchzulauffen pflegte. Daß aber der Griechische oder Tehbische Herkules den Nemeischen Leuen / der /durch Zutuhn des Mohnes / aus einem Schaume / wie Griserm in [595] seinem 2 Buche / und Demodokus / in den Herakleischen Geschichten aufgezeichnet / gebohren worden / und eine undurchdringbare feste Haut / die Herkules nachmahls / an Schildes oder Pantzers stat /stähts getragen / gehabt / mit seiner mit Eisen stark beschlagenen / oder gar eisernen Keule / wie sie Sokrates an den Jodoteus / und Pisander beschreiben / in seiner ersten Jugend / da er / auf des Amfitruons Befehl / zwischen Filunt / und Kleone das Vieh gehühtet / zu seinem ersten Meisterstükke gefället und erschlagen / bezeuget / unter andern / Euripides / in seinem Rasenden Herkules / wie auch Seneka. Ja daß er die Omfale / des Lidischen Königes Tochter / und des Tmolus Gemahlin / dermaßen geliebet / daß er ihr seine Leuenhaut überlaßen / und unter ihren Zofen / in Frauenkleidern / als eine Spinnerin / drei Jahre lang gedienet / ja gar ihr Leibeigner geworden / bezeuget er selbsten / bei dem Propertz / wan er also redet:


IDEM EGO SIDONIÂ FECI SERVILIA PALLÂ
OFFICIA, & LYDA PENSA DIURNA COLO.
MOLLIS & HIRSUTUM CEPIT MIHI FASCIA PECTUS,
& MANIBUS DURIS APTA PUELLA FUI.

Eben dasselbe verweiset und rechnet es ihm / als eine große Schande / zu seine Deianire / bei dem Ovidius /wan sie folgender Gestalt spricht:


NON PUDET, ALCIDE, VICTRICEM MILLE LABORUM
RASILIBUS CALATHIS IMPOSUISSE MANUM?
CRASSAQUE ROBUSTO DEDUCIS POLLICE FILA,
ÆQUAQUE FORMOSÆ PENSA REPENDIS HERÆ.
DICERIS INFELIX SCUTICÆ TREMEFACTUS HABENIS
ANTE PEDES DOMINÆ PERTIMUISSE MINAS.

Malide war eine von der gemeldten Omfale Zofen oder Hofjungfrauen / mit welcher er den Azelus / von dem die Lidische Stadt Azele / diesen Nahmen bekommen / gezeuget.

Melite / des Egäus Tochter / und des Hillus Mutter / den sie dem Herkules gebahr / von welcher die im Sizilischen Meere gelegene Insel / als auch die Stadt auf derselben / derer Plinius [596] im 3 Buche gedenket /den Nahmen Melite oder Malte bekommen.

Pirene / von welcher das Pirenische Gebürge zwischen Spanien und Frankreich / wie Silius / in seinem 3 Buche meldet / den Nahmen empfangen; weil Herkules auf diesem Gebürge die Pirene geschwängert /und sie selbsten alda nachmahls begraben worden: wiewohl Diodor / in seinem 6 Buche / eine andere Uhrsache beibringet / warüm dieses Gebürge / das Plinius im 3 Hauptst. des 3 Buches / und Strabo gleichmäßig im 3 Buche beschrieben / gemeldten Nahmen führet.

Jole war des Etolischen Königes Euritus Tochter /den Herkules / weil er ihm die zu erst versprochene Jole nachmahls zu geben geweigert / bekriegte; wie Menekrates aufgezeichnet.

Hebe / der Juno Tochter / ohne Vater / die dem nunmehr unter die Götter gezehletem Herkules vermählet worden; wie Plato / der ihre Hochzeit beschrieben / als auch Apollodor im 2 Buche / und Pausanias in den Attischen Begäbnissen aufgezeichnet. Aber hiervon / wie auch von der Jole / kan unser Dichterischer Sternhimmel / und was wir droben bei der 23 Einteilung des 1 Buches unsers Simsons angemärket / gelesen werden.

Filone / des Alzidemons eines Arkadischen Heldens Tochter; welche dem Herkules den Echmagoras gebohren / und mit ihm / den wilden Tieren zum Raube / auf einem Berge an einem Baum angebunden / aber vom Herkules aus solcher Gefahr erlöset worden.

Megare / des Königes zu Tehbe Kreons Tochter /die er dem Herkules / wie die Jokaste dem Oedipus /vermählete / aber nachmahls Herkules selbst / als er tolsinnig worden / wie Seneka / in seinem Schauspiele vom Rasenden Herkules / bezeuget / ümbrachte.

Astidamie war des Ormenus Tochter / welche Herkules / nachdem er ihren Vater entleibet / entführete.

Astiochie / die Herkules / aus der Lakonischen Stadt Efire / gleichmäßig entführet / und den Tlepolemus mit ihr gezeuget; wie Bokatz aufgezeichnet. Dieser Tlepolemus ward nachmahls [597] der Rodier König /den Sarpedon / im Kriege vor Trojen / ümbrachte; wie Homerus / im andern Buche seines Heldengedichtes von Trojen / meldet.

Deianire / den Etolischen Königes Eneus Tochter /welche zuerst dem Könige Achelous versprochen /aber nachmahls dem Herkules / als er jenen seinen Mitbuhler überwunden / zu Teile ward; wie Perottus aufgezeichnet. Diese unterstund sich Nessus am Ufer eines Etolischen Flusses zu nohtzüchtigen. Aber Herkules durchschos ihn mit Pfeilen / die er mit Schlangengifte bestrichen. Weil nun Nessus seinen Tod /den er itzt vor Augen sahe / rächen wolte; so gab er der Deianire sein Kleid mit Gift und Bluhte besudelt /und sagte darbei / wan sie es ihren Ehman anziehen ließe / daß es alsdan ein guhtes Artzneimittel wider die Liebe der Huhren sein würde. Deianire nahm dieses zu Ohren / bewahrete das Kleid / und als Herkules / mit der entführten Jole / nachdem er die Feinde besieget / bei einem Euböischen Vorgebürge angelanget / auch den Licha seinen Knecht voran geschikt der Deianire seinen Sieg / samt seiner Ankunft / ansagen zu laßen; da schikte sie dem Herkules solches Kleid zu; damit es ihm zum Gegengifte wider die Liebe der Jole / die ihr verdächtig war / dienen möchte. Sobald nun Herkules dieses Kleid anzog / da begunte sein Leib von stunden an heftig zu jükken / und mit hitzigen Blattern auszuschlagen. Auch ward er so rasend /daß er seinen Knecht / der ihm das Kleid gebracht /von einem Felsen ins Wasser stürtzte. Ja er sprang endlich für unerleidlichen Schmertzen / auf dem Berge Eta / selbst in das angezündete Tohtenfeuer. Und hiernach erhing sich die Deianire / sobald sie des Herkules unglüklichen Tod erfahren / aus Verzweifelung / mit eigenen Händen: wie Euripides / und Seneka / in ihren Schauspielen vom Rasenden Herkules / wie auch Apollodor / Luzian / Filip von Bisantz /und viel andere weitleuftig beschrieben.

Noch auch der funfzig königlichen Töchter des Tespius.] Dieser Tespius / oder Tespis / wie ihn andere nennen / der in Beozien König / und des Erichteus /Königes zu Atehn / Sohn war / nachdem er des Herkules tapfere Tahten vernommen / vermeinte / daß es ein großes Glük für ihn sein würde / wan er [598] von einem solchen Helden aus seinen funfzig Töchtern /die er hatte / gleich so viel tapfere Söhne bekommen möchte. Und darüm baht er den Herkules auf ein köstliches Gastmahl / und trank ihm so tapfer zu / daß Herkules berauschet alle Töchter / bis auf eine / welche / wie Pausanias / in seinen Beotischen Geschichten / bezeuget / in ewiger Jungfrauschaft zu leben geschworen / in einer Nacht beschlief.


Zur 17 Einteilung.


Diese wohnete zu Gaza / in einer von den damahligen drei Riesenstädten.] Hiervon redet der Verfasser des Buches der Richter / straks im Anfange des 16 Hauptstükkes / also: Simson ging hin gen Gaza / und sahe daselbst eine Huhre / und schlief bei ihr. Von der Stadt Gaza schreibet Stefanus / in seinem Buche von den Städten / folgender Gestalt: sie wird auch Aza genennet / und die Sirer nennen sie noch itzund Aza /vom Azon / des Herkules Sohne. Dieses Nahmens zweierlei Aussprache rühret vom Ebräischen עזה her; da der erste Buchstab / nähmlich das Ajin / von etlichen wie ein g gelesen / von andern gar weggelaßen wird. Und weil dieses Ebräische Wort feste / befestiget / oder eine befestigte Stadt bezeichnet / so ist es nur ein Mährlein / daß gemeldte Stadt den Nahmen Gaza oder Aza / welches einerlei ist / vom Azon / des Herkules Sohne / solte bekommen haben. Daß sie aber in der Taht so wohl / als dem Ebräischen Nahmen nach / eine feste Stadt oder Festung gewesen /bezeuget Mela / wan er spricht: im Filisterlande befindet sich Gaza / die eine gewaltige und sehr befestigte Stadt ist. Und eben daher durfte Batis / ihr Befehlhaber / wie Arrianus in seinem 2 Buche bezeuget /sich dem Großen Alexander so lange widersetzen: welches auch Kurtz / in seinem 4 Buche / meldet.


Zur 24 Einteilung.


Dem die heilige Schrift den allerschändlichsten Nahmen giebet.] Diesen Nahmen hat uns eben itzund der Verfasser [599] des Buches der Richter / da er kein Blat vor den Mund nimt / ungescheuet genennet.


Zur 25 Einteilung.


Ach! wie wenig Joseffe findet man.] Von der unvergleichlichen Keuschheit des Josefs ist zu lesen im 39 Hauptstükke des Buches der Schöpfung / wie auch in unserer Assenat / und in Jakob Katsens Selbstreite.


Zur 27 Einteilung.


Sei eine Gastgäberin gewesen.] Dieses meldet Valerius Herberger / im 61 Hauptst. seines 11 Teiles von den Großen Tahten Gottes. Auch findet man bei dem Flavius Josef / im 10 Hauptst. seines 5 Buches von den Altheiten der Jüden / diese Worte: nach dieser Schlacht / indem er nunmehr die Filister nichts achtete / kahm er nach Gaza / und hielt sich alda in einem öffendlichen Würtshause auf. Von der itzigen Liebe des Simsons aber schweiget dieser Geschichtschreiber gantz stil. Ja er gedenket der Würtin selbst; oder eines andern Weibesbildes / darein sich Simson solte verliebt haben / mit keinem einigen Worte / gleich als hette er diesen Fehler eines solchen Helden mit Vorbedachte verschweigen wollen.


Zur 31 Einteilung.


Die bei den Röhmern von den Verdiensten.] Eine Huhre heisset auf Lateinisch MERETRIX, das ist QUÆ MERET ÆRE SIVE PECUNIÂ, die üm Geld dienet / oder Geld verdienet / QUÆ CORPUS SUUM AD TURPEM QUÆSTUM PROSTITUIT, die üm einen schändlichen Verdienst oder Gewin ihren Leib aussetzet / feil bietet / MULIER MERITORIA SIVE MERCENARIA IMPUDICA, QUÆ MERCEDE CONDUCITUR, eine unzüchtige / unverschähmte Mietfraue / die man üm Lohn dinget oder mietet /QUÆ TURPISSIMAM EXERCET MERCATURAM. Welche die allerschändlichste Kaufmanschaft treibet.

Bei den Griechen von den Verkauffungen.] Eben dieselbe nennen die Griechen πόρνην, von περάω, wan es so viel heisset / als VENDO ich verkauffe /oder IN ULTERIORE REGIONE VENDO [600] ich verkauffe es auf der andern Seite; oder IN ULTERIORA LOCA TRANSFERO, UT VENDAM, ich bringe es über auf die andere Seite zu verkauffen; wie es Eustatius erklähret: oder vielmehr von περνάω oderπέρνημι, welche beide gleichmäßig verkauffen bezeichnen. Daher ist bei den Griechen das Wortπόρνη; das ist eine Huhre / so viel gesagt / als eine /die ihren Leib gleichsam zu kauffe setzet / oder verkauffet. Und πορνειον heisset bei eben denselben ein Ort / da die Huhren sich feil bieten / GANEA, LUPANAR, ein Huhrenhaus / BORTHELHUSE, wie es die Engelländer von BORTHEL, das ist Huhre / nennen. Die Franzosen sagen auch / wan sie von einem solchen unzüchtigen Orte reden / BORDEAU, die Niederteutschen BORDEEL, die Wälschen BORDELLO, die Spanier BURDE: welche letztere Wörter alle sechse dem Griechischen πορνή oder πορνειον sehr nahe kommen; wiewohl sie sonsten aus dem Niederdeutschen BORDELEN, das ist ÆSTUARE, übersich / oder über den Bord oder Rand steigen / wie ein siedendes Wasser / hitzig / feurig / und brünstig sein /gebildet zu sein scheinen. Ja das Wort δημιουργός damit die Griechen zuweilen ebenmäßig eine Huhre bezeichnen / bedeutet nicht viel anders / als ihrπόρνη; weil es sonst so viel heisset / als einer / dessen Werk oder Arbeit öffendlich und iedermanne zu Kauffe stehet; wie der Huhren ihre Werke / Schönheit /oder Leiber zu tuhn pflegen. Auch wird δῆμος oderδημός selbsten / daraus δημιουργός zusammen gesetzt und gebildet ist / bei dem Archiloch für eine Huhre /ich wil sagen Allemanshuhre / gemeine öffendliche Mätze / die sich dem gantzen Volke / welches das Wort δημός; eigendlich bezeichnet / dar- oder zu kauffe bietet / genommen.

Und bei uns von den Vermietungen oder Verheurungen ihrer Leiber.] Das Wort Huhre bedeutet bei den Deutschen eigendlich anders nicht / als ein Heuerweib / ein geheuertes oder gehüertes / das ist gemietetes Weib / ein Mietweib / das man zur Unzucht mietet / hüert / dinget / oder das seinen Leib darzu verhuert oder vermietet / und ein gewisses Geld bedinget / ja sich also auf eine Zeitlang einem ieden / dem sie anstehet / gleichsam verkauffet: Daher dan Ovidius saget:


STAT MERETRIX CERTO CUIVIS MERCABILIS ÆRE.


[601] Zur 37 Einteilung.


Die Zintokbeume.] Diese wachsen in etlichen / wiewohl sehr wenigen Oertern im Ostindien / und seind unsern Aertzten in Europa bisher gantz unbekant gewesen. Der erste / der sie / indem er ein überaus starkes und kräftiges Oehl / aus ihrer Rinde gezogen / zu nützen gesuchet / war der nunmehr durch den Tod uns vielzufrüh entzogene Vielerfahrne Preusse / Johan von Kempen: welcher mir solches Oehl / zusamt der Rinde / und dem Holtze / selbsten aus Ostindien mitgebracht. Das Oehl pflegte er denen / die einen übelvertauenden erkälteten Magen hatten / als ein heilsames Artzneimittel / in etwan einer Brühe einzugeben. Ein Tropfen darvon ist so stark und so kräftig / daß er seinen Geschmak einem gantzen Maße warmen Weines oder Bieres kräftiglich mitteilet. Das Holtz / welches / schier wie das alte Brasilienholtz / dunkelbraun ist / rieb er gantz klein / und gebrauchte dasselbe / zur Hertzstärkung / im Weine; der darvon straks einen gantz lieblichen Geschmak und Geruch bekahm. Wan es angezündet / und straks wieder ausgeleschet wird /giebet es den alleranmühtigsten Geruch / der in der Welt zu finden. Auch stärket dieser Geruch das Gehirn auf eine gantz sonderliche Weise. Die Borke / die fast eines kleinen Fingers dikke ist / und was graulicht aussiehet / ist so kräftig / daß ein Stüklein darvon / als ein Nahtelknöpflein groß / in den Mund genommen / und zerkauet / eben einen solchen Geschmak giebet / als hette man allerlei Gewürtze von Näglichen / Zimmet / Muskatenbluhmen und Nüssen genossen.


Zur 54 Einteilung.


Daß es in der Danae Schoß Gold regnen müste.] Die Geschicht der Danae / des Argischen Königes Akrisius Tochter / und nachmahliger Gemahlin des Königes Pilumnus / welcher das Brohtbakken / wie sein Bruder Pitumnus die Aekker zu misten / sol erfunden haben / wird in meinem Güldenen Regen / den ich des dreimahl Großen Ferdinandens des Dritten Keiserlicher Majestäht / auf dem im 1653 Jahre zu Regensburg [602] gehaltenem Reichstage / untertähnigst gewiedmet / unter den Anmärkungen / folgender gestalt erzehlet: Nachdem Akrisius / der Argische König / der ein Sohn des Abas war / seinem Bruder dem Prötus /wie Eusebius / und Laktantz melden / im Reiche gefolget / und seinen Stuhl in der Königlichen Hauptstadt Argos befestiget / hat er die Götter oder vielmehr Götzen gefraget: was er für Glük in seinem angeträhtenem Reiche haben würde? Weil er nun zur Antwort bekommen; daß er von der Hand desselben /den seine Freulein Tochter / die Danae / gebähren würde / sterben solte: so hat er sie in einen Turn gesetzt / und so stark und fleissig zu bewachen befohlen / daß ja niemand zu ihr gelangen möchte. Jupiter aber / oder ein ander König / der in die Zahl der Heidnischen Götter aufgenommen / und zum Obersten unter ihnen erkohren worden / durch das Gerüchte von ihrer übermenschlichen Schönheit angereitzet / verwandelte sich in einen Güldenen Regen / und lies sich / durch das Dach desselben Turnes / in der schönen Danae Schoß / herunter. Ich wil sagen / er bestach die Wächter solches Turnes mit Golde / daß er zur Königlichen Fürstin gelangen / und sich mit ihr in Liebeslust ergötzen konte. Als sich nun die Danae / aus solchem Güldenen Regen / oder vielmehr aus solcher Liebesergetzung / geschwängert befand; da ward der Königliche Vater Akrisius überaus zornig / und lies sie in einen Kasten setzen / und in das Meer werfen. Die Armsälige schwebete so lange auf dem Meere herüm /bis sie endlich an das Apulische Seeufer angetrieben /und alda von einem Fischer von ohngefähr aufgefangen ward. Dieser brachte sie / samt dem Knaben Perseus / den sie im Kasten gebohren / zum Könige Pilumnus; den die Bäkker nachmahls / weil er sie das Brohtbakken gelehret / für ihren Gott aufwarfen. Pilumnus fragte von stunden an / wer sie sei / und von wannen sie were; und als er ihr Vaterland / und Königliches Herkommen verstanden / entschlos er sich sie ohne Verzug zu ehligen. Nach dieser Vermählung erwuchs Perseus / und verrichtete viel tapfere Heldentahten. Unter andern überwand er die drei ungeheuren Gorgonen / die Stenno / Euriale / und die Meduse. Diese waren Jungfrauen in Afriken / bei dem Berge Atlas; [603] die alle drei nur ein Auge / oder / wie andere melden / einerlei Schönheit gehabt; dadurch alle dieselben / welche sie angesehen / sich in Steine verwandelt / oder vielmehr aus heftiger Liebe erstarret: wie Servius über diese des Virgiels / im 6 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / ausgelaßene Worte /


GORGONES, HARPYIÆQUE & FORMA TRICORPORIS UMBRÆ, ETC.


angemärket / u.a.m. Der letzten dieser Jungfrauen hieb der tapfere Königliche Fürst Perseus den Kopf herunter / und lies ihn / als ein Zeichen seines Sieges /auf sein Schild mahlen: damit er seine Feinde freilich in Schrökken / Furcht / und ewige Erstarrung gebracht / wan er sie durch seine Waffen und sein Schild / darauf der Medusen Heupt entworfen stund /in eine ewige Unbewöglichkeit / ich wil sagen / in den Tod selbsten / versetzet. Und also verstehen wir auch dasselbe / was uns die Scheinwahrheit der alten Dichtmeister vormahlet / daß Perseus seinen Großvater den Akrisius / indem er ihm der Medusen Kopf vorgehalten / in einen Stein verwandelt / und sich seines Reichs / daraus er ihn / samt seiner Mutter / der Danae / vertrieben / bemächtiget: wie Bokatz / Virgiel / Ovidius / Herodotus / Natalis Komes / als auch Eusebius in seinen Zeitgeschichten / und viel andere mehr aufgezeichnet. Gleichwohl wird der Danae / von ihrem Vater dem Akrisius / noch der Zunahme Akrisioneis gegeben; wie aus folgenden Virgilischen Worten zu sehen:


PROTINUS HINC FUSCIS TRISTIS DEA TOLLITUR ALIS
AUDACIS RUTILI AD MUROS: QUAM DICITUR URBEM
ACRISIONEIS DANAË FUNDASSE COLONIS
PRÆCIPITI DELATA NOTO.

Ja es hat auch dieser tapfermühtige Perseus die Königliche Etiopische Fürstin Andromede nicht allein von ihren Fesseln / sondern auch aus dem Rachen eines ungeheuren Walfisches / aus Liebe so wohl / als aus Mitleiden / erlöset / und sich nachmahls mit ihr vermählet. Diese Andromede war des Mohrenköniges Zefeus / und der Kassiope Freulein Tochter / eine[604] überaus schöne Fürstin / aber ihrer Frau Mutter Hofart wegen / weil sie mit den Nereinnen üm den Preis der Schönheit zu streiten sich unterfangen / deswegen sie auch unter das Gestirn gesetzt worden / wohl recht armsälig; indem sie / auf Befehl der Götter / an einen Steinfels / bei der Stadt Joppe gebunden / und obgemeldtem Walfische zum Raube dargestellet ward; wie Euripides / in seiner Andromede / Ovidius im 4 seiner Verwandlungsbücher / als auch Perottus hiervon / mit mehren Umständen / können gelesen werden. Endlich ward auch üm solcher des Perseus Tapferkeit willen /seine liebe Andromede / aus Gunst der Weisheit Göttin Minerve / zugleich mit ihm unter das Gestirne gestellet. Hierbei kan auch nachgelesen werden / was wir droben / in der 23 Einteilung des ersten Buches /bei dem Nahmen Andromede angemärket / wie auch was wir hiervon / in unserem Dichterischen Sternhimmel / unter dem Sternzeichen des Zefeus / Perseus /der Kassiope / und Andromede / gemeldet. Nun wollen wir diese Geschicht vom Perseus / und seiner Mutter der Danae mit den Worten des Horatz / aus dem 16 Leierliede seines 3 Buches / schlüßen / da er also singet:


INCLUSAM DANAËN TURRIS AËNEA
ROBUSTÆQUE FORES, & VIGILUM CANUM
TRISTES EXCUBIÆ MUNIERANT SATIS
NOCTURNIS AB ADULTERIS;
SI NON ACRISIUM, VIRGINIS ABDITÆ
CUSTODEM PAVIDUM JUPITER, & VENUS
RISISSENT: FORE ENIM TUTUM ITER, & PATENS,
CONVERSO IN PRETIUM DEO.
AURUM PER MEDIOS IRE SATELLITES,
& PERRUMPERE AMAT SAXA POTENTIUS
ICTU FULMINEO.

Und also heisset es wohl recht / wie wir in unserer Horazischen Sittenlehre / bei dem 49 Sinbilde des 1 Teiles / geschrieben:


Gold dringt durch Stahl und Eisen hin /
schlägt Mauren / Wal / und Turn zu trümmern.
Das Schlos springt auf / nach unsrem Sin /
[605]
wan güldne Schlüssel vor ihm schimmern.
Gold macht / daß niemand standfest ist /
ein Weiser seinen Witz vergist /
das Recht die Pflicht / der Mensch die Lehre /
die Wach' ihr Amt / die Frau ihr' Ehre.

Zur 64 und 67 Einteilung.


Kaum war er in dieses Haus eingekehret.] Hiervon redet das Buch der Richter im 16 Hauptst. mit kurtzen Worten also: da ward denen von Gaza gesagt: Simson ist herein gekommen. Und sie ümgaben ihn / und liessen auf ihn lauren die gantze Nacht / in der Stadt Tohre. Und sie waren die gantze Nacht stil / und sprachen: harre! morgen / wan es liecht wird / wollen wir ihn erwürgen. Simson aber lag bis zur Mitternacht.


Zur 73 und 85 Einteilung.


Zu dem Ende stund er dan mitten in der Nacht auf.] Die Worte des Buchs der Richter lauten hiervon also: da stund er auf zur Mitternacht / und ergrif beide Tühren am Stadttohre / samt den beiden Pfosten / und hub sie aus mit den Riegeln / und legte sie auf seine Schultern / und trug sie hinauf auf die Höhe des Berges vor Hebron. Hierbei kan auch gelesen werden /was Valerius Herberger im 41 Hauptst. seines 11 Teiles von den Großen Tahten Gottes / angemärket.


Zur 96 Einteilung.


Als ein zweiter Jason.] Dieser Jason / der zuvor Diomedes hies / war des Kreteus Enkel / und Esons / des damahligen Tessalischen Königes Pelias Bruders /und der Polimede / die etliche Polimelen / oder auch Polifemen nennen / des Autolikus Tochter Sohn; wie Apollonius / Valerius Flakkus / Herodotus / und andere melden: wiewohl dieser des Jasons Mutter Ferezides den Nahmen der Alzimede / die des Filax Tochter war / Andronis der Teogenete / Stesichor der Eteoklimene / Demetrius der Röus oder Rius zu geben pflegen [606] Gemeldter Pelias / seines Vaters Bruder /schikte ihn von Jolk / welches Jasons Großvater Kreteus zur Königlichen Hauptstadt gebauet / nach Kolch / das ihm durch List dahin entführete Güldene Fel wiederzuhohlen: welches er auch glüklich erhielt /und nach überstandenen vielen Gefährligkeiten auf solcher Seereise / mit sich nach Jolk brachte; da er den Pelias endlich erwürget / und sich seines Väterlichen Königreichs bemächtiget. Dieses Güldene Fel /meinet Plutarch / sei eine Goldschacht / oder ein verborgener Schatz in Kolch unter der Erde gewesen. Justien aber / der des Jasons Reise weitleuftig beschreibet / in seinem 42 Buche / daß das Mährlein des Güldenen Felles von den durchbohreten und mit wollichten Fellen überzogenen Bretern / damit die Kolcher den Goldsand aus den Flüssen zu fischen pflegten /entsprossen sei. Hingegen erzehlen andere / daß Frixus des Tehbischen Königes Atamas aus der Nefele Sohn / und der Helle / davon der Hellespont / das ist der Helle Meer / den Nahmen bekommen / Bruder /als er der Nachstellung seiner Stiefmutter der Ino /samt seiner Schwester / entflühen wollen / auf einem güldenen Wider / durch die Luft hin / in Kolch geführet worden: da er den Wider geschlachtet / und sein güldenes oder mit güldener Wolle bewachsenes Fel dem Mars zu Ehren an einen Baum aufgehänget. Und hierher zielet Ovidius / wan er / in einem Sendeschreiben des Leanders / also spricht:


FLUCTIBUS IMMODICIS ATHAMANTIDOS ÆQUORA CANENT,
VIXQUE MANET PORTU TUTA CARINA SUO.
HOC MARE CÙM PRIMÙM DE VIRGINE NOMINA MERSÂ,
QUÆ TENET, EST NACTUM, TALE FUISSE PUTO.
EST SATIS AMISSÂ LOCUS HIC INFAMIS AB HELLE,
UTQUE MIHI PAREAT, NOMINE CRIMEN HABET.
INVIDEO PHRIXO, QUEM PER FRETA TRISTIA TUTUM
AUREA LANIGERO VELLERE VEXIT OVIS.
wie auch Manilius / im vierden Buche seiner Sternkunst / mit folgenden Worten:
– TESTIS TIBI LANIGER IPSE,
CÙM VITREUM FINDENS AURATO VELLERE PONTUM,
[607]
ORBATUMQUE SUÂ PHRIXUM PER FATA SORORE
PHASIDOS AD RIPAS, & COLCHIDA REGNA REVEXIT.

Doch dieser Wider ist kein Schafbok oder Hammel gewesen / sondern ein Bedienter / oder vielmehr Hofmeister des Frixus / der Krius / welches eben so viel als Wider gesagt ist / geheissen / und seines weisen Rahtes wegen / den er dem Frixus gegeben / der Güldene Krius / daraus die Dichtkünstler / durch diesen Nahmen verführet / der eine einen Güldenen Wider oder einen Wider mit güldener Wolle / der andere ein Güldenes Schaf / und dergleichen Dinge mehr gemacht / genennet worden. Aber hiervon kan der Lieb haber in meinem Dichterischen Sternhimmel / unter dem Sternzeichen des Widers / wie auch bei dem Natalis Komes / im 9 Hauptstükke seines 4 Buches von den Lehrdichtereien / mehr zu lesen finden. Darüm wil ich auch alhier weder vom Frixus / der das erdichtete Güldene Fel nach Kolch sol gebracht / noch vom Jason / der es von dar / durch Hülfe der Medee / des Kolchischen Königes Eta Tochter / wieder sol weggeführet haben / keinen weiteren Bericht tuhn: sondern diese Anmärkung mit dem herlichen und märkwürdigem Lobe / das Xenofon dem Jason giebet / schlüßen / wan er im 6 Buche seiner Griechischen Geschichte folgender gestalt schreibet: Er / der Jason / ist so ein behuhtsamer und kluger Kriegsheld / daß ihm sein Anschlag / wan er die Feinde zu überlistigen / oder zu überrumpeln / oder mit Gewalt zu überfallen vorhat /schier niemahls fehl schläget. Er ist so wohl des Nachtes / als bei Tage / stähts bereit; ja selbsten /wan er / in Gastereien / müßig zu sein scheinet. Auch ruhet er eher nicht / als bis er dahin / da er hin gedenket / gelanget / und dasselbe / das ersprüßlich sein kan / verrichtet. Eben also gewöhnet er auch seine Kriegsleute: denen er / wan sie eine tapfere Taht getahn / viel nachgiebet. Daher meinen alle / die ihm üm Sold dienen / daß Wohllust und Muße nur allein durch Arbeit erlanget werde. Er selbst genüßet unter allen / die ich kenne / der Wohllust am allerspaarsamsten. Darüm kan auch diese ihn nicht verhindern seiner Sachen auf das beste wahrzunehmen.


[608] Zur 99 Einteilung.


Ohne Morgenverschub gewan Alexander der Große.] Alhier sehen wir auf die Antwort dieses Großen Alexanders / die er demselben gab / der ihn fragte: wie er in so kurtzer Zeit so viel mächtige Königreiche bezwingen können? Nähmlich diese / μηδὲν ἀναβαλλόμενος, NON PROCRASTINANDO. Etliche schreiben sie auch dem Julius Zesar zu. Hierher gehöret mit / was Hesiodus / in seinem 2 Buche saget:


Ου γὰρ ἐτωσιοεργὸς ἀνὴρ πίμπγησε καλιήν,
ουδ᾽ ἀναβαλλόμενος.

NEQUE HOMO OTIOSUS SUAM IMPLET DOMUM, NEQUE QUI PROCRASTINAT, weder ein Müßiggänger / noch ein Zauderer füllet sein Haus. Αἰεὶ δ᾽ ἀμβολιεργὸς ἀνὴρ ἄταισι παλαίει, SEMPER PROCRASTINATOR VIR LUCTATUR CUM DAMNO, ein Zauderer oder Verzögerer ringet allezeit mit dem Schaden / spricht eben derselbe.

Anmärkungen des siebenden Buches

[609] [611]Anmärkungen des siebenden Buches.

Zur 2 Einteilung.


Dieser gefährliche Staffeltag des 63 seiner Krankheit.] Die Lehre von den Wechsel- oder Staffel-tagen hat nicht allein Hippokrates und Galenus kurtzbündig /sondern auch der berühmte Artzt und Lehrer auf der Hohen Schuhle zu Helmstet / Jakob Horst / in seinem Berichte von gemeldten Tagen / wie auch Mohnden /und Jahren an den Freiherrn zu Waldstein / damahligen Landeshauptman in Mähren / ausführlich beschrieben. Daß aber diese Lehre sich selbst auf das Wort GOttes gründet / sehen wir daraus / daß GOtt auf den siebenden Tag der Schöpfung gefeiert / und ihn auch den Menschen iederzeit zu feiern befohlen. Ja wir sehen / daß / durch seine Schikkung / auf den vierzigsten Tag die grössesten Veränderungen in der Welt vorgefallen: nähmlich bei der Sündfluht / die auf den vierzigsten Tag sich geendet / wie auch bei dem Fasten unsers Heilandes / der / in der Wüste / vierzig Tage gefastet / auch am vierzigsten Tage nach seiner Auferstehung wieder gen Himmel gefahren. Eine solche Veränderung fiel auch vor im vierzigsten Jahre nach dem Auszuge des Volkes GOttes aus Egipten. Der itztgemeldte Galenus schreibet / unter andern /daß er die Veränderung oder Abwechselung der Krankheiten von Jugend auf bis in sein höchstes Alter fleissig in acht genommen / und befunden / daß zwar alle und iede Tage die Krankheiten sich verändert /und in etlichen mehr / in andern weniger / auch in etlichen zur Verbesserung / in andern zur Verschlimmerung. Aber auf den zwölften Tag hette sich die Krankheit nicht verändert / und auf den sechszehenden niemahls: welches auch Diokles und Archigenes angemärket. Daß aber der Wechsel oder die Veränderung der Krankheit auf gewisse Tage / die man aus der Erfahrung für [611] Wechseltage zu halten pfleget / sich oftmahls nicht begiebet / dessen ist die Uhrsache entweder der Artzt / oder der Kranke selbst: wan sie den Lauf der Natur / jener durch unzeitige Artzneien / dieser durch Nachlässigkeit / indem er dem heilsamen Rahte des Artztes zu folgen nachlässet / oder durch Unbehuhtsamkeit / indem er sich / bei euserlichen Zufällen / zu sehr bewägen / ich wil sagen / zur Schweermuht / zum Schrökken / zum Zorne / und zu dergleichen heftigen Gemühtsbewägungen zu sehr treiben und reitzen lesset / dergestalt verhindern und gleichsam irre machen / daß sie / in ihrer ordentlichen Würkung stutzig gemacht / dasselbe / was sie gern wolte / nicht zu verrichten vermag. Und eben daher komt es / daß die Krankheiten / wan ihre Veränderung an solchen Wechsel-tagen auf gemeldte Weise verhindert wird / sich verlängern / ja in eine langwierige Lungen- und Wasser-sucht / oder dergleichen gefährliche Zufälle / wo nicht gar ein schnäller Tod folget / ausschlagen.


Zur 3 Einteilung.


Dieses drei und sechszigste Lebensjahr ist das allergefährlichste.] Wie das 7, 14, 17, 20, 27, 34, 40, 60, und 80 Jahr / so auch der 7, 14, 17, 20, 27, 34, 40, 60, und 80 Mohnd / und der 4, 7, 9, 11, 14, 17, 20, 27, 34, 40, 60, 80, und 120 Tag für guhte Wechseljahre / Mohnden / und Tage gehalten werden; also helt man hingegen das 3, 6, 63, und 66 Jahr / wie auch eben diese Mohnden / und Tage für die allerärgesten der bösen Wechseljahre / Mohnden und Tage. Was das 63 Lebensjahr betrift / welches / nach der Rechnung des Diokles / und Archigenes / die Galenus längst widerlegt / sonsten das rechte guhte Wechseljahre sein solte; dieses ist darüm das allerschlimmeste Stufen- oder Staffel-jahr des Menschlichen Lebens /daher es auch Galenus / eben wie das dritte / und sechste / ja sechs und sechszigste / einen Wühterich des Lebens genennet: weil der 63 Tag / in der zehenden Woche nach der Aertzte rechter Rechnung / der dritte Tag ist / oder weil es das dritte Jahr / wie Jakob Horst redet / in der zehenden Woche ist. Dan was sich [612] in diesem 63 Jahre / Mohnden / oder Tage Böses reget / oder wechseln wil / das wechselt oder reget sich zur Unzeit: welches die große Mänge des Unflahts im menschlichen Leibe veruhrsachet. Daher müssen auch die meisten / die in diesem Jahre krunken / die Zeche bezahlen; wie Gellius / im 7 Hauptst. des 15 Buches seiner Attischen Nächte / da er auch des Keisers Augusts gedenket / angemärket.


Zur 6 Einteilung.


Entweder zum Guhten / oder Bösen verändert.] Doch mehr zum Guhten; weil diese zwei Jahre / Mohnden /oder Tage unter die guhten Wechseljahre / Mohnden /oder Tage gehören: Die wir / weil sie guht und glüklich seind / schlechthin Wechseljahre / Wechselmohnden / und Wechseltage / CRITICOS oder DECRETORIOS; die andern aber / welche gefährlich / und böse seind / Stufen- oder Staffel-jahre / Stufen- oder Staffel-mohnden / und Stufen- oder Staffel-tage / CLIMACTERICOS, oder SCALARES, eigendlich zu nennen pflegen.


Zur 10 Einteilung.


Der 40 Tag nach der Gebuhrt.] Kornelius Zelsus schreibet hiervon im 1 Hauptst. seines 2 Buches also: mit allen Kindern ist es gefährlich üm den 40 Tag nach der Gebuhrt; darnach üm das siebende Jahr ihres Alters und zuletzt üm das vierzehende.


Zur 11 Einteilung.


Dieses 63 Jahr / so auch der 63 Mohnd / und Tag des Menschlichen Lebens / ja selbst der 63 Tag der Krankheit / ist auch gewislich am allergefährlichsten. Hiervon schreibet Levien Lemnius / oder vielmehr aus ihm Jakob Horst / in dem verhochdeutschten Werke von den verborgenen Wundern der Natur /also: wie das 3 Jahr / mit dem 6, das gefährlichste in der ersten Woche / also ist auch in der zehenden Woche das dritte / weil es zum zehenden mahle wiederkomt / zehen mahl ärger. Dan die ersten drei Wochen machen (nach seiner [613] Rechnung) zwanzig Tage /die andern drei Wochen 40 Tage / abermahl drei Wochen 60 Tage. So fänget mit dem 61 Tage die zehende Woche sich an: und der 63 Tag / und Mohnd / wie auch das 63 Jahr seind eine der ärgsten / gefährlichsten / und unglüklichsten Wechsel- oder Stufen-zeiten / ja die allerschlimste; weil das 63 Jahr das dritte der zehnden Woche ist. Also ist auch das 66 Jahr / eben dieser Rechnung nach / das gefährlichste oder ärgeste; und alle beide seind als Wühteriche des Lebens zu halten / u.a.m. Was er alda von der unterschiedlichen Ausrechnung des 63 Jahres / Mohndes / oder Tages schreibet / kan alda in der Folge gelesen werden.


Zur 17 Einteilung.


Die erste Schicht / welche die Glüklichen Jahre begreiffet.] Hiervon handelt Wolfgang Hildebrand / im dritten Teile seiner natürlichen Kunstgriffe / oder im ersten seines Planetenbuches am 40 und 41 Blatte.


Zur 36 Einteilung.


Die verborgene Kraft der Siebenden Zahl.] Die Uhrsache dessen / daß die Siebende Zahl solche Kraft und Volkommenheit hat / ist nicht den sieben Irsternen /wie etliche wollen / sondern dem Schöpfer aller Dinge selbsten zuzuschreiben; weil Er sie geheiliget und gesegnet / indem Er den siebenden Tag der Schöpfung gefeiert / und ieder Woche siebenden Tag dem Menschen zu feiern befohlen. Daher pfleget auch die heilige Schrift / wan sie eine volkommene Zahl nennen wil / die Siebende zu gebrauchen: als wan sie saget / dem Nächsten solstdu vergeben nicht siebenmahl / sondern siebenzig mahl sieben mahl: wie auch im andern Hauptst. des 1 Buchs Samuels / da Hanna in ihrem Gebähte spricht / bis die Unfruchtbare Sieben gebähre: darnach im 110 Harfenliede Davids / Sieben mahl habe ich Dich im Tage gelobet: und dan im 26 Hauptst. der Sprüche Salomons / ein Narre ist weiser in seinen Gedanken / als sieben / die vernünftigen Bescheid geben. Auch [614] musten die Aussetzigen / nach ihrer Reinigung / noch sieben Tage eingesperret bleiben. Als Noah am 40 Tage / da die Sündfluht ablief /einen Raben / und darnach eine Tauben flügen laßen /und die Taube / weil sie nicht fand / da ihr Fuß ruhen konte / wiederkahm; da lies er am siebenden Tage darnach abermahl eine Taube flügen / die kahm gegen Abend wieder / mit einem Oehlblatte im Schnabel. Aller Geschlächter vom Abraham bis auf David waren zweimahl sieben / das ist vierzehen. Soviel Geschlächter zehlete man auch von David bis auf die Babilonische Gefängnis: und wieder so viel von dieser Gefängnis bis auf den Heiland der Welt. Ja Josef muste zweimahl sieben / das ist vierzehen Jahre lang im Gefängnisse sitzen / ehe mit ihm so eine große Veränderung / die ihm die zweimahl siebende Zahl brachte / vorfiel / daß er zum Schaltkönige des Egiptischen Reichs erkohren ward. Dieses Josefs Vater /Jakob / dienete dem Laban üm seine Tochter Rahe ebenmäßig zweimahl sieben Jahre; wie Moses / im 29 Hauptst. seines 1 Buches / bezeuget. Dergleichen Beispiele von der siebenden Zahl haben wir noch vielmehr in der Heiligen / ja selbst in andern Weltlichen Schriften: daraus dan zu schlüßen / daß GOtt diese Zahl gar sonderlich / und vielmehr / als andere / geheiliget / gesegnet / und ihr eine so gar grosse Kraft unerforschlicher Weise mitgetheilet / daß sie noch itzund dem Menschen in Krankheiten und andern Dingen gemeiniglich große Veränderungen zum Guhten und Bösen / doch mehr zum Guhten / mitbringet. Hierher gehöret / was Galenus / im 6 Hauptst. seines 2 Buchs von den Wechseltagen / bezeuget / wan er also schreibet: ich habe gesehen / daß in einem Sommer / da hitzige schnälle Krankheiten sich euserten /400 Kranke am 7 und 9 Tage der Krankheit alle miteinander ihren Wechsel bekommen / und ein guhtes Ende gehabt / oder zur Gesundheit gelanget. In andern Jahren befand ich / daß viele / durch Nasebluhten / etliche am 7, andere am 9, wieder andere am 14, auch wohl am 20 Tage volkömlich gesund worden. So habe ich auch im Herbste wahrgenommen / daß alle Kranke / welche gestorben / auf den 6 Tag den bösen Wechsel bekommen / und an diesem Tage das Leben eingebüßet.


[615] Zur 38 Einteilung.


Weil Lamech / des Metusaels Sohn.] Dieser Lamech ist auch des Tubalkains Vater: der ein Meister war in allerlei Ertz- und Eisen-werke / und von den Heidnischen Dichtern Vulkan / welches sie aus Tubalkan gebildet / wie ich im 2 Hauptstükke meines Egiptens /ausführlich erwiesen / benahmet wird. Seine Geschicht erzehlet Moses / im 4 Hauptst. seines 1 Buches / mit kurtzen Worten also: Lamech sprach zu seinen Weibern / der Ada / und Zilla: ihr Weiber Lamechs / höret auf meine Rede / und märket / was ich sage. Ich habe einen Man erschlagen / mir zur Wunde / und einen Jüngling / mir zur Beule / u.s.f. Andere aber / als Hieronimus / in unterschiedlichen. Schriften / Augustien / im 17 Hauptst. des 15 Buches von der Stadt GOttes / Abulensis / im 1 seiner Zeitbücher /wie auch Tostatus / Lipomanus / Rabanus / Liranus /Kajetanus / Pierius / Delrio / und mehr dergleichen Schreiber / erklähren sie / aus den Geschichten der Ebräer / folgender Gestalt: Lamech ging einesmahls auf die Jagt / in einen Wald; dahin seines Großvatern Großvater Kain / entweder einen Lustwandel zu tuhn / oder aber im kühlen Schatten der Beume sich zu erfrischen / begeben hatte. Als nun des Lamechs Handleiter / oder Waffenträger / welcher Tubalkain / des Lamechs Sohn sol gewesen sein / das Gereusche der Streucher / das Kain machte / vernahm; da deutete er dem Lamech an / daß alda ein Wild vorhanden: und Lamech richtete seinen Pfeil nach dem Gereusche zu /und erschos also den Kain. Sobald er aber erfuhr /daß ihn sein Waffenträger fälschlich berichtet / ergrimte er dermaßen / daß er ihn mit dem Bogen / oder einem Stokke straks erschlug. Wiewohl Teodoretus diese Erklähr- oder Erzehlung / in seinem 44 Hauptst. für ein Mährlein der Ebräer helt / so streitet sie doch nicht wider den Bericht des Moses: welcher die Begäbnisse der Gottlosen nur obenhin und mit gantz kurtzen Worten zu berühren pfleget. Aber hiervon wird meine Egiptische Beschreibung / im 2 Hauptst. da ich / unter andern / erwiesen / daß Tubalkain oder Vulkan der erste König in Egipten vor der Sündfluht gewesen / ein mehrers berichten.


[616] Zur 51 Einteilung.


Diese böse Wechseljahre / wie auch Wechseltage.] Hierbei müssen wir auch erinnern von den Aertzten angemärket zu sein / daß im 8, 12, und 16 Tage /Mohnde / und Jahre so wohl des Menschlichen Alters / als der Krankheiten keine sonderliche Veränderungen vorzufallen pflegten. Und hieraus allein könte man den Unterscheid der Tage wider dieselben / welche nicht gestehen wollen / daß der Wechsel oder die Veränderung auf gewisse Tage / Mohnden / oder Jahre fället / behaupten.


Zur 68 Einteilung.


Sie war eben / als eine Turteltaube.] Diese hat ihren Nahmen bei uns so wohl / als bei den Lateinern / da sie TURTUR, und bei den Wälschen / da sie TORTORE oder TORTORA, wie auch bei den Franzosen / da sie TURTURELLE oder TORTORELLE heisset / vom traurigen Klange / den sie giebet / und durch den sie ihren Gatten zu suchen scheinet / bekommen. Die Ebräer nennen sie gleichfals תור THOR, von der Wurtzel תור THOR, welches so viel heisset / als er hat gesucht / nachgeforschet / nachgespühret durch einen Kreus: weil sie / mit ihrer kläglichen Stimme /ihren Turtelteubricht suchet / sonderlich / wan er toht ist. Daher sagt Tullius: TURTURES EREPTÂ COMPARE SEMPER GEMUNT, & CASTITATEM SERVANT, die Turteltauben / wan sie ihren Gatten verlohren / seufzen / und bewahren ihre Keuschheit allezeit: wie auch Virgiel / im 1 seiner Hirtengedichte:


NEC GEMERE AËREÂ CESSABIT TURTUR AB ULMO.


Zur 74 Einteilung.


Zwischen das Leuen- und Wage-gestirn.] Hier verstehen wir die Jungfrau oder das Frauengestirn / das / im so genenten Tierkreuse / zwischen dem Leuen / und der Wage stehet.


Zur 78 Einteilung.


Daß derselbe / der einen Menschen gestohlen.] Diese Satzung hat Moses im 21 Hauptstükke seines 2 Buches aufgezeichnet.


[617] Zur 124 Einteilung.


Niemahls war in Kedes.] So hies der schönen Naftalerin Gebuhrtsstadt / welche / neben Adama /Hama / Hazor / und andern Städten der Kanaaner /dem Stamme Naftali / durch das Loß / zugefallen; wie Josua / im 19 Hauptst. seines Buches / angezeiget.

Anmärkungen des achten Buches

[618] Anmärkungen des achten Buches.

Zur 4 Einteilung.


Ein solches öffendliche Lob / nach desselben Tode /zuerkante.] Daß die Röhmer ein Gesetz gegeben bei den Begräbnissen der Frauen eine öffendliche Lobrede zu halten / deutet Plutarch an / wan er / in seinem Buche von der Weiber Tugenden / also schreibet: ἄριστα δὲ ὁ Ῥωμαίων δοκει νόμος ἔχειν, ωσπερ ἀνδράσι, καὶ γυναιξὶ δημοσίᾳ μετὰ τὴν τελευτὴν τους προσήκοντας ἀποδιδους ἐπαίνους, gefället mir der Röhmer Satzung überaus wohl; welche befielet den Frauen so wohl / als den Männern / nach ihrem Absterben ihr verdientes Lob öffendlich widerfahren zu laßen. Es hat aber der Raht zu Rohm diese Ehre den Frauen darüm zuerkant / weil sie / als kein Gold im gemeinen Kasten vorhanden war / den Galliern die bedungene tausend Pfund Goldes zu entrichten / allen ihren Goldschmuk / den man sonst aus den Heiligtühmern nehmen müssen / hergegeben; wie Livius bezeuget / wan er in seinem 5 Buche also spricht: MATRONIS PRO AURO AD LIBERANDAM À GALLIS ROMAM COLLATO GRATIÆ ACTÆ, HONOSQUE ADDITUS, UT EARUM, SICUT VIRORUM, POST MORTEM SOLEMNIS ESSET LAUDATIO, man dankte den Frauen für das Gold / welches sie / die Stadt Rohm von den Galliern zu erlösen / zusammengebracht / und täht ihnen noch darzu diese Ehre / daß ihnen so wohl / als den Männern / nach ihrem Ableiben / eine öffendliche Lobrede solte gehalten werden. Dieses geschahe nach Erbauung der Stadt im 363 Jahre / wie Sidonius meldet: wiewohl es Plutarch / im Leben des Kamillus / da er die Geschicht auch etwas anders erzählet / üm das 358 geschehen zu sein schreibet.

Bei dem Begräbnisse der Popillia.] Hiervon schreibet Tullius / im 2 Buche seines Redners / also: IN EO QUIDEM GENERE SCIO & ME, & OMNES, QUI AFFUERUNT, DELECTATOS ESSE VEHEMENTER [619] TER, CUM ABS TE (CATULE) EST POPILLIA MATER VESTRA LAUDATA: CUI PRIMUM MULIERI HUNC. HONOREM IN NOSTRÂ CIVITATE TRIBUTUM PUTO. Und dieses war ein großes Wunder / daß die Frauen zu Rohm sich solcher vergönten Freiheit nicht eher gebrauchet / als nach so langer Zeit: zumahl weil sie gemeiniglich ehrgeitzig waren / und einen hohen Geist hatten. Aber hiervon kan Johan Kirchman / im 2 Buche von den Röhmischen Begräbnissen / da er alles dieses weitleuftiger ausführet / gelesen werden.


Zur 6 Einteilung.


Bei den Griechen / und Röhmern.] In den ersten Zeiten der Röhmer / und Griechen war es zwar gebreuchlich / daß man die Verstorbenen in ihren eignen Heusern begrub; wie Servius / bei dem 5 Buche des Virgilischen Heldengedichtes vom Eneas / und Plato / in seinem Buche vom Kretischen Könige Minos / des Xantus Sohne / bezeugen. Aber nachmahls ist selbst der Römische König Numa / wie Plutarch / Dionisius / Livius / und Plinius / aus des Kassius Hemina 4 Buche seiner Jahrgeschichte / im 13 Hauptst. des 13 Buches / aufgezeichnet / ausserhalb der Stadt Rohm /da sie kaum ihren Uhrsprung gewonnen / begraben worden: so auch Servius Tullius / wie Dionisius im 4 Buche meldet. Und diese Gewohnheit ist lange Zeit vor der Stiftung der zwölf Gesetztafeln durch die Zehenmänner im Schwange gegangen: darinnen / unter andern / diese Satzung / wie sie Tullius / in seinem 2 Buche von den Gesetzen / aufgezeichnet / HOMINEM MORTUUM IN URBE NE SEPELITO, NEVE URITO, einen Tohten begrabe / noch verbrenne nicht in der Stadt / gefunden ward. Nach gestifteten diesen Gesetztafeln / weil gemeldte Gewohnheit zuweilen verseumet / und darwider gehandelt ward / erneuerte der Röhmische Raht selbst / üm das 490 Jahr nach Erbauung der Stadt / da Duillius Bürgermeister war / itzterwähnte Satzung / durch einen algemeinen Rahtschlus; wie Servius / bei dem 11 Buche des Virgiels / angemärket. Ja die Römischen Keiser / obschon der Röhmische Staht unter ihnen ein gantz anders aussehen gewan / [620] liessen gleichwohl solche Gewohnheit nicht verfallen / sondern stützten sie mit so scharfen Gesetzen / daß auch Keiser Adrian eine Geldbuße von 40 Goldgülden nicht allein denen / die ihre Tohten in der Stadt begruben / sondern auch den Obrigkeiten / die es zugelaßen / zu erlegen ansetzte /ja die Leiche wieder aufzugraben / und anderswohin zu tragen befahl; wie Ulpian / in seinem 30 Buche /meldet. Eben dasselbe bezeuget Julius Kapitolinus vom Keiser Antohn dem Frommen. Ja selbst auf gantzen Inseln / von den Städten wil ich nicht einmahl melden / war es bei den Griechen verbohten die Tohten zu begraben. Von der Insel Dele bezeuget dieses Strabo / wan er in seinem 10 Buche also schreibet: Renea ist eine kleine und unbewohnte Insel / ohngefähr vier wälsche Meilichen von Dele. Alda seind die Begräbnisse der Delier. Dan auf der Insel Dele durfte kein Tohter weder begraben / noch verbrant werden.

Aus zweierlei Uhrsachen.] Hiervon handelt Johan Kirchman im 21 Hauptst. seines 2 Buches von den Leichen und Begräbnissen der Röhmer; wie auch Isidorus / in seinem 14 Buche / und Origenes / im 11 Hauptstükke.


Zur 7 Einteilung.


Zu den Tohten zu gehen verbohten.] Dieses bezeuget Gellius oder Agellius im 15 Hauptst. seines 10 Buches der Attischen Nächte / wie auch Servius / in seinen Anmärkungen bei dem 10 B. des Virgiels.

Die Grab- und Klage-lieder pfeiffen hören.] NEC TIBIAS FUNEBRES AUDIRE LICEBAT, sagt Festus.

Selbst die Schuhe.] Hiervon meldet eben derselbe Festus / wie auch Servius / in seinen Anmärkungen bei dem 4 Buche des Virgiels vom Eneas.


Zur 8 Einteilung.


Die Bildseulen der Götzen.] Dieses bezeuget Dion /in seinem letzten Buche.

[621] Zur 9 Einteilung.


Daß Josias / der Jüden König.] Hiervon kan das 23 Hauptstük des 2 Buchs der Könige gelesen werden.

Der Leermachende Götze Viduus.] Von diesem schreibet Ziprian / in seinem Buche von der Eitelkeit der Götzen / also; IN TANTUM VERÒ DEORUM VOCABULA APUD ROMANOS FINGUNTUR, UT SIT APUD ILLOS & VIDUUS DEUS; QUIA ANIMÂ CORPUS VIDUET: QUI QUASI FERALIS & FUNEBRIS INTRA MUROS NON HABETUR, SED FORIS COLLOCATUR, man erfindet bei den Röhmern so viel Götzennahmen / daß sie auch einen Gott oder Abgott haben / der Viduus heisset; weil er aus dem Leibe die Seele leeret. Dieser wird / als ein trauriger Leichengötze / nicht innerhalb der Stadtmauer geduldet / sondern mus ausserhalb stehen.


Zur 10 und 11 Einteilung.


Dadurch dan solche heilige Oerter entheiliget.] Hiervon handelt Johan von Beverwig / im 2 Teile seines Schatzes der Ungesundheit / den ich vor etlichen Jahren verhochdeutschet zu Lichte gegeben / wan er von der Peste schreibet / zimlich weitleuftig.


Zur 14 Einteilung.


Den Pelusischen Hafen.] Diesen nennet Wilhelm Tirius Karabes. Nahe bei ihm lieget die Stadt Peluse /davon er auch den Nahmen bekommen: welche / wie Sabellikus meldet / vor Alters Eliopel / vom Fürsten Elius / der sie mit einer dreifachen Mauer ümzogen /oder aber Helviopel vom Helvius Pertinax / wie Platina / im Leben Keisers Honorius des dritten / anzudeuten scheinet / oder auch Kaftor / dessen Amos im 9 Hauptst. seines Buches gedenket / wie Benjamin meinet / nachmahls aber Belbais / wie Wilhelm Tirius / Jakob Vitriakus / und Nigrus bezeugen / oder Bilbis / nach Augustien Kurions Zeugnisse / geheissen. Daß aber gemeldter Pelusische Hafen gleichals ein Schlüssel des Egiptischen Königreichs gewesen / ist aus dem Suidas bekant.


[622] Zur 48 Einteilung.


Die Fönizische Göttin Onke.] So ward bei den Föniziern die Göttin der Weisheit Minerve genennet. Daher schreibet Steffanus von Bizanz aus dem Euforion: Ὄγκα ἡ Ἀϑηνᾶ κατὰ Φοίνικας. Eben dasselbe bezeuget auch des Eschiels Anmärker; wie auch derselbe des Sofokles / im Oedipus / wan er saget: δύο ἱερὰ ἐν ταις Θήβαις ιδρυται τη Ἀϑηνᾷ. τὸ μὲν Ὀγκαιας, τὸ δὲ Ἰσμενίας, er hat zwei Götzenheuser der Minerve zu Tehbe gestiftet / eines der Onkischen /das andere der Ismenischen. Daher hatte man zu Tehbe ein Tohr / das das Onkische genennet ward. Nonnus giebet / in seinem 4 Buche / der Atehne oder Pallas auch den Nahmen Onke / indem er sie die Onkische Atehne nennet.


Zur 50 Einteilung.


Gemeldter Göttin war der Leue heilig.] Nähmlich wan sie für die Mutter der Götter / das ist Veste / genommen ward. Auch spannete man die Leuen für der Sirischen Göttin / das ist der Onke / Wagen / sowohl wan sie als eine Göttin der Liebe / als der Erde betrachtet ward. Von dieser bezeugt es Virgiel / wan er im 3 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / also saget:


ET JUNCTI CURRUM DOMINÆ SUBIERE LEONES.

wie auch im 10 Buche:
ALMA PARENS IDÆA DEÛM, CUI DINDYMA CORDI,
TURRIGERÆQUE URBES, BIJUGIQUE AD FRÆNA LEONES.

Zur 88 Einteilung.


Ein Leue schläft mit offenen Augen.] Hiervon kan Jonstohn / und Aldrovand / in ihrer Tieregeschicht /gelesen werden / wie auch / was wir / in unsrem Dichterischen Sternhimmel / bei dem Leuengestirne / am 65 Bl. angemärket. Weil der Leue / wan er schläfet /beide Augen offen hat / und zugleich fort und fort mit dem Schwantze wedelt / so wähnete Maneton / wie Herodotus bezeuget / daß er niemahls schlieffe. Und darüm [623] war der Leue bei den Egiptern der Wachsamkeit und Huht Sinbild / eben wie die Sonne / die ewig wachet. Aber es ist unmüglich / daß ein lebendiges Geschöpf ohne Schlaf leben könne. Und warüm der Leue / mit offenen Augen / und waklendem Schwantze / schlafe / dessen Uhrsache haben wir / in unserem Simson selbsten schon angezeiget.


Zur 99 Einteilung.


Daß Justien / und Mandro.] Justien / des Keisers Justinians Vorsasse / ist Anfangs ein Viehhürte und Sautreiber gewesen; aber darnach Keiser worden.

Mandro war ein schlechter Bohtsgeselle / und ward endlich Keiser. Daher ist das Sprichwort entstanden: FUIT & MAN-DRONI FICULNEA NAVIS. Dieses wird von denen gesagt / die ihres alten geringen Standes / wan sie zu hohen Ehren gelanget / vergessen.

Primislaus / der in seiner Jugend das Vieh hühtete /ward zum Böhmischen Könige gekröhnet.

Darius / des Histaspis Sohn / der vierde König in Persien / dem Xerxes im Reiche gefolget / ist zuvor des Königes Zirus Pfeil- und Bogen-träger / ja selbst ein Häscher gewesen. Dieser ward ein überaus reicher und mächtiger König; gleichwohl überwand ihn /nachdem er 36 Jahre geherschet / der Große Weltherr Alexander; da er in der Flucht von seines eigenen Dieners / des Verrähters Bessus / Hand sterben muste. Daher schreibet auch Klaudian:


DARIUM FAMULIS MANIBUS DOLUISSE PEREMTUM.


Agatokles / ein Töpfer / und Töpferssohn / nachmahls König in Sizilien / dessen Justien / im 22 Buche / gedenket: wie auch Plutarch / in seinen Gedenksprüchen der Keiser und Könige; da er / unter andern aufgezeichnet / daß er über seiner Tafel / damit er sich seiner schlechten Ankunft stähts erinnerte / keine andere / als töpferne Geschirre gebrauchet. Daher schreibet auch von ihm Ausonius also:


FAMA EST FICTILIBUS CŒNASSE AGATHOCLEA REGEM,
ATQUE ABACUM SAMIO SÆPE ONERASSE LUTO;
[624]
FERCULA GEMMATIS CÙM PONERET AUREA VASIS,
& MISCERET OPES, PAUPERIEMQUE SIMUL.
QUÆRENTI CAUSAM RESPONDIT: REX EGO QUI SUM
SICANIÆ, FIGULO SUM GENITORE SATUS.
FORTUNAM REVERENTER HABE, QUICUNQUE REPENTÈ
DIVES AB EXILI PROGREDIERE LOCO.

Telefanes / ein Wagner / ward / auf Befehl der Göttersprache / zum Könige der Lidier erwehlet; wie Steffanus in seinem Buche von den Eigenen Nahmen /und Johan Ravisius Textor / im 24 Hauptstükke seines 2 Buches bezeugen.

Hiperbolus. Von diesem meldet / an gedachtem Orte / eben derselbe Ravisius.

Viriat / ein Portugallier / ist in Spanien erstlich ein Hürte / darnach ein Jäger / und dan ein Straßenreuber gewesen / bis er endlich aus einem Straßenreuber ein Heerführer worden / und das gantze Portugal erobert.

Gadareus / ein Landstreicher und Bätler / den Maximinian zum Röhmischen Bürgermeisteramte befördert.

Ventidius Bassus / lebte in seiner Jugend in einem gantz armsäligen Bättelstande / darnach erhielt er sich mit Genäsung der Maulesel. Endlich aber wuste er sich bei dem Julius Zesar so einzuschmeucheln / daß er / durch seine Beförderung / erst Zunftmeister / darnach Oberschultze / und zuletzt gar Bürgermeister ward. Ja er stieg so hoch / und ward so mächtig / daß er der erste war / der die Parter unter der Röhmer Bohtmäßigkeit gebracht / und über sie Siegesgepränge gehalten. Aber die Röhmer misgönneten ihm dieses ruhmherliche Glük dermaßen / daß sie folgende Stichelreden über ihn ausliessen:


CONCURRITE OMNES AUGURES, ARUSPICES:
PORTENTUM INUSITATUM CONFLATUM EST RECENS.
NAM MULOS QUI FRICABAT CONSUL FACTUS EST.

Hiervon meldet / unter andern Gellius / im 14 Hauptstükke seines 15 Buches.

Rodope oder Rodopis / war eine wunderschöne Trazische Huhre / welche mit dem Aesopus zugleich gefangen saß / und vom Karaxes / dem Bruder der Saffo / durch eine große Mänge [625] Geldes / aus dem Gefängnisse wieder erlöset ward; wie Herodotus / in seinem 2 Buche schreibet. Dieser Begäbnis gedenket auch Saffo selbsten / in einem Schreiben an den Faon / bei dem Ovidius. Auch schreibet Plinius / im 12 Hauptst. seines 36 Buches / daß diese Rodope so eine kostbahre Grabspitze gebauet / daß sich iederman verwundert / wie sie so ein großes Geld / als dieser Bau gekostet / mit ihrer Huhrerei verdienen können. Ja erstgemeldter Plinius / und Herodotus bezeugen /daß sie des Aesopus Mitgesellin gewesen. Gleichwohl ist sie endlich / durch die Vermählung mit dem Psamnites / auf den Egiptischen Reichsstuhl erhoben worden.


Zur 143 Einteilung.


Darinnen Abrahams Dienstmagd und Beiweib die Hagar.] Die Geschicht dieser Egiptischen Magd Hagar erzehlet Moses / im 16, und 21 Hauptstükke seines ersten Buches.

Anmärkungen des neunden Buches

[626] Anmärkungen des neunden Buches.

Zur 18 Einteilung.


Daß der fürnehmste der Reuber Pammenes geheissen.] Dieses Pammenes gedenket Eusebius / im 1 seiner Zeitbücher am 43 Blatte / da er also schreibet: damahls blühete Demokritus von Abdere / ein Naturkündiger / den / in Egipten / der Meder Ostanes / welcher dahin geschikt worden / daß er / mit andern Priestern / und Weisemeistern / dem Egiptischen Gottes dienste zu Memfis vorstehen solte / zum allerersten unterwiesen. Unter diesen Weisemeistern war auch Marie / eine Ebreische weise Frau; und Pammenes /welcher vom Golde und Silber / wie auch von den Steinen / und vom Purpur auf ümschweiffende Weise geschrieben. Eben dasselbe hat auch Maria getahn. Und diese hat Ostanes darüm gepriesen; weil sie die Kunst mit vielen und gelehrten Rähtseln verdekket.


Zur 22 Einteilung.


Hanno / ein Fönizier.] Dieser war von Kartago / einer der fürnehmsten Fönizischen Städte bürtig / und ein fürtreflicher Seeman: den man deswegen / weil er am allerersten die Leuen gezähmet / aus dem Vaterlande verbannet; indem man sich befahrete / daß ein solcher / der die wilden Tiere zu bändigen wüste / sich vielleicht zum Wühteriche aufwerfen / oder doch sonst die Menschen ihm zu gehorchen bereden würde. Dahin hat ohne Zweifel Ovidius gesehen / wan er / in seinem 4 B. der Traurigen / also saget:


TEMPORE PŒNORUM COMPESCITUR IRA LEONUM.


Und hiervon schreibet Jonstohn / in der 2 Abteilung des 4 Hauptst. von den vierfüßigen Tieren / also: PRIMUS AUTEM HOMINUM LEONEM MANU TRACTARE AUSUS, & OSTENDERE [627] MANSUEFACTUM, HANNO, È CLARISSIMIS PŒNORUM TRADITUR: DAMNATUSQUE EO ARGUMENTO, QUONIAM NIL NON PERSUASURUS VIR TAM ARTIFICIS INGENII VIDEBATUR; & MALÈ CREDI LIBERTATEM EI, CUI IN TANTUM ETIAM CESSISSET FERITAS, & C.

Aber nach des Hanno Lebezeit findet man mehr dergleichen Beispiele der gezähmten Leuen. Onomarch / der Katanische Wühterich / hatte dergleichen Leuen stähts ümsich: wie auch der Portugallische König Johan der Zweite / dem ein solcher / eben als ein Hund / zur Seite zu sitzen pflegte. Im Elimischen Götzenhause des Adonis waren sie so zahm / daß sie denen / die in das Heiligtuhm kahmen /schmeuchelten. Die Königin Berenize hatte einen Leuen / der ihr das Angesicht mit der Zunge lekte. Marzial gedenket im 79 Hauptst. seines 9 Buches noch eines andern / der mit einem Wider so verträglich lebete / daß der eine des Schrökkens / der andere der Grausamkeit vergessen zu haben schien.

Zum allerersten hat nachmahls Markus Antohn die Leuen.] Hiervon lauten des itztangezogenen Jonstohns Worte / wie folget: JUGO SUBDIDIT EOS (LEONES) PRIMUSQUE ROMÆ AD CURRUM JUNXIT M. ANTONIUS, & QUIDEM CIVILI BELLO, CÙM DIMICATUM ESSET IN PHARSALICIS CAMPIS, NON SINE QUODAM OSTENTO TEMPORUM, GENEROSOS SPIRITUS SUBIRE JUGUM ILLO PRODIGIO SIGNIFICANTE, etc.

Was vom Mentor.] Diesen treflichen Künstler /dessen Plinius / im 12 B. und Juvenal / im 8 Schimpfgedichte / gedenken / begegnete / in Sirien / ein Leue /der dem Flüchtigen überal den Weg verhieb / und seine Fußstapfen lekte / so lange / bis er / in seiner Pfohte / einer Geschwulst gewahr ward: daraus er einen Splitter zog / und das Tier von seinen Schmertzen erlösete.

Ja was vom Elpis.] Dieser / nachdem er zu Schiffe nach Afriken gereiset / erblikte / am Ufer der See /einen Leuen mit aufgesperretem Rachen. Hierüber er schrak er so heftig / daß er auf den nächststehenden Baum die Flucht nahm / und seinen Abgott Liber üm Rettung anflöhete. Aber der Leue / wiewohl er wohl konte / wolte gleichwohl dem Flüchtigen nicht nacheilen; sondern legte sich nur unter den Baum nieder /und sahe [628] den Elpis / mit dem aufgesperretem Rachen /gantz kläglich und erbärmlich an. Hieraus märkte der Flüchtige / daß dem Leuen etwas mangelte: zuvoraus weil er ihn / mit erbärmlichen Geheule / gleichsam üm Beistand anlangete. Und also ward er kühner /stieg vom Baume herunter / besahe dem Leuen den zugerekten Rachen / und zog ihm einen Knochen / der / aus alzugeitzigem fressen / ihm zwischen den Zähnen stekken blieben / heraus. Dieser Wohltaht wegen sol auch der Leue / wie man schreibet / dem Elpis alle Tage / so lange das Schif alda liegen blieb / frisches Wild / zu Bezeugung seiner Dankbarkeit / gebracht haben. Fast dergleichen Begäbnis findet man auch vom Androdus / in des Gellius Atehnischen Nächten: wie auch bei dem Seneka; der selbsten gesehen / daß ein Leue seinen Tierwärter / sobald er ihn erkant / auf dem Schauplatze für dem Anfalle der andern wilden Tiere beschirmet. Daher sagt Plinius / im 16 Hauptst. des 8 Buches seiner Tiergeschichte: LEONI TANTÙM EX FERIS CLEMENTIA IN SUPPLICES. PROSTRATIS PARCIT: & UBI SÆVIT, IN VIROS PRIUS, QUÀM IN FŒMINAS FREMIT; IN IN FANTES NON NISI MAGNÂ FAME. Hier mus ich auch beifügen / daß der Keiser Heliogabalus so gezähmete und abgerichtete Leuen gehabt / daß sie selbst mit zu Tische zu sitzen pflegen: wie auch der Keiser August etliche / die mit den Hasen gespielet und gekurtzweilet: welches auch Bellonius zu Konstantinopel selbsten gesehen zu haben / im letzten Hauptst. des 1 Buches seiner Anmärkungen / bezeuget.


Zur 37 Einteilung.


Die berühmte Jungfrau Sidon.] Hiervon schreibet /aus dem Damasker / Fozius am 1062 Blatte folgender gestalt: ἀπὸ δὲ τοῦ πόντου γίνεται Σιδὼν ἣ καϑ᾽ ὑπερβολὴν ευφονίας πρώτη ὕμνων ᾠδῆς εὗρε, aus der See aber wird die Sidon gebohren; welche / der Fürtrefligkeit ihrer anmuhtigen Stimme wegen / den Lobgesang des Leierliedes am ersten erfunden.

Die weltberühmte Handelsstadt Sidon.] Daß die itztgemeldte Jungfrau Sidon der Stadt Sidon Stifterin gewesen sei gedenket Sanchoniaton mit keinem Worte. Auch scheinet [629] Moses die Stiftung dieser Stadt / im 10 Hauptstükke seines 1 Buches / dem Zidon /dem erstgebohrnen Sohne des Kanaans / zuzuschreiben. Darüm solte vielleicht der Nahme der Stadt eigendlich Zidon / mit einem צ oder Z / der Nahme der Jungfrauen aber Sidon / mit einem ש oder S geschrieben werden; zumahl weil dieselbe Liederahrt / welche die Sängerin Sidon erfunden / bei den Ebräern / im 2 Hauptstükke der Sprüche Salomons / שדה SIDDA, und שדות SIDDOTH genennet zu sein scheinet.


Zur 39 Einteilung.


Durch die Ebräerin Marie.] Von dieser Marie haben wir schon droben bei der 18 Einteilung des Eusebius Zeugnis angeführet.


Zur 109 und 110 Einteilung.


Das oft unaufhörliche rasche Winken der Augen.] Also beschreibet die Heilige Schrift selbsten einen Gottlosen Man. Und der abtrünnige Keiser Julian wird von den Geschichtschreibern schier eben also /wie alhier Pammenes / abgemahlet; wie der sälige Kristian Mattias / in seiner Geschicht von den vier Weltreichen / unter gemeldtem Keiser Julian bezeuget.


Zur 113 Einteilung.


Die Tugend / die ihn lehren können sein angebohrnes boßhaftiges Wesen zu zwingen.] Hierher gehöret /was man vom Sokrates schreibet. Dieser / als ein Weisemeister / der aus der Gestalt des Leibes / und der Bildung des Angesichtes vom Gemühte des Menschen zu urteilen wuste / nachdem er den Sokrates gesehen / sich verlauten laßen / er sei ein tummer / weibischer / und lasterhaftiger Mensch / gab seinen Lehrlingen / die ihm solches andieneten / und den Weisemeister für einen Lügner ausmachten / zur antwort: er hette die Wahrheit gesagt / und nichts gelogen: dan er würde freilich ein solcher geworden sein / wo ihn die Tugend nicht gelehret seine böse Unahrt zu zwingen. Besiehe hiervon des Erasmus von Roterdam kurtzbündige Sprüche.


[630] Zur 154 Einteilung.


Die berufene Kamille.] Diese war eine Volskerin /welche dem Turnus wider die Lateiner / und dem Eneas / mit ihrer Kriegesmacht / zu Hülfe kahm / und in selbigem Kriege das Leben auch einbüßete; wie Steffanus meldet. Virgiel gedenket ihrer / im 7 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas / gar weitleuftig /wan er folgender gestalt schreibet:


HOS SUPER ADVENIT VOLSCÂ DE GENTE CAMILLA,
AGMEN AGENS EQUITUM, & FLORENTEIS ÆRE CATERVAS,
BELLATRIX, NON ILLA COLO CALATHISVE MINERVÆ
FÆMINEAS ASSUETA MANUS, SED PRÆLIA VIRGO
DURA PATI, CURSUQUE PEDUM PRÆVERTERE VENTOS,
ILLA VEL INTACTÆ SEGETIS PER SUMMA VOLARET
GRAMINA, NEC TENERAS CURSU LÆESISSET ARISTAS;
VEL MARE PER MEDIUM, FLUCTU SUSPENSA TUMENTI,
FERRET ITER, CELERES NEC TANGERET ÆQUORE PLANTAS.]
ILLAM OMNIS TECTIS AGRISQUE EFFUSA JUVENTUS,
TURBAQUE MIRATUR MATRUM, & PROSPECTAT EUNTEM,
ATTONITIS INHIANS ANIMIS: UT REGIUS OSTRO
VELET HONOS LEVEIS HUMEROS; UT FIBULA CRINEM
AURO INTERNECTAT, LYCIAM UT GERAT IPSA PHARETRAM,
& PASTORALEM PRÆFIXA CUSPIDE MYRTUM.

Hierüber kahm auch an vom Volskischen Geschlächte /
die tapfre Kriegerin / Kamille / zum Gefechte /
samt ihrer Reuterei / und Kriegsmacht / alzumahl
mit Harnischen versehn von Eisen / Ertz und Stahl.
Sie hatt' ein Kriegeshertz / und keine Faust zum Wokken:
lies stehen Woll und Korb: ging nicht geschmükt / wie Tokken /
noch weibisch ausgebutzt. Sie war ein Freulein zwar:
doch liebte sie nur Streit / und Krieg / und Kriegsgefahr.
Auch kahm ihr schnäller Fuß selbst vor dem schnälsten Winde /
wan er flog über Feld und Saaten so geschwinde /
daß er noch nie gerührt der Ahren Spitzen an /
ja trokken über See den raschen Lauf gewan.
Es lies die Jugend stehn Stadt / Dorf / und allen Plunder:
die Mütter lieffen zu / und sahen dieses Wunder /
[631]
mit gantz bestürtztem Geist' / und starren Augen / an;
daß sie / mit Männern / zog so mänlich auf den Plan /
und so vol Muhtes war / und freudiger Begierde;
wie ihre Schulter trug recht Königliche Zierde /
und eingeflochten lag mit Gold' ihr gantzes Haar /
so / daß gleich als ein Blitz es anzuschauen war:
wie sie so zierlich sich den Köcher laßen gürten
üm Leib und Lenden hin / und einen Speer von Mürten
führt' in der Heldenfaust; den sonst ein Hürte trägt /
doch stumpf und ungespitzt für seine Heerden hägt.

In dieser gantzen Beschreibung der Geschwind- und Behändigkeit seiner Kamille / scheinet Virgiel / wie Makrobius / im 8 Hauptst. seines 5 Buches / und Fabius / im letztern Hauptst. seines 8 Buches ebenmäßig angemärket / dem Homerus nachgeahmet zu haben: welcher von den zwölf Füllen / die der verliebte Boreas / nachdem er sich in einen schwartzen Hängst verwandelt / mit des Erichtohns Mähren oder Mutterpferden / deren er drei tausend in seiner Stuhterei unterhielt / gezeuget / im 20 Buche seines Heldengedichtes von Trojen / wie es Eoban aus dem Griechischen in Lateinische Bände gebracht / folgender Gestalt schreibet:


– BOREAS, QUAS CÙM VIOLENTUS AMARET,
IN NIGRUM CONVERSUS EQUUM, SERVIVIT AMORI
INDULGENS: EX QUO GRAVIDÆ PEPERERE QUATER TRES
PULLOS EXIMIOS; QUI SI PER SUMMA VOL ARENT
GRAMINA, NEC SUMMÆ CURSU QUATERENTUR ARISTÆ
LUXURIANTIS AGRI, NEC TINCTA HUMORIBUS ULLIS
PER MEDIOS PELAGI FERRENT VESTIGIA FLUCTUS.

Eben eine solche Schnälheit und Geschwindigkeit der Füße eignet Orfeus dem Ifiklus zu / der aus einer Leibestracht des Herkules Bruder / und nur eine Nacht jünger war / als er; wan er in seinem Lobgesange der Götter also spricht:


Ουδέ μὲν ουδὲ ϑεους φεύγοις ουκ ἔννομα ῥίζον, etc.

NON POTERIT FUGISSE DEOS QUI TURPIA PATRAT,
SIT LICET IPHICLO MULTO VELOCIOR IPSO:
[632]
QUI SUPER EXTREMIS SEGETUM CURREBAT ARISTIS,
NEC SICCOS FRACTUS LÆDEBAT PONDERE PLANTÆ.

Obgemeldter Homerus führet / im zehenden Buche seines Heldengedichtes von Trojen / den Dolon /einen Trojer / und des Eumedes Sohn / ein; dem er fast eben eine solche Geschwindigkeit der Füße zueignet. Gleichwohl geriet dieser schnälle Leuffer in des Ulisses Hände; wie man alda weitleuftig lesen kan.

Anmärkungen des zehenden Buches

[633] [635]Anmärkungen des zehenden Buches.

Zur 1 Einteilung.


Am Bache Sorek.] Also beschreibet und nennet den Ort des Filisterlandes / da Simson zum dritten mahle verliebt ward / das Buch der Richter / im 16 Hauptstükke. Die Worte seind diese: Darnach gewan er (Simson) ein Weib lieb am Bache Sorek; die hies Delila. Andere dagegen wollen / daß das Tahl / darinnen sich der Bach / bei welchem Delila gewohnet / befunden / und nicht der Bach selbsten / Sorek geheissen. Und also scheinet es / als wolten sie die obangezogenen Worte des Buches der Richter verstanden haben /als lauteten sie: Darnach gewan Er ein Weib lieb am Bache des Tahles Sorek. Daher ist auch der berühmte Pallavizien ohne Zweifel veranlaßet worden / daß er /in seinem Simson / gar ohne meldung einiges Baches / schlechthin geschrieben: Er ward im Tahle Sorek /das auch in der Filister Land gehörete / wieder in ein neues Weibesbild / das Dalila hies / verliebet / u.s.f. Aber es war freilich ein Bach / und zwar ein Bach Soreks / wie es eigendlich solte geschrieben werden /das ist ein Bach des Tahles oder im Tahle Sorek / darbei Delila sich aufhielt / und also ein zweifach lustiger und lieblicher Ort / der auch daher üm so viel mehr zur Liebe bewögen konte.


Zur 17 Einteilung.


Das Einhorn.] Dieses Tier / wie es die Tiergeschichte beschreiben / ist so groß / als ein Pferd / und mit Mähnen im Nakken gezieret / auch den Pferden ziemlich gleich; ohne daß es einen Kopf hat / wie ein Hirsch / einen Bahrt / wie ein Ziegenbok / und einen Schwantz / wie ein Eber. Es ist sehr grausam / und so wild / daß es niemand zähmen kan. Gleichwohl legt es seine Grausamkeit und Unbändigkeit ab / wan [635] es ein Frauenbild erblikket: zu dem es sich von sich selbsten und so gern gesellet / daß es kein Bedenken träget in dessen Gegenwart zu spielen / ja selbst zu schlafen. Die meisten Naturkündiger wollen zwar keines Weges gestehen / daß es im Wesen der Dinge gefunden werde: aber Julius Zeser Skaliger führet / in seinem Buche wider den Kardanus / eines Freundes /der es selbst gesehen / Zeugnis an. Was hiervon mehr zu erinnern sein möchte / kan bei Wolfgang Frantzen / in seiner Tiergeschicht / am 127, 128 und 131 Bl. wie auch bei andern / die dergleichen geschrieben /gelesen werden.


Zur 18 Einteilung.


Worinnen die Kraft seiner übermenschlichen Stärke bestünde.] Hiervon redet das Buch der Richter am obangezogenem Orte / wie folget: Zu der / nähmlich zur Delila / kahmen der Filister Fürsten hinauf / und sprachen zu ihr: überrede ihn / und besiehe / worinnen er solche große Kraft hat / und womit wir ihn übermögen / daß wir ihn binden / und zwingen; so wollen wir dir geben ein jeglicher tausend und hundert Silberlinge.


Zur 20 Einteilung.


Ja daß es so groß ward / als der gröste Kuhkmagen.] Dieses ist ein Sprichwort an etlichen Orten in Ober Sachsen / von einem Hertzen oder Muhte / den eine gegebene guhte Hofhung oder Vertröstung gleichsam aufblöhet und schwängert. Durch den Kuhkmagen aber verstehet man die gröste Wurst / welche die Gestalt eines Magens zu haben pfleget.


Zur 23 Einteilung.


Wan ein Esel / mit Gelde beladen / anklopfet / u.s.f.] König Filip von Mazedonien pflegte fast auf eben diesen Schlag zu sagen: Keine Festung sei so feste /daß sie nicht könte erobert werden / wan sie nur ein Tührlein hette / das so groß were / daß ein Esel / mit Gelde beladen / durchhin schlüpfen möchte.

[636] Jupiter muste Gold auf der Danae Wächter regnen laßen.] Dieses Lehrgedicht / dessen wir droben albereit umständlich gedacht / beschreibet unter andern Horatz / im 6 Leierliede seines dritten Buches. Auch ist es / in unserer Horazischen Sittenlehre / am 97 Bl. des 1 Teiles / abgebildet: darunter wir folgende Bilderreime gefüget:


Gold dringt durch Stahl und Eisen hin /
schlägt Mauren / Wal / und Turn zu trümmern:
Das Schlos springt auf / nach unsrem Sin /
wan güldne Schlüssel vor ihm schimmern.
Gold macht / daß niemand standfest ist /
ein Weiser die Vernunft vergist /
das Recht die Pflicht / der Mensch die Lehre /
die Wach' ihr Amt / die Frau ihr' Ehre.

Die Erklährung des abgebildeten Lehrgedichtes kan alda / auf der vorhergehenden 96 Blatseite / ein ieder /dem es beliebet / zu lesen bekommen.


Zur 24 Einteilung.


Einieder Fünffürst boht ihr eilfhundert Silberlinge zur Belohnung an.] Von tausend und hundert Silberlingen / welches eben so viel ist / meldet / am obangeführten Orte / das Buch der Richter. Weil nun fünf Fürsten das Filisterland beherscheten / und einieder Fürst ihr so viel zu geben angelobet; so stieg die sämtliche Zahl auf fünftausend und fünfhundert Silberlinge /welche die Verrähterin Delila / die den Heiland Israels verriet / von den Fünffürsten empfing: da hergegen der gantzen Welt Heiland / als er vom Verrähter Judas den Hohen Priestern verrahten ward / nur dreissig Silberlinge / und also fünftausend vierhundert und siebenzig weniger gälten muste / dan Simson /der Heiland Israels.


Zur 37 Einteilung.


Wan sie ihn mit sieben Seilern von frischem Baste binden würde.] Hiervon redet / in obangezogenem Hauptstükke / das Buch der Richter also: Simson sprach zu ihr: wan man mich [637] bünde mit sieben Seilern von frischem Baste / die noch nicht verdorret seind; so würde ich schwach / und were / wie ein ander Mensch.


Zur 46 Einteilung.


Auf! auf Simson! die Filister überfallen dich.] So werden die Worte des Buchs der Richter / die Filister über dir / Simson / erklähret.


Zur 53 Einteilung.


Verdienet nun meine so hertzliche Liebe nichts mehr /u.s.f.] Im Buche der Richter spricht Delila zum Simson zwar nur schlecht hin und ohne langen Umschweif: Siehe! du hast mich geteuschet / und mir gelogen. Nun so sage mir doch / womit kan man dich binden? Aber es stehet leichtlich zu vermuhten / daß ihre eigene Worte / die der Aufzeichner / der sich der kürtze beflissen / nicht alle / sondern nur allein den Kern daraus / erzehlen wollen / viel weitleuftiger und durchdringender müssen gewesen sein.


Zur 103 Einteilung.


Keine Venus kan ihren Adonis / u.s.f.] Dieser Adonis war des Priapus / des Schutzgötzens oder Alsgottes der Gärte / den er mit der Venus / wie Apollonius meldet / gezeuget / Vater / und der Ziprischen Königlichen Fürstin Mirre Sohn; den sie / aus dem heimlichen Beischlafe / ihres Vaters des Tias / oder vielmehr / wie Ovidius / im 10 seiner Verwandlungsbücher / schreibet / des Ziprischen Königes Ziniras /empfangen / und nachmahls / als es der Vater erfahren / und sie sich des Väterlichen Beischlafes geschämet /selbsten / auf ihr Begehren / von den Göttern in einen Mirrenbaum / wie Likofron bezeuget / verwandelt worden. Sobald das Kind / nach der Gebuhrt / zu erwachsen und ein überaus schöner Jüngling zu werden begunte; da verliebte sich die Venus in ihn dermaßen / daß sie nicht allein seiner Liebe bei seinem Leben zu geniessen [638] eifrig trachtete / sondern auch nach seinem Tode sich mit der höllischen Königin Proserpine verglich / daß er die erste Helfte des Jahres bei dieser /die andere bei jener sich aufhalten möchte. Die Uhrsache seines Todes schreibet Teokritus / in des Adonis Grabschrift / einem Eber zu / der ihm / mit seinem Hauerzahne / die Hüfte verwundet. Die Dichterin Saffo aber / der alzuheftigkühlenden Kraft des Lattichkraudes / darein ihn die Venus selbsten / seine so gar übermäßige Liebeshitze abzukühlen / geleget. Andere fügen hinzu / daß der Kriegsgötze Mars / damit er ihn / als seinen Mitbuhler / aus dem Wege reumen /und der Venus Liebe nur allein besitzen möchte / gemeldten Eber selbst angereitzet ihn ümzubringen: da dan die Venus / ihrem Adonis zu Hülfe zu kommen /so geschwinde hinzu geeilet / daß sie / aus Unvorsichtigkeit / an einem stachlichten Rosenstrauche den Fuß geritzet und blutrünstig gemacht / und also durch ihr Blut / welches Hauffenweise herümgespritzet / die Rosen / die zuvor weis gewesen / purpurfärbig ge macht. Daß auch die Venus den Adonis gewarnet sich für allen reissenden und beissenden Tieren zu hühten /und ihm / seinen Tod zu verhühten / im Jagen allezeit gefolget / erzehlet Ovidius / am obgedachten Orte /gantz weitleuftig: wiewohl ihn Virgiel nicht für einen Jäger / sondern für einen Schäfer / der sich üm die Jagt wenig bekümmert / zu halten scheinet; wan er /in einem seiner absonderlichen Gedichte / also schreibet:


– FORMOSUS OVES AD FLUMINA PAVIT ADONIS.


Zur 104 Einteilung.


In die Elisischen Felder.] Diese waren der Heiden Himmel / dahin die Seelen der Abgestorbenen / wan sie zuvor / in der Hölle / die durch ihre Missetahten verdiente Strafe gelitten / und gleich als in einem Fegefeuer / von ihren Sünden / sofern sie nicht alzugroß waren / gereiniget / und genug gebanzerfeget worden /wie sie wähneten / vorsetzet warden / der ewigen Glüksäligkeit / bei dem auserwehlten Hauffen der Frommen / zu geniessen. Und dieses hat Virgiel im 6 Buche seines Heldengedichtes / folgender Gestalt kurtzbündig beschrieben:


[639]
ERGO EXERCENTUR PŒNIS, VETERUMQUE MALORUM
SUPPLICIA EXPENDUNT. ALIÆ PANDUNTUR INANES
SUSPENSÆ AD VENTOS: ALIIS SUB GURGITE VASTO
INFECTUM ELUITUR SCELUS, AUT EXURITUR IGNI.
QUISQUE SUOS PATIMUR MANES. EXINDE PER AMPLUM
MITTIMUR ELYSIUM, & PAUCI LÆTA ARVA TENEMUS.

Wo aber diese Elisischen Felder oder der Heiden Himmelreich sich eigendlich befunden / darinnen stimmeten ihre Meinungen nicht überein. Etliche setzten sie mitten in die Hölle: von welcher sie gleichwohl / durch eine Kluft ringst herum dermaßen abgeschieden weren / daß die Verdamten in der Hölle zu den Glüksäligen Seelen in den Elisischen Feldern /noch diese zu jenen keines Weges gelangen könten. Andere reumeten ihnen einen Ort ein bei der Kugel des Mohnes / da die Luft am reinesten sei: oder stelleten sie gar in die Oberfläche der Himmelskreuse; von dannen die Seelen / durch drei Uhrwesen / in die Menschen herunter zu fahren vor Alters gegleubet warden. Noch andere wähneten / daß gemeldte Felder der Glüksäligen in Spanien / oder in den Glüksäligen Inseln anzutreffen. Und Isazius meinete / daß sie nicht weit von den zwo Herkulsseulen / Alibe und Abene /die Herkules selbsten / im Niedergange / mit dieser Uberschrift / daß man nicht weiter gehen könte oder solte / aus Ertze gestiftet / da die Insel Gades / und der Flus Betis lieget / zu finden weren. Auch hat man diese Gegend / an der eusersten Europischen Grentze / den Glüksäligen Inseln gemeiniglich zugeeignet. Plutarch schreibet unter andern hiervon / daß Sertorius / indem er nach Gades zu geschiffet / etliche / die aus den Glüksäligen Inseln zurükgekehret / angetroffen. Diese hetten erzehlet: daß es zwo kleine Inseln weren / zwischen denen die See durchspühlete: wie auch / daß alda gemeiniglich sehr gelinde und so wohlrüchende Winde bliesen / als weren sie durch eine Gegend vol allerlei lieblicher Bluhmen gegangen. Dan eben denselben lieblichen Geruch / der aus vielen Rosen / Liljen / Näglein / Violen / Hiazinten / Narzissen / Mirten- Lorbeer- und Zipres-büschen entstünde /hette man an den Winden verspüret: die auch in den[640] Büschen / indem sie die Blätter gantz langsam und gelinde bewäget / ein überaus liebliches Gereusche veruhrsachet. Das Erdreich selbsten sei so fet und fruchtbar / daß es nicht allein sehr leichtlich könte gepflüget / besäet und bepflantzet werden / sondern auch vielerhand Früchte von sich selbst / und ohne Menschliche Bearbeitung / zu tragen pflegte. Ja es trüge jährlich wohl drei mahl: daher es dan eine ungleubliche Mänge der Menschen / selbst ohne derselben Beschweerligkeit / ernähren könte. Im übrigen hette man alda einen ewigen Frühling. Keine Winde weheten / als der anmuhtige West. Keine Bluhmen /noch heilsame Pflantzen weren irgendwo zu finden /die alda nicht hauffenweise wüchsen. Keine Weinstökke stünden alda / die nicht alle Mohnden reiffe Trauben trügen. Die Luft sei so heilsam und gemiltert / daß sie schier keine Veränderung der Jahrszeiten /noch des Gewitters zuliesse: dan der Nord und andere scharfe Winde würden / durch die Weite des Raumes / den sie durchstreichen müsten / dermaßen abgemattet / daß sie ihre Schärfe gantz verlohren / ehe sie dahin angelangten. Die Westlichen und andere gelinden Winde pflegten zu weilen einen sanften Regen mitzubringen. Auch mangelte der Luft selbst keine Feuchtigkeit / noch fruchtbares Gewitter alle Tiere /Pflantzen und Gewächse zu erhalten. Auf den Aesten der Beume hüpfeten allerlei Vogel allendhalben herüm / und erfülleten die Luft und Ohren der Menschen mit ihrem anmuhtigen Gesange. Ja die Jungfrauen und Jünglinge tantzeten alda / nach dem Singen und Spielen der berühmtesten Sangmeister und Kunstspieler: nähmlich des Arions / des Eunomus /des Stesichors / des Anakreons. Alle Speisefrüchte /die alda wüchsen / weren gantz heilsam / und vol des allerlieblichsten gesündesten Saftes. Man wüste von keiner Eraltung / von keiner Krankheit / noch von einer heftigen Gemühtsregung. Die Gemühter der Menschen würden von keinen Begierden des Goldes und Reichtuhmes / noch vom Ubermuhte der Obrigkeiten angefochten. Alle lebeten / mit nohtwendigen Dingen vergnüget / vor sich hin / abgeneugt von allen Frohndiensten: dan sie hielten darfür / daß über viele herschen wollen / nichts anders sei / als vielen dienstbar zu werden trachten. Die gantze [641] Gegend sei / als eine der alleranmuhtigsten Wiesen / mit einem Lustwalde vol allerlei fruchttragender Beume ümgeben. Alda würden / unter dem Schatten der Beume / stähtige Gastereien gehalten / und die Gäste säßen auf lauter Bluhmen. Dem Mansvolke warteten die schönsten Jungfrauen / und diesen wieder die schönsten Jünglinge fort und fort auf. Beiderseits brächten sie einander die Bächer der Fröhligkeit zu. Ja die Lust und Liebligkeit dieser Glüksäligen Inseln sei so überschwänglich groß / daß kein Ort / da die Seelen der Frommen nach ihrem Tode wohnen solten / oder dahin man die Elisischen Felder setzen könte / geschikter sei / als dieser. Sonsten gedenket auch mehrgemeldter Elisischen Felder / Virgiel / wan er sie / im obangezogenem 6 Buche seines Heldengedichtes vom Eneas /also beschreibet:


DEVENERE LOCOS LÆTOS, & AMŒNA VIRETA
FORTUNATORUM NEMORUM, SEDESQUE BEATAS.
LARGIOR HIC CAMPOS ÆTHER & LUMINE VESTIT
PURPUREO: SOLEMQUE SUUM, SUA SIDERA NORUNT.

Daß alhier ein anderer Himmel / eine andere Sonne /die allezeit lieblich scheine / und ein anderes Gestirn /ja selbst eine andere Welt sei / hat auch Plato / der aus dem Virgiel ohne Zweifel diese seine Beschreibung genommen / gemeldet. Aber wir müssen hierbei des Tibullus nicht vergessen / der fast alle die Wohllüste der Elisischen Felder sehr ahrtig / wiewohl kurtzbündig zusammen gefasset / wan er in seinem 1 Buche also schreibet:


SED ME, QUOD FACILIS TENERO SUM SEMPER AMORI,
IPSA VENUS CAMPOS DUCET IN ELYSIOS.
HÎC CHOREÆ, CANTUSQUE VIGENT, PASSIMQUE VAGANTES
DULCE SONANT TENUI GUTTURE CARMEN AVES,
FERT CASIAM NON CULTA SEGES, TOTOSQUE PER AGROS
FLORET ODORATIS TERRA BENIGNA ROSIS.
AC JUVENUM SERIES TENERIS IMMISTA PUELLIS
LUDIT, & ASSIDUÈ PRÆLIA MISCET AMOR.

Diese Lust gefiel dem Julius Zesern / der in einem Schiffe / mit drei hundert Kriegsknechten versehen /in gemeldte Glüksälige [642] Inseln sol gelanget sein / so überaus wohl / daß er alda zu verbleiben beschlossen. Aber weil er noch einen rauhen / groben / und nicht einen solchen Leib hatte / wie die daselbst wohnende glüksälige Seelen; so haben sie ihn / wie man saget /gar bald / und wider seinen Willen / von dannen gejaget. Von den Leibern aber dieser glüksäligen Seelen /welche von gewissen Fischern oder Schiffern / an der Weltsee / unweit von Britannien wohnhaftig / an gemeldten Lustort übergeführet worden / schreibet Luzian / im 2 Buche seiner mancherlei Geschichte: daß die Menschen / welche alda wohneten / weder Fleisch /noch Beine / noch etwas anders / das dem Angriffe widerstünde / an sich hetten: sondern sie weren nur eine Gestalt des Leibes / und einige Seelen / mit einem Uberzuge / der dem Leibe gleich / ümgeben: welche sich bewegten / redeten / und einen Verstand hetten / ja alles tähten / was die Lebendigen zu tuhn pflegten; aber niemahls eralteten / sondern ihr Alter /und ihre Kräfte zu allen Zeiten behielten. Eben also weren auch alle Gattungen der Früchte / welche solche Menschen zu essen pflegten. Hierbei ist märkwürdig / was Arrian von der Libischen Schiffahrt / welche Hanno / der Kartagische Seeheld / verrichtet / aufgezeichnet: alhier aber / lauten seine Worte / war noch eine andere Insel / (die in einem Seebusem der großen Insel lag) auf welcher man bei Tage nichts / als Busch / sahe; aber bei der Nacht viel angezündeter Feuer. Auch hörete man zugleich einen Klang von Pfeiffen /Zimbeln / und Pauken / mit einem großen Geschrei. Aber alda überfiel sie ein so heftiges Schrökken / daß Hanno gezwungen ward diese Gegend über den Herkulsseulen / da die spükende Seelen sich befanden /zu verlaßen.


Zur 184 Einteilung.


Delila setzte die Schähre verrähterisch an.] Das Buch der Richter meldet zwar hiervon / daß Delila / nachdem sie den Simson auf ihrem Schoße einschlafen laßen / einem Filister gerufen / der ihm die sieben Lokken seines Heuptes abschnitte. Aber weil die Filister zuvor allemahl so furchtsam und schüchtern [643] gewesen waren / daß sie sich dem Simson / ehe sie ein gewisses Zeichen seiner verlohrnen Stärke gesehen /nicht nahen dürfen; so ist vermuhtlich / daß sie auch itzund eine solche Furcht abgehalten hinein zu gehen /und ihm das Haar / auf der Delila begehren / abzuschneiden / also daß sie es endlich selbst verrichten müssen; wie etlichen hiervon zu urteilen beliebet. Fast auf diese Weise hat Nisus / der Megarer König /als ihn Minos / der Kreter König / belägert hielt / sein glüksfälliges Haar / aus dessen Verluste der Verlust seines Königreichs ihm zuwachsen solte / durch Verrähterei seiner eigenen Tochter / der Zille / die sich in den König Minos verliebet / und ihm das abgeschnittene Haar ihres Vaters eingehändiget / verlohren. Daher sagt Ovidiüs:


FILIA NÉVE MAGIS CAPITI SIT FIDA PARENTIS,
QUÀM TUA VEL PTERELA, VEL TUA, NISE, FUIT.

Daß aber die Zille / nachdem der König Minos ihre Liebe verschmähet / aus Wehmuht / in einen Vogel /wie auch ihr Vater Nisus selbsten / nach seinem Tode / in einen Sperber / den der Nahme Nisus bei den Lateinern bezeichnet / verwandelt worden / ja daß beide diese Vogel noch itzund eine stähtige Todfeindschaft untereinander hetten / hat Servius bei dem Virgiel angemärket.


Zur 200 Einteilung.


In der Stampfmühle.] Das Buch der Richter redet hiervon / im mehrgemeldten 16 Hauptstükke / folgender Gestalt: aber die Filister griffen ihn / und stachen ihm die Augen aus / und führeten ihn gen Gaza / und bunden ihn mit zween ehernen Strükken: und er muste mahlen im Gefängnisse.


Zur 211 Einteilung.


Ihrem Korn- und Fladen-götzen / dem Dagon.] Dieser Dagon war der Fönizier und Filister Jupiter / das ist höchster Abgott / der / nach ihrem Wahne / das Gedeien gab zu ihren Früchten; und nicht Saturn / wie Favorinus meinet: der ihn [644] auch überdas Betagon /Πητάγων welches aus ביתדגון, BETH-DAGON, das ist Dagons Götzenhaus / ümgestaltet / gantz ungereimt nennet: weil er / nähmlich der Fönizische Saturn / eigendlich אל EL oder ILUM geheissen / und des Dagons oder Fönizischen Jupiters Bruder / den der Himmel aus der Erde sowohl / als den Dagon selbsten / gezeuget / gewesen; wie Sanchoniaton / aus der Fönizier Götzenlehre / angemärket. Ja ich dürfte schier sagen / daß der Jupiter Aldos oder Aldemios Ἀλδήμιος, weil er das Getreidich zu vermehren / wie sein Zunahme / der aus ἀλδαίνειν AUGERE FRUCTUS, gebildet scheinet / zu verstehen giebet / gewähnet / auch eben wie der Dagon zu Gaza geehret ward /mit dem Dagon einerlei Abgott gewesen / und von den Föniziern in ihrer Sprache / vielleicht בעל הלדא BAAL-HALDA, DOMINUS SECULI, oder הלדים בעל BAAL ALDIM, DOMINUS SECULORUM genennet worden. Ein solcher Jupiter war auch der Euböer Abgott / der ἐπικάρπιος Ζεύς, dessen Hesichius gedenket / genennet ward.


Zur 226 Einteilung.


Auch Simson selbsten aus dem Grabe wieder aufstund.] Daß unter den Leibern der Heiligen / die da schlieffen / derer Gräber / im währenden Erdböben bei dem Sterben unsers Heilandes / da die Felsen zerrissen / sich auftähten / und sie wieder auferstunden /und aus den Gräbern gingen / nach seiner Auferstehung / wie Matteus im 27 Hauptst. meldet / auch Simsons Leichnam gewesen sei / war unterschiedlicher Kirchenlehrer Meinung: wie Valerius Herberger /in seinem Werke von den Großen Tahten GOttes / bei dem 16 Hauptst. des Buchs der Richter gleichesfals angemärket.


Zur 230 Einteilung.


Dagon ward gebildet / als ein Fisch.] Daß dieser Dagon ein Menschenbild gewesen / aber wie ein Fisch ausgesehen / weil er mit einer Walfischhaut überzogen war / meldet Helladius. Berosus aber eignet ihm / bei dem Eusebius / eine Gestalt / die halb einem Menschen / halb einem Fische geglichen / zu.[645] τὸ μὲν ἂλλο σῶμα εἴχε ἰχϑύος, ὑπὸ δὲ τὴν κεφαλὴν παραπεφυκυιαν ἀλλὴν κεφαλὴν ὑποκάτω τῆς τοῦ ἰχϑύος κεφαλῆς, καὶ πόδας ὁμοίως ἀνϑρώπου, παραπεφυκότας δὲ ἐκτῆς ουρᾶς τοῦ ἰχϑύος. ειναι δὲ αυτω φωνὴν ἀνϑρώτου τὴν δὲ εἰκόνα αυτοῦ ἔτι καὶ νῦν διαφυλάσσεσϑαι. Den übrigen Leib hatte er zwar eines Fisches / aber unter dem Kopfe einen andern Kopf / der unter des Fisches Kopfe hervor und übersich wuchs / wie auch Füße / den Menschenfüßen gleich / die aus des Fisches Schwantze gewachsen kahmen. Man schreibet ihm eines Menschen Stimme zu. Auch sol sein Bildnis noch itzund bewahret werden. Der Geschichtschreiber Alexander gedenket eines Fisches / den er Ὀάννην nennet. Dieser hatte zween Köpfe / und aus dem Fischschwantze rageten Füße herfür / die den Menschenfüßen gleich waren. Auch hatte er eine Menschliche Stimme. Er kahm aus dem rohten Meere / nach Babilonien zu. Mit dem Untergange der Sonne begab er sich wieder in das Meer. Von ihm sollen die Menschen allerhand Künste / den Akker- und Heuser-bau / wie auch die Weihung der Gottesheuser / und die Bürgerlichen Satzungen gelernet haben. Ja es gedenket dieses Halbfisches nicht allein itztgenenter Geschichtschreiber / sondern auch mehr andere: als Filo / und Abidenus. Von vieren dergleichen Oannen oder Halbfischen / die alle hundert Jahre sich aus dem Rohten Meere begeben / und halb Menschen / und halb Fische gewesen / bezeuget auch Apollodorus. Noch dergleichen Tier / dessen NahmeὨδάκων, daraus vielleicht Δάγων, Dagon / gebildet /hat sich zur Lebezeit Ardorachs / des Kaldäischen Königes / aus der Rohten See erhoben. Aus dieser Erzehlung / sie mag wahr / oder erdichtet sein / siehet man augenscheinlich / woher die Fönizier / und Filister / wie auch die Sirer das Götzenbild ihres Dagons genommen / nähmlich von diesen Halbfischen den Oannen / oder Odakonen; welche sie ohne Zweifel /weil die Menschen den Akkerbau und andere Wissenschaften und Künste von ihnen sollen gelernet haben /selbsten als Abgötter und Vermehrer oder Vorsteher der Früchte geehret.

Diese Fischgestalt deutet auch Samuel an.] Seine Worte lauten im 5 Hauptstükke seines 1 Buches also: da sie aber des [646] andern Tages aufstunden / fanden sie den Dagon abermahl auf seinem Antlitze liegen / auf der Erden / vor der Lade des HErrn; aber sein Heupt /und seine beiden Hände abgehauen auf der Schwelle /daß der Strumpf allein darauf lag. Den Schlus dieser Worte / der in der Grundsprache sich also befindet / קדם דגון נשאר עליו erklähret der Ebräische Sprachenmeister David Kimchi / wie folget: TANTUMMODO FORMA PISCIS RELICTA EST IN EO, nur allein die Gestalt des Fisches war an ihm übrig gelaßen.

Ja der Nahme Dagon selbst zeiget eben dieselbe Gestalt an.] Nähmlich die Fischgestalt / die an ihm mehr / als die Menschengestalt / erschien. Dan der Nahme Dagon ist aus dem Ebräischen דג DAG, das ist ein Fisch / gebildet.


Ende.

[647]

[648] Blatweiser der merkwürdigsten Dinge /

So in diesem Werk enthalten; da dann zu wissen / daß / wo ein † befindlich / die Anmerkungen müssen verstanden werden.


A.


Abdon / der eilfte Richter über die Kinder
Israel.
493 †

Acheron / Höllen-Fluß.
510 †

Achiman war ein überaus groser und
starker Riese.
160. 556 †

Adelstand ist von den Riesen entstanden. 163. ist mit der Zeit immer edeler und edeler worden. 164. Unterscheid zwischen dem Riesen- und darauf erfolgendem Adel.

164
Adonis / wer er gewesen.
638 †

Agato ein Ries von Athen.
174. 579 †

Agatokles / wird aus einem Töpfer ein König.
624 †

Alzibiades / ein Kriegs- und Stahtsman zu Athen.
552 †

Anak / von ihme führeten die Riesen ihren Nahmen.
160. 555. † 561 †

Anaxarete / eine wunderschöne Jungfrau.
531 †

Andromede / des Mohrenkönigs Zefeus Tochter.
522 †

Antæus / ein erdichteter Riese. 166. 168. 562. † sein Gerippe.
178. 585 †

Apelles / ein künstlicher Mahler.
547 †

Arantas ein Ries.
174
Arba / von ihme ist das Riesengeschlächt
entsprossen.
158. 553 †

Arbeit richtet viel gutes an.
500. † 501 †

Arsinoë / des Mazedonischen Königes Lisimachus Gemahlin.
531 †

Artachäes ein Ries.
174. 579 †

Aspasie / eine gelehrte Mileserin.
530 †

Asträa.
571 †

[649] Atalia / Jorams / des Königes in Juda
Gemahlin.
529 †

Astidamie / von Herkules entführet.
597 †

Atlas / der Mohren König / soll unter allen Riesen der gröste gewesen seyn. 173. von ihm hat der ungeheure sehr hohe Mohrenberg den Nahmen bekommen, IBID. soll die Sternschaukunst erfunden haben. IBID. man findet drei Könige dieses Nahmens.

575 †

Astiochie / von Herkules entführet.
597 †

Attila / der Ungarische König / erwürgte 11000. Jungfrauen zu Köln.
186. 587 †

Augen sind Fenster zum Herzen.
527 †

B.

Bachius / ein fürtrefflicher Fechter.
553 †

Bachus / ein Herr des Weins.
560 †

Begräbnis / der Röhmischen Frauen mit einer Lobrede beehret. 619. † der Popillia. 619. † warum auser den Städten.

620. † 621 †

Berenize / Seleuks / des Königs in Sirien Stiefmutter.
531 †

Bitus / ein fürtreflicher Fechter.
553 †

Brandschiffe der Holländer. 127. sind in Duins vor Engelland zum allerersten gebraucht worden.
548 †

Briseis des Achilles Liebste.
522 †

D.

Dagon / der Filister Abgott / wie er gestaltet.
479. 645. † 646. † 647 †

Danae / ihre Geschicht.
602 †

Darius wird aus einem Häscher ein König.
624 †

Deianire / eine Ursache des Kriegs / zwischen dem Herkules und Achelous.
531. † 596. † 598. †

Delila wird von Simson geliebet. 421. SEQQ. von den Filistern beredet / des Simsons Stärke auszuforschen. 426. 427. ihr werden grose Versprechungen getahn.428. versuchet von Simson die Heimlichkeit seiner Stärke zu erfahren. 431. 436. 446.[650] 462. wird geteuschet. 431. 439. 450. deßwegen entrüstet. 441. 452. 453. 454. 455. 456. erfähret den rechten Grund. 463. verräht ihn den Filistern zum öftern. 432. 434. 435. 439. 449. 465. schneidet ihm sein Haar ab. 467. übergibt ihn den Filistern.

468
Durst des Simsons. 230. und anderer. 231. des grosen Rolands.
593 †

E

Egæon / der Ries / soll wol hundert Hände gehabt haben.
172
Egipter haben ihre Götter unter mancherlei Tiere Gestalt verehret.
171. 573 †

Ehliche Liebe / wann sie am besten erkannt werde.
295
Einhorn wird beschrieben.
635 †

Einsamkeit / suchen die Verliebte.
109
Emim / waren erschrökliche Riesen.
162. 558 †

Enak. S. Anak.
Enzeladus ein ungeheurer Ries.
172. 574 †

Esel / des Silenus / jaget die Riesen
in die Flucht.
171. 573 †

Eva / wie sie von den Heyden genennet
werde.
528. † 529 †

Eurifile / des Amfiaraus Ehfraue.
531 †

F.

Faulenzen / darwider haben die Alten gute Sazungen gestiftet. 14. richtet nichts gutes an.
498. † 499. †
500. † 501. † 502. † 503 †

Fedra / des Teseus Gemahlin.
532 †

Filister / denen mus ein Weibesbild / aus ihren Töchtern selbst / zum Fallstrükke dienen. 28. haben ein böses Gewissen. 55. werden von Simson geschlagen. 92. durch die von Simson mit feurigen Bränden versehene Füchse geschicht ihnen groser Schade. 126. 127. 130. ihr Entsetzen darob. 131. halten deswegen einen allgemeinen Landtag. 136. 137. 138. 139. verdammen Simsons treuloses Weib / Schwiegervatter und neuen Ehemann zum Feuer. 138. 139. 147. 149. sprechen [651] hingegen die Mutter und andere Tochter los. 141. 142. 143. SEQQ. fürchten sich sehr vor Simson. 184. 185. werden von demselben häuffig umgebracht. 185. verfolgen den / ihrer Meinung nach / flüchtigen Simson. 196. 197. 198. fordern ihn vom Hause Juda. 200. Simson wird ihnen gebunden überantwortet. 208. Ihrer tausend werden von ihm mit einem faulen Eselskinbacken erschlagen. 211. 212. 213. SEQQ. fürchten sich sehr vor ihm. 242. trachten ihn zu Gaza zu fangen. 258. aber vergeblich. 263. straffen ihre Wächter wegen des entronnenen Simsons. 269. 270. 271. 272. wollen den Simson aufs neue bekriegen. 345. stellen aber solch Vornehmen wieder ein. 347. stellen ihme durch Delila listig nach. 426. 432. 434. SEQQ. bekommen ihn in ihre Hände. 469. stechen ihm die Augen aus. 470. führen ihn gen Gaza. 470. halten ihrem Götzen Dagon ein Freudenfest. 473. verspotten den Simson im Götzenhaus. 474. müssen / mit Simson / sterben.

477
Filisterland / war in fünf sonderliche Fürstentühmer unterschieden.
517 †

Filone / Herkules Buhlschaft.
597 †

Firmius / ein Ries / zu Zeiten Keiser
Aurelians.
175. 580 †

Füchse / werden von Simson mit angebundnen feurigen Bränden in die Felder der Filister gejaget. 126. 127. thun daselbst grosen Schaden. 130. sind ein Vorbild der Fariseer / Saduzeer und Esseer. 128. der Ketzer und Irrgeister. 129. ihre Listgriffe.

191
G.

Gabbaras / ein Araber / zehen Schuhe
lang.
174. 579 †

Gadareus / wird aus einem Bätler ein Bürgermeister.
625 †

Ganges ein Ries / gibt dem Fluß Ganges den Nahmen.
173. 577 †

Gaza / eine Riesenstadt.
599 †

Geitz / was darunter zu verstehen. 54. gleichet dem Höllenhund Zerber.
511. † 512 †

Gemagog / ein Ries von zwölf Ellebogen.
173. 577 †

[652] Geschwindigkeit / eine wunderselzame / wird der Kamille und dem Ifiklus zugeschrieben.
631. † 632 †

Gerechtigkeit / warum sie geblendet gemahlet werde.
306
Gesichts-Kreus.
541 †

Glücksäligkeit dieses Lebens / wird allezeit mit Unglücks-Fällen umgewechselt.
229
Glücks-Fälle. Sehr wunderliche.
624 †

Gold bringt alles zu wege.
636 †

Goliat / dessen Rüstung.
557 †

GOtt handelt nie ohne Mittel.
16
Gottesdienst / der falsche richtet nichts
gutes an.
513 †

Großmühtige werden langsam ergrimmet / doch auch langsam versühnet.
183
Guhtes / dessen Ubermaß ist so ein böses Ding / daß alle Bosheit daraus entstehet.
496 †

Güldenes Fell des Jasons / was es eigentlich gewesen.
607 †

H.

Hanno hat zum ersten die Leuen
gezähmet.
627. † 628 †

Hartbeen / war ein Ries / neun Ellebogen
lang.
173. 578 †

Hebe / Göttin der Jugend.
520. † 597 †

Helene / die Schöne / aus Griechenland.
529 †

Herkules. Viel haben diesen Namen geführet.
595 †

Hermione / des Königs von Sparta Tochter.
532 †

Hesperinnen / wer sie gewesen.
562 †

Hiaden / des Atlas Töchter.
577 †

Hippodamie / verursachet / mit ihrer Schöne / grose Kriege.
530 †

Horer waren vorzeiten ungeheure Riesen.
162

Huhren. Ihre Art und Weise. 247. woher sie den Nahmen bekommen. 600. † eine Wunderschöne wird Königin.

625 †

J.

Jahr / das drei und sechszigste ist das gefährlichste. 277. 280. 612. † 613. † man pfleget die menschlichen Jahre durch [653] zweierlei Zahlen zu schichten und einzutheilen. 278. sind theils glükliche / theils unglükliche.

282
Jason / wer er gewesen / und was er verrichtet.
606 †

Ielängerielieber / ein Kräutlein.
547 †

Jesus / wird durch den Simson vorgebildet. 51. 52. 53. 113. 114. 115. 116. 207. 208. 231. 232. 274. 275. ist die Sonne der Gerechtigkeit. 537. † das heilige Kind GOttes. 538. † 539. † heiliget sich selbst für uns.

539 †

Ifiklus / seine Geschwindigkeit.
632 †

Jole / des Königs in Etolien Tochter.
521. † 597 †

Irrgeister werden durch die Füchse Simsons vorgebildet.
129

Israel sondert sich / durch vielerlei Sünden / von seinem Schöpfer. 14. GOtt lässet dasselbe unter dem Joch der Filister wol genug zappeln.

15


Jüdisches Volk wird wegen des Simsons von den Filistern bekrieget. 199. erbietet sich / den Simson in der Filister Gewalt zu schaffen. 202. will ihn greiffen und binden. 203. richtets auch ins Werk.

207
Jugend ist gemeiniglich verwägen.
33
Julius Maximinus / der Keiser / ein Ries.
174. 579 †

Justien / wird aus einem Sautreiber ein Keiser.
624 †

K.

Kaetzer / werden durch die Füchse Simsons vorgebildet.
129
Kamille eine tapfere Volskerin. 631. † ihre Geschwindigkeit.
632 †

Kirjat-Arba / eine Freistadt der Israeler.
519. † 554 †

Kirjat-Arche / eine Stadt der Israeler.
519. † 555 †

Kleopatre / eine Egiptische Königin.
533 †

Kranche / streiten mit den Zwärglein.
177. 582. † 583

Krankheiten. In denselben mus man auf die Tage Achtung geben.
285. 286

Kreuse / Jasons Gemahlin / kommt elendig um.
551 †

[654] Kreutzschuhle. Warum uns GOtt in dieselbe
führet.
227
Kus. Nur einer wurde bey Befestigung eines Eheverlöbnisses zugelassen. 38. Kuslied.
41. 46

L.

Lahemi / ein Ries.
557 †

Lamech des Metusaels Sohn.
616 †

Lasterhafter Mensch / ist nicht lang glücksälig.
513 †

Lavinie / verursacht einen blutigen Krieg.
531 †

Leue wird von Simson zerrissen. 32. in dessen Rachen wird ein Honigstokk gefunden. 50. flehet die schöne Timnatterin um Hülffe an. 331. bringt ihr zu essen. 332. und wartet ihrer. 332. wer die Leuen am ersten gezähmet. 376. 627. † 628. † schlaffen mit offnen Augen. 623. † unterschiedliche Geschichten.

628. † 629 †


Liebe befesselt die Freiheit. 19. 20. das Leben ohne Lieben ist kein Leben. 20. kan keine Geselschaft leiden. 35. was darunter zu verstehen. 54. die derselben ergeben / suchen die Einsamkeit. 109. ihre Kraft. 110. 243. wann die Ehliche am besten erkannt werde. 295. wurzelt durch Angewohnheit sehr tief ein. 413. ihr wird das Lob gesprochen.

482
M.

Magnet / wird billig ein Liebestein genennet.
525. † 526 †

Malide / der Omfale Hofjungfrau.
596 †

Mandro / wird aus einem Bohtsgesellen ein Keiser.
624 †

Manoah / Simsons Vatter / trachtet seinen Sohn von der Liebe zur Timnatterin abwendig zu machen. 22. gibet endlich seinen Willen darein. 26. 27. freuet sich / daß sein Sohn Richter über Israel worden. 240. wird krank. 277. segnet seinen Sohn. 283. stirbt. 295. seiner Frauen Betrübnis. 295. 296. sein Leichengepräng. 296. seine Frau stirbt ingleichen. 298. wird begraben. 319. warum auf freiem Felde.

320
Melampus / ein berühmter Artzt und
Wahrsager.
590 †

[655] Melite / des Egäus Tochter.
596 †

Mittelmaß ist das beste.
544 †

Müssiggang würkt aller Tugenden Untergang. 13. ist ein angenehmes Ubel. 497. † durch ihn werden die Muhtigsten Muht- die Mächtigsten Machtlos. 498. † durch ihn gerahten die stärksten Statswesen zum Fall. 499. † ist vorzeiten nicht ungestraft geblieben. 502. † 503. † machet das Haus leer.

609 †

N.

Naftalerin / ihre Tugendschönheit.
313. 314. 315. 415. 417

Nasenhorn / was es vor ein Thier.
561 †

Nikostrata / des Evanders Mutter.
532 †

Nimrod ist ein Ries gewesen. 164. der Lateiner und Teutschen Bacchus.
560 †

O.

Ochs / die Leute in einem Ehernen zu martern / hat Perillus erfunden. 551. † der aber selbst darinn umkommen müssen.

551 †

Og / ein ungeheurer Ries.
162
Omfale / Königin in Lidien.
521. † 596 †

Onke / wurde von den Föniziern Göttlich verehret. 333. 623. † ihr ware der Leu heilig.
333. 623 †

Orestes / ein Ries. 174. sein Gerippe. 177. 578. † 584. † hatte am Pilades einen treuen Freund.
578 †

P.

Pallas / eines Riesen Gerippe.
178. 584 †

Pammenes / eines Egiptischen Raubers Lebensbeschreibung. 377. entführet die schöne Timnatterin. 322. ersaufft. 325. wird tod an einen Baum gehenket. 397. seine Gestalt. 399. seiner gedenket Eusebius.

627 †

Peluse / eine Stadt.
622 †

Perruquen.
541 †

[656] Pilades / ein sonderbarer Freund des Orestes.
578 †

Pirene / des Herkules Buhlerin.
597 †

Pitagoras / ein frommer Samischer Weisemeister.
552. † 589 †

Plejaden / des Atlas und der Plejone Töchter.
576 †

Primislaus / wird aus einem Viehhirten ein König.
624 †

Porus / der Indische König / ein Ries.
174. 579 †

Psamnes / der Egiptische Königliche Fürst / verliebt sich in die schöne Timnatterin. 390. schicket einen Gesanten an den Fünffürsten der Filister. 391. der kommt wieder zurück. 398. und machet ihn noch verliebter. 402. der Fürst will in seiner Liebe vergnüget seyn. 403. 404. wird aber davon abwendig gemachet.

406. 407. SEQQ.

Pusio / ein Ries über zehen Schuhe lang.
174. 579 †

R.

Raethsel wird von Simson den 30. Jünglingen aufgegeben. 62. dessen wunderliche und unrichtige Deutung.

64. 65. 66

Rattenheidexe / ist sehr veränderlich.
546 †

Reisen / Nutzbarkeit. 16. muntert auf.
516. † 517 †

Riesen. Ihr Ursprung. 158. 167. vor den Kanaanischen erschrecken die Israeler. 160. wo sie gewohnet. 161. 162. ein Französischer wird überwunden. 163. 559. † von ihnen ist der Adelstand entstanden. 163. die Göttliche Schrifft redet von zweyerlei. 168. 568. † unterschiedliche Mährlein von ihnen. 168. 169. 170. 171. 172. 173. 174. 570. † 572. † 574. † Erzehlung der jenigen Riesen / so nach Davids Zeiten gelebet. 173. 578. † warum sie ins gemein der Boßheit und Wühterei ergeben gewesen. 175. die jenigen werden widerleget / welche alles was von Riesen gemeldet wird / vor Mährlein halten. 179. woher es komme / daß heut zu Tage keine mehr gefunden werden. 180. 181. 182. teils werden Schlangenfüser / und Drachengeburten genennet. 566. † Himmelstürmer.

569 †

[657] Riesen-Gerippe / so ungleublich groß.
177. 178. 575. † 584. † 586 †

Ringspiel der Riesen.
157
Rodope eine wunderschöne Trazische Huhre wird Königin.
625 †

Rohland / der Große / starb für Durst.
593 †

Rose / war vor Alters ein Sinbild der Verschwiegenheit.
535 †

Ruhe / alzuviel / macht faul und träge zur Tugend.
13
S.

Salmander lebt im Feuer.
526 †

Sammesummer / waren ungeheure Riesen.
162. 558 †

Schönheit / wird treflich herausgestrichen.
314
Sesai war ein großer Kanaanischer Riese.
160

Sidon / die Jungfrau / wird aus der See gebohren. 629. † von ihr hat die berühmte Stadt ihren Nahmen.

629 †

Sieben. Auf die siebende Zahl ist fleissig Achtung zu geben. 288. 289. ihre verborgene Kraft.
614 †

Silenus / sein Esel jaget die Riesen in die Flucht.
172

Simson / wie es mit seiner Geburt zugegangen. 102. 103. u.f. 545. † 546. † was sein Nahme heiße. 514. † sein Zunahm 515. † bekommet Lust / der Filister Land und Landes-Weise zu besichtigen. 15. kommt nach Timnat. 17. verliebet sich daselbst in eine Weibsperson. 19. eröfnet seinen Eltern seinen Willen / und lässet sich durch seinen Vatter hiervon nicht abwendig machen. 23. 26. warum er auf seiner Reise die Weinberge gemeidet. 31. zerreißt einen Leuen. 32. warum er diese That verhalten. 33. 51. wie er seine Liebste empfangen. 36. was sie ihme geantwortet. 38. ist zweifelschlüssig / wohin er seiner Liebsten den ersten Kus geben solte. 38. 40. sein Kus- und Schlus-Lied. 41. 46. hält das Verlöbnis-Mahl. 47. macht Hochzeit-Anstalt. 47. findet in des zerrissnen Leuen Rachen einen Hohnigstokke. 50. theilet davon seinen Eltern und der Braut mit. 50. die ihn freundlich empfängt. 53. hat bey seinem Hochzeitmahl dreissig [658] Aufwarter. 54. ein Strobelstern erscheinet über Timnat vor und nach seinem Ehverlöbnis. 55. sein Hochzeitkleid. 60. Hochzeitmahl. 61. gibt den 30. Jünglingen ein Rähtsel auf. 62. welches sie von sich selbst nicht errahten können. 64. 65. 66. wird von seinem Weib ersuchet / ihr das Rähtsel zu offenbahren. 69. 70. 71. will nicht daran; bekommt deswegen einen harten Verweis. 72. seines Weibes deswegen geführte Klagworte. 77. SEQQ. er erzehlet ihr die Deutung des Rähtsels. 87. schlägt dreissig Filistern bey Asklon den Hals inzwei. 92. befriediget mit deren Kleidern und Hemden die Jünglinge / denen sein Weib das Rähtsel eröfnet hatte. 95. verlässet seine Liebste aus Widerwillen eine Zeitlang. 96. 97. SEQQ. kehret sich wieder zu ihr. 112. 119. 120. wird aber schimpflich abgewiesen. 121. seine Entstellung hierüber. 123. will sich von seinem Schwiegervatter nicht besänftigen lassen. 124. läßet die gefangenen Füchse mit feurigen Bränden in die Felder der Filister lauffen. 126. 127. sein Schwiegervatter und treulose Ehliebste sind deswegen in großer Angst. 133. 134. werden von den Filistern zum Feuer verdammt. 138. 139. die Schwiegermutter und Schwägerin werden / als unschuldige / verschonet. 140. 141. 142. 143. 144. drohet den Filistern aufs neue. 183. 184. tödtet derselben eine große Mänge. 185. warum er sich im Stamme deß Juda aufgehalten. 190. hat Fuchs-Art an sich. 191. sihet einer Vogelbegäbnis bestürzt zu. 193. wird von den Filistern zu tödten gesuchet 198. 199. 200. das Jüdische Volk will ihn selbst den Feinden überantworten. 203. was er deßwegen mit demselben geredt. 203. 204. 205. 206. lässet sich binden. 207. und den Filistern zuführen. 208. 209. entlediget sich der Stricke und bringet die Filister auf die Flucht. 210. thut mit einem Esels Kinbacken eine große Schlacht unter ihnen. 212. SEQQ. seine ruhmredige und aufgeblasene Wort hiervon. 221. SEQQ. leidet großen Durst. 230. flöhet zu Gott. 233. wird erhöret / und überkommt Wasser aus einem Zahn des Kienbackens. 235. wird Richter über Israel. 240. verliebet sich in eine Filisterin zu Gaza. 243. SEQQ. fliehet des Nachts von dannen / und nimmt das Tohr [659] mit sich. 260. 261. SEQQ. lädet es ab / auf dem Berggüpfel vor Hebron. 267. wird von seinem Vater gesegnet. 283. 285. sein Vater stirbt. 295. und seine Mutter. 298. 299. 300. entscheidet den Streit zwischen einer Filistischen Frauen und einer Ebräerin. 300. ist ein Liebhaber der Gerechtigkeit. 306. fället ein kluges Urtheil 307. 308. 309. 311. 312. war ein Held und Staats- Mann zugleich. 313. sein Vetter verliebt sich in die schöne Naftalerin. 315. und stirbt darüber. 317. Simson hält seiner Mutter Leichenbegängnis. 319. warum er sie auf offnem Felde begraben lassen. 320. buhlet mit Delila. 421. die stellet ihm listig nach. 431. sihe Delila. Wird von den Filistern gefangen. 469. und der Augen beraubet. 470. wird gen Gatza geführet. 470. seine Klagreden. 471. wird von den Filistern im Götzenhause verspottet. 474. flöhet die Allmacht GOttes an. 475. wirfft das Götzenhaus über den Haufen / und stirbt mit den Filistern. 477. 479. ob er seelig gestorben. 481. SEQQ. ist / mit seiner Geschicht / des HErrn JEsus Vorbild gewesen. 51. 52. 53. 113. 114. 115. 116. 207. 208. 231. 232. 274. 275. 477. 479


Sisifus / ein Zwärg. 581. † ein Straßenräuber. IBID.


Sokrates zwinget sein angebohrnes boßhaftiges Wesen.

630. †

Staat / dessen Glückseligkeit fußet auf der Vorsichtigkeit desselben / der ihn beherschet.
241
Strobelsterne wollen bisweilen Glücks- und Unglückssterne genennet werden.
56
Stufenjahre / sind gemeiniglich
gefährlich.
278. 279. 612. †

Stufenjahre. Sihe Tage.
Sündigen / in der Welt ist nichts leichter als dasselbe.
14. 512 †

T.

Tage. Was von den Wechseltagen zu halten. 292. 293. 294. 617. † S. Wechseltage. warum der siebende nicht für ganz heilig zu rechnen sei.

289
Tais / eine Huhre von Alexandrien.
534 †

Talmai / war ein ungeheurer Kanaanischer Riese.
160
[660] Telefanes / wird aus einem Wagner ein König.
625 †

Tespius / König in Beozien.
598 †

Tiere / ob alle / auser dem Menschen / mit Recht un vernünftig zu nennen.
385. 386. 387

Tiföus ein grausamer Ries.
172. 574 †

Timnat / Kreustag daselbst. 17. was es heisse. 17. vier unterschiedliche Städte dieses Nahmens.
518 †

Timnatterin / die Gottlose / Simsons Weib / wird verbrennet. 139. 140. 147. 149. Lied hiervon. 150. ihr Geist schwärmete eine geraume Zeit alle Nacht herum. 156. ihre Schwester / die Schöne / erlanget samt ihrer Mutter Gnade. 141. 142. 143. 144. kommt bei einem Fünffürsten der Filister wol an. 153. wird von einem Räuber entführet. 322. leidet Schiffbruch. 324. 325. kommt ans Land. 325. 327. ihre Klagworte. 328. bekommet einen Leuen zum Gesellschafter. 329. wird vor die Göttin Onke gehalten. 333. wird von einer verliebten Weibsperson angeflöhet. 335. 336. hält eine Unterredung mit einem Jäger. 341. 342. schicket selbigen an den Fünffürsten der Filister mit Schreiben. 344. 350. der kommt bei ihr wieder an. 357. 358. sie reiset nach dem Fünffürsten. 363. wird von ihm empfangen. 369. 370. 371. 372. vernimt von ihrer Mutter des Raubers Pammenes Lebensbeschreibung.

377


Titanen / entpöhren sich als Riesen wider den Jupiter. 168. 569 † aus ihrem Bluhte soll allerlei Ungeziefer seyn gezeuget worden.

169. 569 †


Tohte warum man sie auser den Städten zu begraben pflege? 320. 321. 620. † 621. † zu denen zu gehen / ware vor Zeiten verbotten.

621 †

Totila / der Gohten König / Gottes
Peitsche.
186. 587 †

Trauen / solle man nicht iederman.
401
Traum eines Bätlers.
228
Tullia / des Servius Tullius Tochter.
534 †

Turteltaube / ihr Nahme und Eigenschaft.
617 †

[661] Ventidius Bassus wird aus einem Bätler ein Burgermeister.
625 †

Vergismeinnicht / ein Kräutlein.
547 †

Verschwiegenheit. Deren Sinbild ware vorzeiten die Rose.
535 †

Verzagte trotzen am meinsten / wann sie märken / daß man sich für ihnen fürchtet.
201
Viduus / der leermachende Götze.
622 †

Viriat wird aus einem Strassenrauber ein Heerführer.
625 †

Ulmbaum stehet gern beim Weinstock.
524. † 525 †

Vogelleim / woher er entspringe.
543 †

W.

Wechseljahre / Bericht von denselben. 278. SEQQ. 612. † 617 † Wechseltage. Was von denselben zu halten. 285. 611. † 612. †

617 †


Weibsbilder / sind ein gewöhnliches Mittel zum Fall der Mansbilder. 28. auf dreierley Weise. 29. denen / so schläfrig in der Liebe seind / scheinet die Begierde sich zu bereichern angebohren. 53. 54. Weinen und Wehklagen seynd die zwo fürnehmsten Rüstungen derselben. 75. die nicht lieben / sind auch nicht verschwiegen. 89. sind unbeständig. 117. weich und zart. 118. den Unzüchtigen gefället anderer Leibesgestalt allezeit mehr / als ihres Ehgatten. 119. Beschreibung der Unzüchtigen.

334. 335

Wein / dessen Wirkung.
360
Weinstock hat große Beliebung zum Ulmbaum.
524. † 525 †

Wiganten / waren Riesen nach der Sündfluht. 170. sollen die Götter hefftig erschrecket haben.
171
Wille Gottes / wo der mit waltet / da erlanget man alles / was man verlanget.
29
Wohllust / ist ein Lokaas zu allem Bösen.
494 †

Wunderbrunn.
235
[662] Z.

Zahl. Auf die siebende ist wol Achtung zu geben. 288. 289. ihre verborgene Kraft.
614 †

Zahn. Ungeheurer eines Riesen.
585 †

Zarea / Simsons Geburtstadt.
517 †

Zerber / der dreiköpfigte Höllenhund. 503. † 504. † 505. † SEQQ. bildet den Geitz vor.
511 †

Zille / des Megarischen Königs Nisus Tochter.
533 †

Zimmet.
248
Zintokbeume sind sehr kostbar.
249. 602 †

Zwärglein / haben einen überaus scharfsinnigen Verstand. 175. 177. 581. † gar kleine. 177. 581. † 582. † 583. † in Trazien / streiten mit den Kranchen. IBID. 177. 582. † 583 †

Kupferstiche

  • Titelkupfer

  • Kapitel I., Seite 18.

  • Kapitel I., Seite 34.

  • Kapitel I., Seite 57.

  • Kapitel II., Seite 63.

  • Kapitel II., Seite 81.

  • Kapitel II., Seite 94.

  • Kapitel III., Seite 106.

  • Kapitel III., Seite 122.

  • Kapitel III., Seite 132.

  • Kapitel IV., Seite 148.

  • Kapitel IV., Seite 159.

  • Kapitel IV., Seite 176.

  • Kapitel V., Seite 195.

  • Kapitel V., Seite 214.

  • Kapitel V., Seite 236.

  • Kapitel VI., Seite 264.

  • Kapitel VI., Seite 273.

  • Kapitel VII., Seite 284.

  • Kapitel VII., Seite 297.

  • Kapitel VII., Seite 310.

  • Kapitel VIII., Seite 326.

  • Kapitel VIII., Seite 330.

  • Kapitel VIII., Seite 362.

  • Kapitel IX., Seite 373.

  • Kapitel IX., Seite 394.

  • Kapitel IX., Seite 411.

  • Kapitel X., Seite 422.

  • Kapitel X., Seite 433.

  • Kapitel X., Seite 451.

  • Kapitel X., Seite 478.
[663]

Notes
Erstdruck: Nürnberg (Johann Hoffmann) 1679.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Simson. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AEF8-5