Das Ander Lied

1.
Unser Augen stumme Reden
Geben offters an den Tag/
Was vor Angst uns arme Blöden
In dem Hertzen quälen mag:
Könt in unsern Augen lesen
Der verschwiegnen Liebe Wesen
unsers Hertzens Freuden-Ziel:
Ach! das wer ein süßes Spiel.
2.
Niemand könte recht aussprechen
Solche Freude/ solche Lust/
Alsdann würde bald ausbrechen/
Was das Hertz nur hat gewust.
Wil manns aber nicht verstehen/
Müssen wir zu Grunde gehen/
Werden vor dem Alter alt/
Ja wohl gar in kurtzen kalt.
[129] 3.
Doch wer üm der Liebe willen
Seinen Leib auffopffern muß/
Der kann anders nicht erfüllen
Des ergrimmten Himmels-Schluß:
Drüm nur willig dran gegangen/
Weil kein flehen wil verfangen
Etwas vor des Liebsten Thier/
Bleibt man sonst doch auch nicht hier.
4.
Muß mann nicht der Zeit erwarten
Biß die schöne Rose blüht?
und biß Flora selbst den Garten
mit Tapeten überziht?
Dulde dich doch unterdessen/
Deiner ist noch unvergessen:
Wann die Lind' am stöltzten grünt/
Recht sie denn zur Lauten dient.
5.
Wann die schöne Rose pranget
und in voller Blüthe steht/
Jedermann nach Ihr verlanget/
Eh der klare Tau vergeht/
Bricht man sie mit zarten Händen/
unsrem Buhlen zu zusenden:
Also eh die Jugend schwindt/
Manchen doch die Liebe bindt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Gedichte. Gedichte. Frühlingslust. Vierdes Dutzend. Das Ander Lied. Das Ander Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B05C-5