25. Ode

Ueber die von den Türken aus der Stadt Nicosia geraubete, und mit dem Schiff sich großmüthig in die Lufft sprengende Heldin und schöne Arnalda di Recas.


Was für ein schnelles Todesschrecken
Will Schlag und Schall von ohngefehr
In unsern Mauren itzt erwecken?
Wo rührt denn die Verwirrung her?
Was heißt es, daß man ganze Haufen
Von Volk durch alle Strassen sieht
Gleich dem gescheuchten Wilde laufen,
Und groß und klein mit Zittern flieht?
Wie? ist etwan ein Feind vorhanden,
Der unsre Ruh und Freyheit kränkt,
Und bey dem Raub in Strick und Banden
Uns allerseits zu schlagen denkt?
Schallt nicht die Post schon in die Ohren:
Flieht Bürger, warnet wen ihr kennt,
Der Feind ist wirklich vor den Thoren
Und hat Nicosien berennt.
[106]
Weh uns! ich sehe schon von weiten
Die aufgespannten Seegel wehn;
Die sich mit aller Macht bereiten
Auf uns gerüstet los zu gehn.
Ists nicht ein Schwarm von den Barbaren?
Er ist es, leider! wie wir sehn,
Wie wird die Brut mit uns verfahren?
Ach Schmerz! es ist um uns geschehn!
Gefährten! auf! ergreift die Waffen!
Kommt, macht durch tapfre Gegenwehr
Der Muselmänner Schwarm zuschaffen,
Und wenn er noch weit stärker wär!
Wir fechten mit. Zerbrecht die Ketten,
Erwürgt die wilde Kriegerschaar,
Helft unsre Ehr und Freyheit retten,
Denn beyde stehen in Gefahr.
Wo nicht, so laßt uns eilends fliehen,
Damit uns die Tyrannen nicht
In die verfluchten Klauen ziehen,
Die sie bereits auf uns gericht.
Fort, Nympfen! suchet Kluft und Hölen,
Verberget euch mit mir darein.
Die müssen wir zur Freystadt wehlen,
Wofern wir wollen sicher seyn.
Allein, umsonst! der Räuber Menge
Hemmt der erstarten Füsse Lauf.
Wir kommen schon in das Gedränge.
Wer hält die Furien wohl auf?
Hier sind sie. Seht die Feuerballen,
Die leider mehr als zugeschwind
Auf uns gleich einem Hagel fallen,
Und unser aller Mörder sind.
[107]
O mehr als grausames Geschicke?
Ists möglich, daß mir deine Macht
Der Saracenen Band und Stricke
In meiner Unschuld zugedacht?
Erlaubt ihrs denn, erzürnte Sterne!
Daß ich mich schwach und jammersvoll
Von meiner Vater Stadt entferne,
Und ihr den Rücken zeigen soll?
Wollt ihr, daß ich den Trieb zur Tugend
Des wilden Sultans geilem Kuß
Schon in dem schönsten Flor der Jugend
Mit Widerwillen opfern muß?
Ja, ja, der Schluß ist so gefallen,
Ihr wollt es, Störer meiner Ruh!
Doch hört auch mich: Bey diesem allen
Spricht doch Arnalda, Nein, darzu.
Nein! Selim soll mich nicht erblicken;
Denn Recas großmuthsvoller Sinn
Wird ihm das Ziel gewiß verrücken,
Wenn ich auch schon die seine bin.
Nein Barbar! die vermeynte Beute
Fällt dir doch nicht in Arm und Schooß:
Denn die Gebundne reißt noch heute
Sich von den Fesseln selber los.
Ihr frechen Räuber eilt geschwinde:
Spannt schleunig eure Seegel auf;
Vollbringt die Farth bey gutem Winde,
Ihr Sclaven! rudert tapfer drauf.
Ihr sollt doch nicht Byzantz erreichen,
Das euch die Hoffnung schon entdeckt:
Ihr Thoren habt die Siegeszeichen
Umsonst vor diesmal aufgesteckt.
[108]
Verbannt, Gespielin, Angst und Zagen,
Entreißt euch aller Traurigkeit
Ich muß, ich soll, und will was wagen,
Das mich und euch von Schmach befreyt.
Mein Herze flieht die schnöden Flammen,
Der Himmel stimmt selbst überein;
Was Recht, Gesetz, Natur verdammen,
Muß Menschen auch ein Abscheu seyn.
Soll dies nicht Herz und Seel erschrecken,
Wenn man, verfluchenswerther Kuß!
Sich durch der Wilden Brunst beflecken,
Und ihre Flammen löschen muß!
O Greuel! der nicht auszusprechen;
Flieht Schwestern, die verhaßte Glut,
Säumt nicht, euch und auch mich zu rächen;
Ich opfre selbst vor euch mein Blut.
Ergreif Arnalda, Schwerdt und Feuer
Auf, zünde, so geschwind man kann,
Zu Trotze diesem Ungeheuer
Dein fliegendes Gefängniß an.
Spreng Schiff und Mast in tausend Stücken,
Daß Tief und Höhe bebt und kracht,
Laß mir den letzten Streich noch glücken!
Welt, und Gefährten gute Nacht!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 25. Ode. 25. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B0B7-A