[1] Oden

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1. Ode

Ueber den tödlichen Hintritt Ihro Majest. der Königin von Großbritannien.


Verhängniß! warum läßt dein Schluß
Sich nicht noch weiterhin verschieben?
Ach! daß die Fürstin sterben muß,
Die wir so treu, so zärtlich lieben!
Wer Ihren Ruhm nur hört, der betet Sie schon an,
Und wer Ihr dient, der preist sein Glücke.
O! daß doch unser Wunsch dich nicht bezwingen kann,
Dich, unerbittliches Geschicke!
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Umsonst stärkt man hier die Natur,
Sie soll durch deine Macht erliegen.
Der König seufzt. O! schenk Ihm nur
In Carolinen sein Vergnügen.
Der selbsten Gnad erweist, verlangt sie nun von dir;
Die Majestet weicht hier der Liebe;
Er zieht die Zärtlichkeit der strengen Hoheit für,
Und folget ihrem edlen Triebe.
Der Kummer quält die matte Brust
Der höchstbestürzten Fürstenkinder;
Sie sehn den schrecklichen Verlust;
Ihr Schmerz dabey ist nicht gelinder:
Das Herz vergißt den Stand, und denkt nur an sein Glück
An Ihre mütterlichen Lehren;
Es ruft Sie von der Bahn der Sterblichkeit zurück,
Sie hier noch länger zu verehren.
Wenn dieses nicht genug bewegt,
So sieh, wie manches Land hier weinet;
Wie tief die Zeitung niederschlägt,
Wie traurig jedermann erscheinet;
Er fraget ängstlich nach: Lebt unsre Fürstin noch?
Dann fängt er kräftig an zubeten:
Entreiß Sie der Gefahr, laß mich viel lieber doch
Für Sie des Todes Thal betreten!
Was öffnet sich? wen seh ich dort?
Die Gottesfurcht liegt auf den Knien;
Der Altar raucht, und jedes Wort
Sucht Sie der Gruft noch zu entziehen.
Ihr Heldengeist lehrt uns im Glauben standhaft seyn,
Sie hilft sein Göttlich Reich erweitern,
Und sucht der Armen Nacht durch Ihren Gnadenschein
Mit Schutz und Beystand zu erheitern.
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Die Wissenschaften zittern schon,
Und sehn ihr seltnes Glück verschwinden.
Sie rief sie selbst an ihren Thron,
Und ließ sie sichern Zutritt finden;
Ihr schneller Geist drang durch bis in den tiefsten Grund,
Die Wahrheit selbsten einzusehen;
Ihr prächtig Denkmal macht der späten Nachwelt kund
Wie eifrig es von ihr geschehen.
Wer hört nicht, wie die Staatskunst klagt,
Da Tod und Leben um Sie kämpfen;
Wie viel Ihr Heldenmuth gewagt,
Der Frechheit wilde Brut zu dämpfen?
Wie hoch das kluge Reich den weisen Rath geschätzt,
Wenn Sie den schweren Scepter führte;
Wie sich das freye Volk an Ihrer Huld ergetzt,
Wenn Sie recht Königlich regierte.
Doch, wie? du bleibst vor diesmahl taub;
Du wilst den harten Schluß nicht ändern,
Und wirst durch den verwegnen Raub
Die lange Quaal von vielen Ländern!
Ja! Caroline stirbt! Jedoch, Sie stirbt vergnügt,
Und krönt durch diesen Tod Ihr Leben;
Ihr Königlicher Geist hat rühmlich obgesiegt,
Ihm wird die Ewigkeit gegeben.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 1. Ode. 1. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B130-1