[238] 3. Gedichte

Auf das Absterben einer Freundinn.


Ach Freundinn! du bist todt! der Schmerz hemmt mir die Zunge,
O Unglück! das mir schon mein Allerliebstes raubt.
So bald die Trauerpost in meine Ohren drunge
So sagte mirs mein Herz, sonst hätt ich nicht geglaubt.
Mein Kummer ist gerecht, gerecht sind meine Klagen;
Ich bin den Tauben gleich, ich suche Wald und Thal,
Dich meiner Augen Lust, mein alles auszufragen,
Doch alles ist umsonst; drum mehrt sich meine Qual.
Dein Geist begleitet mich, ich sehe dich im Schatten,
Ich fahre oftmals auf, und denk ich fasse dich,
Allein so ists ein Schein mit dem ich mich wil gatten;
So mehret sich die Pein, so frißt der Kummer mich!
O deckten mich doch auch schon kühler Sand und Steine!
Denn ich bin in der That nun meines Lebens satt.
So oft ich den Verlust und deinen Werth beweine,
So oft werd ich auch schwach und von dem Seufzen matt.
Kaum daß ich mich erholt, küß ich die kalten Wangen;
Doch Schicksal, kürze nur mein Leben durch den Tod:
Der soll mir süsser seyn als was ich kann erlangen;
Denn jeder Blick vermehrt hinführo meine Noth.
Indessen schwer ich dir, ich bleibe stets die deine,
Man schließt mein treues Herz mit in dein Grab hinein.
Ja du bleibst noch erblaßt mein Liebstes und die meine
Ich wünsche sonsten nichts, als nur um dich zu seyn,
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Doch der vergebne Wunsch verdoppelt mein Empfinden;
Mein Leiden wird vermehret, die Marter wird stets neu;
Der Schmerz nimmt immer zu, und bey dem Hände winden
Läßt er die bange Brust nicht eine Stunde frey.
Dein Ansehn, dein Verstand, dein Herz, dein ganzes Wesen
Dein aufgeräumter Kopf, und deine Trefflichkeit,
Dies alles soll nunmehr verschwinden und verwesen.
Mein Unglück ist zu groß, es mindert keine Zeit!
Der Tugend Ebenbild warst du in allen Sitten
Der Unschuld Meisterstück, ein Wunder der Natur
Du warst bey jedermann beliebt und wohl gelitten.
Ach! meine Freundinn war die schönste Creatur!
Die treue Freundlichkeit, die unverfälschten Triebe
Besiegten meine Brust, und raubten mir das Herz,
Daß ich dich noch im Tod mehr als mich selber liebe,
Doch nicht zu meiner Lust, zu meinem grösten Schmerz.
Ich nähre selbigen bis ich dabey vergehe,
Ich sehne mich nach nichts als deiner Todtengruft,
Du theiltest Freud und Lust, du theiltest Wohl und Wehe;
Was Wunder wenn mein Geist dich noch zurücke ruft?
O könnte meine Hand dir doch ein Denkmal bauen!
Doch alles ist umsonst was ich bereits gethan.
So ruhe sanft und wohl, du Muster kluger Frauen;
Ich kenne deinen Werth den nichts ersetzen kann.
Wie gerne wollt ich mich an deiner Seite schmiegen,
Allein des Himmels Schluß vergönnt mir nicht die Lust.
Und kann ich nicht mit dir in einem Sarge liegen,
So stirbt dein Name doch niemals in meiner Brust.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. 3. Gedichte. 3. Gedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B15C-1