[178] Cantata

Aria.

Nichts vermag uns mehr zu quälen,
Als die eyfersüchtgen Seelen,
Argus, der beständig wacht,
Kan auch nicht mit hundert Augen
Solchen tollen Argwohn saugen,
Als sich mancher Träumer macht.
O bildet euch nicht ein
Daß man euch kan, ihr Thoren, günstig seyn,
Wann nichts, als Eifersucht, aus Wort und Minen blitzet,
Und ihr das goldne Vließ, bey dem ihr lauschend sitzet
Nach Drachen-Art,
So Tag als Nacht bewahrt.
Dergleichen Irrlicht führt, wenn euch zu rathen stehet,
Wahrhafftig von dem Weg, der zu dem Hertzen gehet.
[179] Aria.

Sucht euch, ihr eyfersüchtgen Gecken,
Mit solchen Gifft nicht zu beflecken,
Das uns ein Grauen machen kan.
Ein jedes Blat, das sich nur reget,
Macht, daß ihr neuen Argwohn heget,
Es käm ein Neben-Buhler an.
Was nutzt euch solche Furcht, die ihr euch selber macht,
Und die die kluge Welt belacht?
Ihr denckt, ihr müstet gantz allein
Der Hahn im Liebes-Korbe seyn,
Und wißt doch selber nicht,
Ob man, so süß es euch pflegt offtermals zu träumen,
Euch Willens ist ein Plätzgen einzuräumen.
Ihr schmeichelt euch, wie offt geschicht,
Mit eitler Dunst;
O lernet zu vorher die Kunst,
Die Sache besser anzufangen,
Wenn man der Damen Gunst und Hertze will erlangen.
Aria.

Die Freyheit haßt Befehl und Zwang,
Die Liebe dultet kein Gesetze.
[180]
Mag wohl auf dieser gantzen Erden
Was thörichters ersonnen werden?
Als wenn man Vögeln schon voraus die Schwingen bind,
Die doch noch nicht gefangen sind.
Da Capo.

Nein, solche Ruthen bindet man
Sich nicht auf seinen Rücken.
Wer andre nicht mit in Gesellschafft leiden kan,
Und solche tolle Sucht im Umgang läst erblicken,
Der macht sich überall verhast,
Und wird dem weiblichen Geschlechte recht zur Last.
Man macht ein grosses Creutz vor ihn.
Bescheidenheit gewinnt weit mehr, als Eigensinn.
Aria.

Schertzen, lachen, tantzen, spielen,
Heist der Damen Zeitvertreib:
Nimmt ein jeder Theil daran,
Der in ihren bunten Reihen
Hertz und Geist will mit erfreuen,
Sieht man ihn vor artig an.
[181]
Doch wenn einer in dem Spiel
Immer oben schwimmen will,
So muß man ihm sodann bald zu verstehen geben,
Er wisse nicht zu leben.
Da Capo.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Cantata [25]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B1CA-B