Vermischete Gedanken

Die Dicht- und Redner Kunst liebt, was der Witz erfindet,
Der Ausdruck lebhaft macht, und rein zusammen bindet;
Sie wollen beyderseits, um Aug und Ohr zu laben
Recht nüchterne Vernunft und reine Sinne haben.
Wenn Fama sich recht hoch zum Himmel schwingen will,
Und weiser Seelen Ruhm soll zu den Sternen tragen,
So borgt sie bey dem Flug von Männern nur den Kiel,
Warum? sie darf es nicht, mit Frauenfedern wagen.
Ich meynte bey dem Trieb, den ich gar oft verspührt,
Und der durch Sehnsucht mir den regen Geist gerührt,
Mich noch auf den Olymp beglückt hinauf zu schwingen
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Weil auch die Musen dort, als Frauenzimmer singen.
Jedoch mein Hoffen fehlt; ich kann voraus sehn,
Daß, leider! selbiges unmöglich kann geschehn,
Der Pierinnen Schaar drängt mich von ihren Stufen,
So eifrig und bemüht ich ihr doch zu gerufen,
Aus Eifersucht und Furcht, es möchte nach und nach
Apollo, der sie liebt, zu nicht geringer Schmach,
Und ihrem grösten Schmerz, dem fremden Gast daneben
Ein freundliches Gesicht, und holdes Blickchen geben.
Man trifft von keinem Bild so viel Copien an
Als uns von ihrem Riß die Falschheit zeigen kann.
Wie viele giebt es doch, die sich an sonst nichts kehren,
Und diese Schilderey aufs innigste verehren!
Allein ich kenne dich, Freund von ganz andrer Art,
Drum da dein Redlich seyn gar kein Bemühen spart,
Vor wahrer Freunde wohl das äusserste zu wagen,
So kann ich dies Recht zu deinem Lobe sagen.
Das Schicksal läßt sich nicht auch von den klügsten Geistern
Durch Einhalt, Kunst und List, Verstand und Einsicht meistern,
Sein Lauf bleibt ungestört, es lenkt die ganze Welt,
Und führet alles so, wie es ihm selbst gefällt.
Dem muß ein blinder Zug sein Aug und Ohr verriegeln,
Der frech in die Gefahr, und kühn ins Unglück geht,
Allein ein kluger Mann der noch am Ufer steht,
Wird sich unfehlbar wohl an andrer Schiffbruch spiegeln.
Das schnell seyn hilft zum Laufen nicht,
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Wenn Zeit und Glücke widerspricht.
Man läuft umsonst auf dieser Bahn
Und bänden wir uns Schrittschuh an.
Ein Jason, wenn er will das güldne Vließ erfechten,
Schlägt der Centauren Heer zur linken und zur rechten,
Drum wer das Kleinod sucht, das uns die Pallas weist,
Der ringe stets darnach mit unerschrocknem Geist.
Es braucht zwar Stärk und Muth die Feinde zu bezwingen,
Und auch ein wildes Thier in Schling und Zaum zu bringen.
Doch wer sich selbst bezwingt, der zeiget in der That,
Daß er den grösten Sieg dadurch erfochten hat.
Apollo bildet sich auf dich was grosses ein
Und spricht: – – – muß mein bester Pfeiler seyn.
Allein der Musengott scheint sich zu übereilen.
Denn Suada gönnt ihm nicht aus Neid dergleichen Ruhm.
Sie nennet dich zugleich mein Freund, ihr Eigenthum
Was Rath? sie müssen sich in dich unfehlbar theilen.
Was dich, geehrter Freund, zu meinen Freuenden schreibt,
Ist deine Redlichkeit, und dein gelehrtes Wissen,
Davor dir in der That mein Angedenken bleibt,
Ob ich hinführo gleich muß deinen Zuspruch missen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. Vermischete Gedanken. Vermischete Gedanken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B23F-C