16. Ode

Ueber die Verschwendung.


Wie fehlet doch die blinde Welt,
In ihren abgeschmackten Schlüssen,
Wenn sie die vor verschwendrisch hält,
Die nett und groß zu leben wissen?
Sie liebt die Knicker nur allein,
Und ehrt den greuelhaften Narren,
Der in den tiefsten Sand und Stein
Pflegt seinen Mammon zu verscharren.
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Ach dummer Pöbel! glaube nicht,
Daß der sich Huld und Gunst erwecket,
Der, auf das schnöde Geld erpicht,
In düstre Winckel es verstecket;
Gräbt man das Gold und Silber wohl
Deswegen aus dem Schacht der Erden,
Damit es wieder heimlich soll
In selbigen vergraben werden?
Gar nicht; es läßt es die Natur
Aus den verborgnen Adern blitzen,
Damit es nach entdeckter Spur,
Den Bürgern unsrer Welt soll nützen.
Der Thore heißt zwar Herr darvon;
Und doch wird ihm die Herrschaft mangeln,
So viel man auch von ferne schon
Ihn täglich sieht zusammen angeln.
Ihr, die ihr fett und niedlich lebt;
So bald ihr aus den Federn schleichet,
Der Kehle süß Getränke gebt,
Dem Gaumen Leckerbißchen reichet;
Die ihr in weichen Kleidern stutzt,
Kehrt euch nicht an der Welt ihr Lästern,
Zeigt, daß ihr euch weit besser putzt,
Weit besser eßt und trinkt als gestern!
Nur immer wacker drauf gezehrt!
Das Fach wird noch in langen Jahren
Nicht auf ein Drittheil ausgeleert,
Ihr könnt nicht auf den Boden fahren;
Der Kasten ist zu tief und groß;
Wollt ihr gleich alle Stunden greifen;
Ihr werdet doch das Geld nicht los,
Es wird sich immer wieder häufen.
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Es kam euch ja nicht sauer an:
Ihr habt es nicht durch Müh erworben;
Das, was bisher euch sanft gethan,
Ist euch von andern zugestorben.
Entschlafner, theurer, lieber Greis!
Du würdest selbst im Grabe lachen,
Wenn sich dein Erb auf deinen Schweiß
Nicht sollt ein frohes Stündchen machen.
Gar recht; wozu soll das Metall
Im Kasten schimmeln, und verrosten?
Was würde dies auf solchen Fall
Nicht wieder auszuputzen kosten?
Die Männer schnappen nach der Luft;
Ihr Harnisch drückt zu sehr die Hüften.
Entreißt sie Moder Qualm, und Duft,
Was könntet ihr wohl bessers stiften?
Erlöset, die so lange Zeit
Im Kerker eingeschlossen waren,
Laßt, wie der Himmel selbst gebeuth,
Das Brodt stets übers Wasser fahren.
Wohl euch, daß ihr das Herze nicht
An solchen Schlamm und Koth laßt kleben,
Man kann euch, wenn das Auge bricht,
Doch nichts davon ins Grab mitgeben.
Seht andre lockre Seelen an,
Wie die sich wissen aufzuführen,
Hier wahrlich ist vom reichen Mann
Ein rechtes Ebenbild zu spühren.
Wie herrlich lebet nicht Sempron,
Der aller Augen auf sich wendet?
Was schmäht ihr? Meynt ihr, daß er schon
Sein Haab und Guth bereits verschwendet?
[77]
Ihr thut ihm Unrecht; irr ich nicht,
So lebet er ganz eingezogen,
Was man von seinem Prassen spricht,
Ist, mit Erlaubniß, gar erlogen.
Hier ist kein Aufgang, wie man sieht,
Ihr könnt aus Tracht und Speise schliessen,
Wie sehr er Pracht und Aufwand flieht,
Sein Gut vernünftig zu geniessen.
Betrügt mich nicht ein falscher Schein,
So seh ich ihn vor Fleiß recht schwitzen,
Und in dem Zimmer ganz allein
Mit unterstütztem Haupte sitzen.
Was sinnt er doch? was liest er wohl?
Ach! es sich des Plutarchus Lehren,
Wie man recht sparsam leben soll,
Um die Verschwendung abzuwehren.
Ja, ja, er liest; doch nun zu spät,
O, hätt er doch vor langen Tagen
Das, was hier aufgezeichnet steht,
Statt einer Vorschrift aufgeschlagen.
Des Weisen Rath hilft ihm nicht viel;
Da nun die Vögel ausgeflogen,
So wird bey diesem Trauerspiel
Umsonst der Keficht zugezogen.
Du, der du noch bey guter Zeit
Stets herrlich und in Freuden sassest,
Doch bey dergleichen Herrlichkeit
Den Schluß der Rechnung gar vergassest,
Sag uns, was denkst du wohl bey dir,
Da sich die Scenen so verdrehen,
Und man dich kahl und nackend hier
So, wie des Plato Hahn sieht stehen.
[78]
Wie schmecken dir, Verschwender, nun
Die schmahl und mehr als magern Bissen,
Auf ein gespicktes Haselhuhn,
Das deinen Zähnen wird entrissen?
Schleicht nach dem zuckersüssen Wein,
Bey dem man dich sah täglich lachen,
Der strenge Trank auch glatt hinein,
Der deine Kehle rauh will machen?
O herber Wechsel, welcher dich
Und deines gleichen mehr betroffen!
Allein, kein Mensch verwundert sich,
Man konnte hier nichts anders hoffen.
Die Regel trifft wohl richtig zu,
Und kann der Welt zur Warnung taugen:
Wer täglich so gehaust, wie du,
Der muß hernach die Klauen saugen.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 16. Ode. 16. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B283-1