[334] Erste Fabel
Der Pfau und die Lerche

Der Frühling stellte sich bey hellem Sonnenschein,
Nach dem verdrießlichen Saturnus wieder ein,
Als diese laue Luft, die das, was sich verstecket,
Durch ihren Hauch beseelt, von neuem aufgewecket,
Dort einen bunten Pfau, der nebst der Hüner Schaar,
In einem Meyerhof mit eingesperret war,
Bey holder Witterung auch wieder munter machte,
Und den erstarrten Fuß in Gang, wie sonsten brachte.
Er brüstete sich da bey seinem Stolz weit mehr,
Als wenn er selbst der Herr vom Reich Marocco wär,
Er gieng mit Spanschem Schritt den Vorhof auf und nieder,
Er hob sein glänzend Haupt, und dehnte seine Glieder
Bey starkem Schnauben aus. Die Brust war aufgebleht,
Und sein geschlanker Hals so hoch hinauf gedreht,
Daß man in Sorgen stand, sie würde durch das Zwingen,
In diesem Augenblick gleich bersten und zerspringen.
Sein Farbenreicher Schwanz, der recht von Spiegeln strotzt,
Worauf dies stolze Thier vor andern Vögeln trotzt,
War prächtig ausgedehnt, so, daß man meynen sollte
Daß er den ganzen Hoff damit umspannen wollte.
Der Hochmuth blies ihm ein, und bracht ihn auf den Wahn,
Als ob, so viel man auch Geflügel zehlen kann,
Ihm doch kein einiges an Glanz und Zierde gleichte,
Noch seiner Trefflichkeit im Putz das Wasser reichte.
Wie? sprach er zu sich selbst: hat mich alleine nur
Das günstige Geschick, die Vorsicht der Natur,
Im ganzen Vogelheer verherrlicht und geschmücket,
[335]
Und mir im bunten Pracht den Vorzug eingedrücket?
Des Himmels Farbe selbst, die doch ein jeder preist,
Wird durch mein Blau beschämt, weil es was schöners weist.
Wen reizt nicht meine Tracht, mein kostbares Gefieder?
Es schlägt der Prinzen Staat, der Fürsten Mantel nieder.
So viel das Alterthum am Argus Augen sah,
So kommen selbige doch nicht den meinen nah,
Wie manchem würd es nicht bey gröster Mühe fehlen
Wenn er sie alle wollte nach ihrer Ordnung zehlen?
Die Lerche sahe dies nicht ohn Erstaunen an.
Die man in hoher Luft am besten hören kann,
Sie sang und spottete der grossen Pralereyen,
Die dieser Hoffartsgeist gewohnt war auszuschreyen,
Sie war voll Argerniß; drum ließ sie sich herab,
Und fertigte den Pfau mit diesen Worten ab:
Ey, sprach sie, magst du dich wohl vor den andern Thieren
Mit deinem bunten Kleid ohne alle Maske zieren?
Dies macht es gar nicht aus; fällt gleich dein Federstaat,
Den freylich die Natur schön abgewechselt hat,
Mit seinem Spiegelschein der Welt in das Gesichte,
So giebt dir dieser doch, mein Freund, gar kein Gewichte,
Vor denen die sie nicht so herrlich ausstaffiert.
Nichts gleichet deinem Putz den man von aussen spührt,
Allein hebt man ihn auf, sieht man an allen Ecken,
Ihn nichts als grobes Fleisch mit seinem Pracht bedecken.
Ja was? so hold das Glück dir in dem Ausputz war,
So häßlich stellt es dich in andern Dingen dar.
Wie furchtbar schallt es nicht, wenn man dich schreyen höret?
Da andrer Vögel Thon der Menschen Ohr bethöret.
Schau nur auf deinen Fuß, wie ungestallt ist der?
Warum sinkt dir der Muth, wenn einst von ohngefehr
Der Augen stolzer Blick will auf die Erde gehen?
Da fällt so gleich der Stolz: hier leget sich dein Blehen
[336]
Ich der ich gegen dich gar schlecht gekleidet bin,
Gäb vor dein Feyerkleid kein Federchen dahin,
So schlecht und arm es ist. Was hälf mir alles Prahlen,
Wenn ich in solchen schön und bunt gefärbten Schalen
Nichts anders stecken säh, als was dein Hoffartsgeist,
In deinem prächtigen und besten Rocke weist.
Warum? ich weis gewiß, bey Jungen und bey Alten
Wird in der Welt weit mehr von meiner Art gehalten,
Als man von deinem Schmuck und grossem Staatsrock hält,
Der nur dem Pöbel bloß stark ins Gesichte fällt.
Wenn ich mich in die Luft bey heitern Tagen schwinge,
Und mein gewöhnlich Lied bey munterm Tone singe,
So hört der Landmann mich vergnügt und freudig an,
Da dein Geplerre ihm weil ers nicht leiden kann,
Den Ohrenzwang erregt; wie hofft man nicht mit Schmerzen,
Ja oft mit Ungeduld und Sehnsucht vollem Herzen,
In Städten auf die Zeit, wenn mich die grüne Saat
Zum Essen feist gemacht, und fett gemästet hat?
Wer nur die Finger regt, der pflegt sie zu belecken,
So bald er nur uns sieht an schmalen Spießchen stecken,
Da man kaum einen findt der etwas aus dir macht.
O nähmen dieses doch diejenigen in Acht,
Die sich durch ihren Putz, so hoch er auch zu schätzen,
Den stolzen Pfauen gleich in Ansehn wollen setzen.
Stellt, Thoren, dieses Thier, das schön gezierte Thier,
Euch als ein Ebenbild von euch beständig für.
Ihr könnt durch solchen Schmuck die Augen nicht verkleistern,
Meynt unsre Herzen nicht durch Blendwerk zu bemeistern,
Das Kleid macht nicht den Mann; ihn zieret wohl der Rock,
Wofern er weise ist; doch wenn ein Klotz und Stock,
Das prächtigste Gewand zum Staat sich auserlesen,
So bleibt er darum doch was er zuvor gewesen.
[337]
Das allerschönste Kleid so reich bebrähmt es ist
Verkehrt die Dummheit nicht in Klugheit und in List.
Und wenn der stolze Tritt das Pflaster auch erschüttert,
So ist das Kleid doch wohl mit Haasenfell gefüttert.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Cantaten und Fabeln. 1. Fabel. 1. Fabel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B2E7-0