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Mel. 101.


1. Gebeugt, gezeugt, ist was du von uns foderst, denn alle gnade senkt so tief sie kan, und wenn du so in unserm herzen loderst, so zünd't die flam gewis auch andre an. Denn was wir selber wollen, das ists was wir nicht sollen, bey unserm tagewerk, die streiterkräfte kommen selbst gequollen, wenn du nur bleibst das ziel und augenmerk.

2. Drum laß uns das genau und wohl erwegen, uns, die du wilt zum dienst der seelen weihn, daß wir uns erst dir zu den füssen legen, und glauben, daß wir kleine staublein seyn. Die hüft mag sich verstauchen, das übrige verrauchen von unserm eignen trieb; da kanst du uns alsdann zu etwas brauchen, mach uns nur los von aller eignen lieb.

3. Die gnad, die hat gar viel zum niederbüken, die du uns thust, nachdem du uns gedingt, da werden wir gar oft in vielen stüken beschämt und klein, wenns denen eh gelingt, die man zu dir sol führen, da muß man öfters spüren, sie laufen uns noch für, und bringen durch dein algewaltigs rüren, geschwinder frucht und bleibender als wir.

4. Drum gib, o lieb! daß wir von herzen gerne uns vor die schlechtsten immer sehen an, es sey von [933] uns die selbe weise ferne, die einen schein der herschsucht haben kan. Nur blos aus liebesdringen laß uns vor andre ringen, die du uns anvertraut. Dann können wir zehn pfund für fünfe bringen, dann wird dir was durch unsre hand gebaut.

5. Nun hier sind wir als deine füß und hände, dadurch du nuz an andern schaffen wilt. So thu es dann, vollführe und vollende durch uns, was deine treue sehnsucht stillt. Wenn du damit zu ende, nim uns in deine hände, und mach uns selber rein. O daß es doch an unsern stirnen stände, daß wir ein lohn und sieg des lammes seyn.

6. Alsdann und wann wir in dem sinne stehen, so wird uns nichts zu schwer und nichts zur last, wir können frisch an unsre arbeit gehen, wir wissen, daß du uns berufen hast. Und wenn du eines segnest, ihm sonderlich begegnest mit deiner helferskraft, und auf sein feld mit gnadengüssen regnest, laß keines neidisch seyn in sich vergaft.

7. Dis ist die list, die unser feind gebrauchet, dadurch er manchen schaden angericht, wenn er damit die seelen angehauchet, daß ihnen das, was nicht durch sie geschicht, nicht so gegründet scheinet: Was weiter! man verneinet der andern streiter treu, so daß man wol noch recht zu haben meynet, als stünds gericht der fremden knechte frey.

8. Doch da du uns zu Einem zwek berufen, zu Einem werk, zu gleicher kron und tron, auch kräfte gibst nach graden und nach stufen, und die sind schon der treue gnadenlohn: So bind uns so zusammen, daß die vereinte flammen nie ohne zünden seyn. Weil alle zweig' aus einer wurzel stammen, so muß sich auch ein zweig des andern freun.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. Gedichte. Geistliche Lieder. 1012. Gebeugt, gezeugt, ist was du von uns foderst. 1012. Gebeugt, gezeugt, ist was du von uns foderst. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B3BE-8