[1712] [1734]1826.

Mel. Lamm und Haupt, etc.


1. Lamm und Blut, du höchstes gut! du bleibest wohl unser Schiboleth, unsre kraft und lebens-saft. Wird sonst was anders gleich geredt, klingts auch ziemlich gut und schön, bleibts uns doch ein leer getön, und ins herz kommt nichts hinein, das zur stärkung könte seyn.

2. Das ist wahr; ja auch [1734] so gar rauschet es vor den ohren hin; und noch mehr, das herz wird leer, wenn mans will nehmen in den sinn, wenn so etwas wird gelehrt, das nur den verstand vermehrt, und doch nichts als wissen macht, und ist voller wörter-pracht.

3. Sind wir gleich nicht wörter-reich und haben nur zwey wörtelein, drein sich faßt und alles paßt, was ganz allein kan selig seyn; bleiben wir doch herzlich gern bey dem ausgemachten kern, und begehren nimmer nicht einen andern unterricht.

4. Denn wir sind recht gerne blind in allem, was man nur wissen heißt und das herz empfindet schmerz bey allem, was nicht dahin weißt, wenn nicht alle rede wird durch und durch damit tingirt, und man setzt was neben hin; das erschrekt uns herz und sinn.

5. Sagt uns wer, daß unsre lehr zu bildlich und phantastisch sey; dann man müst das, was man wüst, vertheidgen können auch dabey, ob auch alles hätte grund', was bekennet unser mund, und ob man nicht gar zu viel mit empfindungs-worten spiel.

6. Kömmt uns das vor, als so was, wenn sich streit wieder wen erhebt, der da steht und lebt und geht, wie er beweisen will, daß er lebt; er wird voll verwundrung stehn, daß man fraget bey dem sehn, ja es fiele ihm wol ein; der fragt, muß nicht bey sich seyn.

7. Man muß sehn, was uns geschehn, seit dem das Lamm mit seinem blut die Gemein genommen ein, seit dem es unser einigs gut: denn wir leben durch den saft; er gibt uns zu allem kraft: käm nur einst die red in gang von dem gnaden überschwang.

8. Lieber tumm, als davon stumm von allen menschen angesehn: ach es weicht sich gar zu leicht, und insgemein pflegts zu gescheh'n, von der auf die andre seit, wenn so viel bedenklichkeit über worte wird gemacht und die kraft verliert sich sacht.

9. Würde mir geleget für, ich soll von beyden wehlen aus, wenn ich wüst, daß eins seyn müst, so wehlte ich mir dieses draus, lieber noch in phantasie stehn als in philosophie. Fühlen wird durch prüfung just; raisoniren bringt verlust.

10. JESUM sehn macht [1735] grund-ideen; man weiß gewiß, woran man gläubt; es ist nicht ein flatternd licht, das nicht beständig leucht und bleibt, und die blut-theologie ist gar keine phantasie; denn der mund deß, der nicht treugt, hat sie, wie sie ist, gezeugt.

11. Lob sey dir, Lamm! für und für vor diesen sel'gen unverstand; da man hat, dem unbeschadt, daß es den weisen nicht bekant: das war immer mein begehr, daß das herz den kopf bekehr, und es hat mir nichts gepaßt, was sich nicht darein gefaßt.

12. Wär es dann, (wies wol seyn kan) daß man nicht vest in etwas wär, so wird man auf grund alsdann durchs herz geführt ie mehr und mehr; es legitimiret sich an dem herzen lediglich, wenn man mit uns disputirt, und der grund gerüttelt wird.

13. Man erkennt das, was man nennt, erst wichtig und des dankens werth, wenn mans hat; man wird nicht satt, und die sehnsucht wird nur vermehrt; unser kopf und herz und mund wird erfüllt zu aller stund, ja kein augenblik geht hin, Lamm und blut ist mit im sinn.

14. Dabey bleibts, die zunge treibts, das herze gläubts und lebt darauf: Lamm! nur du! nu, schliesse zu, und laß nichts anders kommen auf. Du solst bleiben zwek und ziel; wüst ich sonsten noch so viel, und dein blut läg nicht zum grund, ließ ichs fahren gleich zur stund.

15. Blutigs Lamm! dein creuzes-stamm, nägel-narben und seiten-schrein, deine noth, angst, schmerz und tod bleibe die lehre der Creuz-Gemein, deines angesichtes schweiß mache unsre herzen heiß; deiner blut'gen wunden-saft bleibe unsre Gottes-kraft.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. Gedichte. Geistliche Lieder. 1826. Lamm und Blut, du höchstes gut!. 1826. Lamm und Blut, du höchstes gut!. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B3FD-7