Erdmuthe Dorothea von Zinzendorf
Geistliche Lieder

[46] 43.

1. Was wilt du doch, o Gott! noch mit mir machen? wie seltsam sieht es aus? wo will es noch hinaus? o wie verwirret gehen iezt die sachen!

2. Diß ist in der vernunft sehr schwer zu fassen, und geht ihr sauer ein, kan sich nicht finden drein, so ganz und gar sich dir zu überlassen.

3. Denn wie dus machst, kans ihr niemals gefallen: wenn sie was haben will, thust du das wiederspiel: so machst du es in deinen wegen allen.

4. Die einfalt nur allein kan ruhe geben; der will auch folgen ich, und so wird legen sich in mir, was reget sich zum wiederstreben.

5. Was bin ich doch, mein Gott! ich staub und erde! sieh mich nur einmahl an! daß ich nichts machen kan, wenn ich durch dich nicht angetrieben werde.

6. Ich will auch nichts, als was ich von dir höre, hie reden oder thun, und ganz auf dir beruhn: damit mich die vernunft ja nicht bethöre.

7. Verlasse mich nur nicht mein treuer schöpfer! denn ich bin gar zu schwach, vor mich ich nichts vermag: ich bin dein armer thon und du mein töpfer.

8. Mein Hirt, ich schlinge mich um deine Füsse; dein schäflein geht nicht fort. Ach sprich doch nur ein wort! daß ich nicht gar vor angst verschmachten müsse.

9. Verbirge dich doch nicht, du treue liebe! kehr dich iezt zu mir her! ich brauch es gar zu sehr, das rufe ich aus innern herzens-triebe.

10. Das was ich treuer Gott hier sorge nenne ist dis, damit ja nicht von mir etwas geschicht, was mich hernach von deiner liebe trenne.

11. Dis könnte ja so leicht und bald geschehen, daß in dem augenblik ich fiel in nez und strik, wenn ich vergäß auf deinen wink zu sehen.

12. Und dieses ist mein einger zwek und wille, daß nur allein dein aug, weil [46] ich zu sehn nicht taug, mich leite und an mir dein werk erfülle.

13. Mach nun, o GOTT mein herz gewiß und feste, damit dasjenige ich doch einmahl erseh, was vor mich sey zu thun das allerbeste.

14. Das, was von ewigkeit du hast beschlossen, nicht zugelaßner will, dem muß in aller still ich unterwerfen mich ganz unverdrossen.

15. Doch kanst du mir, mein Vater! nicht verdenken, daß ich besorget bin, damit sich nicht mein sinn auf dis, was nicht dein heilger will, mag lenken.

16. Es gilt mir nur allein um meine seele, ach! die doch nur bewahr; daß sie nicht in gefahr gerathe und des rechten wegs verfehle.

17. So hab ich dir ein wenig vorgetragen, das, worin ich iezt steh; nochmals um hülfe fleh, und glaub gewiß, du wirst mirs nicht versagen.

18. Wolan! ich lege mich in deine armen, als wie ein kleines kind, das sich gar wohl befindt, wenns auf dem schooß der mutter kan erwarmen.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. Gedichte. Geistliche Lieder. 43. Was wilt du doch, o Gott! noch mit mir machen. 43. Was wilt du doch, o Gott! noch mit mir machen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B409-3