2.

's ist ein Bestreben, herb und mühevoll,

Das brennende Wort zu halten in den Schranken,

Und in der Seele dunkler Urne Groll

Und Zorn zu häufen – selber den Gedanken

Zu einem Schatze machend, der nur dann

Mit kühnem Spruch gehoben werden kann,

Wenn Nacht und Schlaf und Schatten niedersanken.

Ich trug es nicht! –

Felicia Hemans,

Das Waldheiligtum

Guten Morgen!

Stand ich droben auf der Eifel Kämmen,
Als der Vollmond durch die Wolken brach;
Breit und blendend sah ich überschwemmen
Seine Lichter See und Kloster Laach.
Leiser Windhauch wehte durch die Tale,
Laub und Rohr umflüsterten den Strand,
Und der Flut entreckte sich die schmale,
Jene schmale, weiße Nonnenhand.
Anzuschaun wie eine Blum' von ferne,
Mit den Wellen flog sie auf und ab;
Rings gespiegelt schwamm das Heer der Sterne: –
Raffte sie's vom Himmel herab?
Winkt' und winkte mir sodann die reine!
Wie sich schüttelnd rauscht' empor der See;
Durch die Waldung huschten eigne Scheine;
Übern Kreuzweg sprang entsetzt das Reh.
War's die Hinde, die in ihren Tränen
Genoveven weiland sich gesellt?
Ach, mich faßte schmerzlichsüßes Sehnen
Nach der sel'gen alten Märchenwelt!
Und beinahe jenem bleichen Finger
Wär' gefolgt ich durch ihr offnes Tor;
Doch erwachend, mit mir selbst ein Ringer,
Rafft' ich stark und mutig mich empor!
See und Kloster, Türm' und Felsenspitzen,
Wald und Schlucht, wo Genoveva litt –
Einmal noch im Mondschein sah ich's blitzen,
Und dann wandt' ich herzhaft meinen Schritt!
[26] Eilte fort auf waldbewachsnen Wegen,
Drauf verwirrend noch der Mondschein lag;
Ging dem Morgen und dem Rhein entgegen,
Ging entgegen aus der Nacht dem Tag!
Ließ die Schatten dämmernder Gesichte
Jubelnd fahren für die Wirklichkeit! –
Sieh, und vor mir hell im Sonnenlichte
Zog der Rheinstrom, tief und grün und breit!
Zog der Rhein und rührte sich das Leben –
Ja, ins Leben riß mich dieser Strand!
Nicht erhob er, mir den Gruß zu geben,
Bleich und zitternd eine Totenhand!
Doch den Handschlag bot er mir, den treuen,
Eines Volkes frank und unverstellt,
Das – in Ehrfurcht, aber ohne Scheuen! –
Für sein Recht den Fuß beim Male hält!
O, der bannte, was von Spuk und Sorgen
Nächtlich noch auf meinem Herzen lag!
Meinem Volke sagt' ich: »Guten Morgen!« –
Einst, so Gott will, sag' ich: »Guten Tag!«
Guten Morgen denn! – Frei werd' ich stehen
Für das Volk und mit ihm in der Zeit!
Mit dem Volke soll der Dichter gehen –
Also les' ich meinen Schiller heut!

St. Goar, Januar 1844.

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TextGrid Repository (2012). Freiligrath, Ferdinand. Gedichte. Ein Glaubensbekenntnis. 2.. Guten Morgen!. Guten Morgen!. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B29B-4