2. Schönheit gebiert Hochmuht

1.
Filidor lag in dem Schatten/
wo der gelbe Pregel-fluß
durch Prutenens braune Matten
ziehet seinen leisen Guß/
da befielen ihn die Grillen
von der falschen Erotillen.
[43] 2.
Ihr/ ihr unbewohnten örter/
(sprach er) und du stiller Hain
wo die außgebrachten Wörter
meiner Brunst verschwiegen sein/
und die sachte Lufft der Westen
höret meiner Quaal gebrösten.
3.
Hier dürff ich mein Leid beweinen/
hier verräht mich niemand nicht/
wo den stummen Ufer-steinen
nur die Treue nicht gebricht:
soll/ was ich bißher verschlossen/
werden bey euch außgegossen.
4.
Erotill' hat mich verführet/
Erotille/ derer Zier
fast biß an die Wolken rühret.
War' ach! diß verborgen Ihr!
ô wie wollt' ich meinem Feuer
kommen so gewünscht zu Steuer!
5.
Nu ist sie es worden innen/
als sie in die Fluhten sach
so durch unsre Wiesen rinnen
da ward ihre Hoffart wach.
Seit der Zeit sie sich gesehen
darff ich nimmer zu ihr gehen.
6.
Daher hab' ich erst geweinet
daher fing mein Elend an
[44]
weil nechstdehm mir nimmer scheinet
was mir einig leuchten kan/
ihrer Blikke göldne Sternen
wehrt die Venus nachzulernen.
7.
Erst ist sie mir nachgerennet/
erst hieß sie mich stille stehn/
und da war ich nicht entbrennet/
hatt' auff Liebe nie gesehn/
Flegel/ Pflug/ Karst/ Rohr und Nezze
waren meine Lust und Schäzze.
8.
Eine Zytter geel gefärbet
bunte Seiten oben drauff
hat mir Daffnis angeerbet/
dar spielt' ich zuweilen auff/
wenn ich von der Arbeit müde
nachdacht einem Schäffer-Liede.
9.
O wie offt kahm sie geschlichen
auch wol mitten in der Nacht/
ist auch eher nicht gewichen
biß ich mich ins Stroh gemacht.
Da hat sie sich offt beklaget/
daß es so geschwinde taget.
10.
Ihre Lämmer gingen weiden
offtermals in meiner Trifft/
sie befräzten meine Heyden.
Diß war darauff angestifft/
so ichs ia nicht leiden wolte/
daß ich mit ihr reden solte.
[45] 11.
Denn so fragte sie bißweilen:
hastu nicht das böse Tiehr
heute morgen hören heulen?
bleibe diesen Tag bey mir
solt' es in die Heerde brechen/
wie könt' ich mich/ Schwache/ rächen.
12.
Noch geschahen tausend Renke
Doch/ ich ließ mich nirgend ein
biß ich einmahl bey der Tränke
macht ein weinig mich gemein.
ô ihr scharffen Nessel-küsse
ô daß ihr mir wart so süsse!
13.
Ja ihr milden Honigküsse!
Nu habt ihr nur Bitterkeit
statt der vorbeliebten Süsse
meinem Herzen eingestreut/
Nu ich euch nicht länger schmekke
seid ihr mir zur Dornen-hekke.
14.
Da entglommen meine Flammen
damit wars umb mich getahn:
Zwar/ dieweil wir noch beysammen
kehret' ich mich nirgends an/
aber da sie von mir flohe
und auff fremde Wiesen zohe:
15.
Götter weh! Indehme schwunden
Zunge/ Mund/ Bluht/ Farb' und Geist.
[46]
Eh er sich zu recht gefunden/
war der Sonnen Wagen meist
in der braunen See gekühlet
und die Räder abgespühlet.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Stieler, Kaspar. Gedichte. Die geharnschte Venus. Filidors Geharnschter Venus zweytes Zehen. 2. Schönheit gebiert Hochmuht. 2. Schönheit gebiert Hochmuht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1881-E