7. Auff ihren Morgen-schlaaff

1.
Rubellchen/ bistu noch nicht wach?
Verlaß die weichen Feder-dekken/
die so viel Göttligkeit verstekken.
Ich geh' allhier der Hoffnung nach/
ob ich dich möchte/ Mein Vergnügen/
an den Krystallen sehen liegen.
2.
Auroren göldnes Rosen-bluht/
dein Ebenbild der roten Wangen
ist allbereit vorbey gegangen/
Apollo blizzt in voller Gluht/
der Handwerksman hat schon verzehret/
was ihm zum Morgenbrodt gehöret.
3.
Rubellchen schläfft. Sie weiß es nicht/
daß ich im gehn hier klag' und reime.
Seyd ihr der Warheit/ Morgen-treume;
so stellt mich ihr iezt vor Gesicht'
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als wie ich um diß Fenster stehe
und sie an- zuerwachen -flehe.
4.
Ich schweer es/ Morfeus/ daß ich dich
wil mehr als alle Götter ehren:
wirstu Rubellchen so betöhren/
daß sie es gleube kräfftiglich
und nach dem Fenster möge rennen/
des Traumes Außgang zu erkennen.
5.
Was meint Ihr? wenn dann ungefehr
Ihr Busem offen möchte stehen/
und ich die Liljen könnte sehen:
Wer wäre glükklicher/ sagt/ wer?
könnt' ich den Vorteil so erlauschen/
ich wollte nicht mit Paris tauschen.
6.
Ja/ mich kanstu/ du Lügen Geist/
du Treumer/ wol durch sie betriegen:
Ich kan fast keine Nacht nicht liegen/
so wird sie zehnmahl mir geweist.
Erwach' ich in dem öden Schatten:
so möcht' ich mich zu tod' ermatten.
7.
Rubellchen/ du bist nicht verliebt/
sonst würdstu wol des Schlafs vergessen.
Wehn Amors Wüten hält besessen/
der ruhet so nicht/ unbetrübt.
Wach auff/ Rubellchen: soll ich gleuben/
daß du die meine wollest bleiben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Stieler, Kaspar. Gedichte. Die geharnschte Venus. Filidors Geharnschter Venus sechstes Zehen. 7. Auff ihren Morgen-schlaaff. 7. Auff ihren Morgen-schlaaff. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-18A5-D